JAHRES HEFTE
DES ÖSTERREICHISCHEN
ARCHÄOLOGISCHEN INSTITUTES
IN WIEN
BAND VI
MIT 8 TAl'KLN UND 178 IICXTFIGUREN
WIEN
AT,FRED HOLDER
K. V. K. HOK- UNI) UNlVEKSrrÄTS-liL'CHH.VNULEK
1903
Druck von Rudoif M. Rohrkr [N Brunn
THE J. PAUL GETTV CENTER LIBRARY
ÜBERSICHT DRS INII \I/IS
\v.
o.
o.
E. A. O. R. K. P.
F.
R.
W.
R.
G.
F.
H.
A.
AI. IM A.W Das Mädchen von Aiitium (TatVl VII)
BKNNDORF Stele im Musnim von Kandia (Tafel I)
r.I'.XXDORF, E. WEISS und A. Ki:iIM Z.ur Sal/.burt,--,T l'.runzescheibe mit .Sternbildei-n
BORM.VXX Zu DenkmälerepigTammen des füntten Jahrhunderts v. Chr.
V. IDOMASZEWSKI Die Familie des Augustus auf der Ära Pacis .
EGGER Gesichts vase aus Corneto
ENGELMANN Metallcaestus
HADACZEK Die Fibel des Odysseus, Helikes und Kalykes ....
HARTWIG Ein Terracottafries des Octavius mit Athleten- statuen (Tafel 11 und III)
HAUSER Disiecta membra neuattischer Reliefs (Tafel V und VI) . .
HERZOG Das Kind mit der Inichsg-ans (Tafel A^II)
KUBITSCHEK Die Aera von Eleutheropolis in Judäa
MÜNSTERBERG Bronzereliefs vom Limes (Tafel IV)
NIEMANN und O. BENNDORF Neues über Adamklissi
STUDNICZKA Altäre mit Grubenkammern . . .
.SWOBODA Zur griechischen Künstlerg-eschichte
WILHELM Inschrift aus Athen
Alkibiades häu.sliche Einriclitung
ZIXGERLE OhoT.'.'3:iy/i,;
Snitc
i86 I
32 241
57 66
54 108
16
79
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247
•23 200 10 236 I 22
REIRLA'IT
Spalte
O. BENNDORl-' Xaditräjje 87
A. GNIRS Altcrliimer in Pola und Umgebung g7
F. IIILLER V. GAERTRINGEN und A. SCHIFF Grabreliefs aus Andros 93
M. HOf:RNES Altertümer s'on Xcsactium 67
FR. V. V. HOEBACH Felsyräber in Halikarnass . • loi
Spalte
W. KUBITSCHEK Geograplüca 75
— Salonitanische Inschriften "'
— Nochmals die Aera von Eleutheropolis 9^
— Ein Miinzcnfund aus Südwestungarn 107
H. LIEBE Inschriften aus Dalmatien 85
E. MAASS Heliostempel in Athen 83
J. ORNSTEIN Ausgrabungen bei Szamosüjvär 109
C. PATSCH Miscellen 71
A. V. PREMERSTEIN und N. VULIC Antike Denkmäler in Serbien und Macedonien I
F. SCHAFFER Archäologische Beobachtungen auf einer Reise im östlichen Thrakien 63
F. WINTER Zu dem Silberrhylon von Tarent 61
Preisausschreiben 85
Fig. I Silbermünzen a) von Gortyn, b) von Paphos, c) des Antiochos I. von Syrien.
Stele im Museum von Kandia.
lafel I.
Es ist ein kostbares Anj^ebinde, das der junge kretische Staat an den Schätzen erhält, die ihm die Grabungen englischer und italienischer Forscher aus einer wunderbaren Vorperiode hellenischer Cultur zuführen, und ein Glück i.st es für unsere Studien, dalJ diese Schätze in (l(>r Obhut eines Mannes stehen, der in Opferwilligkeit seinen Beruf aufgab, um sich ihrrr Pflege ausschließlich zu widmen. Das von dem Arzte Herrn 1 )r J. C^hatzidakis, einem Bruder des athenischen Sprachforschers, geleitete Museum von Kandia überrascht hochgespannte Er- wartungen durch Einblicke in eine erstaunlich neue Welt. Doch nicht bloß aus Trümmerstätten der Sagenzeit, auch von solchen der griechischen und römischen Epoche fließen ihm jetzt, wie aus frisch eröffneten Quellen, namhafte Kunstfunde zu als Zeugnisse eines einstigen Reichtums, für den uns leider der Leitfaden eines Pausanias versagt ist. Vermehrt sich das Museum in der nämlichen Weise weiter und ist es erst einmal aus den Sälen einer türkischen Kaserne, die ihm notdürftige Unterkunft bot, in den stattlichen Neubau versetzt, der auf einer Land und Meer herrlich beherrschenden Stadthöhe zur Aufführung kommen soll, so wird es für die Insel in der Tat ein Denkmal ihrer politischen Wiedergeburt und ein stolzes Besitztum der griechischen Nation bezeichnen.
Eine der jüngsten Erwerbungen des Museums freue ich mich auf Tafel I zum ersten Male abgebildet') vorlegen zu können. Ein Bruchstück nur, aber von einem Werke des Perikleischen Zeitalters, den reizvollen Rest einer gelblich- weißen Marmorstele, der nach Herrn Chatzidakis Mitteilung aus dem Dorfe Achlada stammt. Dies Dorf ist nach der Karte T. A. B. Spratts-) dem antiken
') Nach einem für Wien hergestellten Gipsab- des Kopfes sind im Museum käuflich, auch, wie ich
gusse, da eine bei dem Photographen Marajannis höre, schon in Bonn und München vorhanden, in Kandia bestellte Photographie des Originals in 2) T. A. Spratt, Travels and researches in Crete
Heliogravüre nicht befriedigen wollte. Gipsabgüsse vol. I. Danach auf Heinrich Kieperts Karte der Jahreshefte des österr. archjiol. Institutes Bd. VI. I
O. BenndurI
Kap Dion der Nordküste benachbart und in Luftlinie etwa fünfzehn Kilometer westlich von der heutigen Stadt Kandia entfernt. Näher liegen auf Heinrich Kieperts neuester Karte die Küstenorte Kytaion und ApoUonia,^) kleinere Städte offenbar, von denen sichere Münzprägungen entweder noch ausstehen oder gänzlich fehlten. Ein in den Handschriften des Plinius überliefertes „oppidum in mediterraneo .... Dium", das man früher bei dem gleichnamigen Kap vermutete, beruht auf Textverderbnis, ^) daher Kiepert es von der Karte ausschloli. Da mir ein Kenner der Insel vor kurzem mitteilte, von einem leisen Zweifel gehört zu haben, ob die Stele überhaupt von Kreta stamme — für Kreta ist sie, wie erhellen wird, jedesfalls ge- schaffen — so wäre es doppelt erwünscht, über die Fundstelle Genaueres ermittelt zu sehen.'') In erster Betrachtung haben kundige Augen die Figur als stehend oder leicht angelehnt auf- gefaßt. Doch ist der Cylinder im Rücken des Jünglings nicht eine Säule, die ja weder lot- recht stände noch sich in tektonisch mög- licher Weise verjüngen würde, sondern ein deutlich charakterisierter Köcher. Er ist zwei- mal umreift und endet des Pfeilgefieders halber oben trichterförmig. Den Deckel bildet ein Lederlappen, der straff angezogen sich dem Trichterabschlusse anschmiegt, indem er den oberen Querreifen verdeckt und überschneidet; plastisch angedeutet ist er fast nur durch den inneren Contur, den ich anfänglich für einen
Fig. 2 Grabstele im Museum von Kandia.
Insel Candia, iSeitsclirift für allgemeine Erdkunde I Taf. VII.
^j Vgl. dagegen Wariani, Rendiconti della reale accademia dei Lincei, classe di scienze raorali, Serie V vol. III 1894 p. 183 ff. Auf der beigegebenen Localkarte lav. I ist Dion noch als Küstenort bei dem gleichnamigen Promontorium angesetzt, während es Heinrich Kiepert, Formae orbis antiqui Taf. XII mit Recht eliminierte. Kine aus der Stadt Kandia
stammende Münze mit der Aufschrilt [AjfoA, einem lorbeerbeUränzten Apollonkopfe und einer Prora mit AUrostolion weist neuerdings .Svoronos, 'Ecprji. äpx- 1889 rav. n, 4 a. 195 dem Küstenorte Apollonia Tcpöj ti) Kvcocaü) zu.
■*) Bursian, Geographie von Griechenland 11 563, 3 bemerkt, daß bei Plinius IV 59 für ,Dium Asium' ,Priansium' herzustellen ist.
^) [Auf Befragen hatte Herr Chatzidakis die Güte
Stele im Museum von Kandia
Rii3 hielt, und gewiß war er auch jjfefärbt, wog-eg-en das Trag'band lediglich gemalt zu denken ist. Diese Köcherform wiederholt sich sehr ähnlich oder gleich auf kretischen Münzen") und kretischen Reliefs') und wird daher die gebräuchliche (I(^r berühmten kretischen Bogenschützen gewesen sein (Fig. 2, 3). Nicht besser als eine angelehnte Stellung wäre vorstellbar, daü der Jüngling sich auf einen in die Achselhöhle gestemmten Stab stützte; denn von diesem Stabe müßte irgciul ein Rest noch sichtbar sein und ein Stab könnte keinem Bogenschützen
zukommen. Aber auch ein völliges Freistehen (was mit einem Knaben zur Seite an sich denkbar und mi'hrfach zu belegen wäre) ist ausgeschlossen, wenn der vorzüglichen Modellierung des Leibes nicht ein unbegreiflicher Fehler anhaften soll. Nahe der auf- steigenden Medianrinne, welche die Brusthälften scheidet, verläuft der Körpercontur mit einer leisen Einsenkung in der Mitte und einer unteren An- schwellung, die genau dem linken Brustmuskel ent- spricht. Er gehört also nicht dem Arme oder gar der Schulter an, sondern bezeichnet ein Profil der rechten Brust, jenseits dessen ihre Warze liegt; unterhalb geht er dann direct in den Rippenbogen über. Den Rippenrand hebt zwar die gleichzeitige und selbst die spätere Kunst noch oft mit be- sonderer Deutlichkeit hervor; allein so weit wie hier kann er doch nur bei einer sitzenden Figur ausladen.
nvPPiAE.nvPP lA '11/
Y PEPBA^^ANOS:MENEKAPTH^|l
f^ig- 3 Grabstele von Elyros,
Skizze von Fabricius, nach Museo
italiano III 748.
mir nachträglich folgendes mitzuteilen: „'0 -önoj, Stcou S'jpe9-»j y^ smx'jjip'.os ozy^Xrj |i£ tö öipatov iva- -fXu^pov -o'j VEaviou, i-ix^t- 'Vi X(up!ou 'Ax'-ada; -pfa Tixapta T^; lüpa; <:sp£itou. H 9-S3ij äxpcßwj, Ö7:ou eüpid-Yj TÖ ävifXu'^ov, xaXsJ-at aij|i£pov ä.-f £a IlsÄa- "fia ex Ttvos ö|i(Ovö|iou änxXijatätou e6piano(iivou dxs?." Nach Spratts Karte ist dies ein der Küste benach- barter Ort zwischen den Kiepcrtschen Ansätzen von Kytaion und Apollonia.]
') Svoronos, Numismatique de la Crcte pl. VII 24—27 (Knossos); XVI 15—20 (Gortyn); XXIV 1 — 7 (Phaistos); XXXII 25 (römisch). Vgl. auch 'E^vjli. äpy_. 1889 rav. 12, 24.
') Vgl. die Grabreliefs; i. Fig. 2 im Museum von Kandia, vielleicht von Knossos, Monumenti an- tichi pubblicati per cura della r. accademia dei Lincei
VI 198 n. 38; 2. Fig. 3 von Elyros, Museo italiano vol. III 748 n. 205 (nach Skizze von Fabricius): zwei sieh die Hand reichende Bogenschützen, die (als Stein- schleuderer?) zugleich einen Sack von der Schulter herabhängend tragen. Vgl. auf den Münzen von Eleuthernai die nacktstehenden ApoUontypen, die in der einen Hand einen Bogen halten, in der andern eine in der Größe stark variierende, immer vollrunde Kugel (sicher weder Gefäß noch Apfel nach Pick, Jahrbuch XIII 173, 128), Svoronos, Numismatique de la Crete pl. XI 5 — 28); 'Eif7]p, äpx- 1889 rav. II, 12. .■\uf einer Münze von Eleuthernai jagt Apollon mit einem Hund durch den Tannenwald, in der Linken den Bogen ohne Pfeile und Köcher), in der Rechten wieder die Steinkugel; so Imhoof-Blumer in den mit Otto Keller veröffentlichten Tier- und Pflanzenbildem
O. Benndorf
Dazu kommt, daß ein Sitzmotiv, das mit leicht angezog-enen Beinen voll- kommenen Spielraum bis zum Rande fände, sich durch die Maße der Stele ohnehin empfiehlt. Bis zur Giebelspitze, der ein Mittelakroter aufgedübelt war, hat das Fragment eine Höhe von 0-65", an der unteren Kante des Gesimses, das W. Wilberg am Gipsabgüsse in Fig. 4 aufnahm, eine Breite von 0-64™. ^'on da divergieren die Seitenränder des Schaftes um ein Geringes nach unten, wo seine Breite o"648™ beträgt. Dick ist die Platte am Giebel, der ein wenig vorspringt, o"i2'", am oberen Schaftende 07 ™, am untern o'S™; das Relief erhebt sich 0*03 " von dem ebenen Grunde. Für eine Standfigur ergäbe sich nun, wie ein mir vorliegender Ergänzungsversuch zeigt, bei etwa sieben, nach analogen Reliefs glaubhaften Kopflängen eine Schafthöhe von doppelter oberer Breite, während die Proportion bei den zahlreichen Giebelstelen, die sich an Abbildungen nachprüfen ließen, in der Regel beträchtlich geringer ist, ja sich öfters dem Quadrat nähert, so daß der Giebel nicht ungebührlich außer Verhältnis kommt.*) Die geringe Stärke der Platte aller- dings ist asl Argument schwerlich zu verwerten.
Nach Allem erschließt sich eine Composition, die neu und eigenartig an- mutet. Von der Gestalt gab sie nur den Kopf im Profil, nicht den Rumpf, dessen anatomische Form selten genau im Profil gesehen und plastisch selten so reproduziert wird. Aber der Rumpf näherte sich dem strengen Profil, während Profilfiguren sonst, besonders wenn sie sitzen, von der jenseitigen Körperhälfte mehr, meist beträchtlich mehr entwickeln. Wie man an der ungezählten Reihe attischer Reliefs bis zur Ermüdung wahrnimmt, pflegt sich der Leib in mehr oder weniger bedeutenden Schrägsichten zu verschieben oder zu verkürzen. In gelungener Durchbildung befriedigen diese Schrägsichten ästhetisch, sie erscheinen auch in der Regel natürlich, aber sie behalten selbst dann, wenn sie nicht mit hie und da begangenen Verstößen verbunden sind, kritisch betrachtet, etwas Gewolltes, Zwiespältiges, was sich vollkommen nur aus einer langen, eigentümlichen Tradition erklärt. Hängen sie doch im letzten Grunde zusammen mit einer in den Anfängen zeichnerischer Conception entstandenen Gewohnheit, den Rumpf einer Profilfigur
Fig. 4 Bekrönung der Stele Tafel I.
IX 18 S. 56, 18. Vgl. Krause, Hermes XXV 66. Eine orts und braucht nicht kretisch zu sein. Terracotta im Besitze Marianis, die dieser am letzt- ^) Ausnahmen: Conze, Grabreliefs Taf. XVIII;
genannten Orte unter n. 3q publiciert, hat anscheinend CXCIII. Fast doppelt so hoch ist der Schaft Taf.
eine andere Köcherform, ist aber unsicheren Fund- CCXLVI.
Stele im Museum von Kandia ^
seinem Erinnerunpfsbilde entsprechend in voller Vordersicht zu g-eben, einem imaginär gewaltsamen Schema der Gestalt also, das in fortgesetzter Vererbung die urtümliche Härte abstreifte und in immer möglichere Formen hineinwuchs, um sich schlieülicli zu ciiicm bedeutenden Kunstmittel der Darstellung zu ent- falten. Im Gegensätze» mm zu dieser lang und weit verbreiteten Typik, die aurli uns in beständigem Sehen selbstverständlich geworden ist, erhält man hier den Eindruck, als hätte ein die Natur suchender Künstler das Gewohnte bewußt auf ein feinstes Ma(3 eingeschränkt, um formelle Wahrheit zu erreichen. Ver- wandt ist in dieser Hinsicht der schöne, ganz in das Lesen einer Buchrolle ver- tiefte Jüngling der Stele von Grottaferrata, der nur seiner Beschäftigung gemäß sicli im Rückgrat anders hält, ein Werk, das ein Menschenalter jünger sein mag als die Stele von Kreta.
Auffällig berührt auch, daß eine Figur mit dem Köcher auf der Schulter sitzend dargestellt war; doch ist dies zweifellos durch Züge in den verlorenen Reliefteilen vermittelt gewesen. Ausgleichen mußte schon ein Natursitz, Felsen oder F.rdmal, der die \'orstellung ins Freie führte, wo der Schütze seine Kunst übt und in gelegentlicher Ruhe sich von Spiel oder Jagd erholen kann. Noch mehr natürlich, was nicht fehlen durfte, der zugehörige Bogen. Eine Action freilich mit dem Bogen, eine lebhaftere wenigstens, etwa ein Aufspannen der Sehne, macht die Haltung der Arme unmöglich. Indes genügt beispielsweise ein Blick auf die schönen Imhoofschen Münztafeln in Overbecks Kunstmythologie des Apollon (Fig. i). um wohl entsprechende Motive zu finden. So konnte die Linke, wie auf Münzen von Gort3'n, mit dem Bogen gegen den Felsen geführt sein oder den Bogen an einem Ende erfaßt gegen den Boden stützen, die Rechte frei auf dem Knie ruhen, ruhend oder etwas erhoben dem prüfenden Auge einen Pfeil vor- halten. Um eine Gottheit freilich kann es sich hier nicht handeln. Ein Votivrelief von solcher Größe wäre eine Seltenheit, Apollon kurzgelockt ein den Typus fälschendes Unicum. Auch weisen die Bogenschützen der vorerwähnten kretischen Reliefs (Fig. 2 und 3) bestimmt in die Gattung der Grabmale, in der sich die anmutig gedämpfte Trauer des Gesichts von selbst motiviert.
Schärfer und noch erfreulicher als sonst kommt als Hauptsache auf der Stele die menschliche Gestalt zur Geltung. Zum Teil liegt dies in dem fast unversehrten Zustande des Erhaltenen, ein Glücksfall, der unsere an Abbruch aller Art ge- wohnte Empfindung immer reizt, auch in einer höchst sorgfältigen und wirksamen Unterarbeitung der Gesichtslinie, entscheidend aber wie überall in dem Vortrage der tektonischen Fassung. Zwei linear scharfe Seitenkanten, ein simpler Gesims-
O. Benndort
Fig. 5 Kopf der Stele Xaf. I, nach Photographie vom Original.
streifen, ein schlichter Giebel mit anspruchs- losesten Aufsätzen, darin erschöpft sich der ganze Aufwand, um dem Reliefbilde einen Rahmen zu sichern, dessen Bescheidenheit für griechische Weise bezeichnend bleibt. Hier griffen nicht, wie heute so oft zum Leidwesen des Bildhauers, fremde Tech- nikerhände ein, um seine fertige Leistung nachträglich nach eigenem Gefallen zu zieren. Auf Bestellung mochte der Stein- metz die Grundform des Denkmals voll- endet, die Gliederungen abbozziert liefern ; die letzte Ausführung des tektonischen Bei- werks besorgten in bedeutenderen Fällen ohne Frage die griechischen Bildhauer selbst, und gerade die Fahrlässigkeiten, die dabei im Ausfalle von Linien und Winkeln
unterliefen, die resoluten Abkürzungen, die man sich an den Stilnormen constructiver Glieder erlaubte — Dinge, an denen orthodoxe Architekten des Altertums so ge- wißlich Ärgernis nahmen, wie sich heutige darüber verwundern können — zeigen, wie bewußt man vernachlässigte, mit welchem Rechte man kürzte, um den wesent- lichen Eindruck nicht zu schädigen und zu stören. Widerspruchslos fügte sich Alles dem alten Gesetze, nach dem die Fruchtgabe um so eigener prangt, je weniger das Gefäß die Blicke auf sich lenkt. Erst die Plastik der neueren Zeit hat den Rahmen aus seiner Dienerrolle befreit und zu einem Genossen des Bildwerkes erhoben. Mit einer wie unvergleichlich volleren Scala von Begleitformen hat die Sculptur der Renaissance das Problem der Darbietung behandelt, wie schöpferisch in schmückender Ausgestaltung von Säulen, Gebälken, Attiken und Giebeln ihr liebevolles Studium der Antike ausgebreitet, und wer möchte dem Rechte dieses Geschmackes zu nahe treten, der hundertfältig ein auf seine Weise Vollkommenes darstellt. Aber selbst vor der lieblichen Pracht, die das Quattrocento an Grabmälern und größeren Votiven entfaltet, wird man an- erkennen dürfen, daß mit dem zunehmenden Reichtum sich die Schwierigkeiten voller Harmonie vermehren, daß ein höherer Glanz des Ganzen nicht ohne Ab- minderung am Werte der capitalen Teile zu erzielen ist und daß die strengsten, naiv kürzesten Lösungen, die dem Bedürfnisse gesteigerter Sinne nicht mehr
Siele im Museum von K;m(ii:i
Kig. 6 Kopf des Idolino, nach Brunn-Bruckmann Taf. 277.
i I
Fig. 7 Kopf vom lykischen Sarkophage aus Sidon in Constantinopel.
genügen und sich dann unwiederbringlich verlieren, in ihrer Einfalt beneidens- wert bleiben.
Die Technik attischer Grabreliefs, soweit ich sie von Originalen kenne, ist durchwegs frischer, selbst an v^ornehmsten Stücken sorgloser im Einzelnen, bestimmt auf die Wirkung im Freien berechnet. Hier liegt dagegen, wenn man will, ein Cabinetsstück gleichmäßig zarter, fast überzarter Ausführung vor. Charakteristisch dafür ist, daß in bescheidenst eingravierten Strichelchen die Wimpern an den Lidern nachgetragen sind, ein Teil der Augenbraue ebenso, auch in leisestem Umriß der Augapfel bezeichnet ist, was Alles einst durch Malerei ersichtlicher war.") Im Charakter des Ganzen beglaubigen so intime Züge von Sorgfalt nicht nur das Eigenhändige der Arbeit, sondern verraten eine Art weiblichen Feingefühls, das man auch in g-ewissen Schwächen zu erkennen ver- meint. Der Kopf schließt sich, namentlich in der Anlage des vom Wirbel aus- gehenden Haares, dem statuarischen Typus der Idolinobronze an; aber mit der Übersetzung ins Relief und in den Marmor hat ihn ein innerlich verschiedenes
') Vgl. Wolters, Antike Denkmäler I 30 S. 16 Jünglingskopf auf der Akropolis, hei dem die Wim-
über die eingeritzten Vorzeichnungen für die Be- pern in feinen schwarzen Strichen dem Lidrande
malung des Auges an dem Typhonkopf aus Porös. aufgemalt sind (*Ecf>)|i. äpx- 1888 n. 2 0. 81 ff.). Brieflich erinnert er mich auch an den gelblockigen
8 O. Benndorf
Sehen gleichsam aus den Fugen seiner plastischen Geschlossenheit gelöst. Die seltsam matte Öffnung des Auges mochte gewollt und begründet sein, wenn das überaus häufige Motiv der Pfeilprüfung, i") das ich als möglich erwähnte, wirklich benutzt war. Störend aber bleibt eine Depression des Schädels und das an ge- neigten Köpfen öfters fehlerhaft sitzende Ohr,^^) dessen correcter Bau durch eine Verscheuerung der peripherischen Leiste gelitten hat. Doch die Gegenüberstellung in Fig. 5 und 6 sagt vieles mehr und alles besser. In gewissem Sinne bezeugt sie auch die Herkunft der Stele. Mögen sich die festen Stilunterscheidungen nach Schulen und Landschaften zu dem factischen Flusse der Production oft genug wie leere Gittergrenzen verhalten, hier wird eine innere Verwandtschaft mit ost- griechischer Eigenart sinnfällig. Es ist, als ob ein letzter Hauch von dem weichen Luftstrome des Orients, der das weite Gebiet ionischer Kunst beherrscht, auch dieses Gebilde umspielte. Wie an den ionischen Koren der Akropolis war seine plastische Form durch Farbenauftrag voller als sonst belebt, ja ergänzt und zu polychromer Lichtwirkung erhoben. Eine ähnlich fein abtönende Behandlung des Flachreliefs zeigen die Grabsteine der Philis von Thasos und des Jüngling-s von Pella.*^) Gleich stimmungsvoll sind die schönen Gestalten des lykischen Sarkophags von Sidon, welche neben entsprechenden Figuren des Parthenonfrieses zart bis zur Weichlichkeit erscheinen (vgl. Fig. 7).'^) Und wie deutlich schließen sich diesem ganzen Productionskreise, der sich zu fast allem Festländischen gegensätzlich verhält, die freien, malerisch empfundenen Typen der kretischen Münzprägung- an, in denen das Temperament der vordorischen Inselkunst, wie ein starkes mykeni- sches Erbteil in allen älteren Entwürfen der ionischen, verfeinert fortlebt. Ich sehe daher nichts, was der natürlichen Voraussetzung entgegenstünde, daß der in Kandia gefundene Grabstein, gleichviel aus welchem Marmor,^*) in Kreta selbst
'") Hartwig, Meisterschalen 121, 2 gab eine lehr- ") Über das Material der Stele enthalte ich
reiche Sammlung von Beispielen auf Vasen (seit mich eines Urteils. Angesehene Petrographen ver-
Epiktet), Münzen, Gemmen, Reliefs. sicherten mir, daß die Unterscheidung weißer Marmor-
") Vgl. die 1882 erschienene Abhandlung des Sorten derzeit wissenschaftlich sicherer Kriterien ent- Anatomen C. Langer, Über Form- und Lagever- behre und auf praktischer Kennerschaft beruhe, die hältnisse des Ohres im XII. Bande [Neue Folge nicht in Museen, nur in Steinbrüchen oder Werk- II. Band] der Mitteilungen der Anthropologischen statten, sich erwerben lasse und immer Täuschungen Gesellschaft in Wien. Auf S, lg des Separatabdrucks unterliege. Sehr beherzigenswert scheinen mir die ist bemerkt, daß am Hermes des Praxiteles „die Ohren für Archäologen bestimmten kritischen Erörterungen höber sitzen als gewöhnlich und als richtig ist". des Petrographen Henry S. Wasington, Amer. journ.
'*) Zusammengestellt von H. v. Brunn auf Tafel of arch. 1898 p. I — 18. Auch die Bemerkung von
232 des Bruckraannschen Verlagswerkes. A. Philippson, Beiträge zur Kenntnis der griechi-
'') Hamdy Bey-Th. Reinach, Necropole royale a sehen Inselwelt im Ergänzungsheft n. 134 zu Peter-
SidonT.XIV— XVII. Vgl. Winter, Arch. Anz. IX 23. manns Mitteilungen (Gotha 1901) S. I45, daß am
Stele im Museum von Kandia
gearbeitet war. Jedesfalls fällt er in die Zeit, in der Kreta wieder mit Kün.stlern hervortritt und der Kydonier Kresilas in Athen das Porträt des Perikles schuf, dessen Nachbildungen vor Kurzem die eingehendste Würdigung erfuhren.''')
Auf meine Bitte hatte der Professor der Wiener Akademie der bildenden Künste, Herr Augfust Eisen- menger, die Güte, in einer Ergänzungsskizze (Fig. 8) zu zeigen, wie leicht eine sitzende Figur in die Ver- hältnisse der Stele paßt.
Ich brauche nicht ausdrücklich hervorzuheben, daß sie nur dies zeigen, nicht für eine Reconstruction gelten will. Wie ein Blick auf die Münzen Fig. i a—c lehrt, würden auch andere Bewegungen, der Beine sich dem gegebenen Räume einfügen. Selbst an das seltene Motiv mit eingezogenen beiden Unter- schenkeln, das kürzlich Arndt ^^) behandelte, würde sich denken lassen, da es zuweilen gerade bei Figuren, die auf Felsen sitzen, verwandt worden ist. Den Pfeil würde man sich, wie das Tragband der Köchers, lediglich gemalt denken dürfen. Auch versteht sich wohl von selbst, daß der Simsstreifen und die Giebelaufsätze farbige Ornamente trugen, wovon ich indes am Originale nichts wahrnahm. Einen illustrierten Katalog aller im Museum von Kandia vorhandenen Marmorsculpturen hat L. Savignoni seit längerer Zeit vorbereitet. Einzelne Stücke sind in letzter Zeit von ihm/') von F. Halbherr,^*) L. Mariani '*) und W. Altmann ^*') veröffentlicht worden. Zwei späte Künstlerinschriften nennen einen Parier Athenaios und einen Athener Eisidotos.
Wien, Januar 1903. OTTO BENNDORF.
Fig. 8 Ergänzungsskizze
der Stele Tafel I, gezeichnet von
Professor A. Eisenmenger.
Nordabhange des Pentelikon neuerdings eine dem Lychnites aulierordentlich ähnliche Marmorschicht aufgefunden worden sei, „ein Fund, durch den über- haupt die strenge Unterscheidung von pentelischcm und , Inselmarmor' einen starken Stoß erhalten hat". Daß in Zeiten lebhaft entwickelten Handelsverkehrs zur See der Ursprung einer Marmorsorte nur sehr be- dingte Schlüsse auf den F.ntstehungsort einer Sculptur zulasse, bedarf keiner Erinnerung. Ob in Kreta antike Jahresbefte des osteir. archäol. Institutes Bd. VI.
Marmorbriiche existieren, gelang mir nicht zu ermitteln.
") R. Kekule von Stradonitz, Über ein Bildnis des Perikles in den königlichen Museen, Berlin I901.
") Arndt, Glyptothique Ny- Carlsberg pl. 37.
''') Savignoni, Rom. Mitth. 1890 S. 142 ff.
") F. Halbherr, American Journal 1897 p. 239 ff.
") L. Mariani, American Journal 1897 P ^^^ ^■
^") W. -Mtmann, Architektur und Ornamentik der antiken Sarkophage 39 ff.
lO
Inschrift aus Athen.
Das in Fig. 9 abgebildete Bruchstück einer Stele pentelischen Marmors, o'i25™ breit, o'io'" hoch, o'io"' dick, allseits gebrochen, ist im Jahre 1891 für die archäologische Gesellschaft von einem Erdarbeiter, der es in Athen in dem Viertel IlXaxa gefunden hatte, erworben worden und nun in der Inschriftensamm- lung des Nationalmuseums aufbewahrt.
Die Inschrift ist augenscheinlich ein Bruchstück des auf der Akropolis aufgestellten Exemplares des soge- nannten eleusinischen Psephisma CIA IV I p. 59, 26 b; Dittenberger, Syl- loge^ 20; Michel, Recueil d'inscriptions grecques 71. Daß diese Urkunde auf zwei Stelen eingezeichnet und in dem Heiligtume zu Eleusis und auf der Akro- polis aufgestellt werden solle, ordnet der Antrag Lampons ausdrücklich an Z. 48 f. T«? 0£ )(auvypacpä5 xaö ib f\iai- cpia|J,a ToSe dvaypacpaaio ho ypa[xp.aT£ije ho Ts; ßoXeg ev Gxe),acv ouoöv Xt&t'vaiv xac xaxad-exo xiv [i£v 'EXeucrvt ev x5c htepöt, x£v 0£ h£X£pav i[i. toXei. Auf Grund der Z. 15 bis 22 des vollständig erhaltenen Exemplars lese und ergänze ich mit willkürlicher Abteilung der Zeilen lediglich leichterer Rechnung wegen, als hätte das Stück zur Linken Rand, wie auf Seite 1 1 folgt.
Diese Ergänzungen ergeben indes nicht für alle Zeilen die gleiche Stellen- zahl. Die 'der zweiten, dritten und vierten Zeile lehren, dai3 die Zeile auf fünfzig Buchstaben berechnet war. Genau soviel Stellen zählen die Zeilen des eleusini- schen Exemplars. Die beiden Steine stimmen aber nicht nur in dieser Äußer- lichkeit überein. Die Buchstaben beider Inschriften zeigen dieselbe Gestalt, die- selbe Größe, denselben Abstand; also ist den Zeilen dieselbe Länge eigen, und da auch ihre Entfernung dieselbe ist, bedecken beide Inschriften denselben Flächen- raum. Also sind auch für die ganzen Stelen dieselben Abmessungen vorauszu- setzen; ein minimaler Unterschied in der Dicke, o'og5 "" bei der Stele aus Eleusis, gegenüber o'io"' bei dem Bruchstücke von der Akropolis, kommt nicht in Be-
Fig. 9 Bruchstück einer Stele aus Marmor.
Inschrift aus Atlien II
tracht. Wie die vuUstäiidig' erhaltene Stele von Eleusis wird also die Stele von der Akropolis bei einer Dicke von etwa fünf Daktylen eine Höhe von i'33'°, gleich vier griechischen Fuß, eine Breite von o'4g"' gleich einer griechischen Elle besessen haben. Es ist ganz natürlich, daü ansehnliche Inschriftdenkmäler be- stimmte niiuU' Maße aufweisen und dieselben Maße auch bei verschiedenen Steinen wiederkehren. Die vStele IV i p. 66, 53 a, welche die Urkunde über die Ver- pachtung des Heiligtums des Ivotlros und des Neleus und der liasile trägt, ist drei Ellen hoch, zwei Fuß breit, zehn Daktylen dick. Die Stele mit der berühmten
Verlustliste CIA T:ä? OB uoXe? ifXoyiac heXeaO- IV i p. 108, 446 a at t]5 xapTiö [xaS-oxi äv ooxli auxsat äptaxa d xapTtög iflzfiat- ist fünf griechi-
aS-jaf l7t£i5a[v ok ifXsy^^-li, dTiOTCsii^cjaviov 'Aö-eva^s- xö? 0^ ol-cx-^- sehe Fuß hoch, 6]vxa$ 7iapa5i[5öva'. xocj luepo-oior? xot; 'EX£ua^v6l^£v 'EXeu- eine Elle breit,
5 atvaSe* säv 5^ |x[c -apxSsxaovxao -evxe £[i£pöv £-£tSav inayfe- einen halben Fuß
X]et, 7iapa5cS6v[xov xöv £/. xl; nöXzoc. h6i)'£v av t. 0 xapTiö?, e6^- dick. Genau so
uvEa^ov hol hi[£poTcotoE yiXiaiGW 0(/ar/y.lQi h£xaaxog- xat Kocpa. groß wie die bei-
xöv 5£(ji(zpxo[v xaxa xaüxa :iapa5£X£a9-af X£piixa5 5^ h£Xo[i.ev£ h- den Stelen aus
[e ^oXk 7i£|x:p!jaxo xxX.] Eleusis und aus
Athen war eine Stele, deren Anfertigung die von Th. HomoUe, Bull, de corr. hell. 1890 p. 463, 8 angeführte Inschrift aus Delos, aus dem Jahre 297 v. Chr., anordnet: 7:otyja]ax(j) ok xa: ax[T,Ay;V xf;t a\jf{pa.]:ffii xal ävaypdtl^a? a[vafl-£Xü)] £[5 xi kpiv o5 äv ol Iraaxdxat xeXeüwo'.v EGxat S£ [rj] a[xT^Xrj [xijxos] XExpdTioug, 7iXdx[os xp]ir;[it7x65co;, ndyoi Tievxe SaxxuXwv. Die Anfertigung solcher Stelen erfolgte auf Grund einer Vorschrift seitens eines Architekten durch Vergebung seitens der zuständigen Behörde an einen Unternehmer: so verordnet der Beschluß der Lakedaimonier zu Ehren des Damion GDI 4430 Z. 13 6 Bk iyooTrip ^) iySöxw axdXav XcS-tvov dq äv iva- YpatfEJaa ä S£So|i£va ixpo^Evt'a ävax£{)-rja£xai eJj xö kpöv xäj '^iJ-dvo? xaxa suvypacpäv äv xa 'fpdi\iti 6 äpytxExxtüv; der Beschluß aus Rhodos IGIns. I i nach sicherer Er- gänzung : xö 8k <\iii^'.a\ioi. xöSe dvaypdtJ^avxEg xoi äaxuvö|iC/t EaxdXav Ät&ivav O-evxw <ipö xäv ö-upäv xcO . . . . • xö Sl £pyov aj:ooöai)'WV ot rMAy,xod xaS-' de xa 6 äpxtxExxwv ouyYp«- tjjrjt; eben.so der Vertrag der Rhodier mit den Hierapytniern Cauer" 181 Z. 97; zwei Beschlüsse aus Magnesia 93 a Z. 16 xEtpoxovfJaat 5i] ävSpa 8$ (lexa xoö äpxixe- xxovo? Kpaxivo'j dySwGEt xaxaax£udaa[i oxr^Är^v und 100 b 23-) (Sylloge - 552). Daß
') Vgl. Br. Keil, Atli. Mittli. 1895 S. 25'. <iva-f[pa<f)7)j dv]8pij 8j ^8u)08i |iexä xoO dpxtxsxtovoj
') Hier liest O. Kern: x^ipo-zorq^ivioi ijd xfn xopll')«««' ['^^ -yivöliisvov 8a7iavTi(ia X"pii' ■"!{ *^"-
12 A. Wilhelm
solche Vorschriften selbst die Größe der Buchstaben bestimmt haben, lehrt die
von Th. Homolle, Bull, de corr. hell. 1890 p. 467 veröffentlichte Inschrift aus Delos,
vermutlich zu ergänzen :
TYjv 8[k auyypacpYjv 01 \i.i(jd-(OGÖL\iLtwi
ävaypatjjJavTtDV dq atVjXYjv [Xc^ivr^v jpd\i\ioiciiv [irj iXdz-
TOCTtJv SaxTuXcacwv xac a'n)[aävtü)v iv xwt tepöi oO av 6 <^PX'"
xex-cjwv oec'^r^t H^jvö? ra>,a^c(I)[vo5. Ol'Ss £ap.t&ü)aavTO ip-
yaaJaaS-at xata xrjv ouyypoc^firjv xxX.
und eine auf dem Untersatze eines {J-r/aaupo? angebrachte Inschrift des dritten
vorchristlichen Jahrhunderts aus Rhodos, die soeben H. Graeven nach Hiller von
Gaertringens Mitteilung Jahrbuch 1901 S. 162 f. abdruckt:
ap)(£a[& xä? xa-
xaaxeujäs xoö [T)-]rj[aaupoö
. . Ol S^ TiwXrjxai d7:o§6a[^(i)v xö epyov • Ävaypat];at
S]fe xö (J;<''<f^<^[J^<'' T^oSs [^s] 'c«[v |J.fav TiXeup&v xoö
{^Jr^aaupoö Ypa(i[iaxa [iyj £[Xaaaova 'i-/_ov Sa-
xJxuXcactüv xa&' a xa 6 ap)(tx£[xxwv ,
auyypatjiyji. Die Ergänzungen hat Hiller von Gaertringen gegeben; statt d7io56a[i)'wv auxöv habe ich nach IGIns. I i xö epyov geschrieben; statt aöxor? dürfte vor auyypa^'i'jt der Name des Architekten gestanden haben. Diese Inschrift ist übrigens ein neues Beispiel der Normalzeile (Jahreshefte III 166).
Es versteht sich, daß im Falle der Anfertigung zweier oder mehrerer Stelen für alle dieselbe Vorschrift galt, und mit der Ausführung der Arbeit derselbe Unternehmer betraut ward, sofern andere Rücksichten, z. B. bei großer Ent- fernung der Aufstellungsorte, dies nicht widerrieten. Ich zweifle nun nicht, daß die beiden Stelen des eleusinischen Psephisma tatsächlich derselben Werkstätte, ver- mutlich sogar derselben Hand zuzuteilen sind. Freilich wirken sie für den ersten Blick trotz aller Übereinstimmung in Formen und Maßen verschieden. Aber das Bruchstück von der Akropolis ist in erfreulichster Frische erhalten, die Stele von Eleusis hat dagegen durch Verwitterung so sehr gelitten, daß die Buchstaben
fpacp^S TÄv [ixav]xa)[v] i(x t)(öv ^[poaoJSuv tmv V deutlich TXINP'I » '"ni"EPnN'r''l' d. i.: tiöv
TÜi ^vsottöTt §vtaut(öt. Ich erkenne zu Ende der Z. 24 Jtpwxtüv Esp&v Ttpoaoäujv. Der Satz lautet demnach:
in hinlänglichen Resten X'^P''i"f'i^[^'i']Ta)[v; dann ist X''P''iT''l°'^'''^"''' "^^ fivojisvov 5a7iavy)|ia X^f' '^Vi *''""
nur für tö ftv6]|iievov Raum. In Z. 25 hat Kern -fpatf^s Ttov ^xaiii&v ix x(üv> mptoxtuv Espwv TipoaöScov
selbst Ti^Nr . . TI^IEP/INT"''! abgeschrieben, an xcöv sv z&i ivsoxüxi iviauxwt; die Wiederholung des
ein Versehen bei der Reinigung gedacht und ge- Wortes xmv verschuldete den Ausfall. Der Zusatz xööv
fragt: vielleicht ix xö)V Esptöv TipoadStuv? Ich sehe iv xäii ivsoxäjxi iviauxüi wird erst jetzt verstandlich.
Insclirift aus Athen I3
Überall, auch an den wcnijTfst beschädipften Stellen, tief auspfofressen und teil- weise durch Zerfall der Oberfläche gänzlich verschwunden sind. Solche Ver- schiedenheit der Erscheinung darf nicht befremden; immer wieder lehrt Beob- achtung an verschiedenen Teilen eines und desselben Denkmals, vollends aber an getrennten Bruchstücken, wie außerordentlich Oberfläche und Schrift durch die zufälligen Umstände der Krhaltung verändert werden. Darf also mit allem Grunde vermutet werden, daß beide Aufzeichnungen das Werk desselben Stein- metzen sind, so überrascht es umsomehr, sie keineswegs in allen Einzelheiten in Übereinstimmung zu finden. Ihre Verschiedenheiten macht nachstehender Abdruck des neuen Hruclistückes und eines Ausschnittes der eleusinischen Stele ersichtlich. AITOKAPPOKAO OAITOKAPPOKAOOTIA
^OAIEPEIAANA iOAlEPEIAANAEEAUE
ONTA^PAPAAIA ONTACPAPAAIAONAIT
ilNAAEEANAEM CINAAEEANAEMEPAPA
UEIPAPAAIAON AAAEUEIPAPAAIAONT
YNE^OONHOIHI YOYNOCGONHOIHIEPO
TONAEMAPXONK IPAPATONAEMAPXONK
Nur in der zweiten, dritten und vierten Zeile stehen auf beiden Steinen dieselben Ruchstaben untereinander, nicht so in den übrigen; die dem eleusini- schen Exemplare entnommenen Ergänzungen führen denn auch für die erste Zeile des Steines von der Akropolis auf nur 49 Stellen, auf 48 für die fünfte und 52 für die sechste. Die Sorgfalt, welche das einzig erhaltene Stück und das Bei- spiel des eleusinischen für die ganze Inschrift voraussetzen läßt, widerrät solche Ungleichmäßigkeit ausschließlich auf Verstöße gegen die axoi/rjoov-Ordnung oder auf andere Versehen des Steinmetzen zurückzuführen. An solchen fehlt es freilich in dem eleusinischen Exemplare nicht. Z. 42 und 54 ist einmal Iota, einmal Omi- kron zwischen anderen Buchstaben eingeklemmt. Z. 18 zu Ende sind vier Stellen jetzt durch Verwitterung unkenntlich, ohne daß der Zusammenhang zwischen TievTE £[i£pöv und iTietSav Ausfall eines Wortes anzunehmen erlaubte; vermutlich waren die vier letzten Buchstaben der Zeile am Anfange der nächsten irrig wiederholt worden und sind daher an der ersten Stelle getilgt. In der atheni- schen Ausfertigung folgten denn auch die Worte unmittelbar aufeinander. Ferner ist Z. 20 eine Stelle in der Zeile frei geblieben, Z. 46 und 57 je eine am Ende, Z. 58 ein verschriebener Buchstabe durch neun Punkte ersetzt. Verteilen sich alle diese Unregelmäßigkeiten auf 61 Zeilen, so ist es nicht wahr.scheinlich deren mehrere für den Stein von der Akropolis in nur 7 Zeilen anzunehmen. Vielmehr scheint
14 A. Wilhelm
der ganze Sachverhalt und eine besondere Beobachtung' die Erklärung zu em- pfehlen, daß beide Ausfertigungen, wenn auch notwendig auf eine und dieselbe amtliche Aufzeichnung zurückgehend, gleichzeitig nicht nur veranlaßt sondern auch entstanden, in allen Äußerlichkeiten übereinstimmend, sich dennoch nicht in allen Einzelheiten des Wortlautes und der Schreibung deckten. In der ersten Zeile wird auf der Stele der Akropolis vermutlich ho y.apTOi; statt ö xapuo? ge- standen haben, oder ein Ny zu xuxiai getreten sein. In der fünften können die zwei Stellen, die zu 50 fehlen, durch zwei aus Versehen doppelt gesetzte Buch- staben eingenommen oder auch zwei Stellen frei geblieben sein; das Wahrschein- lichste ist, daß statt hoS-sv av : honöd-zv ch geschrieben war. Leicht ist der Über- schuß von zwei Stellen in der nächsten Zeile beseitigt, sofern man nicht etwa zwei Iota zwischen andere Buchstaben einklemmen will : statt der älteren länge- ren Dativformen x'^t'ataiv §pax|j,lat werden die jüngeren kürzeren jOla.iq 5pay_(iar; einzusetzen sein. Zu diesen Varianten, die sich wenn auch nicht mit zweifelloser Sicherheit aufzeigen, so doch mit höchster Wahrscheinlichkeit erschließen lassen, kommt schließlich eine Abweichung im Formenbrauch, die ganz offenkundig ist: statt der älteren Bildung suO'uvoaO-wv,') die der Stein von Eleusis bietet, hat der von der Akropolis die jüngere : eüS-uveaS-wv. Wieder einmal stellt sich heraus, wie wenig den Alten selbst bei amtlichen Abschriften an jener peinlich genauen Über- einstimmung im unwesentlichen gelegen war, die moderne Kritiker, namentlich ein großer Epigraphiker, vorauszusetzen geneigt waren. Das vernichtende Urteil, das Kirchhofif seinerzeit über die handschriftliche Überlieferung unseres Thukydides ge- fällt hat, weil der Text des Vertrages V 47 mit den auf dem Steine IV i p. 14, 46 b erhaltenen Resten mehrfach nicht übereinstimmt, hat ruhigerer und billigerer Erwägung nicht standhalten können.*) Nun widerlegen es die Steine selbst. Wie G. Colin kürzlich Bull, de corr hell. 1900 p. 89 darlegte, zeigen die in Athen und Delphi aufgestellten Exemplare der Amphiktionenbeschlüsse zu Gunsten der dio- nysischen Techniten CIA II 551 ganz ähnliche Verschiedenheiten, und das kleine Bruchstück der athenischen Stele des eleusinischen Psephisma beweist, daß solche
') Noch immer fuhren Meisterhans-Schwyzer, berger, Sylloge^ 55 annehmen, seinem letzten Jahr- Grammatik 168'*°' als einzigen Beleg der Endung zehnte, sondern älterer Zeit angehört. — 6a9-(uv aus dem vierten Jahrhundert CIA II 92, *} Eine neue Erklärung für die Verschiedenheiten, wie sie angeben, aus dem Jahre 378 v. Chr. an, wie- deren Kritik zu weit führen würde, gibt soeben wohl längst erkannt ist, daß diese Urkunde, in der F. B(lass), Lit. Centralblatt 1902 .S. 1400: „Thuky- sich die Eidesformeln des Psephisma über Chalkis dides hat als Schüler des Thrasymachos, was er wiederholen, aus dem fünften Jahrhundert stammt. sehr wohl gewesen sein kann (direkt oder indirekt). Ich glaube zudem, der Schrift wegen, daß sie nicht stilisiert und die Rhythmen des Thrasymachos hinein- wie Foucart, Rev. arch. XXXIII 259 und W. Ditten- gebracht."
Inschrift aus Athen
'5
selbst in zwei von Staats wegen veranlaßten Veröffentlichungen, die vermutlich die Hand eines und desselben Steinmetzen besorgt hat, nicht fehlen.
In erfreulichster Frische erhalten zeigt das neue Bruchstück die schönsten P'ornKMi der ausgebildeten attischen Schrift der zweiten Hälfte des fünften Jahr- hunderts. Völlig frei von aller Altertümlichkeit würde sie auf einem Denkmal aus den Jahren nach dem dreißigjährigen Frieden auffällig und, soviel ich sehe, beispiel- los sein. Dagegen paßt sie vortrefflich zu dem jüngeren Ansätze des Beschlusses, den Alfred Körte, Ath. Mitth. 1896 S. 320, empfohlen hat; sei dieser nun, wie Körte wollte, in der Zeit nach dem Nikiasfrieden, etwa in dem Jahre 418 v. Chr., oder, wie L. Zielien, Rhein. Mus. LI 222 utul I'erichte des freien deutschen Hochstiftes 189g S. 212 unter Zustimmung H. von Trotts (Bursian Jahresbericht 102, 115) nachzu- wei.sen versucht hat, vor dem Frieden, durch den WaffenstilLstand veranlaßt, 423 V. Chr. zustande gekommen. J. H. Lipsius, der früher (Leipziger Studien III 207 ff.) für das Jahr 339/8 eingetreten war, setzt ihn nunmehr (Griechische Alterthümer 11 389) in die Zeit der Höhe der Macht Athens „vor Ausbruch des peloponne- sischen Krieges''. Unter den Schriftdenkmälern, die sich zum Vergleiche bieten, zeigt, nachstehend (Fig. 10) abgebildet, CIA I 260 aus dem Jahre 420 v. Chr. die größte Ähnlichkeit; freilich findet sich verwandte Schrift bereits auf älteren Steinen wie CIA I 32 (Sj^lloge^ 21); CIA I 179 (Sylloge- 26) aus dem Jahre 433/2 v. Chr.
Athen. ADOLF WILHELM
Fig. 10 Inschriftfragment in Athen (CIA 260).
i6
Fig. II Tonplatte in englischem Privatbesitz.
Ein Terracottafries des Octavius mit Athletenstatuen.
Tafel II und III.
Die drei auf unseren Tafeln II und III und in Fig. 1 1 abgebildeten Terracotta- reliefs*) der sogenannten Campanagattung mit Darstellungen von säulengetragenen Gebäuden, in denen menschliche Figuren, Hermen und Vasen stehen, wurden im Frühjahre 1902 in Rom gleichzeitig und, wie man mir versichert, auch an dem gleichen Orte, bei dem Baue eines Hauses im Nordosten der Stadt (horti Sallustiani) gefunden. Die eine mit einem Giebel bekrönte Platte auf Tafel II ist in vielen Exemplaren, die beiden anderen jedoch, soviel ich weiß, nur in je einem Exem- plare ans Tageslicht gekommen. Die unseren Abbildungen zu Grunde liegenden photographischen Aufnahmen ließ ich anfertigen, als sich die Platten noch im römischen Kunsthandel befanden. Das Original der auf Tafel II abgebildeten
') Vgl. Sitzungsberichte des römischen Instituts in den Rom. Mitth. Ig02 .S. 100.
Ein Terracoltalrics des Oclavius mil Athletenstaluen I 7
Giebelplatte ist jetzt in der kaiserlichen Sammlung zu Wien, die beiden anderen Platten (Taf. III und Fig. ii) sind in englischen Privatbesitz übergegangen.
Außer Zweifel steht, daß die Giebelplatte und die Platte auf unserer Tafel III eng zusammengehörten. Sie stimmen in den Höhenmaßen (von der ßodenlinie ohne den Falz, bis zum Rand des Daches o'22 '", bis zur Spitze der Palmetten 0"2Q3"') und in den Längenmaßen (o-4o'") genau überein. Sie zeigen ferner in der Remalung ein übereinstimmendes Prinzip und schließlich stehen sie, wie sich herausstellen wird, auch in einem innerlichen Zusammenhange. Wie häufig bei Campanarelief-Friesen, wechselten hier sehr wahrscheinlich die beiden Platten, die eine mit, die andere ohne Giebel, längs der Wände eines Raumes mit- einander ab. Üal3 auch die dritte Platte (Fig. ii) in dem gleichen Räume ange- bracht war, etwa so, daß zwischen je zwei Giebelplatten einmal die letztere, einmal die auf unserer Tafel 111 abgebildete Platte eingeschoben war, scheint mir nicht glaublich. So sehr auch die dritte Reliefplatte in ihrer Gesamt- erscheinung den beiden anderen ähnelt, weicht sie doch in den Maßen nicht unerheblich ab. .Sie mißt von der Bodenlinie bis zum Rande des Daches o'235"', bis zur Spitze der Palmetten 0-32 ". Die Länge der Platte, soweit sie erhalten ist, beträgt o'435 ". Es ist anzunehmen, daß sie in Wirklichkeit wenigstens o'45 '" lang war. Differenzen in den Maßen kommen auch, wie ich fest.stellen konnte, bei den verschiedenen Exemplaren der Giebelplatte vor, je nachdem dieselben im Brande sich mehr oder weniger zusammenzogen, aber sie sind nicht annähernd so groß wie bei dem dritten Relief. Ich halte es für ausgemacht, daß das dritte Relief nicht unmittelbar zu den beiden anderen Platten gehört. Es wird demnach gesondert zu betrachten sein.
Auf Tafel II sieht man die Fassade eines Gebäudes. Eine mit einem flachen Dache eingedeckte Säulenhalle wird in der Mitte von zwei größeren Säulen, die einen Giebel tragen, überragt. Am Dache sind Flach-, Deck- und Firstziegel angegeben. Über ihnen werden rechts und links je zwei halbkreisförmige Lünet- ten sichtbar, deren Zwickel Palmetten füllen : eine decorative Bekrönung, die sich nicht nur auf den beiden anderen hier veröffentlichten Platten, sondern auch sonst bei ähnlichen häufig wiederfindet.^) Um das Verhältnis des Giebels in der Mitte zu der fortlaufenden niederen Säulenhalle rechts und links festzusetzen müssen wir, wie ich glaube, unser Auge ganz besonders einstellen. Gemeint ist hier doch wohl eine im Centrum des Baues vorspringende Säulenhalle, die in Wirklichkeit von vier oder mehr Säulen getragen werden mußte, die aber der
') Campan.i, Opere plastiche Taf. 95: Agincourt, Recueil de fragm. de sculpt. am. pl. VII l; VIII 2. Jahrcsbefte des österr. archüol. Institutes Bd. V. 1
l8 p. Hartwig
Verfertiger des Reliefs, wohl oder übel, in einer Abbreviatur vorführt. Die Guirlande, welche sich von Capital zu Capital der beiden tragenden Säulen spannt, scheint meine Auffassung, daß es sich hier um das Vestibül eines Gebäudes handelt, zu unterstützen. Der niedere Säulenporticus setzt sich auf unserem zweiten Relief (Taf III) in gleichmäßiger Höhe fort. Die halbierten Säulen, welche wir am rechten und am linken Rande der Reliefs sehen, sowie die halben Palmetten oben schließen sich nun zu einem fortlaufenden Ganzen zusammen. Freilich sind die mittleren Säulen der Halle der zweiten Platte auch etwas höher als die zu beiden Seiten, aber sie durchbrechen nicht das Dach wie diejenigen, welche den Giebel tragen. Dem Künstler hat wohl auch dort die Idee eines Eingangs vorgeschwebt, der aber keine vorspringende Halle bildete. Wir sind natürlich weit davon entfernt, unsere Reliefs als Quelle für römische Architekturgeschichte verwenden zu wollen. Offenbar fließen hier sowohl im Aufbau des Ganzen wie in Einzelheiten Wahrheit und Dichtung eng zusammen. Für die Capitäle der geriefelten Säulen scheinen mir auch nicht sowohl wirk- liche architektonische Vorbilder vorzuliegen, sondern Werke der Kleinkunst. Etruskische Aschenkisten bieten uns für sie engere Parallelen (Rilievi delle Urne Etrusche II Taf. 67, 2; 107).
Das Giebelfeld der Platte i (ähnlich auf einer Terracottaplatte bei Campana, Opere plastiche Taf. 94) ist mit einem Reliefschmucke versehen, zwei einander zugewendeten, bärtigen und g-eflügelten Meerwesen mit einem Flossenkranze um die Hüften und Fischschwänzen. In den Händen halten sie ein schildartiges Rund empor. Ist hier ein wirklicher Schild gemeint, so könnte man an die Waffen des Achill denken. Jedesfalls sind aber diese Figuren rein decorativ. Sie schließen keine innere Beziehung zu dem Ganzen unseres Relieffrieses in sich. Merkwürdig ist, daß auch hier etruskische Aschenkisten und Sarkophage sowohl für die eigentümlichen geflügelten Meerwesen selbst, wie für die Compo- sition der zwei gegenständigen Figuren, die ein Rund halten, die nächsten Ana- logien darbieten.^)
Die fünf männlichen Figuren, welche wir zwischen den Säulen unseres Giebelreliefs sehen und auch diejenige, welche sich in der Mitte des zweiten Reliefs befindet, sind, wie die Basen beweisen, auf welchen sie stehen, zweifellos
') Micali, L' Italia Taf. 22 — 24; Martha, 1' Art Museums zu Volterra n. 58. 62. 66. 70 u. s. w.
Etrasquei67; Inghirami Mon. Etr. Taf. 44. — Häufig Figuren, welche ein Rund halten, ebenda n. 31. 34.
sind Seewesen mit Fischschwänzen, Flügeln und 162. 248 u. s. w. Flossenansatz um die Hüften auf Aschenkisten des
Kin Terracodafrics des Üclavius mit Athletenstatucn I9
Statuen, ja ich glaube, wir können noch etwas weiter gehen und sagen, es sind Bronzestatuen gemeint, denn frei und leicht, ohne Stützen und Tronke, erheben sie sich auf ihren Piedestalen. Über die Stelle, wo die Statuen der niederen Säulenporticus stehend zu denken sind, kann man im Zweifel sein. Entweder nehmen sie die Mitte der Intercolumnien ein oder aber man hat sich vorzustellen, dai3 sie im Innern des Gebäudes, an der Rückwand des Umgangs, aufgestellt sind und zwischen den Säulen hindurch gesehen werden. Die beiden größeren Figuren in der Mitte unserer Reliefs müssen wir uns hingegen sicher hinter den Säulen im freien Räume der Zugangshallen aufgestellt denken. Sie würden ja, im Intercolumnium stehend, den Eintritt in das Gebäude versperren.
Wir sehen auf Taf. II rechts von der Mittelfigur einen unbärtigen, nackten Jüngling, ruhig stehend, mit rechtem Standbein und linkem Spielbein. Sein Haupt ist über die linke Schulter herabgeneigt. In der Rechten hält er eine Strigilis. Die linke Hand macht sich ebenfalls mit derselben zu schaffen. Kein Zweifel, es ist hier der nämliche Typus eines das Schabeisen von Staub und Schweiß reinigenden Athleten wiedergegeben, den wir in der Statuette aus Frascati im Fine Arts- Museum zu Boston besitzen (Jahreshefte IV 152 f.). Wir müssen uns denken, daß der Jüngling den Daumen der durch die rechte Hand verdeckten linken durch die Rinne des Schabeisens gleiten läßt. Die Ansicht, in welcher die Statue von dem Verfertiger unseres Reliefs wiedergegeben ist, entspricht allerdings nicht genau einer der von mir (a. a. O.) veröffentlichten. Der Oberkörper des Epheben ist, mit Rücksicht auf die Reliefwirkung, mehr in das Profil gedreht. Hätte die Statuette aus Frascati uns nicht bereits die richtige Lösung gebracht, wie die Hände dieser in mehreren unvollständigen Exemplaren erhaltenen Athletenfigur beschäftigt waren, so würde das Campanarelief uns jetzt den Schlüssel dafür in die Hand geben. Kam es dafür zu spät an das Tageslicht, so kommt es viel- leicht noch früh genug, um bei der wichtigen Frage, wie die Hände der in Ephesos gefundenen großen Bronzestatue eines Apoxyomenos (abgeb. Ausstellung der Fundstücke aus Ephesos S. 2; vgl. Jahreshefte IV 156 f.) beschäftigt waren, ein Wort mitzusprechen. Bei der jetzigen Zusammensetzung der Arme aus einer großen Anzahl von Fragmenten kommt die rechte Hand der Figur so weit über die linke zu stehen, daß der Jüngling nicht die Strigilis ausgewischt haben kann, wie bei der Frascataner Statuette, sondern, daß eine Strigilis. die man ihm in die rechte Hand gibt, allenfalls die Oberfläche der linken Hand berühren würde. Es würde also eine andere Handlung sein als diejenige, welche durch die Statuette aus Frascati, durch eine Kleinbronze in Trier (abgeb. Bonner Jahrbücher Heft 103
3'
20 P. Hartwig
S. lo) und durch eine Anzahl geschnittener Steine (Jahreshefte IV 155) verbürgt ist und die wir schon in einer der Entstehung unseres statuarischen Typus voraus- liegenden Zeit aui attischen Vasenbildern vielfach nachweisen konnten.'') (Vgl. Fig. 12.) Daß die Apoxyomenosfigur auf unserem Campanarelief, die in allen wesentlichen Zügen mit dem Typus der ephesischen Statue übereinstimmt, wiederum deutlich das Motiv des Reini- gens der Striegel, nicht dasjenige des Striegeins der linken Handoberfläche, zeigt, macht aufs neue meine Bedenken gegen die jetzige Zusammenstellung der Arme an der ephesischen Bronzestatue rege.
Der Wert der Figur auf dem Campanarelief beruht aber, abgesehen von den eben erörterten Umständen, besonders darin, daß sie nicht eine Weiterverwendung, nicht ein Nachklang des in Frage stehenden statuarischen Typus ist, sondern, daß sie die Statue selbst wiedergeben will. Der Verfertiger unseres Reliefs oder aber seines Prototyps war sich sicher bewußt, daß er hier zwischen den Säulen einer Fassade einen bekannten statuarischen Typus aus altgriechischer Zeit dem Beschauer vor Augen stellte und wir fügen hinzu ein Werk, das alle Merk- male attischer Kunstweise aus dem Ende des fünften Jahr- hunderts an sich trägt, dem ruhig stehenden Discobol im Vatican und dem Münchner Ölausgießer nahe verwandt (vgl. Amelung, Antiken in Florenz 23).
Von diesem festen Standpunkte ausgehend, werden wir nun versucht sein, auch in den übrigen .Statuen unseres Campanareliefs bekannte statuarische Typen griechischer Kunst nachzuweisen. Für die rechts von unserem Apoxyomenos stehende Jünglingsfigur, die sich ähnlich auf anderen, dem unseren verwandten Campanafriesen findet, ist dieser Versuch denn auch bereits gemacht worden. Man hat, um mich kurz zu fassen, diese dem Diadumenos des Polyklet nahe stehende Gestalt die den einen Arm zum Haupte führt, für ein Werk dieses selben Meisters erklärt und schließlich auch versucht, sie mit einer beglaubigten polykletischen Statue, dem Knabensieger Kyniskos, in Verbindung zu bringen.-'*)
Fig. 12 Von einer
Hydria im kön.
Museum zu Berlin
n. 2178.
') Ein weiteres Beispiel eines die Striegel aus- wird man in dem .Antigonos' einen das Schabeisen
wischenden Athleten wird hier nach einer Hause, reinigenden Athleten erkennen müssen, ähnlich dem
die ich Robert Zahn verdanke, wiedergegeben (Fig. 12) Peleus auf dem Bologneser Krater (Jahreshefte IV 154
Berlin n. 2178, streng rotfig. Hydria. — Auch auf Fig. 178).
dem bekannten Relief mit Apoxyomenoi auf der ') Ersilia Caetani-Lovatelli, Nuova Miscellanea
Akropolis von Athen (abgeb. Annali 1862 Tav. M) X I3ff.; Furtwängler, Meisterwerke 45 3 ff. ; Collignon,
Ein Tcrracottafrics des Octavius mit Alliletcnstatuen 21
In diese gegenwärtig durch A. Mahler (Pulyklet und seine Schule 43 ff.) neu angeregte Controverse sich einzumischen, wäre hier nicht der rechte Ort. Wir halten uns nur an das, was wir tatsächlich auf unserem Relief vor uns sehen. Ein nackter Ephebe — kein Knabe — steht mit linkem Standbein und rechtem Spielbein vor uns. Das Haupt, nicht mit dicklockigem Haare, wie es scheinen könnte, sondern mit einem Kranze bedeckt, folgt der Richtung des Spielbeins. Die linke Hand ist gesenkt und stützt eine Palme auf den Boden neben der Basis auf. Die rechte Hand liegt an dem Haupte an, so daß ein Stück des Daumens sichtbar ist, die Spitzen der anderen vier Finger aber hinter dem Kopfe verschwinden. Bei keiner der Repliken einer ähnlich bewegten Statue polykletischen Charakters (sieh die Zusammenstellung bei Mahler, Polyklet 44 Anm. 3) ist die rechte Hand erhalten.^) Die Reconstructionen, welche Philios ('Ecprjii. dpx. 1890 a. 211) vorschlägt, ein sich Striegeln der Stirne, und Furt- wängler (Meisterwerke 459) ein sich Bekränzen und Heibig (Rendiconti dell' Accad. dei Lincei 18 Die. 1892 p. 790 f.) ein sich gegen die Sonne Schützen und endlich neuerdings Mahler (Polyklet 49) ein Speerschleudern, beruhen sämtlich auf mehr oder minder willkürlichen Vermutungen. Da sich der vorher besprochene Apo- xyomenos unseres Reliefs als ein zuverlässiges Dokument erwiesen hat, sind wir berechtigt, denselben Maßstab auch an diese zweite Athletenfigur zu legen. Die Statue, welche unser Relief wiedergeben will, kann nur entweder sich irgendwie mit dem Kranze, dessen Bänder über ihre Schultern fallen, zu schaffen gemacht haben, oder aber, sie legte die Hand als Attitüde des Ausruhens auf den Hinter- kopf, eine ja auch uns, besonders bei aufgestütztem Arme, noch heutzutage geläufige Geste. Wir werden dabei stehen bleiben, daß es einen polykletischen Statuentypus dieser Art gegeben haben wird, aber wir werden schon deshalb, weil die Figur keine knabenhaften Formen zeigt, an einen Zusammenhang mit dem .Kyniskos' nicht denken.
Auf der linken .Seite der Säulencolonnade unsseres Reliefs stehen zwei weitere .Statuen, welche untereinander eine gewisse Zusammengehörigkeit zeigen. Beide stellen ausgewachsene, bärtige Männer dar, deren ruhig herabhängende Unterarme mit .Schlagriemen umwickelt sind. Die Art, wie die Kämpfer einander gegenüberstehen, der eine mit zur Seite gesetztem rechten, der andere mit zur Seite
Hist. de la sculpture I 499; Bull, de corr. hell. iSSl Rom neu aulgestellter Torso trägt die Bezeichnung:
p. 05 ff.; .Mahler, Polyklet und seine Schule 49 ff.; „Atleta in alte di coronarsi. Kyniskos di Policleto?".
Amelung, Phil. Wochenschrift 1902 S. 274. Der Körperbau hat aber nichts an sich, was direct
') Ein vor kurzer Zeit im Thennenrauseum zu an Polyklet erinnert.
22 P. Hartwig
gesetztem linken Beine, in etwas nach hinten übergebeugter Stellung, die Köpfe wie herausfordernd einander zugewendet, könnte uns auf den Gedanken bringen, daß wir hier ein Pendant von Statuen vor uns haben, ähnlich wie die beiden jugendlichen Ringer aus Ercolano im Saale der Bronzen des Museo Nazionale zu Neapel. Die Gesamterscheinung unserer Faustkämpfer mit den relativ kleinen und anscheinend brutalen Köpfen wird jedermann an den sitzenden bronzenen Faustkämpfer des Thermenmuseums in Rom und an den Kopf des bärtigen Faustkämpfers aus Olympia erinnern. ') Diese Werke hat man dem Ende des vierten Jahrhunderts zugewiesen, dem sikyonisch-lysippischen Kunstkreise. Statuentypen dieser Zeit werden also höchstwahrscheinlich die Athleten auf unserem Tonrelief wiedergeben, wofür auch die lysippisch schwebende Stellung der Figuren spricht. Freilich bin ich nicht im stände, erhaltene Statuen in unserem Antikenvorrat nachzuweisen, welche als Prototype für die Figuren unserer Tonplatte gelten könnten. Aber die Möglichkeit, daß solche einmal ans Tageslicht kommen, ist ja immer vorhanden. Würden sie uns in einem fragmen- tarischen Zustande wiedergegeben, so würde unser Relief sich wiederum inso- fern nützlich erweisen, als es den Weg für die richtige Ergänzung der ver- lorengegangenen Teile zeigen würde.
In der Mitte des Reliefs endlich befindet sich, die Athletenstatuen zur Seite weit überragend, eine Statue, wir dürfen sagen, eine Colossalstatue des Herakles. Der Heros steht ruhig da, mit rechtem Standbein und linkem Spielbein. Sein bärtiges, mit einer Tänie geschmücktes Haupt ist, der Richtung des Standbeines folgend, etwas nach links gewendet. Mit der Rechten setzt er die Keule auf die Basis auf. Über den gesenkten linken Unterarm fällt die Löwenhaut herab, Arm und Hand verhüllend. Man wird vielleicht glauben, dies sei eine ganz allgemeine Fig^r, eine von vielen; aber wenn wir den Blick über die große Menge von Heraklesstatuen gleiten lassen, die jetzt in Reinachs Repertoire de la Statuaire vereinigt sind, finden wir, daß doch nur ein einziger statuarischer Herakles- typus mit unserer Figur Ähnlichkeit hat und dieser allerdings die denkbar größte. Es ist dies die schöne, überlebensgroße Statue im zwölften Compartimento des Museo Chiaramonti n. 294 (Fig. 13), welche aus einer römischen Thermenanlage in Oriolo Romano, unweit Bracciano, stammt.*) Man beachte, wie außer der allge- meinen Anlage der Figur besonders die Schichtung der Löwenhaut über dem.
') Collignon, Hist. de la sculpture 490 ff. hergestellt. Abgebildet auch bei Mahler, Polyklet
*) Unsere Abbildung ist nach einer von Herrn 145; Clarac pl. 791. 1985; Reinach, Repertoire I Prof. Petersen freundlichst überlassenen Photographie 467, 4.
Ein Terracottafries des Oclavius mit Atlilctcnstalucn
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linken Unterarme an der Statue und an dem Relief übereinstimmen. Hier wie da ist die Hand, ohne Attribute zu halten, unter dem Felle verborgen. Der Kopf der Löwenhaut erscheint an derselben Stelle, die Pranken hängen beidemal franz ähnlich herab. Der Kopf der Statue auf unserer Tonplatte erscheint allerdin);rs etwas massiger und größer als bei der vaticanischen Statue. Auch die T.inde ist eine Zutat, die wir bei jener Figur vermissen. Sie war indessen vielleicht dort einstens
aus Bronze hinzugefügt.
Die kunstgeschichtliche Stellung der Herakles aus Oriolo hat Furtwängler (Mei- sterwerke 597 Anm. i) zu bestimmen gesucht. Er fin- det in der Statue eine interes- sante Verschmelzung des Schemas des polykletischen
Doryphoros mit lysippi- scher Formengebung. Mahler stimmt ihm hierin bei (Poly- klet 146) und bemerkt rich- tig, daß vor allem der relativ kleine Kopf der Statue im Chiaramonti lysippisch an- mute bei sonstigem polykle- tischen Grundschema. Die Statue auf unserer Campana- platte hat nun aber, wie wir sahen, durchaus keinen kleinen Kupf. Sie dürfte demnach vielleicht das polykletische Prototyp treuer wiedergeben als der vati- canische Marmor.
Die Wahl der Heraklesstatue zwischen den vier Athletenstatuen unseres Campanareliefs ist keine willkürliche. Wo im Altertume Athleten waren, wurde ja auch Herakles geehrt, das Vorbild aller männlichen Kraftentfaltung, der Vor- stand der Ringschulen und der Begründer der großen griechischen Agone. „Pro- spetto d' una palestra atletica"* hat schon Campana in seinen ,Opere plastiche' ähnliche Terracottareliefs mit Säulenhallen, in denen Statuen, Hermen und Vasen stehen, benannt. Wir werden auch auf unserem Relief nichts anderes als eine solche erkennen. Der architektonische Aufbau des Gebäudes entspricht ja unge-
Fig. 13 Statue im Museo Chiaramonti.
Fig. 14 Mittelligur von Tafel II.
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fähr den ^'^orstellungen, welche wir aus den Ausgrabungen von antiken Palästren mit ihren Hallen und Höfen gewinnen (vgl. Furtwängler, Meisterwerke 6i8). Andererseits spricht aber die Auswahl der Statuen unter der Porticus dafür : ein Athletengott unter vier Athleten. Aber auch unsere zweite Platte fügt sich dem Sinne nach der ersten an. Es stehen hier zwischen den Säulen zwar keine Athletenstatuen, sondern große Gefäße, offenbar Bronzevasen, eine Amphora und eine Kanne, ferner zwei bärtige Hermen, aber die Mitte nimmt, dem Herakles auf der Giebelplatte an Größe gleich, eine jugendliche Hermesstatue ein, auch dem Sinne nach ein Gegenstück zu ihm, denn neben Herakles wurde allerorts Hermes in den Palästren gefeiert, der schnelle und gewandte, der „Ephebe unter den Epheben".
Der Gott steht mit etwas ausgebogener rechter Hüfte fest auf dem rechten Beine; das linke ist zur Seite, beziehentlich rückwärts gesetzt. In der Linken schultert er das Kerykeion. Die Chlamys fallt von der linken Schulter über den Oberarm herab. Die gesenkte rechte Hand hält einen Beutel.^) Das Haupt, ein wenig nach links, in der Richtung des Spielbeins, gewendet, ist mit einem Pe- tasos bedeckt. Dieser ist zum Teil und das Gesicht leider ganz verrieben, doch steht außer Zweifel, daß der Gott unbärtig war. Eine Tänie, welche den Petasos festhielt, fällt über die Schultern der Figur herab.
So sehr sich auch diese Gestalt als die Wiedergabe einer Statue, und zwar einer sehr schönen Statue durch ihre ganze Erscheinung darstellt, bin ich doch außer stände, eine Gestalt nachzuweisen, die in allen Theilen mit ihr überein- stimmt. Einige Ähnlichkeit hat der Hermes von Trozen im Nationalmuseum zu Athen (abgeb. Arndt-Amelung, Einzelankauf 633/4; Mahler, Polyklet 141). Auch dieser hat rechtes Stand- und linkes Spielbein und hat die Chlamys in ähnlicher Weise über der linken Schulter drapiert, jedoch ist der mit dem Petasos bedeckte Kopf nach der rechten Schulter gewendet und die Arme sind etwas anders be- wegt. Ähnlich steht es mit der schönen Kleinbronze des British Museum n. 825 (abgeb. Catalogue of the bronces pl. 24; Furtwängler, Meisterwerke 427). Diese stimmt im Standmotiv, in der Anordnung der Chlamys und in der Biegung der gesenkten rechten Hand, die ebenfalls einen Beutel hält, sehr treu mit der Figur unseres Reliefs überein, aber das unbedeckte Haupt ist auch dort nach der Richtung des Standbeines hingewendet und das Kerykeion in der Linken wird nicht geschultert, sondern vorgestreckt. Beide Figuren hat man mit Polyklet in
') Der Beutel ist allerdings bei dem Athleten- eng zum Wesen des Gottes, daß er den antiken gölte Hermes etwas merkwürdig. Er gehört aber so Menschen gewiß auch hier nicht auffällig war.
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Kin Terracottiifries des Octavius mit Alhlelcnstalucn 25
Beziehunpf j^esetzt. Einen Hermes aus polykletischem Kunstkreise dürfen wir also vielleicht als Vorbild für die Statue auf unserem Relief voraussetzen, wie wir als Vorbild für den Herakles ebenfalls eine Statue von dieses Meisters Hand oder aus dessen Schule gefunden haben. Daß die bärtigen Hermen rechts und links von der Statue des jugendlichen Hermes denselben Gott in einer älteren Bildung wiedergeben, ist zum mindesten sehr wahrscheinlich.
Die Giebelplattc mit dem Herakles kam bei den Au.sgrabungen zuerst zum Vorschein. Es lag nahe zu vermuten, daß, wenn eine Wechselplatte hinzukäme, dieselbe als Pendant zu dem Herakles den anderen Athletengott, Hermes, zeigen würde. Aber diese zweite Platte brachte eine Überraschung, an die niemand im voraus den- ken konnte, nämlich den Namen des Meisters unseres Frieses (Fig. 15). Ersteht auf der Basis der Hermesstatue: Octavi (scilicet opus). Die Buchstaben dieser Inschrift sind nicht, wie es bei den Ziegelstempeln die Regel ist, aus der Form herausgepreßt, sondern sie sind mit Fig- '5 Inschrift der Tonplatte
einem Griffel in den noch weichen Ton vor ^ "^
dem Brande eingedrückt Es ist darum nicht zwingend, daß jede Platte mit dem Hermes die Inschrift wiederholte. Der Zufall, der uns gerade diese zurückge- geben hat, wäre dann ein besonders glücklicher zu nennen.
Der Index von Meisternamen auf ("ampanareliefs ist ein sehr kleiner. Wir kennen die Namen Annia Arescusa, M. Antonius Epaphrus, C. Calpetanus Favor und dazu einige unsichere und fragmentierte (CIL XV i p. 487 n. 2538 ff.). Unter diesen befindet sich auch bereits der Name unseres Octavius (1. c. n. 2548). Er steht auf zwei Relieffragmentcn, welche einen Priester mit einem Opferstier dar- stellen, und zwar ist er dort mit aus der Form gepreßt, nicht w'ie bei unserem Athletenrelief mit dem Griffel eingedrückt. Das eine Fragment befand sich einst bei Josef Spithöver in Rom und wurde in dessen \'illa ebenfalls auf dem Grund und Boden der sallustianischen Gärten gefunden. Es ist zur Zeit verschollen. Das andere wird im kgl. Museum zu Kopenhagen aufbewahrt. Auf dem ersteren sind die Lettern AVI, auf dem zweiten CTA erhalten. Ferner ist es auch sehr wahr- scheinlich, daß unser Octavius derselbe figulus ist, dessen Namen wir auf einer Anzahl rc'unisclier Tonlampen antreffen (CIL XV 2 n. 6583).
Durcli den Fundort sowohl unserer neuen wie des Spithöver'schen Reliefs wird erwiesen, daß Octavius, in dem wir entweder den Verfertiger dieser Terracotten oder
Jahreshefte dos österr. archüi»!. Institutes Hd. VI. a
26 P. Hartwig
den Fabriksherrn erkennen müssen, für Bauten in den Gärten Sallusts Lieferungen machte. Nicht zu erweisen aber ist natürlich, daß er für den Sallustius selbst, also im Verlaufe des letzten Jahrhunderts v. Chr., tätig war. Die Gärten wurden ja später Besitztum der Kaiser. Auch aus der Form der Buchstaben wage ich nicht einen Schluß auf die Lebenszeit des Octavius zu ziehen. Daß derselbe ein Freigelassener des August war, ist immerhin möglich, aber freilich gab es viele römische Familien dieses Namens. Eventuell kann uns der Zufall in Zukunft noch eine Lösung dieser Fragen bringen. Es kommt nämlich vor, daß Namen, die sich auf Campanareliefs finden, als Stempel auf gewöhnlichen Bauziegeln wiederkehren. Kann man den Bau, zu dem die Ziegel gehören, chronologisch fixieren, so ist damit zugleich die Lebenszeit des betreffenden Fabrikanten festgestellt. Dieser Fall liegt bei dem oben genannten C. Calpetanus Favor vor. Sein Name steht auf Ziegeln trajanischer und hadrianischer Bauten (CIL XV i p. 4S7).
Wir wenden jetzt zunächst unsere Aufmerksamkeit einige Augenblicke dem dritten Relief (Fig. 11) zu. Dasselbe stellt ebenfalls eine Säulenhalle, wie die beiden anderen Platten, dar, bekrönt von den gleichen halbkreisförmigen Lünetten mit da- zwischen gesetzten Palmetten. Wie weit sich die Platte auf der linken Seite, wo sie ge- brochen ist, fortsetzte, läßt sich genau nicht sagen. Doch ist sehr wahrscheinlich, daß das Intercolumnium mit der menschlichen Figur die Mitte der Platte bildete. Wir hätten demnach links nur noch eine Halbsäule zu ergänzen. Die Säulen der hier dargestellten Colonnade haben fortlaufend alle die gleiche Höhe. Dem Meister mag hier die Langseite eines Gebäudes, nicht, wie bei den Reliefs i und 2, eine Fassade vorgeschwebt haben.
Gleich der Hermesplatte weist das dritte Relief auch nur eine menschliche Figur auf. Die zwei Intercolumnien rechts und links sind mit Hermen und Vasen gefüllt. Über denselben hängen auf der rechten Seite vom Architrave herab ein Amazonenschild und eine Patera, was auch sonst auf ähnlichen Darstellungen vorkommt (Campana, Opere plastiche Taf. 94 — 96 u. s. w.). Auf der verloren gegangenen linken Seite der Platte werden wir ebenfalls irgendwelche herabhän- gende Gegenstände hinzuzudenken haben. Abweichend von der Hermesplatte ist hier die Symmetrie in der Anordnung der Hermen und Vasen zwischen den Säulen aufgegeben, nicht gerade zum Vorteile der Composition. Die schlanken Hermen im ersten und vierten Intercolumnium von links scheinen Panshermen zu sein, wenn sich dies auch, da das Relief nicht sehr scharf ist, nicht sicher feststellen läßt. Interessanter als auf Platte 2 sind auf der dritten Platte die Vasen. Im er-sten Intercolumnium links steht ein Krater mit geriefeltem Culot
I'.in Terracoll:ifries des Octavius mil Athlctenstn(ucn 27
im vierten von links eine Amphora, deren Henkel als Greifenköpfe j,'-ubil(let sind. Der Bauch des Gefäßes war mit irgendwelchem Reliefschmuck versehen. Beide Gefä(3e stehen auf Untersätzen in Form einer sitzenden Sphinx mit aufgebogenen Flügeln. Diese Untersätze sowohl wie die Vasen, wirf! man ihrer technischen Be- handlung nach auch hier als Bronzewerke aufzufassen haben. Ihrem Sinne nach sind sie vielleicht nicht rein decorativer Schmuck, sondern wir haben in ihnen Preisvasen, von siegreichen Athleten geweiht, zu erkennen.
Die im mittelsten Intercolumnium stehende Figur stellt wiederum einen Athleten dar, und zwar einen jugendlichen. Das rechte Bein fest auf den Boden setzend, das linke in Schrittstellung nach sich ziehend, wendet der Ephebe sein Haupt nach links, in der Richtung des Spielbeins. Die gesenkten Arme sind, ähnlich wie bei den bärtigen Athleten des Giebelreliefs, mit Schlagriemen um- wunden. Der in unserer Abbildung zwischen der linken Hand und der Hüfte er- scheinende runde Gegenstand ist nicht etwa ein Discus, sondern ein Stück der weißen Engobe, welche die Unterlage für die Bemalung bildete. Die gesenkte rechte Hand des Jünglings hält eine nach oben sich verjüngende elastische Rute. Es wird wohl eine Palme sein sollen, ähnlich wie sie der Athlet im äußersten rechten Intercolumnium auf Relief i in der Hand hält. Merkwürdig ist freilich, daß die mit dem Schlagriemen umwickelte Hand die Palme fassen kann. Bei den mit den Riemen umwundenen Händen schauten ja nur die Spitzen der Finger aus der Umhüllung hervor, wie man sich durch einen Blick auf die Bronzestatue des Faustkämpfers im Thermenmuseum zu Rom überzeugen kann (Collignon, Histoire de la sculpture II fig. 257).
Die Figur des dritten Reliefs ist die am wenigsten glückliche unserer Statuenserie. Sie erscheint ziemlich plump und kurz. Deutlicher jedoch als bei irgend einer der anderen Statuen ist das Schrittschema der Figur zu erkennen. Daß dasselbe wiederum auf Polyklet und seine Schule weist, ist nicht zu ver- wundern, denn diese Meister waren ja Athletenbildner par excellence. Das statua- rische Vorbild für unsere Figur bleibt uns allerdings auch noch zu finden übrig.
Daß aber das dritte Athletenrelief bei der großen Ähnlichkeit mit den beiden zuvor besprochenen und bei dem gleichen Fundorte ebenfalls ein Werk des Octavius ist, kann man als sicher annehmen.
Das ungewöhnliche gegenständliche Interesse, welches die neugefundenen Octaviusreliefs darbieten, hat uns nocli nicht dazu kommen la,ssen, auf die Terra- cotten als solche einzugehen. Der Ton, aus welchem sie bestehen, ist nicht sehr fein geschlemmt, vielmehr bröcklig und nicht sehr reich mit Stücken von Puzzolan-
4^
28 P. Hartwig
erde durchsetzt. Die ganze Fläche der Reliefs war, wie auch sonst üblich, mit einer weißg-elben Kreideschicht überzogen, auf welcher die Bemalung aufsitzt. Letztere ist bei unseren beiden ersten Reliefs durchaus übereinstimmend, bei dem dritten wenigstens sehr ähnlich. Kleine Differenzen in der Bemalung kommen allerdings auch auf den verschiedenen Exemplaren des Giebelreliefs vor. So ist zum Beispiel der Raum zwischen der Guirlande und dem Giebelgeison auf einigen dunkelrot, auf anderen gelb gefärbt. Im großen und ganzen stellt sich die Be- malung der drei Reliefs folgendermaßen dar. Die Intercolumnien sind wechselnd blau und gelblich, und zwar so, daß die blaue Färbung rechts beginnt und nach links hin mit der gelben wechselt. Die -Säulen und Capitäle sind weiß, ebenso der Architrav der fortlaufenden Säulenhalle. Die darüber liegende Platte ist blau. Das Dach war weiß. Die halbrunden Lünetten sind wechselnd gelblich und braunrot bemalt. Die Palmetten sind wiederum weiß. Bei den Giebelplatten ist das Geison blau, die Einfassung des Giebeldreiecks gelb. Das Tympanon hat blauen Grund. Die Seedämonen sind gelb, ihre Haare dunkelrot, das Rund, welches sie halten, bisweilen ebenfalls dunkelrot, bisweilen jedoch, wie auf dem Wiener Exemplare, hell karmesinrot. Die Statuen und ihre Basen sind gelblich weiß, ebenso die Hermen und Vasen. Die Haare aller Statuen und einzelne Teile derselben, wie Keule und Löwenfell des Herakles auf Relief i und der Beutel des Hermes auf Relief 2 sind braunrot bemalt. '") Das dritte Relief schließt sich in der Färbung im allgemeinen den beiden anderen an. Auch hier sind blau und gelb die herrschenden Farben. Braun und rot accompagnieren nur. Die Bemalung unserer Reliefs als Ganzes ist etwas reichlich bunt und gTell, auch hat sie etwas Handwerksmäßiges. Feinere Details der Reliefs sind durch Engobe und Farbe vielfach überkleistert. Man kann sich derartige bunte decorative Reliefs eben nur im Zusammenhang mit lebhaft bemalten Wänden denken.
Der Falz, welchen alle drei Reliefs am unteren Rande zeigen, scheint darauf hinzudeuten, daß sie mit weiteren Terracottaplatten verbunden waren. So erklärt es sich vielleicht auch, daß diese relativ großen und schweren Platten keine Nagellöcher zur Befestigung- an die Wandfläche zeigen, sondern nur mit Mörtel,
'^'') Diese naturalistische Bemalung der Statuen sich seit kurzem eine Tonspiegelkapsel mit Figuren scheint unserer Auffassung, daß hier Bronzestatuen in Relief, eines jener bekannten Surrogate für bronzene gemeint sein sollen, zu widersprechen. Ich glaube Spiegel, die beim Gräbercult verwendet wurden. Ob- jedoch, daß der Arbeiter, welcher die Tonplatten wohl diese Kapsel zweifellos ein Bronzewerk wieder- bemalte, sich darüber kein Kopfzerbr.echen machte. geben soll, sind die Figuren ganz naturalistisch be- Ich kann übrigens dafür Parallelen von griechischen malt mit braunen Haaren, roten Lippen und farbigen Terracotten beibringen. Im Berliner Museum befindet Gewändern.
Ein Tcrracottafries des Oclavius mit Athletenslatuen 2y
der die ganze Rückseite der Reliefs (auch die Rückseite der (iiebel) bedeckt, angeklebt waren.
Auf die Frage, welcher Art das Gebäude gewesen sein mag, in welchem unsere Octaviusreliefs angebracht waren, ist, da dieselben nicht in systematischen Ausgrabungen, sondern zufällig auf einem Bauterrain gefunden wurden, eine Antwort durch den Spaten nicht zu erwarten. Da die Darstellungen aller drei Platten palästrisch sind, könnte man meinen, daß sie zum .Schmucke der Räume eines römischen Gymnasiums gedient hätten. Aber es kommt mir inner- lich nicht wahnscheinlich vor, daß man das Bild, welches das Gebäude und dessen Höfe selbst boten, im Innern desselben noch einmal als Decoration wiederholte. Zudem sind unsere Octaviusreliefs durchaus nicht etwa die einzigen ihrer Art. Derartige Hallen mit Athletenfiguren, Vasen und Hermen waren eines der gang- barsten , Muster' Campana'scher Terracottafriese, wie die Anmerkung des Näheren nachweist.'^) Ich habe in Rom Bruchstücke solcher Reliefs vielfach aus den Fundamenten antiker Gebäude ans Tageslicht kommen sehen, die sicher keine Palästren waren.
Die Octaviusreliefs haben ferner auch nur bedingt darauf Anspruch, als etwas völlig Neues zu gelten. Zwar nicht in derjenigen Erhaltung und Vollständig- keit, wie wir sie in unseren Abbildungen vor uns sehen, aber in Bruchstücken, die aus denselben Formen gepreßt sind, waren sie bereits vorhanden und sind auch zum Teil bemerkt und gewürdigt worden. Wir finden in einer älteren Publication, bei d'Agincourt, Recueil de fragments de sculpture antique, auf Tafel 8, 3 und auf Tafel 20, I ein Fragment von der rechten und eines von der linken Seite unseres ersten Reliefs mit dem Giebel. Wie öfters in Werken älterer Zeit sind die Bruch- stücke im Spiegelbild wiedergegeben. Auf dem ersteren ist der Apoxyomenos zwischen einer Halbsäule und einer Säule bis zu den Hüften erhalten. Die Striegel in der Hand ist jedoch nicht mehr sichtbar. Von der neben ihm stehenden Figur, welche die Hand zum Haujjte führt, ist nur ein Teil des Kopfes und der gebogene Arm übriggeblieben. Das zweite Fragment auf Tafel 20, i, dessen Zusammengehörigkeit mit dem eben genannten d'Agincourt nicht erkannt hat, zeigt den äußersten Athleten links mit den Faustriemen und von seinem Genossen
") Fünf mehr oder weniger zerstörte Tafeln be- Sammlungen des Louvre, des British Museum, des
finden sich in der Sammlung des Conservatorenpalastes Museum zu Brüssel, zu Berlin und andere haben
zu Rom, darunter einige von großer Feinheit und ebenfalls Bruchstücke ähnlicher Platten. Ein sehr gutes
Strenge der Figuren. Viele Fragmente ähnlicher Art Exemplar befindet sich im Besitze Prof. C. Neuraanns
werden im Thermenmuseum, und im Magazzino in Heidelberg. Vgl. dazu auch die bei Campana,
communale des Giardino botanico aufbewahrt. Die Opere plastiche Taf. 94 ff. publicierten Platten.
30 P. Hartwig
den einen herabhängenden Arm mit der Schulter sowie ebenfalls den größten Teil einer Säule und einer Halbsäule. '-) Ferner befindet sich im Berliner Museum ein Bruchstück mit dem oberen Teile des Apoxyomenos und ein anderes mit dem Oberkörper des einen bärtigen Athleten; letzterer steht allerdings in einer etwas anderen Umgebung. Im Münchner Antiquarium endlich sind zwei Fragmente, das eine mit dem Herakles der Giebelplatte, das andere mit dem Hermes der zweiten Platte. Auf der Basis dieser Figur sind auch hier Reste der IMeisterinschrift erkennbar (Fig. i6).
Zum Schlüsse erhebt sich noch die Frage, welchen Anteil der Verfertiger unseres Relieffrieses an dem Kunstwerke als solchen hat. Es ist bekannt, daß die Campanareliefs, ähnlich wie die Aretiner Töpferware oder auch wie die Marmorwerke der sogenannten neuattischen Schule zum allergrößten Teile Kunst- werke aus zweiter Hand sind. Die Vorbilder für diese Arbeiten liegen meist in der griechischen Kunst in vergangenen Jahrhunderten ausgebildet vor und werden eklektisch zusammengestellt, erweitert, beschnitten, vergrößert, verkleinert, kurz auf alle Art neuen Bedürfnissen angepaßt. Daß unser Meister die einzelnen Elemente seiner Composition fertig vorgefunden hat, scheint uns mit Rück- sicht auf die vielen ähnlichen erhaltenen Athletenreliefs sicher. Kleine Zutaten mögen von ihm selbst sein, ähnlich wie wir das bei der Aretiner Ware so häufig finden. So glaube ich, daß die Palme in der Hand des rechts auf dem Giebel- relief befindlichen letzten Athleten, die nicht auf die Basis auftrifft, ursprünglich nicht zu der Figur gehörte, ebensowenig wie diejenige in der Hand des Faust- kämpfers in der Mitte des dritten Reliefs. Auch in der Form der Säulencapitäle und in den Figxiren des Giebels glaubten wir ja Anklänge an italisch-etruskische Kunst, also, einen localen Einfluß zu verspüren. Ein Lob ist unserem Meister zu zollen für den Reichtum von Gestalten, die er in dem Hauptrelief mit dem Giebel entfaltet. Es hat ihn hier ein ähnliches künstlerisches Gefühl geleitet, wie den Meister eines der viel bewunderten Werke des Altertums, den Ver-
'^) Hauser hat in seinen Neuattischen Reliefs zanabasis ist größer als Hauser ahnen konnte, in-
S. 146 die Wichtigkeit dieser Fragmente richtig heraus- sofern auf beiden Monumenten die Figuren auf
gefühlt. Er stellt sie mit der bekannten Apoxyo- Piedestalen stehen, also als Statuen zu denken sind.
menoi-Basis auf der Akropolis von Athen (abgeb. Die eine der drei Figuren der Marmorbasis ist in
Annali 1862 tav. M), mit dem Relief bei Le Bas, der Tat eine Copie des Doryphoros des Polyklet,
Monum. figur^s Taf. 62, 2 und mit den Figuren wie ich aus mir vorliegenden Photographien des
einer neuattischen Marmorbasis, einst im Palazzo schönen Monuments sehe. Auch die beiden anderen
Lorenzana in Rom, jetzt im Fine Arts-Museum zu Figuren haben einen durchaus statuarischen Cha-
Boston, zusammen. Die Verwandschaft der Figuren rakter (Hermes, Meleager?). unserer Terracottareliefs mit denjenigen der Loren-
Ein Terracottafries des Octavius mit Athlctenslatucn
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fertiger des Sarkophags der ,Pleureuses' in Sidon. Sind auch dort lebende Wesen gemeint, die zwischen den Säulen lehnen, hier Statuen, so ist die Wirkung doch dieselbe: in der strengen Umrahmuiiv;' je zweier Säulen entwickeln jmenschliche Gestalten ein reizvolles Spiel bewegter Linien.
Doch genug. In dem Augenblicke, wo der Sammelband der Campana- terracotten, welchen v. Rohden im Auftrage des deutschen archäologischen In.stituts bearbeitet, der Herausgabe nahe ist, wären es »unzeitgemäße Betrachtungen', wenn wir, von unseren Octaviusreliefs ausgehend, uns in weitere diese interes- sante Monumentenclasse als Ganzes betreffende Fragen einlassen wollten.
Rom.
P. HARTWIG
Fig. 16 Tonplatte im Antiquarium zu München.
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Zur Salzburger Bronzescheibe mit Sternbildern.
Band V Tafel V. I.
Dem Director des Salzburger Museums, Herrn Conservator und kaiserlichem Rate Dr. Alexander Petter, danken wir, daß das auf Tafel V des vorigen Jahr- gangs veröffentlichte, von Ernst Maass erläuterte Bruchstück einer mit Stern- bildern verzierten Bronzescheibe noch einmal in Wien auf seinen technischen Zustand untersucht werden konnte, genauer als früher möglich war. Auch hatte bei dieser Gelegenheit der Director der Wiener Sternwarte, Herr Hofrat Professor Dr E. W^eiss, die Güte, den astronomischen Befund zu prüfen und Bemerkungen darüber zur Verfügung zu stellen, die sich den folgenden unten anschließen. Nach Niederschrift dieser beiden Nachträge überraschte und erfreute uns schließ- lich Herr Dr A. Rehm in München durch Mitteilung einer einschlägigen Unter- suchung, welche, obwohl nach der bloßen Abbildung gearbeitet, nicht nur vielfach die Beschreibung von E. Maass berichtigte und alles Astronomische klarlegte, sondern die Zweckbestimmung des Ganzen, die wir zwar vermuten mußten, doch nicht erklären konnten, mit überzeugendem Scharfsinne nachwies. Um Wieder- holungen zu vermeiden, war er so freundlich, auf die Drucklegung derjenigen Teile seines Manuscriptes zu verzichten, die schon Erkanntes betrafen.
ITber den Fund des merkwürdigen Stückes ist ein positives Zeugnis leider nicht zu erbringen. Nach Herrn Petters Mitteilungen wurde es dem Salzburger Museum im vorigen Jahre abgetreten von einem Salzburger Gürtler, der es von zwei unbekannten Arbeitern gekauft hatte, ohne nach der Provenienz zu fragen. Ein besonderer Anlaß zu Erkundigungen lag auch nicht vor, da das Stück mit einer starken und sehr festen Erd- und Kieskruste überzogen war, daher von Verzierungen nichts verriet, die erst in Wien bei einer in der Werkstatt des kaiserlichen Museums vorgenommenen Reinigung, die Herr Petter erbeten hatte und der Restaurator Herr Wilhelm Sturm jun. ausführte, zu tage traten. Nach dieser Entdeckung wurden zwar in Salzburg sofort, um Fundnachrichten zu er- halten, angelegentliche Nachforschungen angestellt, die jedoch zu keinem Resul- tate führten. Herr Petter ist aber überzeugt, daß das Stück vom Nordfuße des Kapuzinerberges stammt. Hier waren, unmittelbar vor dem jetzt nicht mehr be- stehenden Linzertore, im Jahre 1890 bei Abtragung- von Schutthalden des Berges römische Grabstätten mit einem Verbrennungsplatze zum Vorschein gekommen,') und auf eine Fortsetzung dieses Friedhofes stieß man in den Jahren i8g6 und
') Näheres über diesen Fund bieten die Mitteil. d. Central-Commission N. F. XVIII 73 ff.
Zur Salzburger Rronzcsclicibe mit Stcrnl)il<lcrn 33
1897 bei FuiulanKMiticruiiy-iMi, die in der \illie für den N'eubau von Häusern vor- genommen wurden. Auch hier ergaben sich wohlerhaltene, mit Knochenresten gc'füllte Urnen nebst alierliaiul lieigalicn, Mäschchen, eisernen Messerklingen und Xägfhi, einer grolJeu üronzetiliol mit ilurchlirochciiiT Platte und mehreren Uronzemünzen, \i»n denen nur eine Ivh'inere sich, als Vespasianisch, bestimmen lie(.i. Aus diesen letzteren Grabungen, die nicht genau überwacht werden konnten, sei die ßronzescheibe ohne Zweifel versclil(>[)pt worden und zur Veräußerung gekommen.
Die .Scheibe war gegossen und aut lieiden .Seiten niclit geschliffen, sondern mit eint^r l-'cile grob abgezogen, wovon noch vielfache Spuren, namentlich auf der Rückseite, \-orhaiulen sind. Das Bruchstück hat in der .Sehne eine Größe von o'soo"' im Radius eine solche von o"42o"' und ist bei einer Stärke von o"oo3"' fünfthalb Kilogramm schwer. Di(> Ränder sind, von durchlochten .Stellen abgesehen, rings gebrochen. Längs der beiden Radialränder gewahrt man .Spuren von einem breit- schneidigen Instrumente, Hacice oder Meißel, w(jmit das ursprüngliche Ganze ein- mal zerstückelt wurde, und an dem runden Rande sind die Zwischenstücke zwischen den gereihten Bohrlöchern durchwegs abgebrochen.
Diese letzteren sind alle gleich in der Größe, stehen aber centrisch nicht streng in einer Kreislinie und variieren zum Teil stark und unregelmäßig in den Abständen. .Sie konnten daher für ein eingreifendes Zahnrad nicht bestimmt sein, auch keiner genauen Gradeinteilung entsprechen, wie scheibenförmige Astrolabien sie besitzen mußten. Während der sphärische Rand naliezu den vierten Teil einer Kreislinie beschreibt, zählt man nicht mehr als 45 sichere Löcher (an zwei größeren Bruchstellen ist der Ausfall von zwei oder allenfalls drei weiteren mög- lich), also eine viel zu geringe Zahl, wenn ein Loch einem Grade entsj^rechen sollte. Wie Techniker mir versicherten, hätte man sie vielmehr gebohrt, um die Scheibe aus einem größeren Bleche zu lösen, welch ,.Ablochungsverfahren'' in kleineren Werkstätten bei stärkeren Blechen noch jetzt in Gebrauch stehe, währeml in größ(>r(Mi die .Säge dafür verwendet werde. Rätselhaft ist aber bei jener tech- nischen Erklärung, warum die Bruchränder nicht abgefeilt wurden und diiii die Löcherreihe die Tierkreisbilder störend und schädigend durchschneidet.-)
Die Verzierungen der Platte sind teils einpunktiert, teils mit dem Stichel ziemlich tief und breit eingegraben: nur die Innenzeichnung am Körper des Stier.s und die Trennungsstriche, die sich auf der Vorderseite zwischen den Tierkreisbildern, auf der Rückseite annähernd an den nämlichen Stellen zwischen
^) Die riclUige Erklärung gibt Dr Rchm im Abscliniu III. J.ibrcsliefte des österr. archäol. Institiitrs Il«l. VI. c
34 ü. Benndorf
den entsprechenden Inschriften finden, sind mittels eines rundlichen Ziehbunzen eingedrückt. Alles in geschickter flotter Technik, wenn auch mit mannigfach nachlässigen oder unerfreulichen Einzelheiten, ähnlich wie an vielen etruskischen eisten. Mißraten ist das Gesichtsprofil des Perseus und die Proportion aller Füße. Schwerlich mit Absicht sind Punktrosetten im Gewände der Andromeda nur ober- halb, im Chiton des Wagenlenkers nur unterhalb des Gürtels verwendet. Dem letzteren fehlt der Nasenflügel und das Ohr, ein Ohr auch dem Perseus, jedesfalls das rechte der Andromeda. Die Pupillen sind nur durch einen Punkt angedeutet. Immerhin möchte ich glauben, daß die Zeichnungen nicht jünger als das dritte Jahr- hundert n. Chr. sind, recht wohl aber älter sein können. Damit stimmt, daß die Schrift, die auf der Vorderseite eingeritzte Doppelconturen, auf der Rückseite tiefe Furchen zeigt, sehr sauber und correct ausgeführt ist und in der I longa des Wortes MAlIVS ein Zeitkriterium enthält. Nach einer Untersuchung von Jakob Christiansen ') und ergänzenden Mitteilungen Eugen Bormanns beginnt der Gebrauch der I longa in der Zeit des Sulla, erreicht die höchste Frequenz in den beiden ersten Jahrhunderten n. Chr. und erhält sich vereinzelt noch bis in die Mitte des dritten, während sichere Beispiele aus späterer Zeit fehlen.
Die Beschreibung, die E. Maass nach der Abbildung gab, ist in einigen Punkten zu berichtigen und zu ergänzen. Auf der rechten Schulter des einen, als Herakles dargestellten Zwillings liegt die rechte Hand des andern auf, den !Maass als ApoUon nachwies : *) durch die Umarmung waren sie also als Brüderpaar charakterisiert. Vom Stier ist nicht der Vorderteil, vielmehr die ganze Gestalt gegeben, wie die trotz fehlerhafter Zeichnung noch charakteristische Andeutung des Schwanzes lehrt.-') Die Schrift der Rückseite beweist, daß das Fischbild sich weiter nach links erstreckte, in verlorenem Contur konnte hier sehr wohl der Kopf eines zweiten Fisches angebracht sein.") Das von der Schulter des Wagen- lenkers ab.springende Tier scheint ein Geweih zu tragen, das zweite, über seinen
') Jacobus Christiansen, De apicibus et | longis der ganze Rumpf, nicht aljer die Hinterbeine an-
inscriptionum latinarum, Husum 1889 (Kieler, Doctor- gegeben waren, so daß das Ende seines Leibes eine
dissertation), wo auf p. 32 ff. auch Beispiele für die ä;xo-o|ir, ist. Die Taöpou -/tEpy.og kennt der Meteoro-
Vereinigung von I mit I longa gegeben sind und als löge und Astronom Kallippos (ca. 330 v. Chr.), vgl.
Andeutung des Halbvocals j erklärt werden. Gem. Isagog. (Parapegma) p. 2 18, 6. 230, 13 Man.;
*) [Als gleichberechtigt wird indes die Deutung auch Nicandr. Ther. v. 123. (schol. Ar. p. 370, 13 M.)
auf Zcthos und Amphion zu gelten haben. Rehm.] Vitruv. IX 3, I, Plin. n. h. II IIO. Rehm.]
^) Vgl. z. B. die Münztypen bei Svoronos, ") [Der zweite Fisch kann auch südlich der
Numismatique de la Crüte pl. XXVII und Imhoof- Ekliptik (astrothetisch falsch) angebracht gewesen
Blumer und Otto Keller, Tier- und Pflanzenbilder sein; auch der nördliche ist ja ganz falsch, viel zu
Taf. III. [Beim Stier ist wohl anzunehmen, daß zwar weit südlich, eingezeichnet. Rehm.]
Zur Salzl)ur(;cr Bronzescheibe mit .Sternbildern 35
UnterarmcMi I;nircii(l(\ t^lcirlit nach den Zrlu-n, dem autycringeltiMi .Schwänze- und den spitz nach \(irii fni])(irg-erichteten Ohren einem Hunde; eine Querlinie an seinem Halse dürfte citi lland bezeichnen. Vom Namen des Penseus ist Anfanj^- iiiul I''ii(le P..,. s/S noch erhalten. Andromeda trägt Ringe an den Ober- und Unterarmen; die .Schnüre, mit denen sie gefesselt ist, verlaufen in punktierten Linien hinter ihren Hüften. An den Zackenspitzen des Sternbildes über ihr und in den Feldern zwi.schen diesen Zacken sind als Ornament in traubenartiger (irLipi)ieruni^- kleine Kreislinien eingebunzt.
F.in im I )urchmesser 0-035"' groi3es Loch findet sich halberhalten am rechten Radiusrande, von einem zweiten, augenscheinlich gleich großem Loche an der Sjjitze des Bruchstücks circa ein Sechstel des Kreisrandes. Außerdem sind zu bemerken vier Kreislinien, von denen die erste aus dem Centrum des letzt- genannten, die übrigen aus dem Centrum des erstgenannten Loches gezogen sind:
1. eine der Löcherreihe in einem Abstände von circa o-045'" parallele;
2. eine die rechte Hand der Andromeda beinahe und scharf die -Spitze des Deltoton berührende, welche sich bis zur Löcherreihe herab erstreckt und unten die Furche zwischen Widder und Fisch schneidet;
3. eine in 0-121'" Abstand von 2 gezogene, die von der Zackenkrone an durch den linken Unterarm der Andromeda, den linken F'uß des Perseus und den rechten Unterschenkel des Herakles bis zum Rande zu verfolgen ist;
4. eine im o-oi6'" Abstand von 3. zwischen dem linken Fuße des Wagen- lenkers und der linken Wade des Perseus gezogene, die sicli weiter aufwärts nicht fortsetzt und vielleicht nur einen irrenden A'ersuch der Aufzeichnung darstellt.
Da sicli die .Sclirift der Rückseite auf die Bilder der \'orderseite bezieht, beide Seiten also betrachtet w ertlen sollten, wird die Scheibe senkrecht aufgestellt gewesen sein. O. B.
IL
Um den Pol der Ekliptik als Centrum sind am Rande der Scheibe die Sternbilder des Tierkreises eingezeichnet, von denen jedoch nur die nördlich von der Ekliptik liegenden Teile des Widders und Stieres vollständig erhalten sind, während von den Fischen schon ein kleiner Teil, von den Zwillingen aber bereits mehr als die Llälfte fehlt. Weiter sind gegen den Pol der I^kliptik zu außer dem Triangel (Deltoton) noch die Bilder des I-"uhrmanns, des Perseus und der Andro- meda eingetragen. Die Zeichnungen dieser Bilder weichen aber sowohl in Be-
-• 3
36 E. Weiß
Ziehung auf ihre gegenseitige Lage, wie auf ihre Anordnung und Ausdehnung sehr bedeutend von den Beschreibungen ab, welche uns die alten Astrognosten überliefert haben. Das erstere tritt besonders auffällig beim Triangel hervor, der sonst immer zwischen Perseus und Andromeda gestellt wird; das letztere beim Fuhrmann, dessen Kopf fast bis zum Weltpole reicht. Oberhalb des Kopfes der Andromeda ragen in die Fläche noch drei mit Kreisornamenten besetzte Zacken herein, die man zunächst für Teile der Krone zu halten geneigt wäre. Dieses Sternbild steht aber an einer so entfernten Stelle des Himmels, daß es damit nicht zu identifizieren ist. Der Lage nach könnte man noch am ehesten an das Diadem des Cepheus denken, obwohl auch gegen diese Annahme gar manches spricht. Die Gesamtdarstellung macht übrigens den Eindruck, als ob es sich nicht so sehr um eine genaue Vergegenwärtigung des Himmels, als vielmehr um eine figurale Ausschmückung gehandelt habe. Dafür spricht auch der Umstand, da(3 nirgends ein Stern eingetragen ist.
Zur Erläuterung des Gesagten ist in Fig. 1 7 Dürers Sternkarte des nörd- lichen Himmels wiedergegeben, in welcher die Fig-uren nach der Beschreibung eingezeichnet sind, die Ptolemäus in seinem Sternkataloge gibt. Die Ecken der Karte sind durch die Bildnisse von Männern ausgefüllt, die sich um Astrognosie verdient gemacht haben, und zwar die oberen durch Ptolemäus und Aratus, die unteren durch ÄL Manilius (auf der Karte fehlerhaft Mamlius) und den arabischen Astronomen Azophi, der im Abendlande unter dem Namen Abdorraman al Süfi bekannt ist.
Vom Pole der Ekliptik aus gemessen, beträgt der Halbmesser des an der Innenseite der Durchlochung verlaufenden Randes, der die Ekliptik vorstellt, o'4o6"'. Der weiter innen befindliche, der Ekliptik concentrische Kreis von o*363"' Radius dürfte jenen nördlichen Breitenkreis versinnlichen, welchen die den Alten bekannten Planeten nie überschritten.')
Vom Centrum des Nordpols aus ist zunächst ein Kreis mit einem Radius von o'365™ gezogen, der den Äquator repräsentiert, so das dessen Durchschnitt mit der Ekliptik den Frühlingspunkt markiert. Dem Äquator parallel ist mit einem Radius von o'244'" der Wendekreis des Krebses eingetragen und ferner das Stück eines weiteren Kreises mit einem Radius von 0*22 7™.
Die Lage des Ekliptikalpoles läßt sich aus dem kleinen noch vorhandenen
') [Die Linie bezeichnet somit die nördliche Grenze ia-l toO J(j)5;ay.0'j noipSv tSf. Jeder Rand des Zodiakus des Zodiakus. Vgl. Achilles Isagog. 23 p. 52 Maass, sollte also 6" von der Ekliptik abstehen; aber auf Gem. Isagog. V 53 (p. 62, 8 Man.): zb äs nXi-iO- unserer Tafel ist der Abstand etwas größer. Rehm.]
Zur S:\l/,l)uryer Hronzcsclieibc mit Slcrnliildcrn 37
Bogenstücke der Üffiiuny nicht genau feststellen: es dürfte indes di(; Mntfcrniing desselben \om Pole des Äquators etwa o-i68"' betragen haben. Doch sind alle obigen Zahlenangaben um einige Millimeter unsicher, weil die Platte auÜer einer Bruchstelle auch noch einige, allerdings nicht erhebliche, Verbiegungen zeigt.
Die mit dem Ziehbunzen zwischen den Tierkreisbildern leicht eingedrückten Furchen gehen vom Rande der Scheibe aus, reichen aber bloß bis zu dem inneren Breitenkreise von 0-363'" Halbmesser. Zwei derselben, zwischen Widder, Stier und Zwillingen, streichen ungefähr zum Pole der Ekliptik hin; die dritte hingegen, zwischen Widder und I-ischon, welche vom Frühlingsnachtgleichenpunkte ausgeht, ist schief zum Rande gezogen und deutet den Kolur der Nachtgleichen an. Daß diese Furchen nicht zu den zahlreichen Rissen und Kratzern auf der Platte gehören, erhellt namentlich daraus, daß sie auch auf deren Rückseite sich vorfinden,-) nur mit der Variante, daß von den beiden Furchen zwischen Widder, Stier und Zwillingen die erstere um nahezu zwei Zähne, die letztere um einen Zahn gegen die entsprechenden Furchen auf der Vorderfläche verschoben er- scheinen, und zwar in dem Sinne, daß dadurch das Intervall zwischen Frühlings- punkt und der ihm nächstliegenden Furche vergrößert, hingegen das zwischen ihm und der entfernteren verkleinert wird, wodurch sich das Intervall der Furchen zwischen Stier und Zwillingen um den Gesamtbetrag der Verschiebungen ver- kleinert. Die Umschriften auf der Rückseite des Randes weisen durch ihre Stellung gegen die obenerwähnten Furchen darauf hin, daß diese nicht als Grenzlinien des Tierkreisbildes aufzufassen sind, sondern auf die Stellung der Sonne sich beziehen und den Zeitpunkt angeben, zu dem sie in das gleichnamige Zeichen der Ekliptik eintritt. Die Bilder am Rande sollen daher nicht die „Sternbilder", sondern die ,. Zeichen"' des Tierkreises vorstellen, was auch die astrothetisch falsche Lage des vor- handenen Fisches begreiflicher erscheinen läßt. Da nun der Ekliptikalpol den Mittel- punkt der Scheibe bildet,*) sollte man vermuten, daß von diesem aus gemessen die Winkel zwischen den einzelnen Furchen je 30" betragen werden, und daß auch der Winkel zwischen der letzten Furche und der A^erbindungslinie der Pole von Äquator und Ekliptik, welche zum Wendekreis des Krebses führt, dieselbe Größe haben werde. Dies ist nun nicht der Fall; diese Winkel betragen, vom Frühlings- punkte ausgehend, der Reihe nach 25", 22" und 17", zeigen also eine progressive Verkleinerung und geben nur eine Summe von 64" statt go". Mißt man hingegen
'; [Dort weicht sogar dem Kolur die Inschrift gegeben, und schien auch dcßhalb als die natur- (Aries Aprilis) aus. Rehm.] gem.ißeste, weil im Altertumc die Ekliptik jene
'; Diese Annahme war gleichsam von selbst Rolle spielte, wie heutzutage der .\quator.
38
^.
E. AVeili
)mcfn\($ cotii $cytottriom9c^ atm Duottrim mmgim6iu^ loolm .
Fig. 17 Dürers Sternkarte des nördlicben Himmels nach dem in der Wiener Hof bibliolbek aufbewahrten Holzstock (vgl. Jahrb. d. kunsth. Samml. d. Allerh. Kaiserhauses A'II 2I0).
vom Pole des Äquators aus, so betragen diese Winkel auf der Vorderseite 28", 32" und 28", zusammen 88"; auf der Rückseite hingegen 30*', 29", 29". Erinnert man sich nun, daß, wie oben ausdrücklich hervorgehoben wurde, allen Messungen auf der Platte eine gewisse Unsicherheit anhaftet, so lassen diese Zahlen wohl mit Sicherheit erkennen, daß die oben ausge.sprochcne Vermutung, die Furchen
Zur Salzburger Bronzesclieibe mit SternbiUlern
39
sei(Mi die Grenzlinien der ..Zeidien" und niclit der ,,Sternbilder'' des Zodiakus, der Wahrheit entspreche. Hiedurch wird ferner wahrscheinlich, daß die Teilung' auf der Rückseite genauer au ft;ctras"en war, als auf der \'orderseite.
40 E. AVeiß
Nach allem läßt sich der nördliche Gürtel des Zodiakus auf der Vorderfläche der Platte hinsichtlich der auf ihr enthaltenen astronomischen Daten unschwer reconstruieren. Eine solche schematische Reconstruction ist auf der vorstehenden Fig. i8 versucht.
Der S. 33 geschilderte Zustand des Kreisrandes der Scheibe zeigt, daß dieser Rand nicht der ursprüngliche war, die Scheibe sich vielmehr über die Löcher hinaus fortsetzte. Die Intervalle dieser, wenn auch unregelmäßig eingeschlagenen Löcher vergrößern sich nun augenscheinlich in der Richtung von den Zwillingen zu den Fischen hin allmählich, oder eher sprungweise von Zeichen zu Zeichen, wie dies auch mit der linearen Ausdehnung des Zwischenraumes zwischen den entsprechenden Furchen der Fall ist. Zählt man ferner auf der Vorderseite die Löcher zwischen der Furche beim Frühlingsnachtgleichenpunkte und der zwischen Stier und Zwillingen ab, so findet man, soweit sich dies bei dem Zustande des Randes beurteilen läßt, daß die Anzahl derselben 30 beträgt, d. h., daß das Intervall zwischen je zwei Löchern sich auf 2" beläuft. Die Löcher am Rande stellen daher eine allerdings sehr primitive, auf den Pol des Äquators sich beziehende Gradeinteilung vor.
Bei Denkmälern aus alter Zeit, welche Darstellungen des Firmaments ent- halten, wird in der Regel auch die Frage aufgeworfen, ob sich die Entstehungs- zeit derselben nicht astronomisch ermitteln lasse. Allein man überschätzt oft die Genauigkeit, die sich dabei erreichen läßt. Derartigen Untersuchungen hat man in der Regel die Veränderungen zu Grunde zu legen, die der Anblick des Himmels im Laufe der Zeit durch die Präzession erfahrt. Die durch die- selbe bewirkte Änderung geht aber sehr langsam vor sich; wenn man daher die Genauigkeit, mit welcher die Fixpunkte eingezeichnet sind, auf die man die Berechnung basiert, nicht kennt, oder wenn man die Lage derselben überhaupt nicht näher angeben kann, kann man bestenfalls die Zeitangabe nur als eine sehr rohe, wenn nicht gar irreführende ansehen. Ein lehrreiches Beispiel hiefür bietet gerade unsere Tafel dar. Bei ihr könnte man nur aus der Lage der Furchen zwischen den Sternen des Zodiakus, namentlich derjenigen, welche den Frühlings- punkt bezeichnet, auf das Alter derselben zurückschließen. Die Lage der Furche zwischen Widder und Stier ist aber auf beiden Seiten um reichlich zwei Zähne oder 4" ver.schieden. Da nun der Frühlingspunkt sich erst in 75 Jahren um i " fort- bewegt, würde man die Entstehungszeit der Platte 4X75 = 300 Jahre verschieden finden, je nachdem man die Lage dieser Furche auf der Vorder- oder Rückfläche als die maßgebende ansieht. Wenn aber die Furchen, wie als höchstwahrscheinlich
Zur Saliburyer Hronzescheibc mit SicrnbiUtcrn 4 '
erw ifsen, nkhl die (irciizcn der Sternbilder, sondern die der Zeichen des Tierkreises bezeichnen, so fällt damit überhaupt die Möglichkeit weg, aus ihrer Stellung Schlüsse auf das Alter der Platte zu ziehen.
Was endlich den Z\\(>ck der Tafel betrifft, fehlen zur Ermittlung desselben von astronomischer Seite so gut wie alle Anhaltspunkte. Nur der Umstand, daß die Winkel am Weltpole in ihrer wirklichen Gröi3e wiedergegeben werden, weist unverkennbar darauf hin, daß die Platte als Zeitmeßinstrument benutzt wurde. Die Rückseite enthielt wohl ein System von Curven, wie sie gewöhnlich auf Astrolabien verzeichmH sind und zur Lösung verschiedener Aufgaben dienen. Leider ist aber auf derselben kein Detail mehr sichtbar. Trotzdem ist es dem geehrten Verfasser der nachfolgenden Untersuchung g(>lungcn, das Dunkel auf- zuhellen und einen sehr wertvollen Beitrag zur Kenntnis der Zeitmesser des Altertums zu liefern. Ich möchte daher ausdrücklich noch bemerken, daß ich nach Kenntnis diest^r \ortr(Mniclien .\rbeit meine Notizen nur deßliall) nicht zurückzog, weil ich glaube, es dürfte ein gewisses Interesse darbieten, aus einem speciellen, sehr instructivem Beispiele zu ersehen, in wie umfassender und aufklärender Weise durch eine genaue Bekanntschaft mit den Fachschriftstellern des Altertums das ergänzt werden kann, was man nur aus den auf den Fragmenten eines Denk- mals selbst verzeichneten Daten herauszulesen im stände ist.
F. WEISS
III.
Über die \'erwendung unserer Platte begnügt sich der erste Herausgeber Prof. Maass zu sagen, sie stelle „zu einem lehrhaft praktischen Zweck die bedeu- tendsten Sternbilder der einen Hemisphäre bis zum Zodiakus dar". Ich ergreife zu seiner Publication das Wort, da ich meine, daß sich der Zweck des höchst nierk- würdig-en, wie es scheint, bisher völlig singulären Stückes mit aller nur wünschens- werten Sicherheit feststellen läßt.
Für die Correctur und Ergänzung des „Tatbestandes", wie ihn Maass gibt, darf ich im wesentlichen auf die beiden voranstehenden Abhandlungen verweisen.*) Was im allgemeinen über die Art der Projection des Himmelsgewölbes und seiner Kreise auf unserer Tafel zu sagen ist, hat Herr Weiß ausgeführt. Ich komme
•) Die aslrotbetisclien Mängel der Tafel erklären vergleiche die drei mensclilicbcn Gestalten unter ihnen sich zum Teil einfach daraus, daß zwar die Tier- mit den Zwillingen!) gleichmäßig nach einem Größcn- kreisbilder gegen den Sommerwendepunkt hin immer schcma gearbeitet sind, kleiner werden, die anderen Sternbilder aber (man
Jahrosheftc tlrs östcrr. .ircbäctl. Institutes liil. VI 5
42 A. Rehm
darauf nur zurück, weil es mir scheint, als gehörten die sämtlichen Kreisbogen, von denen sich Spuren finden, einem und demselben System an; ja auch eine auffallige Gerade (unter dem rechten Bein des Perseus) und die Querstriche, die ober- und unterhalb des rechten Armes der Andromeda zum Äquator hin gezogen sind, verlieren nach meiner Reconstruction den Charakter zufälliger Schrammen. Freilich, daß uns solche Hilfslinien überhaupt erhalten sind, ist Zufall: sie waren gewiß nicht bestimmt, dauernd gesehen zu werden. Vielmehr stelle ich mir in Übereinstimmung mit heutiger Graveurpraxis-) und dem mit Wahrscheinlichkeit für die Antike erschlossenen Verfahren^) vor, die Platte sei zum Behufe des Aufrisses der Hauptlinien mit einer dünnen Schicht irgend einer plastischen Masse (etwa Wachs) überzogen gewesen; die concentrischen Kreise und die sonstigen Hilfslinien mit Ausnahme der Tierkreisteilung sollten dann eigentlich nur in diese Masse eingegraben werden und, nachdem sie für die Einteilung der Tafel und die Anbringung der Figuren ihren Dienst getan hatten, mit dem Belage wieder ver- schwinden. Da aber der Belag offenbar nicht überall gleich dick war, haben Zirkel und Stichel stellenweise bis auf den Grund durchgegriffen und entweder unmittelbar oder durch die Wirkung einer über der Deckschicht aufgetragenen Atzflüssigkeit hie und da Spuren zurückgelassen.
Ich g-ebe nun (Fig. 19) auf meiner Reconstruction nur die noch sichtbaren Linien voll ausgezogen, alle Ergänzungen gestrichelt. \"orausgeschickt sei, daß ich nicht mit den Winkeln an den Polen operiere und fürs erste die Frage offen lasse, ob wirklich der Ekliptikpol das Centrum der Scheibe gebildet hat. Veranlassung, mich so eingehend gerade mit der constructiven Seite des Gegenstandes zu beschäftigen, war mir die Beobachtung, daß der Frühlingspunkt nicht richtig liegt. Er sollte der Schnittpunkt dreier Linien sein: der Ekliptik, des Äquators und des Kolurs der Tag- und Nachtgleichen; dieser letztere läßt sich auf unserer Bronzetafel, welche eine stereographische Projection des Himmelsgewölbes bietet, reconstruieren, da durch die Centren der beiden großen Löcher (.4 und CB*)) die Richtung des Kolurs der Wenden bestimmt ist, zu dem der andere Kolur senkrecht verläuft. Die Probe zeigt aber, daß sich auf unserer Platte diese drei Linien überhaupt nicht in einem Punkte schneiden und daß der durch die breite Furche vor dem Widder markierte
') Vgl. Waldow, Encyklopädie d. graph. Künste sichert wird er durch den anderweitig festgelegten
s. V. Gravüre. Punkt D; ß ist der Punkt, von dem aus der Nord-
^) Vgl. H. Blümner, Technologie IV S. 266; W. rand des Zodiakus und, wie es scheint, die Ekliptik
Christ, Sitzungsber. d. bayr. Akad. München I 1885 gezogen ist. Es muß also dem Zeichner die Ein-
S. 403 f. satzspitze des Zirkels etw.is abgeirrt sein.
*) C ist genau der ilitteljiunUt des Loches; ge-
Zur SaUburpcr Bronzescheibe mit Sternbildern
43
Frühlint^^spuiikt auf keinen (l(,'r beiden Schnittpunkte fallt. Also j^'alt es, die Fchler- ([uelle zu suchen.
Da half zunächst die Beobachtung, daß die Gerade unterhalb des rechten Beines des Perseus, nach abwärts verlängert, genau in dem gleichen Punkte (D) den Äquator trifft wie die verlängerte C.l, und nach aufwärts verlängert den Kolur A E genau in dem Punkte (/•") schneidet, durch den auch der innerste Kreis um A geht; ' (1^ der Punkt G, wo die D F den ' ( 1 A<|uatt)r abennals schneidet, fand sich auf di>r Platte ilurch einen mit dem Radius D (j gezogenen Kreisbogen mar- kiert: lauter Erscheinungen, bei denen von Zufall keine Rede sein kann. Darnach be- zeichnet, wenn man GED als Meridian, D als Südpol faljt. Bogen GE ^ fast 26" ') die Schiefe der Ekliptik, und der Kreis durch F mit dem Radius ,4 F stellt den Wendekreis des Krebses in stereographischer Projection dar.
Die Projection der übri- gen uns controllierbaren Decli- nationskreise der Sonne beim Eintritt in ein neues Zeichen, d. i. in einen neuen Monat,
wird gewonnen, indem man GIl A. AE zieht, mit dem Radius GH um H einen Kreis beschreibt (circulus menstruus oder menaeus bei \'itruv IX 7, 0; ich habe ihn nur gezogen, soweit nötig), den Viertelkreis zwischen G H und .4 H dritteilt (in den Punkten K und J), dann KM und J L bis zu den Schnittpunkten mit dem
Fi£
. 19 Reconstruction der Vorzeichnung.
\
y\D
'') Nach anlilier L'bung (vgl. Gem. Isag. V 46 lireis an, so kommt man auf einen Ekliptikwinkcl p. 58, 25 Man.) müßten wir 24" erwarten; sieht man von kaum 22". den zweiten Kreis um .1 für den nordlichen Wende-
6*
44
A. Relim
Meridian parallel zu AE zieht; Bogen ME und LE sind die gesuchten Decli- nationen; wenn man nun ,1/ und L durch Gerade mit dem Projectionscentrum D verbindet, so liefern deren Schnittpunkte mit AE {X und 0) die Radien für die Projection der ,Monatskreise' der Zwillinge (sowie des Löwen) und des Stiers (sowie der Jungfrau) {A X und ,4 0). Nun fand sich wiederum auf der Platte L durch einen Kreisbogen um D, erhalten am rechten Arm der Andromeda, bezeichnet,*') und es zeigte sich, daß A' genau der Punkt ist, in dem der zweite Kreis um A die ,4 E schneidet; wieder wird also unsere Construction durch den Befund auf der Platte ge- nauestens bestätigt: zugleich ist damit erwiesen, daß alle Kreise um ,4 zu einem Auf- riß gehören.
Nunmehr legte ich mit dem Centrum B (s. oben S. 42 Anm. 4) die Ekliptik, zu deren Einteilung- die Kreise um .4 vornehmlich bestimmt sind, durch E;') denn durch diesen Punkt (Frühlingspunkt) sollte sie gehen; ihre Schnittjjunkte mit den Monatskreisen sind dann die Grenzen der Zeichen: und wirklich fallen die Punkte Q und P gerade in die breit angelegten Begrenzungsfur-
chen auf unserer Platte. Der Fehler des Zeichners liegt also in der Art, wie er bei der endgültigen Ausführung die Ekliptik zog: sie sollte den innersten und nicht, wie sie tut, den zweiten Kreis um ,4 tangieren. Vielleicht liegt ein reines Versehen vor, vielleicht auch war der Wunsch maßgebend, für die Ekliptik einen möglichst großen Kreis zu erhalten; die Berechtigaing dieses
Fig. 20 Schematisclie Reconstruction der ganzen Scheibe.
") Diese Bogen um D zwingen zu der Annahme, der Zeichner habe sich den Hilfslcreis um H gespart und statt dessen die Punkte G, M, L nach einer Vorzeichnung, die in den gleichen Maßen ausgeführt sein mußte, eingetragen.
'') So tangiert die Elsliptik den innersten Kreis niclit (wie sie doch sollte und mit Radius CE auch tut); aber mit Radius CE verschieben sich die Punkte 0 und P nicht unwesentlich, so daß der Be- fund auf der Platte nicht stimmt.
/.iir S;ilzl)ur"cr Bronicsclieiljc mit Slernl)ilclcrn
45
Wunsches wiril sich g'leich zeigen. Die Teilung der falschen Kklijjtik hat iler Construrteur aber ganz rationell aus der richtigen abgeleitet, indem er B E, H 0, BP bis zu den Schnittpunkten mit seiner ]'"kliptik verlängerte.
Die Analyse der Construction ließ mich unwillkürlich mit der Voraussetzung arbeiten, daß nicht der Zodiakus die ursprünglicht! Grenze der Platte darstelle; dafür spricht auch der unregelmäßige Bruch der Stege zwischen den Löchern (vgl. obt'ii S. 40). Nicht C, -sondern .4 ist als Centrum der ganzen Platte anzu- setzen, wie das in der Recon- struction (Fig. 20) geschehen ist; als äußere Begrenzung ist dabei — was das Minimum des zu Fordernden darstellt — der Wendekreis des .Stein- bocks angenommen. Tatsäch- lich ist der Rand wohl noch etwas jenseits zu denken, da doch auf der Ekliptik rings- u m für wirkliche LöcherRaum sein mußte. Darnach berechne ich den Durchmesser auf ca.
1-20 '".8)
Welchem Zwecke mochte dieses Riesenplanisphär die- nen, das geradezu an das Zifferblatt einer Turmuhr er- innert? Der Schlüssel wird uns geliefert durch die Monats- beischriften auf iler Rückseite, aus denen dit; Bestimmung der Scheibe als Zeit- messer hervorgeht, und durch die auffallendste Eigentümlichkeit des Stückes, die Löcher in der Ekliptik; bezügUch der Erkenntnis, daß ihrer je 15 für den Monat bestimmt sind, darf ich auf den voranstehenden Aufsatz (.S. 40) verweisen.'-') Jedes Loch entspricht also zwei Tagen. So weit führt uns das Monument selbst. Die Erklärung
-J An der Bause n.nch dem Orij;ina1, die mir '■') Ich zähle mit Beslimmtheil 45 Löcher im
durch Herrn Benndorfs Güte zu<;egangen ist, ("indc ganzen; davon auf der (mir nach allem vertrauens-
ich CA zu 0174"'; d.izu den Radius der Ekliptik würdigeren) .Schauseitc beim Widder 14, beim Stier
(0'4o6 "■) gerechnet, ergil)t sich ein Gesamtradius 15. Beim Widder ist der Verfertiger mit dem Raum
'«"c/eA
\,oO^
des 3'»^^ Fig. 21 lliahlnetz zum Ablesen der Stunden.
von o'jSo'
zu verschwenderiscli umgegangen, so daß er ein
46
A. Rehm
liefert uns Vitruv. Ich verdanke die Kenntnis und das Verständnis seiner Aus- führungen der vortreffliclien Arbeit von G. Bilfinger über „Die Zeitmesser der antiken Völker" (Festsclirift des Eberhard-Ludwig-s-Gymnasiums. Stuttgart 1886 S. 43 ff.)- Auch in den figürlichen Darstellungen halte ich mich an ihn: es han- delte sich eigentlich nur darum, was er gibt, dem Salzburger Funde anzupassen. Vitr. IX 8 (p. 236 s. Rose") lesen wir:
Fiunt etiam alio genere horologia hiberna, quae anaphorica dicuntur perficiunturque rationibus his. horae disponuntur ex virgulis aeneis ex analemmatos descriptione ab centro dispositae ( — is?) in fronte, in ea circuli sunt circumdati raenstrua spatia finientes (Fig. 21). post has virgulas tympanuni, in quo de- scriptus et depictus est raundus signiferque circulus; descriptioque ex duodecim caelestiura signorum fit figura, cuius ex centro'") deformatur unum raaius, alterum minus, posteriori autem parti tympano raedio axis versatilis est inclusus inque eo axe aenea moUis catena est involuta, ex qua pendet ex una parte phellos,") qui ab aqua sublevatur, altera aequo pondere phelli sacoma saburrale (Fig. 22). ita quantum ab aqua phellos sublevatur, tantum saburrae pondus infra deducens versat axem, axis autem tympanum. cuius tympani versatio alias efficit uti maior pars circuli signiferi, alias minor in versationibus suis temporibus designet horarum proprietates; namque in singulis signis sui cuiusque mensis dierum numeri ( — o?) Cava sunt perfecta, cuius (vielmehr quibus?) buUa, quae solis imaginem horologiis teuere videtur, significat horarum spatia. ea translata ex terebratione in terebrationem mensis vertentis perficit -cursum. itaque quemadmodum sol per siderura spatia vadens dilatat contrahitque dies et horas, sie bulla in horo-
„Man verfertigtauch , Schlechtwetteruhren''-) von anderer Art, die , astronomische Uhren*'-'; heißen und auf folgende Weise hergestellt werden: Die Stunden werden aus Metallstäbchen, die nach den Regeln des Analemma") radial angeordnet sind, auf der Vorderseite angeordnet (sie!). Auf dieser sind rings- um Kreise angebracht, welche die Räume der Monate begrenzen.'^) Hinter diesem Drahtnetz befindet sich eine Scheibe (Fig. 20. Fig. 12g), auf welcher der Himmel (d. h. die Sternbilder) samt dem Tierkreis zeichnerisch dargestellt ist. Die Darstellung geht aus von den zwölf Tierkreiszeichen, von denen rings- herum das eine größer, das andere kleiner gebildet wird. Rückwärts ist der Mitte der Scheibe eine drehbare Achse eingefugt (Fig. 22 e) und um diese Achse ein weicher Bronzedraht gewunden, an dessen einem Ende der Schwimmer hängt {d), der vom Wasser gehoben wird (a, b, c),"") am andern ein Sand- sack (/) von gleichem Gewicht wie der Schwimmer. So viel nun der Schwimmer durch das Wasser ge- hoben wird, um ebenso viel dreht der Sandsack, nach unten ziehend, die Achse, die Achse aber die Scheibe. Die Drehung dieser Scheibe bewirkt dann, daß bald ein größerer, bald ein kleinerer Abschnitt des Tierkreises bei den Umdrehungen je nach der Jahreszeit die verschieden langen Stunden") be-
Loch zu wenig setzen und dazu, um nicht gar bloß 13 Löcher unterzubringen, die zwei vordersten unge- bührlich nahe zusammenrücken mußte. Aber solche Ungenauigkeiten berühren das Gesamturteil nicht.
'") ut sy.y.dvTpoi; dcformcliir vermutet Bilfinger. Oder ist auch hier mit ex ccnlro einfach die kreis- förmige Anordnung gemeint und nur cuius in qiionim zu ändern?
") Als Schwimmer verwendet kennt Vitruv nur ein scaphiiiin invcrsuin (p. 235, 11), etwa wie eine Blechdose mit dem Boden nach oben vorzustellen.
'2) Vgl. Vitr. p. 236, 2 ad hibernum nstim; Gegen- satz solaria.
'^) , Aufzuguhr' übersetzt Bilfinger. Von be- freundeter Seite werde ich an den astronomischen
Ausdruck ävacpipsaS-ai, gebraucht vom Aufgehen der Gestirne, erinnert.
'^) D. h. mit Berücksichtigung der Polhöhe.
'^) In Fig. 21 sind die radial gezogenen Bögen die Stundenlinien, die concentrischen Kreise die circuli menstrua spatia finientes.
'^) In a muß man sich das Wassercastell denken; b ist das Zuleitungsrohr zu dem Recipienten c, der das eigentliche movens bildet.
''') Da im Altertum der Licht tag in zwölf gleiche Teile zerlegt wird, sind diese Tagesstunden ((opat y.a'.pixaO, nach denen man sich im gewöhn- lichen Leben richtete, im Sommer wesentlich länger als im Winter; nur in der Zeit der Gleichen ent- sprechen sie (als wpat '.aYj|iEpiva£) genau unseren Stunden.
Zur S;Uzburger Bronzescheibe mil Sternbildern
47
logiis ingredicns per |nincta contra [centri]") tympani versationcm, cotidie cum transfcr- tur aliis temporibus per laliora, aliis per angustiora spatia, menstruis finitionibus imagines efficit liorarum et dierura.'")
'»-ä-
i;
zciclinet; in den einzelnen Zeichen sind nämlich Löcher, je in der Zahl der Tage des betrefTenden Monats, angebracht, mittels deren (d. h. in denen haftend) ein Knopf, der bei diesen Uhren die Stelle der Sonne vertritt, die Dauer der Stunden angibt. Dieser Knopf vollendet, indem er von einem Loch ins andere übertragen wird, den Weg des ablaufenden Monats. Wie daher die Sonne, die Sternbilder durch- wandernd, Tage und .Stunden länger oder kürzer macht, so schaflft bei diesen Uhren der Knopf, durch die Löcher im Gegensinne zur Drehung der Scheibe fortschreitend, indem er täglich — zur einen Zeit durch weitere, zur andern durch engere Räume — weitergerückt wird, nach Maßgabe der Monatskreisc ein Abbild der Stunden und Tage."
A
So vieles an dieser Beschreibung (Uircli Schuld der Überlieferung und wohl mehr noch durch Schuld des Autors un-
Fis;, 22 LSncsdurchschnitt der astronomischen Uhr , , . i-n^ • u j i j- c i n i.
*" ^ klar ist, so laßt sich doch die Sache selbst
nach Yitruv und dem .Salzburger Fragment.
' verstehen; die Vorstellung, die schon Bilfinger davon gewonnen hat, paßt zu unserem Monument so genau, daß seine Figuren 9 und 1 1 fast unverändert herüberzunehmen waren. Denkt man sich das (feststehende) Gitterwerk von Fig. 21 (wo ich die virgulae der Nachtstunden bloß angedeutet habe) concentrisch vor Fig. 20 gestellt und diese Fig. 20 im Sinne unserer Uhrzeiger gedreht, so daß eine Umdrehung einem Sterntag entspricht, so gibt die Vorrichtung ein genaues Ebenbild der Himmelsbewegung mit Aufgang, Culmination und Untergang der Sternbilder — deren correcte Projection vorau.sgesetzt. In eines der Löcher, deren auf dem Salzburger Tympanon statt 365 bloß 182 oder 183 waren,-") denke man sich einen goldenen Knopf, welcher jeden zweiten Tag rück- wärts zu versetzen ist; der wird, wenn er in Widder i (oder Wage i) steckt, über dem Horizont einen Halbkreis beschreiben, in Krebs i einen weit größeren.
") Als Dittographie beseitigt von Bilfinger nach Marini.
'") Unmittelbar anschließend und offenbar in der Meinung, von demselben Instrument zu reden, gibt Vitruv Anweisung, wie das Steigen des Schwimmers durch Regulierung des Wasserzullusses zu beschleu- nigen oder zu verlangsamen sei. Reber in seiner Über- setzung (S. 28g Anm. 1) und Bilfinger (S. 43 oben) haben aber erkannt, daß unser Instrument einen Constanten Wasserzufluß voraussetzt: entspricht doch eine Drehung des Tympanon einem Sterntag. Audi
würde dann die Nachahmung des Sonnenwegs durch die bulla zu einer kindischen Spielerei und die An- ordnung der virgulae ex anakmmaios descriplionc unsinnig. Gerade sie bewirkt ja die Differenz in den Lichttag- und Stundenlängen.
-") Bei Anbringung von 365 Löchern würde in den Sommermonaten bei unserem Stück geradezu aus den Löchern ein Schlitz geworden sein. Nun erklärt sich wohl auch, warum der F.kliptikkreis so weit als möglich angelegt wurde.
48 A. Rehm
in Steinbock i einen entsprechend kleineren Kreisbogen: das genaue Verhältnis des längsten und kürzesten Tages wird \^on der Lage des Horizontkreises ab- hängen, den ich hier für eine geogr. Breite von 48" construiert habe. Die Achse steckt natürlich in dem Loch A (Fig. 19); auch versteht es sich nunmehr von selbst, daß nicht die Ekliptik den äußern Rand der Scheibe kann gebildet haben: wenn eine Scheibe sich gleichmäßig drehen soll, muß ihr Schworpunkt in das Rotationscentrum fallen.
Es erübrigt nur noch, einige Eigentümlichkeiten unseres Stückes zu be- handeln, die aus der Vitruvstelle nicht unmittelbar zu erklären sind. Bei unserer Uhr muß auch die Rückseite des Tympanon irgendwie von Bedeutung gewesen sein, sonst trüge sie nicht die zodiakalen und kalendarischen Inschriften; doch war sie schwerlich für die Blicke des Publicums bestimmt; denn, während die Beischriften der Vorderseite sorgfaltig in Zierschrift eingraviert sind, bieten die- jenigen der Rückseite den flotteren, aber nachlässigen Ductus einer Gebrauchs- schrift. Ich glaube demnach, daß die Angaben der Rückseite für den bedienenden Arbeiter als Gebrauchsanweisung- bestimmt waren: mußte doch die bulla jeden zweiten Tag oder vielmehr bei der etwas nachlässigen Arbeit unseres Monuments bald den zweiten, bald den dritten Tag durch Menschenhand versetzt werden. Beinahe unerläßlich scheint mir die weitere Annahme, daß außerhalb der Ekliptik über den Löchern die entsprechenden Tagesziffern standen.-') — Nicht aus Vitruv zu deuten ist sodann das Loch im Centrum der Ekliptik (Fig. ig C'ß=22/). Wie ich mir seine Verwendung vorstelle, zeigt Fig. 22 ik: in ihm wird sich ein Zeiger gedreht haben,--) an dessen Ende die bulla k angebracht war. Ein solcher mußte das Ablesen der Zeit wesentlich erleichtern, indem er die bulla ra.sch auffinden ließ. Diese Marke nämlich, die, wenn anders sie ihren Zweck genau erfüllen sollte, nicht groß sein konnte, mag durch die menstruae finitiones und durch die virgulae, welche man sich ja nicht .spinnwebenfein wird denken dürfen, zuzeiten völlig oder nahezu verdeckt worden sein: dann leitete der Zeiger das Auge nach ihrem Platz. Die geringfügige Störung des Gleichgewichts, die der Zeiger und seine Achse ver- ursachte, konnte leicht durch ein Gegengewicht an entsprechender Stelle der Rückseite ausgeglichen werden.-'') — Minder bestimmt wage ich mich über die Be-
^') Es mußte auch für den Arbeiter von Vorteil und damit er von der immerhin vorhandenen Ex-
sein, die Zeit von rücUwärts al)lesen zu können, cenlricität des Loches unabhängig sei. Die bulla k
wenn er am Triebwerk a — f mit dem Richten der mußte ein .Stiftchen nach rückwärts strecken, das
Uhr beschäftigt war. irgendwie in dem betreffenden Loch haftete.
^') Gebogen und elastisch denke ich ihn mir, ^'') Wenigstens registrieren möchte ich doch auch
damit er nicht an dem Ende der Achse anstreife, den Einfall, es könnte in ('/>' eine drelibare Scheibe
/.ur Sal/Jiur^cr Uroii/,csclieil>e mit Sternl)il(lcrn 49
deutuny tlus Ziickcnsti-riis, der kein Sternbild darstellt, zu äuUerii. Will man ihn nicht als bloße Raumfüllung- (wie solche vielleicht auf der Scheibe noch mehrfach erwünscht war) ansehen, so lälJt sich etwa denken, er sei die ornamentale Ein- fassung eines dritti-ii I-oches, von dem aus ein Stab / zu der Achse lief. Ein weiterer mochte dann gerade von der Krone, -"') ein dritter von jenseits des Krebses ebendahin gehen. Eine so große und so dünne Scheibe konnte nämlich, damit sie nicht aus der verticalen Lage abwiche, Verspreizungen als nötig erscheinen lassen.^'')
Zum Schluß seien ein paar M^'orte über die allgemeine Bedeutung des Monu- mentes gestattet: es ist uns aus einer Vitruvstelle veirständlich geworden, dient aber nun seinerseits dazu, die Stelle zu veranschaulichen und ihre Erklärung zu sichern. liilfinger selbst hat sich nämlich (S. 4g ff.) durch einige Ausdrücke Vitruvs, die so klingen, als sollten den größten üodekatemorien die größten Tageslängen entsprechen, dazu verführen lassen, seinen ganzen Entwurf von Tympanon und Zifferblatt umzukehren, d. h. den Wendekreis des Krebses als äußeren Rand, den des Steinbocks als innersten Kreis und die untere Hälfte des Zifferblatts als Träger der Tages.stunden anzusetzen (Fig. 12 S. 52). Sprach gegen eine derartige Inversion schon immer die Unmöglichkeit, auf einer solchen Scheibe ein einigermaßen vernünftiges Bild des gesamten Himmels (mundus bei Vitruv) anzubringen, so erhebt unser Fragment es vollends zur Evidenz, daß Vitruv, der ja auch durch die Anfügung des Abschnittes über die administratio aquae seine Verständnislosigkeit bekundet, auch mit jenen irreführenden Äußerungen lediglich sich selber ein testimonium ignorantiae ausstellt. — Endlich scheint mir das Stück culturgeschichtlich bedeutungsvoll: es ist ein Document für den Wohlstand, der im alten luvavum herrschte;-'') denn eine solche „Kalenderuhr" galt gewiß als kostbares Stück und ich möchte sie mir am liebsten als Schmuck eines öffentlichen Platzes^') denken, ähnlich den torri degli orologi, die, vielleicht nicht ohne Zusammenhang mit antiken Einrichtungen, uns heute in italienischen Städten erfreuen.
München. A. REHM
angebracht gewesen sein, welche die häßlichen leeren Sonnenuhren wollen zugleich Kalender sein, ja wahr-
181 Löcher von rückwärts verschloß. scheinlich waren sie ursprünglich nur dies. Doch
'*) Sie befand sich ziemlich genau gegenüber k.ann der Nachweis nicht hier geliefert werden, jenseits des Ekliptikpols (über Wage-.Scorpion). ^') Herr Benndorf macht mich freundlich auf-
'^) Der gleiche Zweck war freilich auch dadurch raerksam, daß eine Uhr bei einem Grabmal — unter zu erreichen, daß man die Scheibe in einem runden Gräbern ist ja die unsere gefunden — Petron. c.ip. 71 er- Rahmen mit Falz laufen ließ. Ich stelle mir ohnehin wähnt wird; doch möchte ich annehmen, daß dort eine vor, der ganze Apparat sei in ein Gehäuse einge- Sonnenuhr gemeint ist, die ja nicht, wie eine mechani- schlossen gewesen. sehe Uhr, beständige Controle und Bedienung erfor-
^') Diese umfassende Leistung des Werkes be- derte. Eher könnte unser Stück, wie Herr Benndorf
tont Bilfmger S. 49 mit Recht. Auch die antiken gleichfalls andeutet, das Stadttor geschmückt haben. Jahrcslicfte des östcrr. archUol, Institutes Bd. VI 7
50
Fig. 24
Fig- 23
Münzen: Fig. 23 von Eleutheropolis (Macrinus),
Fig. 24 von Diospolis (Septimius Severus),
Fig. 25 von Diospolis (Caracalla).
Fig. 25
Die Aera von Eleutheropolis in Judäa.
Seit langem wird g'elehrt, dEiß Baitogabra unter Kaiser Septimius Severus den Namen Eleutheropolis ang-enommen und eine Jahrzählung begonnen habe, die sich auf ein zwischen 202 und 208 n. Chr. liegendes Datum stütze. Zu einer Untersuchung dieses Satzes hat der Rest einer Grabinschrift geführt, welcher vor einigen Jahren nächst Jerusalem gefunden und durch den Dominicaner St. Vincent in der Revue biblique XI (1902) 438 mit Erläuterungen herausgegeben worden ist. Von dieser Inschrift hat sich bloß der Schluß erhalten:') der Name eines Toten und sein Sterbedatum j.irj(vöc:) Sav9-fx.(oö) a' i!vS(t.XTCö)V05) s' £t(ou5) xaxä 'EX£u9'£p67i(oX[.v) u[i,rj' = ,.am ersten des Xandikos {== i. April'), in der 5. Indiction, im 448. Jahre der Zeitrechnung von Eleutheropolis."
Vincent setzt mit Goyau u. a. die dem parthischen Kriege folgende syrisch- ägyptische Reise des Kaisers Septimius Severus an das Ende des Jahres 200, ge- denkt des Berichtes in der Vita c. 17,1 in itinere Palaestinis plurima iura finidavit und sucht in dieser Reise durch Palästina die Epoche der Aera von Eleutheropolis, gleicht also ihr erstes Jahr mit 200/201 n. Chr., ihr 448. Jahr mit 647/8 n. Chr., das Datum der Grabinschrift mit dem 22. März 648. ,,0r," fährt er fort, „en 648, de janvier ä octobre, on etait encore dans l'indiction 5^ commencee en octobre 647.'' Das ist nun nicht richtig, da 647/8 einem sechsten Indictionsjahr entspricht. ■'*)
^) Für die fragmentierte oberste Zeile hat Vincent Antiochener ein, da wir nicht den in Eleutheropolis
keinen Leseversuch gegeben, ich glaube in dem bei- gebrauchten Kalender kennen; wir dürfen übrigens
gefügten Zinkdruck am Ende dieser Zeile ACICAi II wohl annehmen, daß er sich nicht viel von jenem
= 8Eioa . . . (eher als A6IOYISI = Asfou . . .) zu unterschieden hat. erkennen. ') Er setzt dann unvermittelt mit einer seinen
^) Ich setze den Tag nach dem Kalender der Ausführungen widersprechenden Beliaujitung fort:
Dil' Acr;i vnn Klcutlieropolis in Judäa 5^
Die (iruiullaye dieser Erörterung bilden die Daten auf Münzen der A(e'jy.ia) S£7r(TqAta S£ourj(pfa) 'E?>£u9'e(p67:oXt?), die von Septimius Severus bis auf Elagabal rcifluMi und für Severus die Zahl f, für Domiia S, H und ©, für Caracalla © und für Elagabal I© aufweisen; daraus wollte Saulcy die Jahre 202 bis 208 als Grenzen für das Jalir A berechnen — mit wie viel Recht, soll hier nicht erörtert werden. Nun besitzt das Wiener Hofmuseum eine Großbronze des Macrinus, die aus dem Jahre I© datiert ist. also aus demselben Jahre wie Elagabals gleiches Datum. Es muß somit die JM-hidumg Elagabals und die Niederlage, wohl auch drr Tod Macrins im lahri- I© rrlnlgt sein; d. li. die Monate Juni und Juli 218 g(:]u")rten dem Jahre I© an, und die Aera von Eleutheropolis stützte sich auf ein Eactum, das gegen Ende des Jahres 199/200 erfolgt war. Damit ist auch .Severs Reise durch Palästina auf spätestens .Sommer 200 festgelegt, sofern überhaupt ein ursäch- licher Zusammenhang zwischen diesem Aufenthalt und den an palästinensi.sche Communen gewährten Gnadenacten und, was nicht damit sich deckt, Gleichzeitigkeit beider Facta anzunehmen ist. Wenn d(>r überhaupt ziemlich mangelhaft unter- richtete Biograph die Ereignisse so ordnet (16 ff.): Einzug in Antiochia, Über- reichung der Toga an Caracalla und Designierung desselben für das Consulat, et statim in Syria consnlatum Uiierunt, darauf Zug nach Ägypten u. s. w., und das Consulatsjahr {= 202) als Fixpunkt dieser Gruppe erscheint, .so ist dagegen in Erinnerung zu bringen, daß Caracalla bereits 198 Augustus und Teilhaber der tribunicischen Gewalt geworden ist, unil daß somit schon doshalb die Zeitansätze der Vita irgend welcher Correcturen bedürftig sind.
Wird das Datum der Grabinschrift von Jerusalem nach dieser Epoche berechnet, so ist es mit dem i. April 647 zu gleichen. Dazu stimmt die Indictions- zahl ,fünf'; von dieser Seite her kann somit kein Einwand gegen den Gebrauch der severischen Stadtaera geholt werden; kaum auch kann ein solcher aus dem bereits in die persische Occupation hineinreichenden Datum (vgl. meine Bemerkung Miuh. der geogr. Gesellschaft in Wien 1890 .S. 368) oder, soweit ich unsere Hilfs- mittel für die frühbyzantinischen Schriftformen übersehe, aus paläographischen Indicien gewonnen werden: wenigstens nicht mit über- ,^^^^oYM2.<xKiö-i (^-^ zeugender Kraft; aber ich .setze für meine Per.son auf Grund ,77S>efrjK».T^e>L-Y*e des nebenstehenden photographischen Facsimiles, das Vincent seinem Aufsatz beifügt, die inscliriü erheblich vor 647 an, am liebsten in das
„c'est donc l'an 199/200 qu'il faut considcrer corame Epoche müßte das Datum der Inschrift mit I.April la data du voyage de Septime .Severe et le point de 647 gleichgesetzt werden und würde somit tatsächlich deparl de IVrc d'Klculhcropolis." Auf Grund dieser einem fünften Indictionsjahr angehören.
52 W. Kubitschek
fünfte Jahrhundert. Schwerer fällt für mich ins Gewicht, daß ich aus formalen und sachlichen Gründen es nicht glaublich finde, ein Name wie Eleutheropolis habe in der Zeit der Severe entstehen können. Daß unter Septimius Severus dieser Name der Stadt gegeben worden ist, schließt man daraus, daß er erst unter und nach Sever nachweisbar sei, daß die Stadt in ungewöhnlicher Weise die tria nomina des Kaisers in ihren Titel aufnimmt und unter Sever eine neue Aera beginnt. Diese drei als Gründe angeführten Tatsachen gebe ich ohne- weiters als richtig zu;^) aber die Schlußfolgerung kann ich nicht annehmen. Die gleiche Ausgestaltung des Stadtnamens begegnet uns bei dem nahen Diospolis (auf Münzen A. Sstc. Seou. AtoajioXis), ebenso bei Samaria - Sebaste, das auf Münzen als col{ouia) L(iiLia) Sep{timia) Sebaste erscheint ; Diospolis bedient sich aber auch sehr wahrscheinlich seit Severus der gleichen Aera wie Eleutheropolis (Domna mit den Jahrzahlen e, %■ und c, Caracalla mit 0- und c). Man hätte gewiß auch den Namen Diospolis auf Severus zurückgeführt, wenn nicht angeblich ältere Zeugnisse dieses Namens vorhanden wären : Flavius Josephus nannte sie in der jüdischen Archäologie XV 1 1 1 (5, 2) und im jüdischen Krieg I 366 (19, 1).'') Aus der Erwähnung bei diesem Schriftsteller wird geschlossen, daß Lydda, dies der ältere Name der Stadt, erst in der Zeit des jüdischen Krieges, in welchem Jerusalem fiel, umgenannt worden sei. Ich kann mir nichts Unmetho- discheres denken; sonst nennt Josephus die Stadt immer Lydda, und wenn er sie an zwei Stellen fast mit den g-leichen Worten bei der Erzählung desselben Factums, das obendrein um ein Jahrhundert früher als Jerusalems Untergang fällt, mit dem späteren Namen bezeichnet, müßte doch eine Quelle für seinen Bericht angenommen werden, die, wir wissen nicht um wie vieles, älter ist und bereits diesen Namen kennt. Ich kann indes leider auch dieses Argument für eine ältere Geltung des Namens Diospolis nicht geltend machen, da ich in jenem Bericht nur Dion und nicht, wie es auch der letzte Herausgeber tut, Diospolis erwähnt glauben kann; denn was soll das für ein strategischer Aufmarsch des Herodes sein, der, um die Araber abzuwehren, sich bis nach Diospolis-Lydda zurückzieht und damit nahezu sein ganzes Königreich preisgibt? Er verschanzt sich vielmehr zunächst in oder bei Dion und rückt, als die Feinde nordwärts gegen Kanatha ihren Aufmarsch durchführen, ihnen dorthin nach.
Also auch Josephus nennt den Namen Diospolis nicht. Daraus aber zu
*) Ich füge bei, daß der erste Inschriftstein, der *) b. lud. I 132 (6, 4) = antirj. XIV (3, 347)
die Stadt 'E?.£u9-£pöiioXt5 nennt, aus 213 stammt: es bezieht sich auf Ilion in der Dekapolis. ist der Meilenstein CIL HI 14155, 16.
Die Aer.i von Eleutheropolis in Judäa c i
schließen, daü er ihn iiiclit irelcaiint hat, ist nicht erlaubt, da er auch sonst neben- einander die älteren Stadtnamen und (iii- der römischen Zeit verwendet und mit Vorliebe sich jener bedient (vgl. z. ß. Sikima und Neapolis, Samaria und Sebaste, Stratons Turm und Kaisareia.) Ein Hinweis auf Ptolemäus, der Au55a und Batxo- yaßpa gibt, hilft nicht; denn Ptolemaeus bringt für Palästina fast durchwegs die älteren Stadtnamen allein, wahrsclieinlich weil er hier von einer weit älteren oder einer nationaljüdisch gesinnten Quelle abhängig war. Das Itinerarium Antonini nennt Diospolis und Eleutheropolis, während die auf die gleiche Vorlage zurück- gehende Tabula Peutingeriana Retogabri und Lnddis hat. Wenn nur sicher stünde, daß die beiden Werken zu Grunde liegende Straßenkarte überall die gerade zur Zeit ihrer Entstehung officiell gültigen Stadtnamen geboten habe, so müßte man daraus schließen, daß damals, also wohl zu irgend einer Zeit unter Augustus' Regierung, noch die Namen Baitogabra und Lydda allein existierten, und daß vor der Reconstruction der Karte, also spätestens unter Severus und Caracalla, die neuen Namen eingetragen worden sind.'"') Wann diese Namen entstanden sind, oder wenigstens wann Baitogabra in Eleutheropolis umgewandelt worden ist, würde man erkennen, wenn die Epoche der Grabinschrift von Jerusalem sich feststellen ließe. Vorläufig läßt sich nur sagen, daß dies ein um je 15 Jahre oder ein Multiplum von 15 Jahren vor oder nach 4 n. Chr. zu setzendes Datum oder dieses Jahr selbst sei.
Anhangsweise gebe ich eine Beschreibung der S. 5 1 erwähnten Münze von Eleutheropolis :
Bronze, 30 Millimeter, 19-3 Gramm (Fig. 23).
links AVTKAIMA, rechts KPINOC6B (so) links ? ? ? AIAAOVC?, rechts zunächst
CT (wie es scheint, und nicht
On), dann MAKPINO, im Felde oben €,
unten 01, im Abschnitt 6A€V
Brustbild Macrins mit Lorbeerkranz, Einander zugekehrt stehen Macrin,
Panzer und Mantel, von hinten, rechts- von vorn, Kopf linkshin, mit Lobeer-
hin blickend. kränz, und Diadumenian rechtshin;
beide in der Toga untl reichen ein- nander die Rechten.
') Aus Ammian XIV 8, 1 1 Caesaream, quam für Eleutheropolis oder für dessen Vorgängerin heraus-
ad honorem Ociaviani priiicipis exaedificavit Hei Oiics, zusucben, ist unfruchtbare Mühe; vor Gazam ist et
et Eleiilheropolim et Xeapolim ilidemque AscaJonem einzuschalten und exstrucliis ist wohl nur auf Asca-
Gazam acvo siipcriore exstruclas ein höheres Alter loiiem [et] Gazain bezogen.
54
F. K-ubitschek, Die Aera von Eleutheropolis in Judäa
Ich schließe die beiden Stücke von Diospolis an, die das Wiener Museum besitzt, weil sie gfleichfalls nicht oder zu wenig- bekannt sind.
Br. 30 Millimeter. 18-4 Gramm := Tiepolo I 637 (Rückseite Fisf. 24) links AVT KAI, rechts C60fuf-}1P0C [X. :;]CnT|C€OVH AlOCnOAlC, im Felde
links oben € und vielleicht noch ein undeutlicher Buchstabe. Sitzender Zeus Nikephoros links- hin, erhobene Linke am Scepter; zu seinen Füßen sitzt ein Adler, von vorn, Kopf linkshin.
Brustbild des Septimius Severus mit Lorbeerkranz und Schuppenpan- zer, von vorn, Kopf rechtshin.
Br. 23 Millimeter, 12-3 Gramm (Rückseite Fig. 25).
links AVTKAIMA[p?], rechts AVP links ACCn[a]60V, rechts [SJIOCnOAlC,
im Felde links €, rechts I. Brustbild des jug-endlichenCaracalla Brustbild der Tyche mit Turm-
(mit Bartanflug-?), im [Panzer und] kröne, von vorn, Kopf rechtshin.
Mantel, von hinten, Kopf rechtshin.
Wi
W. KUBITSCHEK
Metallcaestus.
In seinem Buche „Über antike Turngeräte" beschreibt Jüthner S. 87 eine bisher unbeachtete Art merkwürdiger massiver Metallboxer, von deren Form man die beste Vorstellung gewinnt, wenn man sich denkt, daß in die Mitte der flach ausgestreckten Hand quer ein metallener handbreiter o' 12— 0-15'" hoher und zwei Finger dicker Ansatz zugesetzt ist, der nach oben dünner verläuft. In Wirklichkeit sind die Finger in dem Ansatz umgebogen, und das was man im ersten Augen- blick für die ausgestreckten Finger hält, ist ein zur Verstärkung des Stoßes dienender Metallansatz. Diese Caestus sind bis jetzt nur aus wenig zahlreichen Denkmälern bekannt; Jüthner zählt sechs auf: i. eine Bronze im Nationalmuseum zu Athen, ferner 2. eine Terracotta der Coli. Branteghem, 3. ein Relieffragment im Lateran, 4. ein Capitälrelief im Giardino della Pigna im Vatican, 5. einen Kindersarkophag im Lateran und 6. einen I'"austkämpfer des Athletenmosaiks im
R. linyclraanii, Metallcaeslus
wm
55
Fig. 26 Athletenmosaik von Santa Severa.
Lateran. Bei der geringen Zahl der darauf bezüglichen Denkmäler wird jede \'er- mehrung willkommen sein, ich halte es deshalb für ineine Pflicht, die Abbildung eines Mosaiks hier zu veröffentlichen (Fig. 26), das i866 in den Scavi der Tenuta di Prato Rotatore bei Santa Severa gefunden worden ist (Bull. d. inst. 1866 p. 231 Anm.). Ob es jetzt noch erhalten ist und wo es aufbewahrt wird, vermag" ich leider nicht anzugeben.
Das Mosaik bildet ein Rechteck von 2'82 '" : 2"4i '" und besteht aus einem inneren Rechteck mit umlaufendem breiten Streifen, der (Kirch vier diagonal aus den Ecken hervorwach.sende Lotosblumen in vier Teile zerlegt wird. In diesen werden ägyptische Landschaft(Mi mit Pj'gmäcn und ägyptischen Tieren dargestellt;
56 R. Engelmann
da sieht man zunächst einen Pygmäen, der nach einem Kranich sticht; ein zweiter hat seinen Speer mit beiden Händen gefaßt, um, scheint es, einen gewaltigen Ochsenfrosch zu erlegen; auf dem folgenden Streifen hat ein mit einem Schurz bekleideter Pygmäe, der eine Art Turban auf dem Haupte trägt, einen Kranich mit der linken Hand beim Schnabel ergriffen und ist im Begriff, mit der rechten Hand, in der er wohl einen Stein gefaßt hält, ihm einen Schlag auf den Kopf zu versetzen; ein zweiter, nach rechtshin, mit einer Kappe auf dem Haupte, hat den einen Arm in einen offenbar zerbrochenen Krug gesteckt, der ihm als Schild dient, während die andere Hand einen gebogenen Stab hält, zum Angriff auf einen von rechts herkommenden Kranich. Der dritte Streifen zeigt einen Pygmäen, der beim Rohrschneiden von einem plötzlich aus dem Gebüsch tretenden Nilpferd erschreckt wird, ein zweiter, mit Schurz um die Lenden, sucht sich mit einem Stein gegen ein Krokodil zu verteidigen. Der vierte Teil zeigt einen Pygmäen, der einen mit Krügen beladenen Esel vor sich hertreibt; ihm tritt ein zweiter Pygmäe entgegen, der seinen linken Arm in ein großes Wassergefäß gesteckt hat, um sich dessen wie eines Schildes zu bedienen; mit der anderen Hand hält er einen gebogenen Stecken. Lotos- und andere Pflanzen sprießen zwischen den Figuren empor. Das sind also die das mittlere Rechteck einschließenden Streifen; dieses selbst aber zeigt zwei Faustkämpfer, von denen der eine soeben einen Schlag gegen den Kopf erhalten hat, so daß er die linke Hand zum Kopf emporführt, während . die rechte kraftlos herunterhängt; in demselben Augenblicke ist der zweite im Begriff auf den Unterliegenden zuzuspringen und mit beiden erhobenen Händen ihm den letzten Gnadenstoß zu geben; NEIAODOROS ist der Name des Siegers. Links von ihm steht ein niedriger Tisch mit den Preisgefäßen, einer breiten flachen Schale und einem Becher (die Form ist etwas undeutlich; im Bull. d. inst. 1866 p. 231 Anm. wird dieser Gegenstand zusammen mit dem, welcher neben dem rechten Schenkel des Sitzenden sichtbar ist, für ein Paar Sprunggewichte erklärt, die allerdings auf dem Preistisch eigentlich keine Stelle haben). Ein mit einem Chiton bekleideter Mann, der auf dem Tische zu sitzen scheint, ist im Begriff, dem Sieger eine Palme darzureichen. Striche am Boden sollen die Schatten- wirkungen der Figuren andeuten.
Das Interessante bei beiden Faustkämpfern sind nun die Caestus; man er- kennt deutlich den aus der Mitte der Hand vorspringenden Ansatz, wie bei Jüthner Fig. 69, und ebenso die Fortsetzung in der Richtung der Handfläche; dagegen ist die Umhüllung des Armes verschieden; bei allen sechs von Jüthner ange- führten Monumenten sind die Arme des Kämpfers bis zur Schulter heran in
Mclallcacstus 57
ein mit Riemen unischnürtes Fell gehüllt; auf unserem Mosaik dagegfen endet (liT ('aestus beim Handj^eleiik mit einem stärkeren Reifen. Es ist also wenij^er für die Verteidigung^-, mehr dagegen für die Wucht des Angriffes gesorgt. Fragen wir, in welcher Zeit diese grausame Faustwaffe, über die in der Literatur keine Angabe zu finden ist, üblich gewesen sein mag, so führt tiuch unser Mosaik in dieselbe Epoche, die schon von Jüthner aus den von ihm beigebrachten Beispielen erschlossen ist: in die spätere Kaiserzeit. Nur sollte Jüthner nicht den Haarbüschel der Bronze mit zur Zeitbestimmung verwenden (S. 94 ,,an der Jiroiize stimmt damit der Haarbüschel (Cirrus) am Sclieiti'l, d(!r auf griechischen Monumimten l)isher nicht nachgewiesen ist"), ila wenigstens aus dem ersten Jahrhundert der Cirrus sich schon nachweisen läßt, vgl. Guhl u. Koner, Das Leben d. Gr. u. R." S. 369 Fig- 493. ein Mosaik aus Pompeji, zwei zum Ringkampf aufeinander losstürzende Jünglinge darstellend, die deutlich den Cirrus erkennen lassen.
Berlin. R. LXCiELMANN
Die Familie des Augustus auf der Ära Pacis.
Reisch hat in seiner Untersuchung') mit Recht daran Anstoß genommen, (lau Augustus als Pontifex maximus einen Apex trägt. ^) Dieser richtige Gedanke hat ihn verleitet, gegen den Augenschein zu leugnen, daß der Apexträger (9 in Fig. 27 a) die porträtähnlichen ^) Züge des Kaisers zeigt. Die Frage hätte vielmehr lauten müssen: warum trägt Augustus den Apex? Die Antwort läßt sich geben unter der Voraussetzung, daß der Künstler jenen Opferzug darstellte, welcher als erster an jene Stelle wandelte, als Augustus im Jahre 13 v. Chr. den Platz für die zu erbauende Ära Pacis weihte.*)
') Wiener Studien XXIV (1902) .S. 193 ff. ,Zur Aufi(ustae) in camp(o) Mar(tio) conslitut.i est Nerone
Ära Pacis Augustae'. et Varo cos. (a. 13) Monum. Ancyr. II 37 — 41 [Cu]tn
^) Dem Pontife.\ maximus gibt die Überlieferung e.t H[ispa]nia Gal[liaque, rebus in Ins pjrovincis pro-
niemals den Apex. Nicht minder grundlos ist die sp[e]re[gest]i[s], R[omam redii] Ti.Ne[r]one P.Qui[n-
Behauptung Marquardts, Staatsv. III 248, daß die tilio consulibus] aram [Pacis A]u[g]ust[ae senatus pro]
Vittae den Apex bedeuten. redi[t]u raeo co[nsacrari censuit] ad cam[pum Martium
') V. Duhn, Ann. d. inst. 1881 p. 217— 2l8. in qua raa]gistratus et sa[cerdotes et virgines V[csl]a-
*) CIL I' 320 i IV NON. lUL. (lul. 4) Feriae [les anniversarium sacrificjium facer[e iussit]. Der
ex s(enatus) c(onsulto) q(uod) e(o) d(ie) ara Pacis griechische Text sichert die Ergänzung.
Jahreshefte des österr. archäol. Institutes Bd. VI. g
58
A. V. Domaszewski
Diese Voraussetzung ist aber für das Schaffen des Künstlers die einzig mögliche. Wie hätte er den tief durchdachten Plan zu seinem Kunstwerk, die geistv^olle Charakteristik der Personen ersinnen sollen, wenn er nicht wußte, wer auf dem Denkmale, das ihn bis zum Jahre 9 v. Chr. beschäftigt hat, erscheinen solle. Er hatte nicht nur das Kaiserhaus,
will
(XVII)
R^
sondern auch alle Sacerdotes, die den Opferzug bildeten, darzustellen. Wer dem Kaiserhause angehören würde, wer Sacerdos sein sollte zur Zeit der Voll- endung seines Werkes, wie konnte er es wissen? Er hat daher jene Personen gewählt, die im Jahre 13 lebten, und sie nach ihrer äußeren Erscheinung und der inneren Beziehung, die sie unterein- ander verband, so dargestellt, wie er sie
selbst gesehen hat, am Tage der Consecratio, die zu verewigen sein Auftrag war.^) Im Jahre 13 war Augustus nicht Pontifex maximus. Der Apex kennzeichnet ihn als den Träger einer anderen Priesterwürde; er war Flamen'^'): Lucan I 604 et tollens apicem generoso vertice flamen.') Nach der bekannten Rangordnung der römischen Priester, die das Relief der Ära Pacis genau einhält, folgen sich die höchsten Priester in dieser Weise *): Rex sacrorum, flamen Dialis, flamen Martialis, flamen Quirinalis, pontifex maximus. Zwei dieser flamines sind in
Fig. 27 a Opferzug von der Ära Pacis.
^) Die Consecratio ist der entscheidende Akt, die Dedicatio des Jahres 9 nur die Aufnahme des vollendeten Baues in die Zahl der Opera publica. Servius ad Aen. 8, 597: apud Romanos nihil fuit tarn sollemne quam dies consecrationis. Deshalb nennt Augustus sowohl für die Ära Pacis (Vgl. Anm. 4) als für die ara Fortunae reducis Mon. Ancyr. 2, 30 als Inhalt des Senatsbeschlusses das consacrari. Dagegen die Kalendernotizen machen daraus ein constituere. Über einen zweiten Fehler des Kalenderschreibers vgl. Strena Helbigiana 53 Anm. 5.
^) Die Salii, die ebenfalls den Apex tragen, kommen schon deshalb nicht in Betracht, weil die Erwerbung des Imperiums den Austritt aus dem CoUegium nach sich zieht. Marquardt III 429.
'') Dazu Comm. Bern. ed. Usener p. 40. Aber soviel ich sehe ist weder Lucan noch sein Erklärer
von den Neueren berücksichtigt worden. Vgl. Mar- quardt III 223. 248. In den vorhergehenden Versen nennt Lucan die Priester, die an einer großen Pro- cession teilnahmen. Pontilices und pontifices minores vestales, quindecemviri, augures, septemviri epulones, sodales Titii, Salii, endlich die Flamines. Die Reihen- folge ist mit dichterischer Freiheit behandelt. Unter Augustus müssen auch die Arvales und Fetiales im Zuge erscheinen, weil Augustus selbst Mitglied dieser CoUegia war. Res gestae cap, 7. Auf der Ara Pacis ist auch ein Lupercus, mit der Februa in der rechten Hand, dargestellt. Petersen Taf. IV Fig. 10. Diese Gestalt und Fig. 6 sind als equites Romani kenntlich am Fingerring. Die Magistratus dagegen traten in dem Opferzug der Consecratio nicht auf, soweit sie nicht Priester waren. Denn die Consecratio ist eine rein sacrale Handlung, Marquardt III 270. ^) Marquardt III 25.
Die Familie des Auj;iislus aul der Ära Pacis
59
Fip. 27 b, n. 15, 16 (kirj^estellt; der Flamen Martialis und der Flamen (Juirinalis. Nach der Rangordnung ist der vordere Flamen (16) der Flamen Martialis. Der Mann ist bekannt; es ist L. Corntilius I.entulus, Consul im Jahre 3 v. ('lir., also zur Zeit, als das Relief entstand, noch jung- an Jahren.") Vor diesen beiden müßte
XV
Fig. 27b Opferzug von der Ära Pacis.
auf der verlorenen Platte der Flamen Dialis stehen; doch war das Priestertum wegen seiner unbequemen Pflichten so gemieden, daß im Jahre 13 niemand das Amt bekleidete. 1") Dagegen fehlt es an einem Anzeichen, daß auch die Stelle des Rex sacrorum offen war. Diesen und seine priesterliche Gattin, die Regina sacrorum, wird man auf der verlorenen Platte unmittelbar vor den erhaltenen Flamines anzusetzen haben. Dann ist 14 der Rest des Rex. sacrorum. Im Jahre 13 gab es noch einen Flamen, dessen Amt Augustus nach der sacralen Ordnung bekleiden mußte. Es ist der Flamen des Divus lulius, Flamen lulianus genannt. ") Denn der Cult der Divi der Kaiserzeit, der historisch aus der Ver- ehrung des Divus lulius erwachsen ist, wurde gentilicisch organisiert '-) in der Weise, daß der nächste Agnat, der zu dem Amte befähigt ist, der Flamen des Divus wurde. 1^) So ist der erste Flamen Augustalis, Germanicus. Nach seinem Tode tritt sein jüngerer Bruder Drusus, des Tiberius Sohn, an seine Stelle;'^)
«) Prosopogr. I 453 n. 1131. »") Marquardt III 65. '•) Wissowa, Religion 285. '^) Dessau, Epliem. epigr. III 205 ff. ") Marquardt III 473.
'*) Das gentilicisehe Prinzip gilt auch späterhin ; so wurde noch im J.ihre 193 n. Chr. /.um Flamen
des Divus Perlinax sein Sohn Helvius Pertinax gewählt. Der Beschluß des Senats nach Germanicus Tode bei Tacit. ann. II 83 neve quis flamen aut augur in locum Germanici nisi gentis luliae crearetur. Dieser Bestimmung entspricht die Inschrift C. XII 147, in welcher Drusus mit Recht Augur und Flamen Augustalis heilet.
8*
6o A. V. Domaszewski
nach Drusus Tode wird Nero, der älteste Sohn des Germanicus, Flamen Augustalis. i^') Der Kaiser Tiberius selbst konnte nach Augustus Tode die Würde eines Flamen Augustalis nicht übernehmen, weil er als Pontifex maximus die Flamines wählt.'") Aus diesem Grunde hat auch Augustus, als er im Jahre 12 zum Pontifex maximus gewählt wurde, das Amt des Flamen lulianus niedergelegt. Denn im Monumentum Ancyranum nennt er diese Würde nicht unter seinen Priestertümern. Der erste Flamen Caesars war Antonius, noch zu Caesars Lebenszeit bestellt. Aber erst nach dem Vertrage von Brundisium besiegelte er das Familienbündnis, indem er sich als Flamen lulianus inaugurieren liei3. '')
Als Antonius geächtet, aller seiner Würden und Amter beraubt wurde, konnte niemand anderer als Augustus an seine Stelle treten, für den der fatalistische Glaube an das sidus lulium der Leitstern seiner ganzen Regierung war. 1*) Auch der eigentümliche Schmuck, der den Apex des Augustus ziert, der Lorbeerkranz, kennzeichnet den Flamen lulianus. Als immr esiegreicher Imperator war der divus lulius zu den Göttern entrückt worden. Zum Zeichen dieser ererbten Siegeskraft hatte Augustus frühzeitig den Titel Imperator in einen Teil seines Namens um- gebildet und hieß fortan Imperator Caesar. Mit dieser göttlichen Macht gewappnet, hatte Augustus den Weltfrieden geschaffen. Sein Nahen verkündeten vier Jahre vorher die Ludi saeculares. Jetzt, wo auch der Westen befriedet war, erhebt sich zum ewigen Gedächtnis die Ära Pacis. ^^)
Nach der Rangordnung der Priester kann hinter den Flamines niemand anderer folgen als der Pontifex maximus. Er ist auch durch den Mann (18), der vor ihm herschreitet und die heihge Axt trägt, unzweifelhaft bestimmt. Daß beide Gestalten 18 und 20 eng zusammengehören, ist auch dadurch ausgedrückt, daß beide allein das Haupt verhüllen. Lepidus, der damals Pontifex maximus war, konnte und wollte man aus politischen Gründen nicht darstellen. So tritt für ihn ein Mitglied des CoUegiums der pontifices ein. Es kann nur jener Pontifex sein, der seit Jahrzehnten zusammen mit Augustus den römischen Staatscult geleitet hat, der Mitkaiser Marcus Agrippa.-") In gleicher Weise hatten im Jahre 17 die beiden Kaiser Augustus und Agrippa als Ouindecemviri pro coUegio die Ludi saeculares gefeiert. Deshalb hat v. Duhn zuerst richtig ver-
'^) Prosopogr. II l8l n. 149. ") Strena Helbigiana 51 ff.
•°) Mommsen, Staatsr. 11 25. ^°) Nach Vell. II 137 war Agrippa, Sacerdos
") Drumann I 425 =2. Auflage 310. complurium collegiorum; als Mitkaiser wird er den-
•*) Gerade das Heer, das er zum Entscheidungs- selben CoUegia angehört haben wie Augustus, Res
kämpfe nach Actium führte, ist das Heer des Divus gestae cap. 7.
lulius. Neue Ileidelh. Jahrb. IV 156.
Die Kamilie des Au^uslus auf der Ära Pacis 6l
mutet,-') dieser Manu (20) sei Agrippa.-"'') Wenn tler torvus Agrippa vom Kün.stlcr als ein t^reisenhaft müder Mann j^cbildct ist, so liegt schon der Schatten des Todes, dir den s^roßen Feldherrn dis I'rincipates im nächsten Jahre hinraifen sollte, über seiner (restalt.
An Ajj-rippa schlie(3t sich eine Gruppe, worin Frauen und ein Knabe erscheinen. An sich mülJte es im höchsten Grade befremden, Frauen und Kinder im Opfer- zug"e römischer Priester zu sehen. Verständlich ist dies nur, wenn der vorge- schriebene Ritus dii> Anwescidicit von l-raueii und Kindern erfordert. In den Cultcn altrömischer Gottheiten sind Matronae neben den Priestern tätig", so dem Culte der Bona dea, -^) der Ceres,-') bei der Procession des Lapis manalis;-''') deshalb haben die Matronae auch einen eigenen Festtag, die Matronalia.-") Als Ateius Capito die Festordnung der Ludi saeculares entwarf, erhielten, ganz nach dem Sinne des Kaisers, der altrömische Familienzucht wieder beleben wollte, auch die Matronae ihren Platz im Culte,-') und neben ihnen werden Kinder genannt.-') Derselbe Hofmann wird auch den Plan für die Consecratio der Ära Pacis Augustae festgestellt haben. Dann aber war es bei der Weihe eines Denk- males, das zu Ehren des Kaisers gegründet wurde, eine notwendige Forderung, daß unter den Matronae die Frauen des Kaiserhauses die erste Stelle einnahmen.
Der Künstler hat für seine Darstellung den Augenblick gewählt, wo der Opferzug an der Stelle, der für die Ära Pacis bestimmt war, zum Stehen kommt. In dem. Bestreben, den für die Dauer des Opfers vorgeschriebenen Platz zu gewinnen, haben sich die einzelnen, im Zuge getrennten Gruppen, der Priester und Matronae naturgemäß für kurze Zeit ineinander geschoben. Diesen Moment, den der Künstler bei der Consecratio mit eigenen Augen sah, hat er festge- halten. So erreicht er in glücklichster Weise seine Absicht, ohne die Ordnung
^') Ann. d. inst. 1881 p. 319. precationum, auf dem die Formeln der consecratio
*') Daß der Verhüllte die Züge des Agrippa standen. Vgl. Petersen Taf. IV Fig. 10 und Taf. V
zeigt, wird von Kennern behauptet und auch wieder Fig. 30. Henzen, Acta Arvalia 23. Vita Marci 4, 4.
geleugnet. Jedesfalls ist es ein Porträt. Von Caesar, ^') Marquardt III 345.
den Benndorf erkennen will, bezeugt Sueton die ^*) Marquardt III 363. Ceres ist eine altrömische
Kahlheit. Caes. 45. calvitii vero deformitatem ini- Gottheit. Daß ihr Cult griechisch sein soll, ist
quissime ferret, saepe obtreclatorum iocis obnoxiam Gefasel,
expertus. Ideoque et deficientem capillum revocare a -') Marquardt III 262
vertice adsueverat, et ex Omnibus decretis sibi a ^*) Marquardt III 571.
senatu populoque honoribus non aliud aut reccpit ") Ephem. epigr. VIII 255. In dem griechischen
aut usurpavit libentius quam ius laureae coronae per- Orakel, dessen Weisheit Aleius Capito verwirklicht,
petuo gestandae; 51 moechum calvum adducimus. fehlen die Matronae.
Drumann 3, 737. Diesen Zug konnte der Künstler ^) Ephem. epigr. VII p. 233 v. 164 und p. 288.
wohl mildern, aber nicht durch natürliches Haar er- An beiden Stellen sind sicher nicht die Knaben- und
setzen. In der Hand lilill Agrippa den lil>ellus com- Miidchenchörc gemeint.
0 2 A. V. Domaszewslci
des Priesterzug"es, an dem der Vorgang kenntlich war, zu stören, jede Frau dem Manne nahe zu bringen, dem sie durch Familienbande am nächsten verbunden war. Doch sind die Motive des Künstlers nicht frei ersonnen. In der Pause, welche zwischen dem Herankommen des ganzen Zuges und seiner Neuordnung verfloß, hat er die hochstehenden Menschen in der unmittelbaren Äußerung- ihrer Em- pfindungen wirklich beobachtet. ^^)
In dem Knaben (22) hinter Agrippa erkennt man mit Recht Lucius Caesar, den jüngeren seiner Söhne. Als der ganze Zug an der Opferstätte zum Halten gekommen war, schickte sich Agrippa an, seine priesterlichen Functionen auszuüben und ließ die Hand des Knaben los, den er geführt hatte. Dieser, seiner Stütze beraubt, erfaßt mit beiden Händen das Gewand des Vaters und blickt auf die Frau zurück, die neben ihm steht (24). Ein Band der Ver- wandtschaft besteht demnach zwischen beiden. Aber diese Frau, mit sich selbst beschäftigt, beachtet den Knaben nicht, während eine zweite Frau (23) sich vorbeugt und beruhigend ihre Hand auf den Kopf des Knaben legt. Die Frau, die so wenig Anteil an dem Kinde nimmt, kann nicht seine Mutter Julia sein, und ebensowenig ist die zweite Frau lulia, weil die Kaisertochter ganz anders her- vortreten müßte. Doch muß diese zweite Frau dem Knaben wie auch Agrippa besonders nahe stehen, damit der innige Anteil sich erkläre, den sie an dem Kinde nimmt. Dadurch ist die Frau bezeichnet. Es ist Vipsania PoUa,'") Agrippas Schwester. Von allen Frauen des Zuges unterscheidet sich die Frau neben dem Knaben durch ihre Haltung. Die rechte Hand ganz verhüllend, blickt sie zur Seite nach unten und faßt, wie verlegen, mit der linken nach dem Saume ihres Mantels. Ihre unterdrückte Erregung ist hervorgerufen durch den Mann, der hinter ihr steht (26), leicht vorgebeugt, den Blick fest auf sie richtend. Diese Frau, die Agrippa zunächst steht, ist Vipsania Agrippina seine Tochter und der Mann ist Tiberius ihr Bräutigam. ^^) Die unendliche Zärtlichkeit, mit welcher Tiberius diese Frau liebte, ist eines der tragischen Momente seines Lebens. Und doch hatte der ernste Mann sein tiefes Gefühl verschwendet an eine urteilslose Schöne. ^^) Aber trotz dieser sinnvollen Vereinigung der Familie des Agrippa in
'') Deshalb konnte er so intime Motive geben. jünger war als Germanicus. Die bekannten Daten
Denn bei den Römern wird der Künstler nicht zur gestatten die Geburt bis auf den 7. October des
Hoftafel gezogen. Er kannte seine Auftraggeber Jahres 12 herabzurücken, so daß die Ehe zur Zeit,
nicht näher als jeder andere Bürger. die das Relief darstellt, noch nicht geschlossen war;
'") Prosopogr. III 444 n. 468. Prosopogr. II 176 n. 144.
^'j Wann die Ehe geschlossen wurde, wissen '-) Sueton Tib. 7 Sed Agrippinam et abegisse
wir nicht. Nur das steht fest, daß Drusus, ihr .Sohn, post divortiuni doluit et semel omnino ex occursu
Die Familie des Auyusliis ;iuf «U-r Ar;i l'acis 63
einer Scene, bat der Künstler das harte Gebot der Festordnunj,"- befolgt. Demi Tiberius war l'ntitifex,'*) sein Platz im Zuge hinter Agrippa. Durch diese Stellung des Tiberius in licr Reihe der Sacerdotes ist es sicher, daß die Magistratus am Opferzug der Consecratio-''^) nicht teilnahmen. Tiberius im Jahre 13 Consul, hätte an der Spitze der Magistratus stehen müssen, da das Amt bei den Römern dem Priestertume vorangeht.
Wie das Bild der Familie des Agrippa nach vorne durch Priester abgeschlossen wird, so standen auch hinter ilnien Priester.'*'') Hier waren die Ältesten der drei anderen amplissima coUegia, der Augures, Quindecemviri, Septemviri epulones und der Magister der Arvales dargestellt. Diese Anordnung läßt sich streng erweisen aus der folgenden Familienscene.
In dem Manne {31) mit dam Schwertgurt"') und der nacli .Soldatenart umgeworfenen Toga-") hat Dütschke Drusus erkannt, der bestimmt war die Cladcs Lolliana zu rächen. ^^) In sicherer, freier Haltung steht der jugendliche Held vor uns, dessen liebenswürdige Anmut alle Herzen gewann. Tiberius dagegen verrät nur in seinem Blicke die Leidenschaft, die ihn erfaßt hat, sonst verändert er in nichts die Haltung, welche römische dignitas dem Togatus zur Pflicht macht.'") Die Frau (28), der Drusus ins Antlitz sieht, kann nur Antonia minor sein. Das Kind (29), das dieser Ehe entsprossen war, Germanicus*") führt die Mutter an der Hand. Sehr unbequem bewegt sich das Knäblein, das kaum das Gehen erlernt hat,
visara adeo contentis - das zeigt auch das Relief — verrät sich der Gurt.
et umentibus oculis prosecutus est, ut custoditum sit, '^) Vgl. Jahreshefte II 190. Aus Dios (54, 25) ne umquam in conspectum ei posthac veniret. knappem Berichte kann man nicht erkennen, ob '') Prosopogr. II 182 n. 150. Drusus zur Feier nach Rom kam. Da ihm der '*) Vgl. oben Anm. 6. Künstler diejenige Officierstracht gibt, die für Rom •'^) Die Platte XV schließt nicht, wie Petersen und Italien galt, so scheint es mir wahrscheinlich, annahm, an die Platte XIV. Denn das Bein am daß er in Rom war. Auch aus 54, 28 ist über die rechten Rande der Platte XV kann nicht dem Zeit von Agrippas Rückkehr nichts zu entnehmen. Togatus, 27, gehören. Es steht im ersten Grunde ^'j Eben im Jahre 13 wurde die neue Wehr- des Reliefs, der Togatus im zweiten. Es ist nach der ordnunggeschaffen.als Vorbereitung für den Germanen- Bildung des Knies ein rechtes Bein — auch schreiten krieg. Neue Heidelb. Jalirb. X 224 Anm. 2. die Römer mit dem rechten Beine aus — ; als Bein ^') Die officielle Haltung wahrt notwendig der von 27 müßte es ein linkes sein. Am Fuße trägt Mann, der neben Augustus sieht (13). Es ist die der Mann, dem das Bein gehört, einen eigenartigen des Tiberius. Vgl. auch Sueton, Tib. 68. Dieses Stiefel. Der schwere Mantel, der es bedeckt, ist nicht starre Festhalten an der Form und dem eisernen das Unke Ende einer Toga, das an 27 fehlt. Zwang der Pflicht wurde Tiberius zum Fluche. '^) Nur das Cingulum militiae legt der Soldat Zweimal in seinem Leben hat er keinen anderen nie ab. Sonst ist er in Rom waffenlos, außer wenn Weg gewußt diesem Banne zu entgehen als die er Dienst tut. Soviel ich auf der Photographie er- Flucht in völlige Einsamkeit: nach Rhodus und kenne, ist selbst der Gurt unter der überfallenden Capreae. Tunica verborgen; in der Art wie die Falten brechen, *") Prosopogr. II 178 n. 146.
04 A. V. Domaszcwski
in der festlichen Tracht. Die beiden Gatten im Gespräche begriffen, haben in der Fülle ihres ehelichen Glückes, den Eintritt der feierlichen Stille nicht beachtet, die jedes Opfer begleiten muß und werden durch eine Matrona {30), die hinter ihnen steht, zu schweigen gemahnt.*^)
In sich abgeschlossen ist die Familiengruppe des Drusus zu trennen *^) von den darauf folgenden Gestalten des Zuges. Zwei Kinder, ein Knabe (i^) und ein Mädchen (35) stehen vor ihren Eltern, der Frau (34) und dem Manne (37). Das Mädchen lächelt den Knaben an, der zu ihr autblickend zu denken ist. Mit erhobener Rechten ermahnt sie der Vater nicht zu scherzen in dem Augenblicke, wo das Opfer beginnen wird. Neben Antonia minor kann ihre Schwester Antonia maior nicht fehlen. Ihr Gatte ist Lucius Domitius Ahenobarbus. Antonia maior, '^) im Jahre 39 geboren, stand im Jahre der Consecratio der Ära Pacis im 27. Jahre. Dem Domitius wurde sie früh verlobt und konnte ihm Kinder in dem Alter, wie das Relief sie zeigt, geboren haben. Wenn man beachtet, wie der Künstler vermeidet eine Beziehung zwischen Antonia maior und Domitius Ahenobarbus anzudeuten, so liegt der Gedanke nahe, daß sie früh gestorben ist, ehe noch die Reliefs vollendet waren.**) Von den Kindern ist der Knabe bekannt, Cn. Domitius Ahenobarbus.*-'') Sueton berichtet, er habe den Kaisersohn Caius Caesar auf dem Zuge nach dem Orient als Comes begleitet. Demnach war er ein Altersgenosse des Prinzen und stand im Jahre 13 v. Chr. in dem Lebensalter, welches das Relief uns zeigt. Man hat Suetons Angabe verworfen. Domitius müs.se viel jünger gewesen sein, weil er Agrippina, Germanicus Tochter,*'') erst im Jahre 28 n. Chr. heiratet und im Jahre ^2 n. Chr. zum Consulate gelangte. Aber bei einer tieferen Betrachtung gereichen diese Tatsachen Sueton nur zur Stütze. Welchen Haß Tiberius in seinem unversöhnlichen Gemüte allen jenen bewahrt hat, die als kriechende Fürstendiener dem Verbannten auf Rhodos nach dem Leben getrachtet hatten, ist bekannt durch den Proceß des Archelaos von Cappadocien, den die jjeinliche Anklage vor dem Senat in den Tod trieb. Wenn dennoch Domitius im Jahre 28 n. Chr. aus dem Dunkel hervortritt, Ag-rippina zum Weibe
*') V. Duhn, Ann. d. inst. 1881 p. 341. die Töchter des Germanicus dem Alter nach in der
*^} Die einzige Verbindung bewirkt der Knabe, Reihenfolge Agrippina, Drusilla, Livilla geboren
(33), der Drusus Mantel faßt. wurden, bestätigt das, von ihm nicht benützte, Zeugnis
*') Prosopogr. I 106 n. 706. über die Progeneri des Tiberius Tacit. ann. VI 45.
^*J Die Geschichte kennt nur ihre Vermählung Die Männer folgen aufeinander nach dem Grade der
und die Geburt der Kinder. Verwandtschaft, in welcher die Frauen zu Tiberius
■") Prosopogr. II 17 n. 109. stehen, und dem Lebensalter der Frauen.
*'') Mommsens Nachweis Hermes XIII 251, daß
Die Familie des Aiit;ustus ;iuf der Ära ]';icis 65
erhält, so hatte dies pohtische Gründe. Schon sann der Kaiser unter dem dämo- nischen Einfluß Seians auf das Verderben der Söhne des Germanicus, und im Jahre 29 nach dem Tode seiner Mutter Livia brach das Unheil über sie herein. So hatte der ivaiser sclion im Jahrr jS den einzigen seines Geschlechtes, der im reg-jerungsfähigen Alter stand, herangezogen und iiacli dem Sturze Seians verlieh er ihm die höchste Auszeichnung, das Jahresconsulat. Aber auch in der Einsamkeit von Capreae hat der pflichttreue Herrscher Bedenken getragen, dem ruchlosen Menschen*") das Schicksal des Reiches anzuvertrauen. Die völlige Verzweiflung an seinem Geschlechte liel3 ihn sterben, ohne die Naclifulge geordnet zu haben. Das Mädchen des Reliefs scheint eine ältere Schwester, die in der Geschichte nicht bekannt geworden ist; denn die beiden Schwestern, deren Xaiiieii wir kennen, dürften jünger gewesen sein."*) Den Gegensatz der beiden Antoniae hat der Künstler nicht minder tief erfaßt als den der Brüder Tiberius und Drusus. Antonia minor erscheint als die hoheitsvolle Frau, wie die Geschichte sie kennt, die ihrem Gatten die Treue über das Grab bewahrte und als das Haus der Julier in wahn- witziger Selbstzerstörung endete, tler letzte Hort wurde der Verwaisten. Antonia maior hat den Blick zur Erde gesenkt, wie von tiefer .Schwermut um- fangen, nur durch die • leise Berührung des Knaben ihre Teilnahme verratend. Diese Charakteristik führt wieder auf den Gedanken, daß Antonia maior starb, ehe die Reliefs vollendet wurden.
Die Stellung der Männer im Zuge bestimmt ihr Priesteramt. Drusus war Augur,*'*) Domitius Frater arvalis. ■'"'*) Deshalb sind vor ihnen die \'orsteher der vier großen Collegien zu ergänzen. Auch hier hat der Künstler den Zwang der ritualen Vorschrift zu seinem Vorteil gewandt, indem er Drusus, dem Liebling des Kaisers, die bedeutendere Stelle geben konnte. Dadurch, daß die Reihen der anteilslosen Priester die Familienscenen scheiden, wirken sie wie Triglyphen, die das Bildwerk der Metopon trennen. In den ruhig bewegten Gruppen der Familien- scenen tönt das Patlios nur leise wieder, wie ein tief im (irund fließender Quell.
Die erste Scene vereinigte die Familie Agrippas, die zweite umfaßte die Xachkonimen Octavias. Durch diese bewußte Gliederung erklärt sich das Fehlen
") Er liiit sich selbst gerichtet durch die Worte, Messalina, .ils sie mit Claudius vermählt war, in den
die er bei der Geburt seines Sohnes Nero sprach Dreißigen. Psychologisch wird das Weib und die
(Sucton, Nero 6): negantis quicquam ex se et Agrippina Art seines Unterganges erst dann versl.Hndlich.
nisi detestabile et male publico nasci potuisse. *') Prosopogr. I p. 365 u. 889.
*^) Domitia Lepida und Domitia, Prosopogr. II '") Prosopogr. II p. 18 u. IIO. Die Cumul.ation
25 n. 148; p. 26 n. 155. Wenn das dargestellte der Pricstcrtiimer ist selbst bei Angehörigen des
Mädchen Domitia Lepida wäre, so stand Valeria Kaiserhauses damals vermieden worden.
Jalircshrfti* <l,'s iVsti'rr. art-liiiol. Institutes IM. VI. q
66 A. V. Domaszewski, Die Familie des Augustus auf der Ära Pacis
der Frauen Livia und lulia, wie der Kinder Caius Caesar, lulia, Agrippina. Sie hatten ihren notwendigen Platz auf der verlorenen Platte vor dem Rex sacrorum in unmittelbarer Nähe des Kaisers Augustus. Denn sie sind es, die im engsten Sinne seine Familie bilden. Der ältere Thronfolger Caius Caesar wird Livia begleitet haben, während die Mädchen lulia zugesellt waren. ^*) Augustus blickt auf die Seinen zurück, indem er mit der Rechten den Platz bezeichnet, der durch die Consecratio für die Ära Pacis geweiht werden soll. Auch Augustus ist nach seinem Wesen gebildet. Trotz der Würde des Herrschers fehlt ihm jeder Zug gebietender Hoheit.
Diese Bilder sind mehr als der unmittelbare Zustand der handelnden Personen. Schon hatte die atrox fortuna ^^) das Haus der lulier zu erschüttern begonnen, während der Künstler an seinem Werke bildete. Ihr Walten beeinflußte seinen schaffenden Geist, gab ihm den Tiefblick das Innerste jener Menschen zu erfassen, den unveränderlichen Charakter, nach dem sie stetig fortwirken mußten in der Zeit. Vor dem allsehenden Auge des Künstlers, des wahren Weisen, löste sich der Schleier, der die dunkle Zukunft des iulischen Hauses verbarg.
Heidelberg. A. v. DOMASZEW.SKI
Gesichtsvase aus Corneto.
Der Zufall spielte mir vor etwa drei Jahren in Corneto ein Gefäß in die Hände, das seither Eigentum der kaiserlichen Antikensammlung in Wien geworden ist und um seiner Sonderheit willen wohl die Veröffentlichung verdient. Nach Aussage des früheren Besitzers wurde es in der Umgebung von Corneto gefunden. Es ist ein o'io" hoher Napf aus rötlichgelbem Tone, von kugeliger Form, aber mit scharf absetzendem Rande. An der Mündung mißt er gleichfalls o'io" im Durchmesser (Fig. 28). Sein Henkel, aus zwei wie aneinander geschweißten Ringen geformt, gemahnt an Metalltechnik. Was aber dem auf den ersten Blick gewöhnlich scheinenden Topfe ein besonderes historisches Interesse gibt, ist zweierlei: erstens zeigt seine vordere Mantelfläche in primitiver Modellierung die Formen eines menschlichen Antlitzes, Nase, Augen, Brauen, Mund, Kinn und Ohren, und
") Die drei Familienscenen sind geordnet nach und Lucius Caesar. Caius besaß den für die Beklei-
dem staatsrechtlichen Verhältnis der beiden Kaiser. düng eines Amtes wesentlichen Vorrang des Alters.
Augustus Vorrang beruhte nur auf dem höheren An- Deshalb ist der Knabe, der Agrippa begleitet, sicher
sehen Rest. gest. 6, 21 Post id tem[pus praestiti Omnibus Lucius Caesar. Wie Caius dem Augustus, so sollte
dignitate,potest]atis aut[em n]ihiloampliu[s h.ibuiquam Lucius demAgrippa einst auf dem Kaiserthrone folgen. qui fuerunt mjihi quoque in raa[gisjtra[t]u conlegae. '^) Augustus eigenes Wort Sueton, Tib. 23.
Dasselbe Verhältnis galt auch für die Thronfolger, Caius Vgl. Monum. Ancyr. II 4O.
O. Egger, Gesichtsvase aus Comelii
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z\vi'iti.Mis ist er iliirrli riciiuiluiig' in ilunivlcr l'arbc vurziort. Oabc-i luit man au I diu tektonische Gliederung des Gefäßes Bedacht g-enommen, indem der Fuß samt dem anliejfe«don Teile des Hauches, die Mündunj^- und d(;r Misnkel mit jetzt
Fig. 28 Vase aus Corneto in den AnliUensammlungen des Allerh. Kaiserhauses.
zum größten Teile verschwundener Farbe überzogen wurden, und außerdem ist die Mantelfläche besonders dekoriert durch zwei Schwäne, die mit au.sge- spannten Schwingen in gleicher Richtung fliegen. Auch die Gesichtsformen der Vorderseite sind bemalt, und die übrige Fläche ist mit gewöhnlichen geometrischen Füll- ornamenten bedeckt. Die Farbe ist schwarzbraun, hat aber an manchen Stellen durch das Brennen einen lichtroten, hie und da einen violetten Ton angenommen. Durch roh gra- vierte Linien werden die ge- malten Ornamente und Fi- guren in ihrer Wirkung mehr beeinträchtigt als unterstützt. Gesichtsvasen finden sich bekanntlich in den verschiedensten Perioden der Keramik, zur Zeit der vollsten Blüte wie besonders in primitiven Epochen; es fehlt auch nicht an Beispielen im etruskischen Handwerk.*) Die mir bekannt ge- wordenen sind aber aus Bucchero-Ton geformt und zeigen außer ihrem Reliefschmuck
Fig. 29 Janusartigcr Napf vom Forum Romanuni.
Vase des Louvre.
') Ich führe einige Beispiele an:
I. Janusartiger Napf mit zwei Gesichlern aus
den ältesten Funden vom Forum Romanum, Milani, Rendiconti della reale accademia dei I-inc. classe di
68
O. Egger, Gesichtsvase aus Corneto
keine Verzierung.^) Die Wiener Vase, gewiß auch ein Produkt etruskischer Industrie, erhält, so unbedeutend ihr ästhetischer Wert ist, durch die beiden aufgemalten Schwäne, die wie ein Nachhall ostgriechischer Vasenmalerei anmuten, eine be-
Fig. 31 Vase des österr. Museums für Kunst und Industrie.
sondere Stellung. Sie gehört in die Zeit der Anfänge der nachkorinthischen schwarz- figurigen Technik. Ein Zufall fügt es, dai3 sich ein in Form und Bemalung- ganz analoges Gegenstück zu unserem Gefäße gleichfalls in Wien befindet. Es ist ein Napf aus der Sammlung Castellani, jetzt im österreichischen Museum für Kunst und Industrie (Masner n. 150; vgl. Fig. 31). Auch hier finden wir zu beiden Seiten der Gesichtsformen je einen Schwan aufgemalt, nur ist die Zeichnung primitiver, die Modellierung des Gesichtes und die Form der Vase roher.
Wien.
scienze m. st. e fil. vol. IX 301. Vgl. Fig. 29.
2. Drei Vasen im Louvre, Pottier, Vases antiques du Louvre pl. 28 C 709 und Pottier, Catalogue p. 351. Vgl. Fig. 30.
3. Vase aus der .Samm- lung Castellani, jetzt im öst. Mus. t. K. u. I. in Wien, Masner 161. Vgl. Fig. 32.
-) Im Museo civico zu Verona befindet sich nach einer Ludwig PoUak verdankten Mit-
UäSB^^^Tu
Fig. 32 Vase des österr. Museums für Kunst und Industrie.
OTTO EGGER
teilung eine mir unbekannte O'IOS"" hohe Gesichtsvase aus grauem Tone, auf der Rück- seile laufen dreimal je zwei horizontale Streifen. — Die beiden Gesichtsvasen im Mu- seum von Pompei n. 227 und 230 gehören, wie Dr Karl Hadaczek an Ort und .Stelle festzustellen die Gefälligkeit hatte, zur roten, nicht glasier- ten Tonware der römischen Zeit; an einigen Stellen sind sie durch Feuer geschwärzt.
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Fig- 33 Bronzerelief im Museum zu Speyer.
Bronzereliefs vom Limes.
Tafel IV.
.4. Die auf Taf. IV abgebildete Bronze wurde 1901 im Lager von Carnuntum „in der tief ausgebrochenen Lücke einer starken Mauer eines Gebäudes gefunden; sie lag daselbst in dem aus Erde, Mauerschutt und allerlei Culturresten zusammen- gesetzten losen Füllmaterial. Unmittelbar über dem Bronzerelief lag ein großes, guterhaltenes Stück eines Schuppenpanzers. Aus der Lagerung beider Gegenstände konnte ein Schluß auf etwaige Beziehung zu einander sowie auf die Herkunft der- selben nicht gezogen werden".')
Die Bronzeplatte hat die Form oiuor o'jo'" hohen und o"24"' breiten Kllipse, welche um die senkrechte Achse leicht cylindrisch gebogen ist, und ist sehr dünn getrieben; die Umrisse sind nachpunktiert, viele Einzelheiten bloß geritzt. Das Relief erreicht in seiner oberen Hälfte eine Erhebung von o-i4"', sprang aber ursprünglich noch stärker hervor; die untere Hälfte ist flach gehalten; das Mittelstück mußte bei der Zusammensetzung, die dem Bildhauer Wilhelm Sturm jun. verdankt wird, mit dem Reliefgrund durch Einfügung eines schmalen
') Ausgrabungsbericht des Obersten M. v. Groller.
70 R. Müusterberg
Streifens verbunden werden. Nahe am Rande findet sich links und oben je ein Haftloch; ein drittes dürfte rechts an einer jetzt ausgebrochenen vStelle angebracht gewesen sein. Die Oberfläche ist zum gTÖl3ten Teil mit wilder Patina bedeckt.
Aus einer blumenkelchartigen Verzierung, die unten durch eine halbe Rosette abgeschlossen wird, erhebt sich der Oberkörper eines Knaben, bekleidet mit einem kurzen Mantel, der an der rechten Schulter durch eine Rosettenfibel zusammen- gehalten, die Brust frei läßt und über der linken Schulter mit einem Bausch nach vorn übergeschlagen scheint, während ein längerer Gew andzipfel unter der linken Achsel hervorkommt und aufwärts flattert. Einige flüchtige Striche deuten die Muskulatur des Brustkastens an. Das Gesicht ist ov^al ; die Pupillen sind durch einen eingeritzten Kreis und eine innere Vertiefung, die Wimpern durch Strichel- chen wiedergegeben. Zwei Reihen von Locken fallen auf beiden Seiten über die Ohren herab. Die rechte Hand ist mit geschlossen ausgestreckten Fingern erhoben, die linke an die Brust gedrückt. Beiderseits vom Kopf senkt sich ein Flügelpaar herab; oben laufen zwei dicke gestrichelte Wülste nach oben zusammen; bei näherem Zusehen bemerken wir endlich unter der rechten (nicht aber auch unter der linken) Achsel des Knaben eine blätterartig gebildete Kralle. Es ist also der Raub des Ganymedes durch den Adler des Zeus dargestellt.
Das ganze Bild ist von dem verdickten Rand und einer Perlschnur eingefaßt. Den Raum unter dem rechten Arm Ganymeds füllt ein dreieckiges Blatt. Der breite Streifen um den Vogel ist durch Querstriche in Felder geteilt. Über der rechten Hand des Knaben sehen wir eine sechsröhrige Hirtenflöte mit einer sternartigen Verzierung (vgl. S. 72) und darüber eine jugendliche weib- liche Kopfmaske. Rechts vom Kopf des Knaben steht nach links gewendet eine nackte Figur, die man als männlich bezeichnen würde, wenn sie nicht einen Haarschopf zu tragen schiene; die Finger der erhobenen rechten Hand sind gekrümmt, als ob sie ein Scepter hielte, der linke Arm ist gesenkt;-) über ihr scheint ein nach links anspringender Hund dargestellt zu sein; der Hund ist auch sonst ein ständiger Begleiter Ganymeds. Über dem Kopf des Knaben zieht sich ein aus vier Reihen bestehender Ornamentstreifen hin: zu unterst eine Kette mandelförmiger Bildungen, darüber eine Zickzacklinie, dann aneinander gereihte kleine Kreise, zu oberst wieder eine Zickzacklinie. Dasselbe Ornament, nicht der
^) Auf einer Spiegelkapsel aus Palestrina (Mon. Frau, die erschrocken den rechten Arm hebt und d. inst. VIII Taf. 47, 2; jetzt im Brit. Mus. Catal. mit der linken Hand das Gewand faßt (Kallirrhoe, n. 726) erscheint als Nebenfigur eine halbnackte die Mutter GanymedsPj.
Bronzereliefs vom Limes 7'
Reihenfolge, aber doch den Bestandteilen nach, ist der hellenistischen Kunst eigen,^) ebenso die Umrahmung der Einzelbilder sowie die Verbindung von Hirtenflöte und Maske. Auch das Motiv der aus Blättern oder einem Blüten- kelch aufsteigenden Büste oder Halbfigur hat in hellenistischer Zeit größere Ver- breitung gefunden.'') Die Vereinigung aller dieser Merkmale läßt vermuten, daß unsere Darstellung auf eine von hellenistischer Kunst beeinflußte Vorlage zurück- geht, und diese Vermutung wird durch die stümperhafte Sorgfalt der Ausführung und offenbare Mißverständnisse der Einzelheiten, sowie durch das Vorhandensein verwandter Nachbildungen bestätigt.
B. Am nächsten steht der I'orm nach ein Bronzerelief im Museum von Speyer,-') das 1820 in Schwarzenacker bei Zweibrücken „zugleich mit einer kleinen Bronzestatue des Jupiter, einem Seiher '') und einer Pfanne von Erzblech" gefunden worden ist. (Fig. ^^ nach einem Gipsabguß der archäologischen Sammlung der Wiener Universität.) Die Speyrer Bronze ist kreisrund und etwas kleiner,') die Bildfläche eben. Außer der verschiedenen Haarbehandlung fällt iiamtMitlich das Attribut in der linken Hand des Knaben auf, das Stark wohl richtig für ein Pedum erklärt hat, obgleich es eigentlich eher einer gallischen Trompete (carnyx) ähnelt. Die Krallen des Adlers sind unter beiden Achseln des Knaben deutlich sichtbar. Über der Gruppe hängen vom Rande zwei Bogenlinien herab, die wie der Zwischenraum gestrichelt sind. Rechts steht ein Hund, über ihm dient ein Dreieckblatt zur Raumfüllung. Auf der anderen Seite erkennen wir die stark verzerrte Hirtenflöte und über ihr die Fortsetzung des vereinfachten Zackenorna- ments, das sich über dem Haupt Ganymeds hinzieht. Über dem Hund wie über der Flöte schaut ein weiblicher Kopf nach außen.")
C. Im Castrum von Szamos-Ujvär (nö. von Klausenburg), dem Lagerort der ala II Pannoniorum, wurden 1835 mehrere Reliefbronzen gefunden, die durch Karl Torma ins Klausenburger Museum gelangten, nachdem die zahlreichen Bruch- stücke unter Julius Friedländers Anleitung zusammengesetzt wordcni waren.") Der
') Th. Schreiber, Alexandrinische Toreutik ') Ein Bruchstück eines genau gleich großen
S. 159 Abb. 124. und ebenso umrandeten Schildes mit dem etwas
*) E. Hübner, Bildnis einer Römerin. größeren Kopf eines bärtigen Barbaren (?) statt des
') B. Stark in den Bonner Jahrbüchern LVIII weiblichen Kopfes zur Linken bei Jacobi, Saalburg
I ff. Taf. I und 3 a; Friederichs -Wolters 19O3; Taf. 64, 4.
Harster, Katalog d. hist. Abth. des Museums in ') Arch. Zeitung XVI I49 ff. Taf. 112. Unsere
Spej'er 1886 S. 27. Fig. 34 gibt das besser erhaltene Stück (h) nach einer
") So ist bei Stark S. 4 nach S. 56 für .Reiher' Photographie, die das Institut dem Museumsdirector
zu lesen. B. Posta verdankt. Das Relief ist mehrfach in
") Durchmesser 0'24"' nach Harster. Kleinigkeiten ergänzt.
72
R. Münsterberg
1
Fund enthielt außer einem Rundschild mit dem Medusenhaupt und zwei voll- kommen gleichen Oblongen mit der Hauptdarstellung eines Kriegers {vgl. S. 75) zwei symmetrische, „oben etwas vorgeneigte" Platten (0-53™ hoch und 0-22"
breit), die zusammengerückt etwa den Um- rissen eines menschlichen Rumpfes entsprechen würden (Fig. 34). Beide sind oberhalb der Ein- schnürung durch eine breite Leiste in zwei un- gleiche Hälften geteilt; unmittelbar darüber ist in D eine Nietung- erhalten ; wahrscheinlich waren zudem die geraden Ränder nach rückwärts um- geschlagen (vgl. S. 73 zu Fig. 35), was sich heute nicht mehr feststellen läßt, da die Bruch- stücke auf einer Holztafel angeleimt sind. Auch inhaltlich ist vollste Symmetrie durchgeführt. Das untere Feld zeigt einen bis auf ein Rücken- mäntelchen nackten Jüngling, der sein Pferd am Züg-el führt und in der anderen Hand einen Speer hält; vor dem Pferde lehnt ein Schild am Boden, hinter dem Bug des Tieres ist ein römi- sches Feldzeichen aufgepflanzt, über dessen Querholz eine au.sgestreckte Hand emporragt. An dem Rahmen hängt über dem Kopf des Pferdes ein Tuch. Der einzige Unterschied be- steht darin, daß in A den spitzen Winkel ein Dreieckblatt ausfüllt, das in B wohl nur durch ein Versehen ausgeblieben ist. Von der Dar- stellung des Hauptbildes ist gerade noch so viel erhalten, daß sich die Übereinstimmung mit den Bronzen von Carnuntum und Speyer sicher er- kennen läßt. Nur sind in B natürlich die Seiten vertauscht. Daher liegt der Bausch des Ge- wandes auf der rechten Schulter, die Fibel auf der linken; das jetzt völlig ausgebrochene Gesicht war anscheinend voller, das Haar in drei Reihen von Locken angeordnet. Über der erhobenen Linken des Knaben kehrt die Syrinx wieder; aus ihren Kreuzbändern hat sich viel- leicht das sternartige Ornament- auf tlem Schild von (^arnuntum entwickelt
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Fig. 34 Bronzerelief von Szamos-Ujvär.
Bronzereliefs vom Limes
73
(vg-1. S. 70); am linken Rand eine ß-estriclielte Bogenlinie. Von dem Blätterkclch, aus dem die Gestalt des Knaben aufsteigt, sind in A deutliche Spuren er- halten, in /)' nur ein Hlatt unter der linken Achsel. Die Krallen des Adlers fehlen. Über ihm schwimmt ein Triton, der rückwärts gewendet in ein Muschelhorn bläst, während die freie Hand im rech- ten Winkel gebogen ist; das Bild des Tritons ist hinter dem Schwanz durch einen Kalimen abgeschlossen.
D. Die obere Hälfte eines ähnlichen Reliefs wurde zusammen mit den Resten eines Schuppenpanzers in Brigetio ge- funden und gelangte 1892 ins Wiener kunsthistorische Museum (Fig. ;i^). Das erhaltene Stück ist o"275'" hoch und bis Q-ig"' breit. Der gerade Rand ist nach rückwärts umgeschlagen ; an dem oberen Rande ist etwa in der Mitte ein niedriger, mindestens doppelt gekerbter Aufsatz be- merkbar, der nur zur Befestigung ge- dient haben kann. Die Platte ist — wohl zufallig — oben und unten in wag- rechter Richtung nach außen gewölbt, dazwischen eingesunken. Das Hauptbild
befindet sich in einem eckigen Rahmen; erhalten sind vom Adler die Flügel und der Kopf, der auf der Abbildung nur ungefälir mit dem Hintergrund ver- bunden erscheint, vom Knallen die erhobene Rechte und die dreifache Locken- reihe; die Ecken sind durch Dreieckblätter ausgefüllt. Das umrahmte Feld zur Linken zeigt einen jugendlichen weiblichen Kopf und darüber statt der Syrinx eine Raute mit sternförmigem Ornament. Im Giebel schwimmt nach rechts ein junger Triton, der anscheinend mit der Linken ein Ruder schultert und nach rückwärts gew^endet ins Muschelhorn bläst.
Zu demselben Funde gehört ein kleineres aus zwei Stücken zusammengesetztes Bronzefragment (Fig. 35 unten). Es ist 0-075'" breit und 0-037'" hoch und stellt einen nach links gewendeten Seepanther dar; links ist seitwärts ein Rest des strick- artigen Randes erhalten, oben ein unregelmäßiges Loch eingeschlagen; in den
Jahrcshpfto des östrrr. .'irf:h;ii)]. Institiitc-i Hd. VI. in
^'S- 35 Bronzereliet von Brigetio.
74
R. Münsterberg
Vertiefung-en bemerkt man Spuren von Versilberung oder Verzinnung. Obwohl durch Darstellung und Technik verwandt, gehört das Stück doch nicht der größeren Reliefplatte an, deren Ergänzung sich aus dem Funde von Szamos-Ujvdr mit Sicherheit ergibt; gegen die Zugehörigkeit zu ihr oder zu ihrem Gegenstück spricht auch die verschiedene Befestigungsart und der Rand, der das Bild des Panthers links begrenzt.
E. Bevor wir uns der Frage nach der Bedeutung und Verwendung dieser Gany- medesdarstellungen zuwenden, sei hier eine merkwürdige Umbildung eingeschaltet,
auf die R. v. Schneider aufmerk- sam gemacht hat. Im National- museum zu Kopenhagen befindet sich eine dem Speyrer Exemplar an Größe entsprechende Bronze- platte (0-224°' hoch und o'2 2 2'" breit) „aus Süddeutschland", „ur- sprünglich ganz verzinnt, wodurch sie ein silberähnliches Aussehen er- hielt'' ; '") die größte Relieferhebung beträgt 0-085™ Auch hier (Fig. 36 ") sehen wir ein Brustbild mit ovalem Gesicht und erhobener Rechten; auf die Brust herabfallende Locken verdecken die Ohren, oben bildet ein Adler mit gesenkten Schwin- gen den Abschluß. Aber die Finger der Rechten sind gekrümmt und halten einen (eingeritzten) Speer; aus dem aufflatternden Gewand ist ein Schild geworden, aus der Syrinx ein Füllhorn; der Adler ist bedeutend kleiner und krönt einen dreibügeligen Helm ; die Stelle der nach unten abschließenden Rosette nimmt das Gorgoneion der Pallas ein, das den oben kragenartig um- geschlagenen Ägispanzer zusammenhält. Daß die hier hervorgehobenen Ähnlich- keiten keine zufalligen sind, wird durch Stil und Technik nahe gelegt, durch das Beiwerk erwiesen. Die am Rande verstreuten Schildchen und Rosetten erinnern an die Reliefs von Szamos-Ujvär. Über dem Füllhorn ist eine Zick-
Fig. 36 Bronzerelief im Nationalmuseura zu Kopenhagen.
'") Führer durch die Antikensammlung, Schrank 121 n. 63.
") Nach einer von Chr. Blinkenberg gütigst an- gefertigten und zur Verfuuung gestellten Photographie.
Bronzcreliefs vom Limes 75
zacklinie angebracht wie an dem Schild von Schwarzenacker über der Syrinx. Über der Unken Schulter der Göttin springt ein Löwen Vorderteil hervor, das (hircli zwei Bogenlinien und drei diesen aufsitzende Blätter abgeschlossen wird; es stellt also einen Seelöwen dar; und ein ähnliches Meerungetüm haben wir in dem Funde von Brigetio angetroffen. Seelöwe, Seepanther und Triton bestätigen die Vermutung von dem hellenistischen Ursprung des Originals.
Die Frage nach der decorativen Verwendung unserer Reliefs vermag ich nicht befriedigend zu beantworten, obwohl sie augenscheiiilicli militärischen Zwecken gedient haben. Die Bronzen von Szamos-Ujvär und Carnuntum stammen aus dem Lager. In Carnuntum und Brigetio hat man mit den Reliefs Reste von Schuppenpanzern gefunden. Auf römisches Kriegswesen deuten auch die Signa des bereits beschriebenen Plattenpaares von Szamos-Ujvär und die übrigen Stücke dieses Fundes, der mit dem Medusenhaupt geschmückte Schild und lUo beiden oblongen Bronzebleche. Sie sind i Fuß lo Zoll hoch und 8 Zoll breit und werden wie das andere Plattenpaar durch einen wagrechten Streifen in zwei ungleiche Felder geteilt. Ein jugendlicher Krieger hält in der erhobenen Rechten eine umgekehrte Lanze, um die sich eine Schlange aufwärts windet; rechts steht eine Gans (?), die zu ihm aufblickt. Der Jüngling ist bekleidet mit Tunica, Panzer und Paludamentum, auf dem von Locken umkränzten Haupte trägt er einen Helm, an den Füßen Beinschienen und Schuhe. Er setzt den rechten Fuß auf den über den Rahmen des unteren Feldes hinausragenden Kopf eines Mischwesens mit weiblichem (?) Oberkörper und Schlangenbeinen, das in der Rechten nach Friedländer einen „Tierkinnbacken (?)", in der Linken ein ruderartiges Attribut hält. Über der linken Schulter des Kriegers fliegt eine anscheinend ungeflügelte Victoria auf ihn zu, um ihn zu bekränzen. Den oberen Abschluß der Platte bildet ein Kranzgewinde, das uns die bogenartigen Verzierungen des Speyrer Reliefs verstehen lehrt. Links vom Kopf des Kriegers füllen zwei Dreieckblätter und ein von der Seite gesehener kleiner Schild den leeren Raum. Für die drei rahmen- artigen Streifen am rechten Rande weiß ich keine ausreichende Erklärung; zu einem Schilde können sie wohl kaum gehören. Der wagrechte Streifen über der Gans erinnert an die umrahmten Bilder des Carnuntiner Reliefs.
Den Krieger hat schon Wieseler Mars genannt. Die Gans ist als heiliges Tier des Mars gesichert durch ein Silbergefaß aus Wettingen (Kanton Aargau), ein kleines Bronzeblech aus Bonn und ein Steinrelief aus Borcovicium (am englischen Hadrianswall), das den Mars Thingsus darstellt ;i-) auch auf einem der
'^) Diese Beispiele nebst anderen weniger sicheren zusammengestellt von F. Möller in d. Westd. Zeit-
10*
76 R. Münsterberg
unserer Gruppe verwandten Bronzereliefs von Traismauer finden wir neben dem mit Helm, Speer und Schild ausgerüsteten jugendlichen Gotte den Schwan.'^) Alle diese Darstellungen stammen aus den nördlichen Grenzgebieten des römi- schen Reiches, während sonst von einer Verbindung der Gans oder des Schwanes mit dem römischen Kriegsgott nichts bekannt ist; denn die capitolinischen Gänse stehen in keiner nachweisbaren Beziehung zu ihm. Freilich erzählt Martial IX, 31, daß während eines nordischen Feldzugs ein gewisser Velius dem Mars für die glückliche Heimkehr des Kaisers eine Gans gelobte und schlachtete; aber das ist nicht römischer Brauch. Gänse werden weder von Griechen noch von Römern geopfert; nur dem Osiris und der Isis^*) brachte man Gänseopfer dar, die aber nach Pausanias nur Armeren als Ersatz kostspieligerer Opfergaben dienten.'') Die Wahrsagung aus der Gansleber'*') könnte höchstens für den Winkelcult des Priap in Kroton in Anspruch genommen werden. Das Fabelwesen, dem der Gott den Fuß aufs Haupt setzt, ist Scylla,") nach Wieseler ein uraltes Symbol des Ares. Mit größerer Wahrscheinlichkeit werden wir sie als Personification eines unterworfenen Barbarenstammes bezeichnen dürfen, wofür sonst Hydra, Schlange oder Gigant verwendet werden. Die Schlange unseres Reliefs dagegen dürfte wie der Schwan als heiliges Tier des Gottes zu verstehen sein.
Obwohl demnach die Darstellung der beiden oblongen Platten noch keine genügende Erklärung gefunden hat, geht doch aus ihr mit Sicherheit die militärische Bestimmung unserer Ganymedesreliefs hervor. Vielleicht sind es Waffenbeschläge. Die ovale Platte aus Carnuntum kann einen halbcylindri- schen Prunkschild geschmückt haben, die runden Scheiben in Speyer und Kopenhagen kleinere Rundschilde nach Art der üblichen Umbonen aus Bronze.'* ' Schilde werden wiederholt als militärische Ehrengaben erwähnt.'^) Bildliche Schildverzierungen kennen wir aus Medaillons des dritten und vierten Jahr- hunderts; gewöhnlich wird der Sieg oder die siegreiche Heimkehr des Kaisers
sehr. V 321 ff. Taf. 13. Über Mars Thingsus und Das mag mit ägyptischem Cult zusammenhängen;
den Schwanenritter vgl. E. Hübner, Rom. Herrschaft Gans und Kuchen auch bei Juvenal a. a. O. ver-
in Westeuropa 57 iT. banden: ansere magno scilicet et tenui popano
*■') R. V. Schneider, Arch. Anz. VII 55; A. v. corruptus Osiris. Domaszewski, Religion d. röm. Heeres Taf. IV 2 b; "*) Petron. 137, vgl. Ovid a. a. O.
vgl. A. H. Kan, de levis Dolicheni cultu 55 ff. ''') Vgl. Gori, Museo Etr. I 148, 1 = Baumeister,
") Osiris: Juvenal VI 540. Isis: Ovid fast. I Denkm. III 2026 Fig. 21 93. 453; Paus. X 32, 16. '*) E. Hübner, Römischer SchildbucUel, .\rch.-
'*) Bei Stiftung eines Rosalienfestes in Nizza epigr. Mitth. II 105 f. Taf. VI. (CILV 7906) wird angeordnet, ut.. . sacrificium face- ''j Ruggiero, Diz. epigr. II 308.
rent (am Jahrestag des Begräbnisses) ansare et libo.
Bronzerelicfs vom Limes 77
dargestellt, einige Male die Wültin mit den Zwillingen. Hochrelief findet sich nur selten.*") Der Raub des Ganymedes, der übrigens auch den Panzer Caracallas (?) auf einem der grolien Goldmedaillons von Tarsos schmückt-*") kann hier wie dort nur symbolische Bedeutung haben. Symbolisch verwendet erscheint der Mythus in der sepulcralen Kunst zur Andeutung der Heroisierung oder des Todes.*') Daraus mag sich die Regel im Traumbuch Artemidors (II 20) erklären: xexö; £-Lxaf)-£3iheis £jit XTjv xscpaXtjV -oO ioöwzoz b'äva-ov äOtw ixavisuE-ca:. Wie eine Illustration dazu nimmt sich das Relief eines von H. Maionica-*) veröffentlichten Grabsteines aus Gradc) aus. Der Knabe steigt in gleicher Haltung und ähnlicher Kleidung aus dem Blattkelch empor; auf seinen Schultern hockt mit gesenkten Flügeln ein Adler; der Verstorbene hält in der Rechten einen aus dem Kelch heraus- wachsenden Blütenstengel: Tirj/utov ir.l /povov ävS-eatv ij^r^i Ts.pK6\i.td-a, . . . Kf^ps-q Se jtaspsaxT/.aat [is/.aiva'. . . . (iivuvö-a Si yiy/Bzon vj^r^s xapTiös.-') In den gleichen Vor- stellungskreis gehört vielleicht eine attische Grabstele später Zeit:-') der — neun- zigjährige — Verstorbene steht mit einem Fächer (?) in der gesenkten Rechten vor einem Stamm, der sich nach oben in eine Inschriftplatte erweitert; darüber taucht ein Adler auf. Doch ist es möglich, daß hier die „aquilae senectus"-") des Verstorbenen angedeutet werden soll. Wäre auf unseren Prunkschilden die ursprüngliche Bedeutung der Sage festgehalten, so müßten wir in ihnen Toten- schilde-^) sehen. Nun ist aber in unserem Falle allem Anscheine nach nicht die Apotheose eines Kaisers, Prinzen oder Feldherm dargestellt, sondern Sieg und Vernichtung des Gegners, wie auf den Prunkschilden der römischen Schau- münzen. In dem Adler des Zeus mußte der römische Soldat fast notwendig den Repräsentanten des siegreichen römischen Heeres sehen, in Ganymed dem- nach den besiegten Feind, der hier vom Adler entrafift wird, wie auf dem Schild des Parthenopäos*') von der Sphinx:
^'') Schild des Septimius Severus mit Medusen- mit zwei Blumen auf einem sassanidischcn Teppich
haupt und Schild des Constans I mit phistisch hervor- (Lessing im Preuß. Jahrb. I 119); eine Marmorgruppe
tretendem Löwenkopf (Froehner, Med. Rom. 156 in Cataio stellt ihn Blumen und Krüchte tragend dar
und 300). (Jahreshefte a. a. O.).
'^'"') Revue numism. 1903 pl. III. -*) Arndt- Amelung, Einzelverkauf n. 907 c.
") Auf Sarkophagen z. B. Dütschke I n. 30; ^5) Vgl. O. Keller, Thiere d. cl. Alterth. 267.
Matz-Duhn II n. 3019; Arch. Zeitung XXXV 85 ; -*) Hauptstelle Trebellius PoUio im Leben des
in Aquileia wiederholt auf Grabstelen. Claudius Gothicus 3,3; post mortem illi . . . clypeum
") Jahreshefte I Beibl. 130 Fig. 41. aureum senatus totius iudicio in Romana curia conlo-
^) Mimnermos frg. 2. Ganymed mit Zweig und catum est et etiam nunc videtur expressus a thorace
Becher auf einer goldenen Flasche des Schatzes von vultus eius (vgl. Madvig, Adv. crit. II 646). Sz. Miklos (Ameth, Gold- und Silbermonum. Taf. 17), -'') Aeschyl. .Septem 539 ff.
78 R. Münsterberg, Bronzereliefs vom Limes
TÖ yäp TtoXswg SveiSo; Iv yaXxTjXaxw yoficpoiac vw[iä, Xa[i7:pc)v exxpo'jaxov
aaxei, xuxXtüxij) awjxaxoe 7ipopiÄfj[^iaxi. S£|.i3;;.
^jtptyy' (biioa'.xov 7cpoa|j.£[ir(yav/j[i£vrjV cpspsi 5' ü'^' a'jxrj lywxa KaSusoiov eva.
Ohne Symbolik drückt denselben Gedanken ein auf einer apulischen Vase***) dargestelltes Schildzeichen aus: ein Raubvogel steht vor dem liegenden Ober- körper eines bärtigen Mannes, den man ohne hinreichenden Grund Prometheus genannt hat.
Dai3 die sonderbar geformten Bronzen von Szamos-Ujvär und Brigetio nicht Schildbeschläge sind, ist klar. An Brust- oder Rückenpanzer dürfen wir nicht denken; dagegen spricht das Fehlen jeder Innengliederung und der Aus- schnitte für Hals und Schultern, das hohe Relief und die genaue Entsprechung der beiden Seiten, die wohl in einiger Entfernung von einander befestigt waren, ebenso wie die oblongen Platten von Szamos-Ujvär. Auch als Pferdeschmuck scheinen sie nicht verwendbar. Wieseler vermutete, daß die beiden Plattenpaare dieses Fundes zur Verzierung eines Wagenkastens gedient hätten, während nach Friedländer das kleinere Paar vielleicht „Rücken an Rücken" zusammengehörte, „etwa als Bedeckung- für einen Köcher?" Diese Vermutungen leuchten ebenso- wenig ein wie der Gedanke an ein Tropäum, den die Schuppenhemden von Carnuntum und Brigetio nahe legen.
Die Provinz Dacien wurde von Aurelian endgültig aufgegeben und von der römischen Bevölkerung verlassen ; ^^) die Bronzen von Szamos-Ujvär sind also spätestens um die Mitte des dritten Jahrhunderts verfertigt worden, viel- leicht aber bedeutend früher; dasselbe mag für die anderen Reliefs gelten. Nach dem „Stil" würde man freilich auf spätere Zeit schließen; aber wahrscheinlich wurden alle diese Arbeiten im Lager selbst von Truppenhandwerkern ausgeführt, die künstlerischen Aufgaben nicht gewachsen waren. Wie bedenklich es wäre, solche Arbeiten ohne äußere Anhaltspunkte zeitlich bestimmen zu wollen, lehren die Reliefs des Tropäums von Adamklissi.^")
Wien. R. MÜNSTERBERG
^) Arch. Zeitung XXI Tat. 174. =") Vgl. Adamklissi 145 f.
'') J. Jung, Römer und Romanen 107.
79
Fig- 37 Florentiner Relief (jetzige Ergänzung).
Disiecta membra neuattischer Reliefs.
Tafel V und VI.
Die so dankenswert gründliche Aufgrabung des Forum Romanum brachte auch eine überraschend große Anzahl von Bruchstücken der Reliefs zu Tage, welche dem archäologischen Sprachgebrauch unter dem nichtssagenden Titel „neu- attisch" leider nun einmal geläufig sind.*) Ein unscheinbares Fragment jener Herkunft, das G. E. Rizzo im Bulletino Communale 1901 S. 221 herausgab (Fig. 39), verhilft uns zu einem erheblichen Fortschritt in der Auffassung dieser ganzen Gattung von Denkmälern. Trotzdem nur der Oberkörper eines in ihr wallendes Himation gehüllten, rechtshin schreitenden Mädchens sich erhielt, sah schon der Herausgeber mit gutem Blick, daß eine Wiederholung dieser Figur in dem Frag- ment noch kleineren Umfangs im Museo Chiaramonti des Vatican vorhanden ist, das in meiner Doctordissertation über die neuattischen Reliefs S. 44 unter n. 60 aufgezählt ist. An diesem Punkt setzen nun wir ein, um weiter zu bauen.
Glücklicherweise hat das Fragment vom Forum gerade noch genügenden Umfang, um erkennen zu lassen, daß jenes Mädchen auch einer Figur links
') Besser schiene mir noch .atticistisch', inso- ist. Aber da auch diese Bezeichnung sich nicht voll fern die Kunstrichtung dieser Bildhauer in manchen mit dem Inhalt deckt, bleibt es wohl richtiger bei Zügen dem schriftstellerischen Atticisraus verwandt dem Alten.
So
F. Hauser
Fig. 38 Zeiclinung des Codex Coburgensis.
auf einem Relief entsprach, das vom Zeichner des Codex Coburgensis fol. ^^ Matz (= Pighianus fol. 320, Jahn 4g) aufgenommen ist.^) Nun gibt diese Zeichnung, welche wir Fig. 38 wiederholen, zweifellos ein jetzt in den Uffizien zu Florenz befindliches Relief wieder, aber nicht in dem Zustand, wie es heutigen Tags in der Sala dell'
Ermafrodito in die Wand eingelassen ist (Fig. 37), son- dern mit den Ergänzun- gen, denen es im sechzehn- ten Jahrhundert unterwor- fen wurde, als die Platte in dem hortus pensilis der Sammlung von Andrea della Valle^) bald nach 1520 in eine von Nischen unterbro- chene Wand eingelassen wurde. Raphaels Schüler Lorenzo Lotti, der das Arrangement dieses Statuenhofs leitete, ließ die zur Decoration verwendeten Antiken — „ciascuna con qualche cosa meno" — für diesen Zweck restaurieren: „avendo tatto rifare a buoni scultori tutto quello che mancava", wie Vasari an- gibt. Die Ansicht des Statuenhofs, welche sich in einem Stich von Hieronymus Cock erhielt, läßt das Relief in seiner damaligen Aufstellung erkennen, gibt es jedoch im übrigen so ungenau wieder, daß wir die Identification nur mit Hilfe des Inventars der Sammlung Capranica vornehmen können ; in den Besitz dieser Familie war nämlich der Palazzo Valle mit seinen Antiken überge- gangen. Dieses Inventar wurde im J. 1584 aufgenommen, kurz bevor die Sammlung Valle-Capranica von dem Cardinal Ferdi- nande de' Medici angekauft wurde.*) Dann
^) Die Herren Noack, Pick und F.hrwald ver- pfliclilen mich durch die freundliche Vermittlung
Fig. 30 Relieffragment vom Forum.
der photographischen Aufnahme zu bestem Dank. ■') Für dies und das Folgende gibt Michaelis
die Belege im Jahrbuch 1891 S. 223.
'',1 Docum. Ined. IV 378: ^un altro quadro simile con tre femine che ballano di mezzo rilevo." Die Zeich-
Disiccta incnihra ru'iwuisclicr Kiliefs
8i
Fig. 40 Florentiner Relief nach Winckelraann, Monument! inedili n. 147.
bleibt das Kt-lief fast für zwulhumk-rt Jahre verschollen. Krsl in iMiiem lirief'e Winckelmanns vom i. November 1760 ist wieder die Rede von ihm. In einer Kiimiielkaiiiiiicr der Villa Medici fantl Winckelmann das Relief, wo es „unter aiiilerni Krani" gelegen, von niemand vor ihm bemerkt, da der toskanische Gesandte den Schlüssel zu dem Raum selbst verwahrte. ,.Ka ist ohne Ausnahme das aller- schönste erhobene Werk, wel- ches sich in Rom findet,'' be- hauptet er in der ersten Freude seiner Entdeckung. Das Relief war von neuem in Brüche ge- gangen und in den drei ge- trennten Stücken, wie es zu seiner Zeit da lag', publicicrte es Winckelniann in seinen Mo- nument! Inediti unter n. 147
(Fig. 40) mit einer Erklärung als Klytämnestra und Elektra, welche selbst den „(xratiae Horatii'' gegenüber fast einen Rückschritt bedeutet. Winckelmann be- merkte ebensowenig als die Ergänzer des Reliefs (sowohl der, welchen Lotti ver- wendete, als derjenige, welcher die gegenwärtige Ergänzung in Marmor aus- führte,'"') daß von den drei Fragmenten dasjenige mit der nach links gewendeten Frauengestalt niemals unmittelbar rechts anschließen konnte, weil vor der mittleren Figur ein nach links wehender Gewandzipfel erhalten ist, der nur von einem rechts-
hin vorausschreitenden Mädchen herrühren kann. Sov'iel vermochte ich auch ohne Autopsie bei meiner ersten Be- handlung des Stücks aufzuklären, und zwar trotz der aus- drücklichen Versicherung Dütschkes, daß die vorliegende Ergänzung das Richtige getroffen habe.
Das Mädchen links im Florentiner Relief, das von ilen Oberschenkeln an aufwärts so beleidigend stillos er- gänzt wurde, entsprach also ebenso wie das Fragment vom Forum in seinen oberen Teilen dem kleinen Bruch-
Fig. 41 Rclicffragment im Museo Chiaramonti.
ner des Coburgensis und Pigliianus geben dem Relief Zeichner des von Robert im XX. Hallischen Winckel-
die Beischrift: Card. Vall. Gratiae Horatii saltantes. mannsprogramm herausgegebenen Skizzenbuches sie
^) Sie muß vor 1789 ausgeführt sein, weil der bereits kennt; vgl. S. 48 n. 225. J.-ihreshcfte des österr. arcbäol. In:>titutes Bd. VI. 1 1
8;
F. Hauser
stück im Museo Chiaranionti (Fig. 41). Dieses letztere bildete nun gerade eine linke obere Ecke v'on einem Relief mit genau dem gleichen Rahmen wie die Platte in Florenz, und machen wir die Augen auf, so bemerken wir, daß das Stückchen im Rluseo Chiaramonti nichts anderes ist, als die verloren geglaubte obere linke Ecke des Florentiner Reliefs (Taf. V, VI). Der Faltenbausch über der Brust des Rlädchens im Chiaramonti findet seinen Abschluß auf dem Grund des Reliefs in Florenz. Kein Zweifel mehr, daß beide Bestandteile eines ursprünglichen Ganzen am selben Ort zum Vorschein kamen. Ich hatte schon früher die Fundangabe von Visconti und
Guattani für das kleinere Frag- ment Chiaramonti, welche die Villa Hadrians, aber mit dem Zusatz „forse", nennen, ent- schieden verworfen, weil die Übereinstimmung des Rah- mens, der Maße und der Ar- beit nicht verkennen ließ, daß das kleinere Fragment von einem Gegenstück des größe- ren in der gleichen Sammlung herrühren müsse (Fig. 42); da für letzteres die Auffindung in der Villa Palombara durch die Angaben von Cancellieri^') gesichert war, so konnte auch das kleine Fragment an keinem andern Ort zum Vorschein gekommen sein. Meine Schlußfolgerung fand aber weder bei dem Verfasser der Monographie über die Villa Hadrians (Winnefeld S. 166) Beifall noch bei Heibig, welcher in seinem Führer sogar Gründe gegen jene Annahme geltend machte (n. 118 der zweiten Auflage). Das kleinere Fragment sei dem größeren nur ähnlich und er glaubte an ersterem eine stärkere Relieferhebung zu beobachten. Diese letzte Angabe beruht auf einem Irrtum, denn die höchste Reliefhöhe ist an beiden Stücken vollkommen gleich. Und die Richtigkeit meiner Vermutung über den Fundort läßt sich nun auf die erfreulichste Weise belegen : die Frauengestalt, welche ein Ergänzer fälschlich an das rechte Ende der Florentiner Platte rückte, schließt mit ihrem rechten Ober-
") Cancellieri, Dissertazione sopra la statua dcl discobolo scoperta nella Villa Palombara 5:.
Fig. 42 Relief im Museo Chiaramonti.
Disiecta mcmhra neuattischcr Reliefs
83
arm g-onau an di-n rntorarm nobst Kännchen an, welchur auf dem größeren Frag- ment im Vatikan erliallen ist. Der hintere Contour des Arms (der vordere ging verloren) leitet ohne Brechung zum Unterarm über. Da überdies sämtliche ent- srhcidiMulen Ma(3e .stimmen, .so kann über die Zugehörigkeit kein Zweifel mehr bestehen. .\im nur noch eine kleine Ver.setzung. Am größeren Fragment im Chiara- monti haftet jils untere Ecke rechts ein kleines Bruchstück mit einem Gewand- zipfel, welches der Restaurator nicht ganz richtig anfügte; der vorspringende Ansatz an demselben muß in die Linie der unteren Leiste herabgerückt werden, dann erst ergießt sich die Flüssigkeit aus dem Kännchen in ungebrochener Linie. Wie bei eini'm kindlichen Lege-spicl klappen dann plötzlich alle Linien zusammen. Wir hatten also Recht, wenn wir uns durch die falsche Fundangabe, welche die Villa Hadrians nannte, nicht beirren ließen; sämtliche Fragmente müssen aus Villa Palombara stammen.
Was ich früher nur vermuten konnte, daß es sich um einen Dreiverein von Mädclien handle, sehen wir nun bestätigt, da der Rahmen die Darstellung ring.sum abschließt. Wir dürfen demnach voraussetzen, daß das Gegenstück in Florenz, welches nach dieser Umstellung auf zwei Mädchen reduciert wird, ursprünglich ebenfalls einen Dreiverein enthielt. Der Charakter der neuatti- schen Kunst erlaubt uns aus dem Mantelzipfel, welchen die verschwundene dritte Figur zurückließ, ihr ganzes Äußere zu erraten. Da die mittlere Figiar des Florentiner Reliefs der vorletzten Gestalt rechts in dem Fries der Borghesischen Tänzerinnen entspricht,') so muß das fehlende Mädchen ihrerseits der äußersten Figur rechts in jenem Fries entsprechen. Man wundere sich nicht allzu sehr über dieses vaticinium, denn wir wissen ex eventu, daß dem so war: auch die letzte zu diesem zweit(>n Dreiverein fehlende Gestalt ließ sich wieder finden, und zwar auf einer Platte, welche sich in früheren Jahrhunderten in der .Sammlung Mattei in Rom befand, in den Monumenta Matthaeiana II Taf. 49, 2 abgebildet (Fig. 43) und nun in die Glyptothek zu München übergegangen ist (Furtwängler n. 256). Der Anschluß ist zweifellos, es stimmt am Original gemessen, da die Abgü.s.se in dieser Beziehung nicht ganz zuverlässig sind, die Höhe, die Breite des Rahmens, sowie der Bodenleiste und die Falten des Mantelzipfels finden ihre Fortsetzung.
') Neuattische Reliefs 46 n. Cl. Neue photogr. Abbildung' im Arch. slor. dell' Arte Ser. II .nnno 2 p. 249.
II»
Fig- 43
Relief der Sammlung Mattei.
Nach Monura. Mattliaei.-ina II
Taf. II 49, 2.
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Ein Blick auf die Tafel V, VI ^) mit den beiden Reliefs, welche sich ohne allzu peinliche Symmetrie doch so wundervoll entsprechen, wird wohl jedem Betrachter die Sicherheit geben, das hier wirklich Glieder eines Ganzen in ihren alten Verband zurückgebracht wurden. Vielleicht weckt es auch einiges Ver- trauen zu der Methode der Arbeit in meinen neuattischen Reliefs, daß die Stücke, welche sich als Teile eines Ganzen herausstellten, die Nummern 60, 63 und 64 tragen.
Wie die Ergänzung sicher herauskam, so macht nun auch die Deutung keine Schwierigkeit mehr. Das Mädchen auf der Münchener Platte war bereits durch die Ähren in ihrer Hand, obschon vereinzelt, als Höre kenntlich ; daß sich ihr nur zwei Schwestern zugesellen können, welche noch nicht wie in der späteren Kunst als Vertreterinnen einzelner Jahreszeiten ausgestattet sind, ließ der Stil dieses Reliefs nicht anders erwarten. Auch die Deutung des andern Dreivereins wird nun gesichert, und zwar so, wie ich sie bereits ausgesprochen habe. Das kleine Gefäß in der Hand des letzten Mädchens, ein Kännchen, aus dem sich im Widerspruch mit der Wirklichkeit ein so großer Strahl ergießt, kann nur symbolisch aufgefaßt werden; es entspricht dem Taugefäß der Eos und den Krügen der Hyaden. Also ein Dreiverein, zu dessen Charakterisierung der Künstler die Beziehung zum Tau als besonders bezeichnend auswählt: dies kann niemand sonst als Herse, Pandrosos und Agraulos sein.
Wer die neuattische Kunstrichtung kennt, wird von vorneherein nicht voraus- setzen, daß es sich bei den zwei neuerstandenen Reliefs um eigene Schöpfungen eines Künstlers dieser Zunft handeln könnte. Denkbar bliebe aber, daß der Neu- attiker aus einem Mädchenchor, den die ältere Kunst geschaffen, etwa aus dem Vorbild der Borghesischen Tänzerinnen, seine beiden Dreivereine ausgewählt und ihnen nun einen neuen Sinn gegeben hätte. Gegen diese Annahme spricht aber ein gewichtiges Argument. Ein für das römische Publikum schaffender Künstler konnte nicht auf den Gedanken verfallen, diese ihm und seinen Kunden kaum noch verständlichen mythischen Gestalten erst zu schaffen; ihm waren die Agrau-
^) Auf eine Eingabe an das k. italienisclie Florenz binnen kurzem für 100 Lire zu haben
Unterrichtsministerium hin hat Commend. Fiorilli sein; die vaticanischen Fragmente von Malpieri-
meiner Bitte um Erlaubnis zur Abformung der Rom für 85 Lire; das Münchener Fragment wurde
Florentiner Reliefs auf das freundlichste entsprochen, mir von der Direction der Glyptothek gratis zur
eine Bitte, der auch der Director der Gallerien Verfügung gestellt. Taf. V, VI gibt die Gipsab-
in Florenz, Commend. Ridolfi, seine Hülfe lieh. güsse zusammengefügt wieder. Herrn Prof. Furt-
Xamentlich unterstützten mich aber Commend. Milani wängler spreche ich wie den genannten anderen
und Prof. Hülsen mit Rat und Tat. — Die Ab- Herren für die wohlwollende Unterstützung meiner
güsse der Florentiner Platte werden von I.elli- Studien den herzlichsten Dank aus.
Disiectn membra neuatlischcr Reliefs 85
liden weniger als Hekuba. Uiul liätte er, wenn die Hören darzustellen waren unil wenn er sie selbst zusammengestellt hätte, dieselben nicht entsprechend der Auf- fassung- seiner Zeit in der Vierzahl auftreten lassen und mit individualisierenden Attributen ausstatten müssen? Aut ilni Hören konnte in der Spätzeit sich nur ein Künstler beschränken, welcher die l'rage nach dem Inhalt der Darstellung für einen zurückgebliebenen Laienstandpunkt ansah; Kunstkenner, mit denen allein er sich abgab, interessierten sich nur für den Stil. Und dann: sieht die Compo- sition der beiden Platten etwa zusammengfestoppelt aus? In beiden Reliefs wendet sich die Mittelfigur fast in \'ordersicht, umrahmt wird sie von zwei ins Profil g^edrehten Gestalten, deren Umriß sich jedesmal in all(>m Wesentlichen entspricht, und doch wurde in allem Einzelnen das erste von dem dritten Mädchen unter- schieden. Je eine der Gestalten erhielt ein Attribut, welches den Sinn des Drei- vereins andeutet. In beiden Gruppen empfinden wir einen Rhythmus, der dem Kunterbunt neuattischer Schöpfung-en notwendig abgehen muß.
Man ileiikc" nicht, daß Mangel an h'rfindung- die Symmetrie zwischen dem den Reigen eröffnenden und dem den Zug- schließenden Mädchen verschuldet hätte. Variation für alle drei Mädchen konnte der Urheber des Originals unserer Reliefs, wenn je seine eigene Phantasie nicht ausgereicht hätte, in älteren Dar- stellungen von Mädchenreigen schon aus der ersten Hälfte des fünften Jahr- hunderts finden. Die älteste Kunst drückte allerdings gedankenmäßig Gleichartiges in gleicher Form aus. So ein Votivrelief von der Akropolis (Bull, de corr. hell. 1889 Taf. 14), das etwa aus der gleichen Zeit stammen mag wie der große Gigantengiebel. Alle drei Mädchen drehen Kopf und Oberkörper in Vordersicht und kaum daß sich in dem größeren oder kleineren Ausschreiten mit Suchen ein Unterschied w^ahrnehmen ließe. Die kräftigen Jungfrauen fassen sich nach alt- homerischer Weise am Handgelenk. Alles wird derb, aber auch völlig klar ausge- drückt und es läßt sich nicht leugnen, daß durch diesen soldatenmäßigen Schritt und Tritt ein unaufhaltsamer Zug in die Bewegung hineinkommt. Wie lahm wirkt dagegen die nächste Stufe in der Darstellung einer Trias, welche durch die Cha- riten des Sokrates vertreten wird (z. B. Röscher, Lexikon I 882). Der Bild- hauer scheint für nichts anderes Sinn gehabt zu haben als dafür, die drei Gestalten in allen Einzelheiten zu variieren; nicht in Kleidung, Frisur, Kopfhaltung oder der Ansicht, in welcher die Figur ins Relief gesetzt ist, in keinem Punkt stimmt ein Mädchen mit dem andern überein. Ein Motiv, das über Jahrhunderte hin fruchtbar gewirkt hat und das selbst unser Künstler noch beibehält, finden wir hier zum erstenmal, nämlich, daß nur das Mädchen in der Mitte den Kopf in
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Vordersicht herausdreht. Auch ein Meister aus der Zeit des Parthenonfrieses, dem wir das schöne Relief in Berlin (Brunn-Bruckmann n. 548) verdanken, be- diente sich dieses Kunstmittels. Er, der durch keine Schranken im Ausdrücken seiner Absichten mehr gebunden war, ging- noch weiter im Individualisieren der Mädchen, so weit, daß die Anführerin des Chores mit ihrem keck in die Höhe strebenden Haarknauf und mit ilirem wie im Liebestraum gesenkten Blick kaum mehr als Schwester der ernsten Genossin erscheint, welche ihr Haar in einer Haube verhüllt trägt. Der Künstler unserer Hören und Agrauliden muß empfunden haben, daß man im Individualisieren einer Trias auch zu weit gehen könne, daß man so weit wie bei dem vorher genannten Relief nicht gehen dürfe, wenn die Einheit der drei Gestalten nicht gestört werden soll. Er scheint auch an einem alten Werk wie der Platte von der Akropolis beobachtet zu haben, welche Wucht die Bewegung durch die gleichartige Haltung des Chores gewinnt. Indem er nun dem voranschreitenden Mädchen und dem den Zug schließenden ein in der Hauptsache gleiches Aussehen gab, kam mehr Ruhe, mehr Stetigkeit in die Bewegung; unaufhaltsam wandeln sie, huschen sie weiter und immer weiter. Ihr Tritt wird durch die weichen Schuhe gedämpft, welche sie an den Füßen tragen: ^aXaxa; -45x; 'ßpa:, wie sie von Theokrit (XV, 103) genannt werden. Als ^uvxTzxooioa -aj X--P*S '^'^'-^ '^^^ /opeuoucjxi will auch Philostrat II 34 ihr P)ild malen. Die Ähren, welche die eine Höre in der Linken hält, scheinen im vierten Jahr- hundert als das eigentliche Kennzeichen der Hören betrachtet worden zu sein. Mit diesem Attribut finden wir sie auf der unteritalischen, noch stark unter atti- schem Einfluß stehenden Amphora in Petersburg (CR 1862 Taf. 4) und auf einem griechischen Relief (Bulletino Communale 1901 p. 231; Athen, National-Museum n. 1449), wo in den Strauß der Ähren auch Mohn gebunden wurde.
Dieses letzte etwa aus der Mitte des vierten Jahrhunderts stammende und in Megalopolis gefundene Relief wurde bereits überzeugend mit der Tätigkeit atti- scher Künstler für diese Stadt in Verbindung gebracht; wir denken zunächst an Kephisodot, Xenophon und Praxiteles.") Freilich, was diese Meister selbst zu leisten vermochten, das lernen wir nicht aus diesem griechischen Originalwerk, sondern viel eher noch aus unseren römischen Copien, welche uns ein künst- lerisches Können enthüllen, das himmelhoch über dem daneben fast kindlich wirkenden griechischen Relief steht. Neben diesen Copien erscheint selbst ein so reizvolles Werk wie die Stele der Aristomache (abg-. Journ. Hellen, stud. VI 1885
") Michaelis in: Annali 1863 p. 306 Taf. L, Phidias Einfluß gedachten Damophon von Messene welcher allerdings an den damals noch ganz unter anlcnüpfen möclite.
Disiccia mcmlna ncuatlischcr Kclicfs 87
'l'at. r> = ('(iti/f (irabreliefs Taf. 154) künstlerisch ärmlich. L'iii noch fim- Cirab- stele zu nennen, welche eine ähnliche jVrt iler iJrapieriin^ und /.uyloich ebenso gestreckte Proportionen aufweist, schließen wir hier die in Rclii-C dargestellte Lekythos an, welche Athenische IMittciluni^cn 1887 l'at. 0 und ("onze Grabreliefs Taf. 178 abgebildet ist. Soweit ich sehe, bietet leider keines dieser Reliefs einen äußeren Anhalt zur Datierung. Es heißt aber etwas, daß unsere Copien vor .so guten Originalen in Ehren bestehen.
Wo findet sich ein zweites Relief, das dem uiisern in di-r prächtigen Durchbildung der Arme wie an der mittleren Höre sich vergleichen könnte? Und wie fein gefühlt schlingen sich di(> Hände ineinander! Daß die Hören für den Griechen die schönen Göttinnen bedeuten, erkennen wir erst aus diesem neu- attischen Relief.
Eine individuellere Behandlung der drei Schwestern ermöglichten die Agrau- liden, bei welchen der Reigen mit verschlungenen Händen durch den Gedanken, welcher diesen mythischen Gestalten zu Grunde liegt, nicht gefordert wurd(!. Sie, die den nächtlichen Tau bringen, hüllen sich dicht in ihre (lewänder; bloße Arme wie bei den Hören würden ihnen nicht anstehen.
Betrachten wir uns mit Muße die Gestalten, eine nach der andern. Um würdig von ihnen zu reden, müßte Winckelmanns Hymnenton angestimmt werden. Gleich die erste: bei wenig Schöpfungen der antiken Kunst wird den Betrachter der Eindruck absoluter Vollendung übermannen, wie bei dieser mit sittig geneigtem Haupt dahinschreitenden Mädchengestalt. Nichts könnte besser zeigen, wie hier jede Bewegung, jede Falte an ihrem richtigen Platz sitzt, als der Vergleich mit einer der beiden Platten aus dem Dionj^sostheater zu Athen,'") deren Verfertiger unsere Agraulide zweifellos kannte und nur weniges an seinem Vorbild änderte. Gar deutlich stellt sich die Agraulide als die ältere Schöpfung heraus: der schleierartig über den Kopf gezogene Zipfel des Himation paßte dem Schöpfer der Decoration für das Theater nicht, vermutlich weil er mit seiner Gestalt eine Mänadc meinte; er ließ diesen Teil des Gewands auf den Nacken des Mädchens herabgleiten, wo nun das Tuch wie ein leerer Sack aufliegt. Wenig glücklich war er auch mit der Änderung im Schreiten; wie es namentlich im fünften Jahr- hundert stehende Regel war, ließ er die Relieffigur beim Ausschreiten das tiefer im Grunde liegende Bein vorsetzen. Diese Regel umgeht unser Künstler geflissentlich. Die Veranlassung zu diesem Abweichen von dem Hergebrachten vermute ich darin, daß dann das vorgesetzte Bein, dessen Linie für die Bewegung besonders
'") Neuattische Reliefs 43 n. jy. Die uns liier interessierende Figur auch Bull. Com. 1901 p. 236.
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ausdrucksvoll ist, auch in stärkerem Relief hervorgehoben werden durfte. Wenn man an den beiden ähnlichen Gestalten weiter nichts vergleicht als die Hände — auf der athenischen Platte wollen wir die reichlich zu groß geratene Rechte nach- sichtig verdecken — so stellt sich schon darin die Inferiorität des in Griechenland gefundenen Werkes heraus: die Linke der Mänade eine breite Proletarierhand, diejenige der A^-graulide eine weiche, in den Fingern fein sich zuspitzende Mädchen- hand mit ganz schmalen länglichen Nägeln, Hände, welche für keine derbere Arbeit geschaffen scheinen, als den wallenden Mantel zu halten und zu lüpfen. Nun denke man, daß der Verfasser einer dickleibigen Monographie über Praxiteles die athenischen Platten der Werkstatt des Kephisodot und Timarchides für würdig hielt (Klein, Praxitelische Studien S. 26 Anm.); wo gäbe es solche Höhen, in welche wir uns dann beim Suchen nach einem Autornamen für unsere Reliefs aufschwingen müßten.
Ein Werk des fünften Jahrhunderts wie die Berliner Erichthonios-Schale (Furt- wängler n. 2537) zeigt uns zwar diese Jungfrauen in gewöhnlicher Mädchentracht, doch kennt auch schon die Kunst um die IMitte dieses Jahrhunderts eine dichte Verhüllung der Agrauliden; dies beweist eine Vase im Britischen Museum (Annali 1879 Taf. F.) Eine g'anz ,.moderne'' Kleidung finden wir dagegen auf unserm Relief an dem folgenden Mädchen mit ihrer warmen Armeljacke über dem Chiton, welche vorne heruntergenestelt wurde, wie dies zwei schräg eingeritzte Linien oben andeuten. Es ist dies eine Tracht, die sich bis jetzt nur im vierten Jahrhundert nachweisen ließ.'') Den fehlenden Kopf des Mädchens möchte ich mir entspre- chend der Gestalt links auf der Petersburger Erich thoniosvase (Fig. 44),'") also in Dreiviertelstellung und mit einer Haube bedeckt, vorstellen, anstatt nach Analogie der ebenfalls verwandten Figur auf einer von Tischbein publicierten Vase (Müller- Wieseler II 45, 564), wonach er mit g-elösten Haaren ins Profil gedreht gewesen wäre. Da auch die beiden Schwestern ihr Haar fest um den Kopf gebunden tragen, so würde sich das Mädchen mit flatternden Haaren zu sehr von ihres- gleichen unterscheiden und die Locken müßten dann auch, was tatsächlich nicht der Fall ist, auf den Gewandfalten über der linken Schulter Spuren hinterlassen haben. Auch hier wieder die wohlgebildete Hand. Zierlich ohne Geziertheit faßt die Agraulide ihren Mantel, der elastisch dem leisen Zug-e folgt und uns damit
") Beispiele gesammelt von Amelung bei Pauly CR 1863 Taf. 3 (Eris). Guhl und Koliner-Engel-
III S. 2208, welcher in diesem Überrock den per- mann 295.
sisclien -/.av3us erkennt. Brit. Mus. Cat. Vases I\' '^) CR 1859 Taf. I = Robert, Archäologisclie
Taf. 2 (Maenade); ferner Heydemann, V.Hall. Winckel- M.ircben Taf. 2. Hier wiederholt auf S. 89. mannsprogramm Tafel vgl. S. 8 Anm. 27 (Maenade);
Disiecla meml>ra neuallisclicr Reliefs
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die Feinheit des Gewebes zum Bewußtsein bringt. Auffallend scheint mir das Wiederkehren eines ähnlichen Faltenmotivs auf der linken Schulter dieser und der vorauscfehenden Figur, die spitzwinkligen Faltenzüge, die leicht an Arran- gement erinnern, als hätte der Künstler am Modell das Tuch unter den Falten- bausch hinuntergesteckt. Wir sehen hier in kleine Atelierkniffe hinein, welche auch den antiken Künstlern, die unsere Reliefs kannten, nicht entgingen: Beweis
Fig. 44 Petersburger Erichthoniosvase.
dafür eine Gestalt auf der schönen Deckelschale in Petersburg (CR 1860 Taf. i), welche wie eine \'erschmelzung der ersten und der dritten Agraulide ausschaut. Einen ähnlichen Kniff, der sich unserm Künstler nicht einfach aus spontaner Beobachtung der Natur ergeben konnte, bemerken wir an den kleinen rundlichen Faltenbäuschen oberhalb an den \^orderarmen der er.sten und dritten Agraulide. Diese Wülstchen kennen wir auch vom Grabrelief der Demetria und Pamphile her und von Terracotten wie Kekule Tanagra Taf. 15.
In der dritten Gestalt, an welcher der tief gesenkte Blick nun in dem .Vttribut so unerwartet sein Ziel fand, scheint der Künstler ein momentanes Innehalten
J.ihrcsheftc des östcrr. archäol. Institutes Bd. ^'I. 12
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andeuten zu wollen; daraus erklärt sich das Aufblähen von Chiton und Himation unten über dem rechten Fuß. Nirgends sonst auf beiden Platten als hier läßt ein Detail in der Ausführung zu wünschen übrig: die unschön steif behandelte Zopf- frisur. Diese im vierten Jahrhundert sehr beliebte Haartracht kennen wir ja nach- gerade von einer hinlänglichen Anzahl gleichzeitiger Werke, um zu wissen, daß die Künstler das Geflecht der Zöpfe damals durchaus nicht in dieser schematisch trockenen Weise wiedergaben. Ganz so wie auf unserm Relief finden wir Zöpfe dagegen an zahl- reichen römischen Porträts'^) namentlich aus der ersten Hälfte des zweiten Jahr- hunderts ausgeführt. Wie mir scheint, ein deutlicher Hinweis auf das Zeitalter des
Copisten und zugleich eine Zeitbestim- mung, der die Marmorarbeit im übri- g-en an diesen Reliefs in ihrer Sorg- falt, ihrer Bravour, aber auch ihrer allzu großen Glätte keineswegs wider- spricht. Früher, in den Neuattischen Reliefs S. 48, hatte ich behauptet, der Erg-änzer habe mit Unrecht dieser Figur einen rechten Arm ang'esetzt; der rechte Arm fehle gar nicht, son- dern sei nur unter dem Himation ver- borgen und beide Hände lägen dicht übereinander. Obwohl diese Beobach- tung', welche sich nicht auf Autopsie des Originals, sondern lediglich auf die Abbildungen und die Angaben Winckelmanns stützen konnte, tatsächlich falsch war, so war sie doch nicht ganz unbegründet. Im Nationalmuseum zu Rom befindet sich eine hier Fig. 45 wiedergegebene Replik von Oberkörper und Kopf dieser Figur;'') hier fehlt in der Tat jede Spur eines vorgestreckten rechten Arms und die Rechte liegt, ganz wie wir dies bei unserem Mädchen voraussetzten, ins Himation gewickelt unterhalb der Linken. Welche der A'arianten steht nun der ursprünglichen Erfindung näher? Kein Zweifel, daß es die mit übereinander gefalteten Händen ist; denn so wie das große Himation umgeworfen ist, hat das Hervortreten der
Fig. 45 Relief im Thermenmuseum.
") Bernouilli, Römische Ikonographie II 2 Taf. 34 und 47. Beispiele der Zopftracht aus dem vierten Jahr- hundert: aus Epidauios, 'E<f 7](i. äpx- 1885 Taf. 1,2; Muse auf einer der Platten von Mantinea, Erunn-Bruckmann Taf. 468; Köpfchen aus Sunion, Journ. of hell. stud.
1895 Taf. 6; aus Athen, Arch. Anz. 1902 S. Iio. '■*) Mit gütiger Erlaubnis des Herrn Directors Pasqui hier abgebildet. Höhe 030 ™, Breite 0'33 ■", also unseren Reliefs in den Dimensionen entsprechend. Derselbe Maßstab auch an dem Fragment vorn Forum.
Disiecta nicmhra neuattischer Reliefs 9 I
recliteii Haiui an jener Stullu etwas Erzwungenes, wenn es auch nicht geradezu dem tatsächlich Möglichen widerspricht. Aber selbst wenn wir damit das Verhältnis beider \'ariaiiten riclitig beurli'ilcn, so ist damit keineswegs gesagt, daß diese Änderung erst von dem neuattischen Künstler vorgenommen wurde. Es fehlt nicht an Beispielen für sokli leichte Variationen bei ungefähr gleichzeitigen Wiederholungen derselben Erfindung.
Eine Analogfie für die Annahme zweier alten Varianten, die der Ent- stehungszeit des Originaltypus nahestehen, liefern andere Monumente, und zwar solche, die unseren Reliefs aufs Nächste verwandt sind. Denn ganz ähnlich ver- hält OS sieh mit den Borghesischen Tänzerinnen. Trotzdem die zwei äußersten Figuren rechts auf jenem Fries bei nicht ganz scharfem Zuschauen genaue Wieder- holungen von zweien unserer Hören zu sein scheinen, so zeigt sich doch bei ge- nauerer Untersuchung, daß die Abweichungen weit über das hinausgehen, was einem nicht allzu peinlich verfahrenden Copisten zuzutrauen wäre. Wohl stimmen die Haltung und die Faltenlinien im großen ganzen übercin, aber im einzelnen sind die Züge der Falten vollkommen verschieden. Man vergleiche die beiden äußersten Figuren genau: auch nicht eine Falte stimmt in ihrer Bewegung überein. Aber die Änderungen an den Borghesischen Tänzerinnen dürfen nicht als Varianten des römischen Copisten betrachtet werden, denn die sinnvolle Belebung der Capitälformen durch Käuzchen und Kalathos, welche uns auf die Ergastinen hinzuweisen schienen, also auf \'erhältnisse, welche dem Römer ferne lagen, weisen in gutgriechische Zeit; auch würde es der romische Copist kaum so glücklich erraten haben, die Pilasterstellung gerade für einen Mädchen- chor zu verwenden, dem sie, wie wir erst aus dem Sarkophag der Klage- frauen erfuhren, stilistisch so durchaus angemessen ist. Diese Änderung einem Neuattiker zuzutrauen hieße denn doch, diesen Copisten zu eingehende kunst- historische Studien zumuten. Vielmehr sind die Vorbilder sowohl für die Hören wie für die Borghesischen Tänzerinnen in zwei verschiedenen Werken eines und desselben Meisters oder wenigstens derselben Schule des vierten Jahr- hunderts zu suchen, w^elche eine gelungene Schöpfung mit der Ungeniertheit wiederholen, welche der antiken Kunst geläufig war, für unser Gefühl aber fast störend wirkt.
Einen weiteren Beleg für diese Sitte oder Unsitte, wie man will, bieten die Musen von Mantinea und das Chigische Musenrclief. Wenn es sich bei letzterem auch wiederum nur um eine Copie zu handeln scheint — ich kenne das Original noch nicht — so wird doch bei der ung-etrübten Einheit des Stils niemand daran
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zweifeln wollen, daß zum mindesten die treue Copie eines Werkes aus dem vierten Jahrhundert vorlieg't.^'')
Die angeführten Beispiele dürften meine Ansicht hinlänglich stützen, daß zu der Annahme, die classischen Vorbilder wären von unserm neuattischen Meister in einem wesentlichen Punkt modificiert, kein Anhalt vorhanden ist. Bevor wir aber fragen, in wessen Meisters Werkstatt die benutzten Vorbilder zu suchen sind, reihen wir hier noch eine Wiederholung der Agraulidenplatte an.
Diese Replik führe ich mit allem Vorbehalt auf, weil ich das Relief lediglich aus einer Abbildung- in der Tribuna Illustrata vom 9. Januar 1898 kenne, woselbst es als „un'importante scoperta archeologica a Lecce" angepriesen wird. Es handelt sich um eine quadratische Platte in derb geformtem Rahmen, deren ganzer rechter Abschluß von oben bis unten anscheinend ergänzt ist. Zwei wohlbekannte Gestalten erhielten sich. Nach linkshin vorausschreitend die vorderste der Agrauliden, aber in einigen Zügen von dem Relief im Chiaramonti abweichend. Die rechte Hand erscheint hier oberhalb der Brust und greift in das über den Kopf gezogene Hima- tion, welches, ebenfalls von unserer Agraulide abweichend, an die Vorderseite des Kopfes vorgezogen wurde. Die Füße dieses und des folgenden Mädchens sind un- beschuht. Dieses letztere stellt eine genaue Wiederholung einer der beiden Platten aus dem Dionysostheater dar, welche wir schon oben besprachen und welche uns nichts anderes zu sein schien als eine leichte Variation der hier gerade mit ihr verbundenen Figur. Auf alle Fälle bliebe es höchst merkwürdig, daß der Verfertiger des Reliefs in Lecce, wenigstens wenn es ein Copist alter Zeiten war, dem sich eine so reiche Auswahl unter Tänzerinnen in den verschiedensten Stellungen darbot, gerade zwei sich kaum unterscheidende Gestalten dicht aneinander reihte. Die Maße
'^) Rom. Mitth. 1893 Taf. 3, vgl. Petersen daselbst wies, Schüler oder Lieblinge der Musen, wie Linos, S. 62; Amelung, Basis von Mantinca 71. Eine Wieder- Jlusaios, Thamvris. Die Homer entsprechende apoUi- holung der ersten vier Figuren von links mit dem nische Gestalt möchte ich für Orpheus halten. Das Fuß der fünften auf einem Fragment im Magazin des Fehlen thraldscher Elemente in der Tracht kann ich Vatican, abg. Raoul Rochette, Monuments Inedils nicht als entscheidend gegen diese Deutung ansehen. Taf. 25. Petersens Gedanken (a. a. O. S. 06', daß die Ebensogut als Polygnot in Delphi Orpheus noch in drei mit den Musen verbundenen männlichen Ge- reingriechischer Kleidung darstellen konnte, trotzdem stalten Vertreter der drei Lebensalter seien, kann damals schon attische Künstler thrakische Bestand- ich mir nicht aneignen, vor allem nicht, weil der teile in die Tracht des Sängers eingeführt hatten Knabe im Himation und der Ephebe mit der Chlamj's (vgl. Robinson, Catalogue of Vases. Boston. Titel- dafür im Alter viel zu wenig differenziert wären. Die bild), ebensogut konnte dieses Abwehren barbarischer Zeus ähnlich thronende Gestalt, umgeben von Mnemo- Elemente außerhalb Attikas auch in späterer Zeit syne und einer Muse, eine Gestalt, die ohne Attribute noch durch die localen Anschauungen gefordert gelassen keinen Gott vorstellt, kann wohl nur auf werden. Ob hierfür auch das Relief in Sparta (Athen. den König der Dichter Homeros bezogen werden. Milth. II 418 n. 259; Friederichs-Wolters n. 1912; Die andern beiden sind, worauf schon Petersen hin- Photographien des Instituts, Sparta n. 2 und 8) an-
Disiecta memlira neuallischer Reliefs Q3
entsprechen tleni Reliet un iMuseo Chiaramonti. \'or den FiiÜen des vorderen Mädchens lodert aus dem Boden ein Feuer auf, das in seiner Stilisierung sofort an den Taustrom auf dem Fragment des Museo Chiaramonti erinnert. Nach alle- dem wird man es uns nicht \i'rdenken, wenn wir diese Antike mit dem höchsten Mißtrauen betrachten. Allein die Tribuna macht folgende Angabe über das Relief: „stava da tempo immemorabile sull' architravo della porta (nämlich eines Gartens in Lecce) ed era stata piü volte imbiancata con la calce per modo che poco o nuUa si poteva vedere dei particolari delle figure". Ist auf jenes ,.tempo immemorabile-' Verlaß, so fiele jeder (iedanken an eine Fälschung aus dem Cirunde weg, w^eil in modernen Zeiten die zweite Figur nur nach der Platte in Athen hätte copiert werden können. Der Fund im Dionysostheater datiert aber erst vcjm Jahre 1862. Immerhin halten wir es für geraten, weder nach der einen noch nach der andern Seite hin uns zu entscheiden, bevor nicht zuverlässigere Angaben über das Relief vorliegen.
Danach dem Bemerkten die Borghesischen Tänzerinnen nicht als Replik gelten dürfen, so hätten wir also mindestens drei verschiedene Wiederholungen dieser Reliefs zu constatieren : die Platten aus Villa Palombara, das Fragment vom Forum, endlich das im Thermenmuseum. Ganz und gar in den Mischmasch neuattischer Compo- sitionen geworfen finden wir eine Wiederholung der Höre mit den Ähren auf einer fragmentierten Ära in Mantua (Labus, Museo di Mantova III Taf. 47; mein Ver- zeichnis n. 24).
Hier muß noch eine vermeintlich moderne Replik erwähnt werden. Einige Sammlungen von Gipsabgüssen besitzen ältere Abformungen der beiden Agrauliden des größeren Fragments im Museo Chiaramonti ; die Hand mit der Taukanne wurde
geführt werden darf, wage ich ohne Autojisie nicht zu Toc^ou, xal Saa arjusia öcÄXa f,v, ävi XP^"'^'' «faaiv
entscheiden. Der mehr wie ein gewöhnlicher Mensch äiyavisS^vai. Der später verschwundene Schmuck des
erscheinende Ephebe in der Mittelgruppe dürfte die Grabes kann zwar auch aus der Zeit vor Philipp
Hauptperson sein, dem Homer und Orpheus nur als stammen, ebensogut aber auch vom König zur Sühne
Folie dienen. Ich vermute in ihm Lines und zwar seiner Schuld bei Gelegenheit der Rückgabe der
kam ich auf diesen Gedanken dadurch, daß uns von Asche ungefähr im Jahr 336 ausgeführt sein. Nun
einem Denkmal auf dem angebliclien Grab des I.inos finden wir eine Darstellung, die sich passend auf
berichtet wird und namentlich dadurch, daß dieses Linos beziehen läßt, die ferner sehr wohl die Lang-
Monument in einer Gegend stand, für welche die seite eines Sarkophags gebildet haben kann und die
praxitelische Familie wiederholt tätig war. Kurz be- stilistisch in die Richtung einer Künstlerfamilie weist,
vor Pausanias von der Musengruppc des Kcphisodot welche in der Zeit, welche für die Errichtung des
auf dem Helikon spricht, sagt er IX 29, 8: er,^atoi Grabmals indiciert schien, wiederholt für Boiolicn
äs Xi^ouat napi q^Io: xa^^vat tov A£v&v. Nach der tätig war. Mein Gedanke schwebt also nicht ganz
Schlacht von Chaironea habe Philipp dessen Gebeine in der Luft. Eine Statue des Orpheus stand wie das
nach Maccdonien gebracht, sie .aber infolge eines Grabmal im helikonischen Musenheiligtum: Paus.
Traumgesichts zurückerstattet: Ti 4s s-'.0-T)|ia-:a -oü IX 30, 4.
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in diesen Gipsen meist wegretouchiert und der fehlende Kopf der Tänzerin mit der Ärmeljaclve durcli einen kurzlockigen Kopf ersetzt, der ziemlich geschlechtslos ausschaut. Exemplare dieser Abgüsse besitzt das Kunstmuseum in Bonn, im Katalog von Kekule n. 412. Wir müssen diese Gipse erwähnen, weil sie durch die ungewollt denkwürdige Erläuterung eines bekannten Archäologen zu üocumenten in der Geschichte unserer Wissenschaft wurden. Schon Welcker betrachtete diese Ab- güsse, n. 353 seines Verzeichnisses, recht skeptisch; ihr Vorbild befinde sich „angeblich im Museo Chiaramonti" ; sie seien als ,.Hierophant und Hierodule" von Berlin aus — man denkt dieser Deutung wegen unwillkürlich an Panofka als Taufpathen — nach Bonn geschickt worden ; die Zierlichkeit der beiden Figuren habe etwas Modernes. Dieser leise geäußerte Zweifel genügte aber Overbecks jugendlicher Kennerschaft nicht, der 1853 in seinen kunstarchäologischen Vorlesun- gen auf S. 219 wahrhaftig folgendes drucken lieiS: „die beiden Reliefplatten — Hierophant und Hierodule — sind nach Haarwurf und Gewandung aug-enfällig modern und stellen wahrscheinlich Hermann und Dorothea in antikisierendem Costum dar." Ein Segen, daß wenig.stens das Fläschchen wegretouchiert war; es hätte sonst der Erklärung als Rest des Apothekers nicht entgehen können.
Unbeirrt durch die Zweifel an der Echtheit unserer Reliefs fragen wir nun nach der Datierung ihres Orginals. Diese Untersuchung gibt Rätsel auf, die mir anfangs unlösbar schienen. Wir stehen vor dem überraschenden Factum, daß sich die deutlichste typische Verwandtschaft zwischen Figuren der Reliefs und einer großen Anzahl von Vasenbildern constatieren läßt. Man stelle folgende Vergleiche an: auf der Petensburger Erich thoniosvase (vgl. Fig. 44: Anm. 12) die Frauengestalt zu äußerst links erinnert lebhaft an die beiden vorausschreitenden Agrauliden. Auf der von Sal. Reinach (Revue Archeologique 1900 I p. 93) publicierten Eirene- vase aus Rhodos die Figur unten links mit der Höre links. Zu der Agraulide mit dem Taugefaß führten wir bereits eine Figur auf der Deckelschale in Peters- burg- an (CR 1860 Taf. i), welche ja selbst eine so bezeichnende Eig-entümlichkeit wie die gesuchte Anordnung des Himation über der Schulter mit den anderen Agrauliden gemein hat. Eine etwas freiere Variante dieser Gestalt kehrt auf einem Aryballos im Louvre (Monuments Grecs 1889 Taf. 10) wieder, wobei bezeichnend ist, daß auch hier die Figur das Bild rechts abschließt. Deutlich wirkt die vorderste der Agrauliden nach in einem zwischen üppiges Rankenwerk gesetzten Mädchen, das sich nur in einer Tischbeinschen Zeichnung (Reinach, Repertoire des vases II 325, 3) erhielt; das Original der Abbildung stammt von einer unteritalischen Vase, die an eine im Stil ihrer Fig^uren noch rein attisch wirkende Oinochoo im Louvre
Disiccla memljra ncimllisclicr Kcliefs 95
mit dem Raub der Oreilliyia (MoiiumcnlN (irecs 1874 'l'af. 2) criiiUfrl. Höchst beachtenswert scheint mir schließlich noch, da(3 auch Tänzerinnen, welche uns von anderen neuattisclicn Rc-liefs her bekannt sind, namentlich von der iiasis im Lateran (Neuattiseh(' Reliefs 25 n. ;^^), und die im Stil den Agrauliden nahe ver- wandt, wenn auch nicht identisch sind, ebenfalls auf spätattischen Gefäßen wieder- kehren, welche ohne Zweifel der gleichen Zeit angehören wie die oben erwähnten \'ascn aus Kertsch und Rhodos. Ich meine die Hydria in Karlsruhe (Arch. An- zeiger i8gi S. 169) und eine andere im Britischen Museum (BM. Cat. Vases E III 228 Taf. 9); eine tlritte aus der Kyrenaike daselbst (a. a. O. E 241; abg. Burling- ton Club Cat. 188S iiag. 19), welche auch ein Detail der Agrauliile mit dem Tau- gefäß, nämlich die; steife Zopftracht, aufweist. Man mag nun die eine oder andere meiner Zusammenstellungen für weniger überzeugend erklären, daß damit ein Band zwischen diesen Vasen untl den Vorbildern unserer Reliefs geknüpft ist, steht außer Frage. Der Schluß, daß das Original der Reliefs somit nicht jünger sein könne als diese Vasen, liegt auf der Hand.
Nun w ürde aber ja diese Entscheidung nach der herrschenden X'asi'uchrono- lügie nicht weniger involvieren, als daß dann auch unsere Reliefs am Schluß des fünften Jahrhunderts entstanden wären. Daran läßt sich aber überhaupt nicht denken, auch wenn man nur ein stilistisches Merkmal, wie die Haarbehandlung an den Hören, in Betracht zöge. Diese leise bewegten Strähne, welche in Abständen tiefere Furchen zwischen sich lassen, erinnern an den Aphroditekopt des Lord Beaconsfield (l'urtwängler, Meisterwerke Taf. 31), somit an ein Werk, das nur am Ende von Praxiteles Laufbahn verständlich ist. Ja die Haare der Relieffiguren gehen noch weiter in der Verfeinerung der zitternden Haarlinien und erweisen sich damit noch jünger als die Aphrodite, ein Zeitansatz, zu dem auch das Absondern kleiner Wische vor den Ohren und im Nacken stimmt. Der Charakter der neuattischen Copien im allgemeinen erlaubt die Voraussetzung, daß jene zitternden Linien im Original noch duftiger behandelt waren; wie sie von der Meisterhand ausgeführt ausgeschaut haben mögen, das kann uns vortrefflich die Demeter von Knidos veranschaulichen. Wir haben das A'orbild der Reliefs darnach entschieden an das Ende von Praxi- teles Tätigkeit herabzurücken. Der Widenspruch mit den deutlichen Anklängen in den Vasen war nicht auszugleichen.
Das erlösende Wort sprach h'urtwängler (in F. -Reichhold, Vasenmalerei S. 205) als er b(>i d(>r Pul)licali()n einer Hydria aus Alexandria überzeugend nachwies, daß die seit Milchhoefers Aufsatz im Jahrbuch 1894 ohne» laut gewordenen Wider- spruch geltende Annahme, die \'asenmalerei in Attika habe mit dem Ende des
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fünften Jahrhunderts im wesentlichen aufgehört, einfach falsch ist. Denn da die g-enannte alexandrinische Hydria, wie Furtwängler des weiteren ausführt, gleichen Stil aufweist wie eine andere Vase in Alexandria, welche sicher aus einer der frühen Ptolemäerzeit angehörigen Nekropole stammt, ergeben sich als Datierung für die genannten Vasen aus Alexandria die letzten Jahrzehnte des vierten Jahrhunderts. Und das Wichtigste für uns ist, daß diese Vasen auch den Ansatz der meisten oben genannten Gefäße annähernd bestimmen. So muß z. B. die Hydria aus der Kyrenaike fast aus derselben Werkstatt stammen wie die in Alexandria gefundene. Wenn die Kertscher Erichthoniosvase auch von einer wesentlich geschickteren Hand aus- geführt ist als das Parisurteil aus Alexandria, so braucht sie darum doch nicht erheblich älter zu sein; denn die Technik mit den farbigen Figuren in der Mitte und der reichen Vergoldung ist gleichartig. Das Gleiche gilt für die Eirenevase aus Rhodos. Die Deckelschale mit der einen Agraulide wurde nach CR 1859 X im selben Grab mit einem Gefäß gefunden, das die nächste Verwandtschaft mit der Erichthoniosvase aufweist und der Stil der Deckelschale selbst geht ja gut mit dem letztgenannten Stück zusammen. Dazu stimmt auch, daß ein Skyphos aus Eleusis (abg. Monuments Piot VII, Taf. 4), welcher stilistisch und tracht- geschichtlich den vorher genannten Vasen nahe steht, durch seine Weihinschrift in die zweite Hälfte des IV. Jahrhunderts herunter gerückt wird. Endlich: auf der im athenischen Nationalmuseum rasch angewachsenen Gattung von schlanken Krateren mit stark geschweiften Contouren, welche bisher hauptsächlich in Boiotien zum Vorschein kamen, nach Furtwängler (a. a. O. S. 207) aber als Produkte attischer Töpfer aus der zweiten Hälfte des genannten Jahrhunderts zu betrachten sind, finden sich zahlreiche Anklänge an die Figuren von Tänzerinnen, welche wir in unserem Zusammenhang zu nennen hatten.
Wenn nun damit auch das überraschend starke Nachwirken unserer Hören und Agrauliden in der attischen Vasenmalerei namentlich des letzten Drittels vom vierten Jahrhundert erwiesen wurde, so ist doch damit noch nicht gesagt, daß das gemeinsame Vorbild derselben Periode angehören müßte. Wird doch auf dem rhodischen Gefäß selbst auf die um ein halbes Jahrhundert ältere Eirene zurück- gegriffen. Aber man übersehe nicht den bezeichnenden Unterschied: Eirene wird vom Maler erheblich umgestaltet, in das stilistische Empfinden seiner Zeit übersetzt, während sich zwischen unseren Tänzerinnen und den entsprechenden Figuren in der Malerei weder in Bezug- auf die überaus schlanken Proportionen, noch die Haar- oder die Faltenbehandlung ein erheblicher Unterschied herausstellt. Und nun erinnern wir uns, daß auch das hohe Können, mit welchem das Haar dieser Jung-
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frauen wiedergegeben ist, uns ebenfalls über das Ende von Praxiteles Tätigkeit hinaus zu weisen schien. Für die Gewandbehandlung lä(3t sich dasselbe nicht ohne weiters nachweisen, weil wir vorläufig noch zu wenig sicher datierte Werke mit reicher Bekleidung aus dieser Periode kennen. Aber als ein bezeichnendes Sym- ptom darf hervorgehoben werden, dalJ an der Höre mit den Ähren unten am Himation durch den Mantelstoff hindurch die Falten des Chiton durchscheinen, also der Beginn einer Gewandbehandlung, welche uns dann von den Künstlern hellenistischer Zeit wie ein Paradestück immer und immer wieder vorgeführt wird. Bei der Besprechung des Florentiner Reliefs wies Amelung in seinem Führer n. i6o auf die Familienähnlichkeit der Köpfe mit skopasischen Typen hin. Besonders evident tritt diese Verwandtschaft an dem Kopf, der Höre in Vorderansicht hervor. Die kräftige Ausbildung der Partie über den äußeren Augenwinkeln, dann auch die im Profil weniger rundliche Schädelform und die niedriger als von Praxiteles gebauten Stirnen entsprechen durchaus der Art dieses Künstlers. Obschon diese Eigentümlichkeiten mehr in die Richtung des Skopas weisen, erinnert mich doch immer wieder die sanfte Neigung einiger der Köpfe und das Profil überhaupt an den praxitelischen Hermes. Wenn die Schöpfung, wie ich im Gegensatz zu Amelung glaube, nicht im Anfang des vierten Jahr- hunderts, sondern im letzten Drittel desselben entstand, ließe sich die Mischung skopasischer und praxitelischer Züge leichter verstehen. Aber es fehlt uns vor- läufig noch an hinreichend sicheren Werken dieser Periode, in welcher ja über- haupt die Srhulunterschiede nicht mehr so deutlich wie im fünften Jahrliundert hervortreten, um eine Zuweisung lediglich auf Grund von stilistischen Kriterien zu erlauben.
Sehen wir die wiedergewonnenen Reliefs nur vom Gesichtspunkt der Er- findung aus, nicht auch der Arbeit an, so müssen wir gestehen: sie hätten eine Auf- stellung neben der Basis von Mantinea, welche doch Praxiteles für würdig hielt ein Werk seines Meißels zu tragen, nicht zu scheuen. Sie sind aber auch die am besten gearbeiteten Stücke unter den neuattischen Werken. Die Ausfülirung der Hören wurde indessen etwas sorgfältiger behandelt als die der Agrauliden. Auf der Horenplatte sind dem Gewandsaum entlang vertiefte Rillen gezogen, welche die Biegungen der Falten deutlicher hervorheben. Auch zwischen den einzelnen Haarsträhnen arbeitete der Bildhauer bei den Hören tiefer in den Marmor hinein. Daß aber diese Unterschiede recht leichte sind, geht wohl am deutlichsten daraus hervor, daß bis jetzt niemand vor dem Relief in Florenz an der Verbindung der Herse mit den Hören Anstoß nahm. Immerhin erweist diese bei genauerem Zu-
Jalireshefte des österr. archäol. Institutes HJ. VI. 12
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Fig. 46 und 47 Reliefs in Teyel.
sehen nicht zu verkennende Differenz in der Arbeit, zusammengehalten mit der ungleichen Breite der zwei Reliefs, daß die beiden Platten nicht einfach Gegen- stücke zueinander bildeten. Ihr Verhältnis zueinander führt vielmehr auf die Folgerung, daß ihr Original zur Verkleidung eines Blocks mit rechteckigem Grund- riß diente, an dessen längerer Seite die sorgfältiger behandelten Hören angebracht waren, während die Agrauliden auf die schmälere Nebenseite zu stehen kämen. Nun haben wir schon aus dem gesicherten Fundort des größeren Fragments im Museo Chiaramonti festgestellt, daß sämtliche Bestandteile der Composition einst im Boden der Villa Palombara geruht haben müssen. Sie stammen somit aus dem Garten eines alten Römers, der ein vortrefflicher Kunstkenner gewesen sein muß ; bildeten doch eine stilistisch so peinlich genaue Copie wie der Diskobol Massimi und dann die Aldobrandinische Hochzeit Bestandteile seiner Sammlung.'")
""'; Lanciani, Ruins ,ind excavations ofRome 408. liorti Maiani uml l.aniiani werden hier angesetzt. Die später in liaiserlidien Besitz übergegangenen
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Fig. 48 Moirenrelief in Tegel.
Das Verhältnis der Hören zur Acfraulidenplatte zwingt uns zu der Vermutung-, daß sich in A'illa Palombara einst noch zwei Platten befanden, welche sich ebenso wie jenes erste Paar in der Länge leicht voneinander unterschieden. Und aus der Erichthoniosvase, auf welcher wir einen Nachklang unserer Agrauliden fanden, läßt sich erschließen, wie die beiden Platten aussahen. Man hebe sich aus dem Vasenbild den thronenden Zeus, die von ihm wegschreitende Athena, die auf Athena zuflatternde Nike heraus und man wird sich erinnern, daß wir diese Composition auch in Reliefausführung besitzen, nämlich auf dem von Robert von Schneider (Die Geburt der Athena Taf. i) herausgegebenen Puteal in Madrid und weniger vollständig in einer erst neuerdings in zwei Tafeln zersägten Platte in Tegel (Fig 46 — 47).'') Rücken wir die Athena, so wie es die genaue Responsion ihrer Haltung zu Hephaistos erfordert, etwas näher an Zeus heran, was
") Wir bilden die Platten hier nach Photo- liehen Beihülfe von Herrn Prof. I.öschcke verdankt graphien der Gipsabgüsse ab, welche der freund- werden.
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leicht möglich wird, sobald wir die Nike so stark verkleinern wie sie auf der Vase erscheint, so wird das Breitenverhältnis der Platte mit der Athenageburt zu der mit den Moiren das gleiche, wie zwischen Hören und Agrauliden. Aus dem Moirenrelief in Tegel (Fig. 48) sehen wir, daß die Composition einst auf zwei Platten verteilt war; denn, selbst wenn die aus Palazzo Rondanini stammende und jetzt ebenfalls in Tegel befindliche Platte mit Zeus und Hephaistos nicht der Rest ihres Gegenstücks sein sollte, so darf doch nach dem Madrider Puteal ein solches als einst vorhanden vorausgesetzt werden. Die streng symmetrische Anordnung von Athena und Hephaistos beweist, daß die Composition ursprüng- lich für eine Fläche erdacht ist, nicht für ein Rund, auf welchem die Symmetrie überhaupt nicht zum Vorschein kommt. ^*) Die Breite des Moirenreliefs läßt sich nicht genau constatieren, weil der Abschluß der Platte rechts ergänzt ist; von ihrer jetzigen Breite wird wohl etwas abzuziehen sein, denn der ergänzte Säulen- stumpf ist für die Composition ganz überflüssig; die Längenausdehnung betrug also wohl weniger als wie jetzt: i'o6'".^^) Die ihm entsprechende Agrauliden- platte mißt nach ihrer Wiederherstellung im Gipsabguß i'i5'", ohne Rahmen wie die Moiren i'05'". Dagegen setzt sich die Tafel der Athenageburt ungefähr aus folgenden Maßen zusammen: Hephaistos o'432'", Zeus o'467™, Athena (=: He- phaistos) o'432" = i'33'", wovon jedoch wegen der ergänzten Rahmen, welche zwischen den Gestalten in Wegfall kommen, ein Abzug notwendig wird. Die Horenplatte ist nach Ausführung des Anschlusses f225™ lang. Genau stimmen auch die übrigen Dimensionen. Die Figurenhöhe beträgt bei der vorderen Agraulide 0-64™, erste Höre 0-63'", Moire rechts 0-635™. Die Plattenhöhe der Agrauliden 0735™, Moiren 0-74™. Durch die Maße wird sonach die Combination jedesfalls empfohlen. Aber das Moment, welches unsere Vermutung sicher zu stellen scheint, liegt darin, daß die Moirenplatte ebenfalls in Villa Palombara gefunden wurde (v. Schneider, Geburt der Athena S. 34 Anm.).
Von drei Richtungen aus wurden wir somit auf dasselbe Ziel hingelenkt. Die Dimensionen der Platten und namentlich das Breitenverhältnis der Platten- paare untereinander. Sodann, daß sich die Nachwirkung der Composition sowohl der Agrauliden als der Athenageburt in einem und demselben Werk des vierten Jahrhunderts vereinigt findet. Endlich der gemeinsame Fundort. Es bedürfte sehr starker Gründe, um diese Combination zu erschüttern.
"■') Entgegengesetzt urteilt Amelung, Basis von Puteais bereits an den Zeusaltar des Kephisodot. Mantinea 15. Er erinnert, worauf wegen des Folgenden *') Die Maßangaben der Tegeler Platten ver-
hingewiesen werden muß, gelegentlicli des Madrider danken wir Herrn Dr Watzinger.
Disiecta mi-mbra neuallischcr Reliefs
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Aber allerdings bestehen Gegengründe, deren Gewicht man mehr oder minder hoch taxieren kann; manchen Leser werden sie sogar von der Zustim- mung zu der Hypothese abhalten. Zunächst die abweichende Form der Um- rahmung an der Moirenplatte. Sie ließe sich damit entschuldigen, daß wir ja nicht mit Bestandteilen des ursprünglichen Originals arbeiten, sondern mit Copien, welche auf einzelne Platten verteilt auch eine verschiedene decorative Bestimmung erhalten konnten. Die allseitige Einrahmung, wie an den Hören und Agrauliden, läßt vermuten, daß die Platten in den Wandverputz eingelassen waren, entspre- chend der ähnlichen Stuckdecoration eines Grabes der Via Latina (Mon. In. VI 44 A.). Die Moirenplatte dagegen könnte, da ihre tektonischen Formen den Musenreliefs vonMantinea ähneln, etwa zur Verkleidung einer Basis gedient haben.
Aber schwerer wiegt für mich ein anderer Ein- wurf. Wenn sich auch die beiden Plattenpaare nicht durch den Stil in höherem Sinne merkbar voneinander unterscheiden, so ist doch der ausführende Meißel beidemale sicher verschie- den. Die Arbeit der Moi- ren mit ihren in überaus zierlicher Fältelung behan- delten Gewändern sticht deutlich ab von der mehr nur auf die Hauptzüge ausgehenden, breiteren Behandlung an Hören und Agrauliden. Besonders reicht die ganz conven- tionelle Haarbehandlung an den Moiren mit den üblichen Wellenlinien nicht an die Meisterschaft heran, mit welcher uns der L^rheber der Hören ein weiches blondes Seidenhaar in Erinnerung zu bringen versteht. Nun könnte man als Beleg dafür, daß die etwas kleinliche Zierlichkeit der Moiren nicht notwendig auch dem Original anhaften mußte, eine Wiederholung des Kopfes der sitzenden Moire, welche sich im Museo Nazionale zu Rom befindet und die wir nebenstehend Fig. 49 publicieren, aufführen: sie zeigt eine wesentlich breitere Haarbehandlung und ihre Mache scheint sogar im Madrider Puteal einen Eideshelfer zu finden. Nebenbei beachte man auch die Ähnlichkeit mit dem Eubuleus. Keinesfalls aber möchte ich verheimlichen, daß die notwendige Voraussetzung zweier verschiedener
Fig. 49 Kopf der Moire im Museo nazionale zu Rom.
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Kopistenhände einen guten Teil des Pro, welches sich aus dem gemeinsamen Fundort ergibt, wieder aufzuheben scheint. Das Gewicht der Gründe und Gegen- gründe läßt sich aber verschieden abschätzen.
Jedesfalls halten wir noch einen kräftigen Grund zu Gun.sten der Hypothese in der Reserve: Der Altar, wie wir ihn reconstruierten, findet sowohl seinem Stil als dem Inhalt seiner Darstellungen nach eine Erläuterung durch einen der schriftlichen Überlieferung bekannten, hochberühmten, in Attika stehenden Altar, der uns zugleich als epochemachendes Werk den ungewöhnlich starken Einfluß unserer Compositionen auf die attische Vasenmalerei erklären würde. Wir dachten bei dem Block mit rechteckigem Grundriß ohneweiters an einen Altar, weil uns gegen eine Basis die zu starke Höhendimension zu sprechen schien. Ver- gegenwärtigen wir uns den plastischen Schmuck des Altars. Auf der Hauptseite eine streng symmetrische Composition mit den Göttern Athena und Hephaistos, die sich von der Mitte, welche Zeus einnimmt, gleichmäßig fortbewegen. Auf der rechten Nebenseite die Agrauliden, auf ihre neugeborene Herrin zueilend; links die Moiren, welche nun einmal zu einer Geburtsscene gehören und die, wie die Hören auf der Rückseite, das Walten des Herrschers Zeus über die Natur und das Menschengeschick verdeutlichen. Nur Zeus und Athena erhielten Trabanten, sie sind also die Hauptgötter des Altars. Aus Plinius,^") dessen Angaben aus anderen Nachrichten ergänzt werden müssen, erfahren wir, daß im Heiligtum des Zeus vSoter und der Athene Soteira im Peiraieus eine ara stand, cui pauca com- parantur. Der Künstler war, so wenigstens nach einer längst vorgenommenen Correctur des Textes, Kephisodotos. Wenn es angeht, unter diesem Kephi.sodot den jüngeren Meister dieses Namens zu verstehen, so hat unser Altar seinen Autor. Den Weg zum Ziel dieses Nachweises übersprangen wir in Gedanken; um wirklich dahin zu gelangen, wäre gar manches Gestrüpp aus dem Weg zu räumen. Zunächst ist bestritten, daß der Altar von einem Kephisodot ausgeführt war, denn die Überlieferung nennt als Urheber Cephisodorus und neuerdings^^) wurde gegen- über der vorher allgemein gebilligten Änderung in Cephisodotus die Pflicht betont, an dem überlieferten Text festzuhalten. Dieser Ansicht kann ich nicht folgen. Die Correctur, die unbestreitbar eine sehr leichte ist, empfiehlt sich aus zwei Gründen. Einmal weil ohne die Änderung ein nicht nur von Plinius, sondern auch von Pausanias als besonders hervorragend bezeichnetes Kunstwerk von einem
^'') Plin. XXXIV 74. Die Belege für das Folgen- ^') Furtwängler, Meisterwerke 311, Anm. I; doch
de bei Wachsmuth, Stadt Athen II 141. Milchhöfer nahm er diese Ansicht fast zurücU : Statuencopien 30. im Text zu Karten von Attilta I 41.
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sonst völlig obscuren Künstler Kephisodoros herrühren würde, und zwar ein MonumiMit an einem Ort, über den wir nicht allzu schlecht orientiert sind. Zwei- tens; \'(jn den reliefgeschmückten Altären, welche in der antiken Literatur überhaupt einer Erwähnung gewürdigt werden, stammen zwei sicher aus der P^amilie des Praxiteles, einer von ilmcii sicher von dem jüngeren Kephisodot. Praxiteles selbst schmückte einen Altar in Ephesos (Strabo XIV 641), seine Söhne einen solchen in Thespiai.^^) Es wäre ein perfides R, das diese Wahrschein- lichkeitsgründe zu Schanden machte, zumal da wir wissen, daß dem Schreiber
-^ Paus. IX 12, 2. Die Stelle ist sell)st für Paiis.inias höchst uiifjeschickt abgefaßt. Der Altar scheint dem Dionysos fjeweiht gewesen zu sein, weil unmittelbar vorher eine Dionysosstatue genannt wird. Im Vorausgehenden werden einige Legenden kurz aneinander gereiht, welche sich auf das angeblich noch stehende Haus des Kadmos und der Harraonia beziehen, und, worauf ich Nachdruck lege, auch vom Gemach der Semele ist die Rede. Nun erhielt sicli ein Relieffries im Vatican, n. 102 meiner Neuattischen Reliefs, mit der Darstellung der Schenkelgeburt des Dionysos, Hermes das Kind auffangend, unter Assi- stenz der Moiren. Das Relief zeigt trotz seiner recht trockenen Ausführung sowohl im Zeus als in den zwei vorderen Moiren eine frappante Familienähn- lichkeit mit den hier behandelten Stücken. Mehr will ich nicht aussprechen. — Die Chronologie des jüngeren Kephisodot wurde zuletzt von Klein, Pra.xi- telischc Studien 26, behandelt. Klein bezieht zwei Angaben der Literatur auf den jüngeren Kephisodot, welche dem älteren verbleiben müssen. Zunächst die Arbeiten in Megalopolis. Sie sind unter dem Namen Kephisodot schlechthin überliefert und wurden seit- her männiglich dem älteren Träger des Namens zu- geschrieben. Nun behauptet aber Dörjifeld (Ath. Mitth. 1893 S. 218), das Material und die Klammerformen der überaus spärlichen Reste des .Sotertempels in Megalopolis (Excavations of Megalopolis 53) wiesen in spätere Zeit; demnach sei der Kephisodot, welclicr die Tempelstatuen ausführte, der jüngere Bildhauer dieses Namens und sei mit seinem Ge- nossen Xenophon „etwa ans Ende des vierten Jahrhunderts" zu setzen. Kurz darauf rückt dann Dörpfeld das Disoterion „in die Zeit, als Aristodemos die Geschicke der .Stadt leitete", das hieße nicht vor das zweite Viertel des dritten Jahrhunderts. Mit dieser Datierung rechnet Klein (Praxiteles 13) als feststehend, trotzdem er wußte, daß in der Angabe
über die Künstler auch ein Mittel zur chronologischen Fi.\ierung liege. Eine klare historische Erwägung er- weist jene Spätdatierung als unmöglich. Xenophon arbeitet für Theben eine Tyche, welche schon längst als Doppelgängerin der Eirene durchschaut wurde. Von einem Kephisodot, wenn wir selbst diese Frage offen lassen wollen, stand am Helikon eine Musengruppe. Aufträge an eine und dieselbe Künstlergruppe sowohl fürTheben nebst Umgegend als für Arkadien sind nur verständlich in der kurzen Spanne Zeit der thebanischen Hegemonie, als zwischen Theben und Arkadien enge Beziehungen bestanden, nicht aber erst nach der Wiederaufliauung Thebens im Jahr 312, als die Stadt ül)erhaupt keine auswärtige Politik mehr machen konnte. Alle diese Arbeiten müssen wir daher notwendig vor 335 an- setzen. Entschieden richtiger urteilten somit die Herausgeber der Excavations of Megalopolis, wenn sie sagen, die Reste des Zeusheiligtums seien zu dürftig, um aus sich heraus eine Datierung zu ge- statten, eine solche müsse vielmehr aus der Chrono- logie der für Megalopolis tätigen Künstler erschlossen werden. Somit bleiben diese Werke dem älteren Kephisodot.
Eine andere Nachricht, welche seither allgemein auf den Großvater bezogen wurde, will Klein (Praxi- teles S. 18) nun mit dem Enkel verbinden. Plutarch sagt uns (Phokion 19) über Phokions erste Frau: KBfl TipoTEpa; oCiSiv (oTopstxai, nXrj'i 5xt KigcpiaöSoTo; ■^v 6 !iXäc3-rj; äSeXtfO; aOx'^j. Nachdem Klein be- merkt hat, daß diese Nachricht „den Stempel der Authenticität an der Stirne trage," geht er her und corrigiert sie: „wir setzen hier einfach für 45=X;fd; ä5s?.q:'.3oüj ein." Abgesehen davon, daß zu einer Änderung nicht der Schein einer Berechtigung vor- liegt, würde sich Plutarch infolge der Kleinschen Conjectur auch in der unsinnigsten Weise ausdrücken : von Phokions erster Frau sei nichts bekannt, außer
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des Marmor Parium im selben Wort zweimal derselbe Fehler passierte. Mir scheint darum die Correctur gerechtfertigt.
Nun fragt es sich aber weiter, welcher Kephisodot gemeint ist. Daß vom jüngeren Kephisodot sicher ein anderer Altar stammte, darf nicht als durchschla- gender Grund gelten, aber wir sehen eine Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger. Gegen die übliche Zuweisung an den älteren Namensvetter, für welche Brunn (K. G. I, 270) nur einen Grund anzuführen vermochte, den er selbst als „nicht unwahrscheinlich" bezeichnet, machte Klein (Archäologisch-epigraphische Mit- theilungen IV 21) auf eine Nachricht im Leben der zehn Redner aufmerksam, wo- nach Demosthenes nach seiner Zurückberufung die dreißig Talente, zu denen er verurteilt war, — die Zahlenangaben schwanken bei den verschiedenen Schrift- stellern; vgl. Schaefer, Demosthenes^ III 370, 343 — zur Ausschmückung des Altars des Zeus Soter, wir dürfen genauer hinzufügen, und der Athena Soteira im Peiraieus verwenden mußte. Allein Brunn (Münchener Sitzungsberichte 1880 S. 454) zog zu notwendiger Ergänzung dieser Stelle eine Angabe von Plutarch im Leben des Demosthenes (27) herbei: El'wö-ötss yap sv vq ^uaia. toO Atö; toö awxfjpoi; äpyupwv TsXerv toi; xataaxsuxl^ouat v-od xocj^oüai xöv ß(ü[iöv, exstvw t6t£ laOia itof^aai xal Tzccpxajzly uevn^xovxa xaXavTWV e^sSwxav, Saov VjV Tt'nTjfia tqq xaxaStxrji;. Nach Plutarchs Worten hätte es sich also nur um den ephemeren Schmuck gehandelt, der jedes Jahr zum Fest am Altar vorbereitet und wieder entfernt wurde. Die Worte xöxe xaöxa uotfjaat lassen über diese Auffassung keinen Zweifel und daran scheitert Krokers (Gleichnamige Künstler S. 15) Versuch, Brunns Einwand zu entkräften. Ein beson- deres Herrichten und Ausschmücken des Altars für den Festact war immer von nöten, darum die vielen Ehrendecrete für die Epimeleten. Aus der andern Stelle erfahren wir, daß es sich bei der Maßregel, Demosthenes mit der Schmückung
daß der Bildhauer Kephisodot der Jüngere — lange nach 400 das Licht der Welt erblickt haben, also der Sohn des Praxiteles — der Sohn ihrer Ihr Bruder kann demnach keinesfalls vor 420 ge- Schwester gewesen. Auf die Frage, warum dann boren sein; aber auch kaum nach 380 und damit Plutarch nicht kürzer und deutlicher gesagt hätte: wird der jüngere Kephisodot ausgeschlossen. Gegen außer daß Praxiteles ihr Schwager war, hat Klein Furtwänglers Gedanken, Kephisodot sei nicht der keine andere Ausrede als die: „da die griechische Vater, sondern der ältere Bruder von Praxiteles, Sprache eines prägnanten Ausdrucks für diesen Ver- führte Klein den durchschlagenden Grund an, daß wandtschaftsgrad entbehrt, so werden wir den Namen dann Plutarch Phokions Frau nicht als Schwester des Praxiteles an dieser Stelle nicht vermissen." Aber Kephisodot sondern als Schwester des Praxiteles Plutarch hätte ja ganz prägnant sagen können: :iXT|V bezeichnet hätte. Daß an dem gleichen Grund seine äxt npaJtXEXvjs stxs Trjv däsXtfrjv aÜT^;. Mit einer eigene Conjectur scheitert, bemerkte seltsamerweise solchen Ausrede läßt sich also die Conjectur nicht Klein nicht. — Ein wirkliches Werk des jüngeren in milderem Lichte darstellen. Phokions erste Frau Kephisodot lehrt uns eine Inschrift aus Trozen kann, da ilir Gemahl 403 geboren war, nicht sehr kennen: CIG Pel. I n. 766.
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des Altars zu beauftragten, ledig-lich darum handelte, das Gesetz zu umgehen. Demosthenes war — nach der andern Angabe — zu fünfzig Talenten verurteilt; rückgängig konnte der Spruch nicht gemacht werden. Darum fand man folgenden Ausweg. Zur Schmückung des Altars am Fest des Zeus Soter, zu welchem Zweck der Staat alljährlich irgend einem Bürger eine Summe anwies, wurden in diesem Jahr dem Demosthenes zu diesem Zweck fünfzig Talente angewiesen. Das Au.s- kunftsmittel bleibt also nur dann ein solches, wenn die Summe, welche Demo- sthenes für die Ausschmückung des Altars tatsächlich verwenden mußte, minimal war im Verhältnis zu den überwiesenen fünfzig Talenten, welche er unfehlbar als Strafgeld zu entrichten hatte. Aus diesen Stellen lä(3t sich also weder schließen, daß der Prachtaltar von Demosthenes errichtet wurde noch daß er schon früher bestand. Das Datum der Ausschmückung durch Demosthenes im Jahre 323 hätte so vortrefflich zum Stil des von uns reconstruierten Altars gepaßt, daß wir wahr- haftig nicht von vorn herein gegen den Schluß eingenommen waren, daß Demo- sthenes die Ehre der Stiftung gebühre. Nach wie vor wissen wir nicht, welcher Kephisodot den Altar geschaffen.
Nun hilft uns aber ein inschriftliches Zeugnis weiter. Der Stein, um den es sich handelt, CIA II 2 n. 834, ist überaus schlecht erhalten, so daß nur unzusammen- hängende Brocken zu lesen bleiben; aber die Worte Atö; üwxijpos ETCia-axoüvxwv und die Erwähnung mehrerer großer Posten von Steinen, die zu brechen oder zu bearbeiten waren, lassen erkennen, daß es sich um die Rechnungsurkunde einer ßaucommission für das Heiligtum des Zeus Soter im Peiraieus handelt. Da nun ein Priester dieses Zeus bereits von Aristophanes auf die Bühne gebracht wird, und aus der Berücksichtigung des Heiligtums im neuen Bauplan des Peiraieus, schloß man, -^) daß der Bezirk des Zeus Soter, der zu Strabons Zeit den Mittelpunkt des Peiraieus bildete und den auch Pausanias als die wichtigste Sehenswürdigkeit der Hafenstadt erwähnt, zur Zeit der Feststellung des Plans von Hippodamos schon bestanden haben müsse. Da nun die Inschrift nicht älter als die letzten Jahrzehnte des vierten Jahrhunderts datierbar schien, so konnte man die von jener Baucommis- sion geleiteten Arbeiten nur auf Restaurierungsbauten beziehen. Allein der Schluß ist nicht bündig. Auch wenn das Disoterion als ärmlicher alter Bau dastand, mußte es als wichtigstes Heiligtum der Stadt im Plane berücksichtigt werden; man denke an das alte Kirchlein, das die Hermesstraße im heutigen Athen versperrt. Dann
^') Wachsmuth, Stadt .\then II 141. Curtius, Poliorketes, den Altar in die Zeit des Konon, offen-
Stadtgeschichte S. 233 setzt den Ausbau des Heilig- bar weil er am älteren Kephisodot festhalten zu
tums des Zeus Soter in die Zeit des Demetrios müssen glaubt.
Jahreshefto des österr. arcbUol. Institutes lid. VI. 14
Io6 F. Hauser
sehe man sich die einzelnen Posten der Inschrift an: 446 Blöcke hymettischen Marmors und noch sprechender das starke Hervortreten der xpr^mSaüot Xtö'Ot (Z. 5, 7, 12) und der oipTjTttg (16). So unsolid wurden antike Bauten nicht ausgeführt, daß sie nach höchstens hundertjährigem Bestehen — älter könnte ein so groß- artiger Bau nicht sein — derartig umfassende Ausbesserungen zumal am Fundament nötig gehabt hätten. Zudem liegt, wie wir sahen, ein ernstlicher Grund gegen die Annahme, die Inschrift sei einfach als Rechnungsurkunde für den Neubau auf- zufassen, gar nicht vor. Die Aufstellung des Prachtaltars läßt sich aber nicht leicht von dem neuen Prachtbau trennen. Eine genauere Datierung der Inschrift als in die zweite Hälfte des vierten Jahrhunderts mußte selbst ein Kenner wie Adolf Wilhelm ablehnen; nur so viel wollte er sagen, daß eine Inschrift aus dem Jahr 328 CIA IV 2 n. 834'' (p. 198) = Sylloge ^ n. 587 eine große Ähnlichkeit in der Schrift aufweist. Aber selbst diese ungefähre Datierung des Baues und somit des Altars schließt den älteren Kephisodot als Urheber aus. Also auch das Ergebnis dieser Erörterung will uns verführen, an unserer Hypothese festzuhalten.
Und noch ein Grund scheint mir geeignet, sie zu unterstützen. Plinius nennt den Altar im 34. Buch; darnach muß seine Decoration in Bronze ausgeführt gewesen sein. Der Gedanke, daß etwa die Minerva aus Bronze lediglich die Er- w^ähnung eines vom selben Künstler gearbeiteten Marmoraltars nach sich gezogen habe, scheint ausgeschlossen, weil sich Plinius überhaupt nicht darüber klar ist, daß beide Werke sich im selben Heiligtum befanden; die Identität des Standorts ergibt sich erst aus den Nachrichten des Pausanias. Plinius kennt die Minerva in portu Atheniensium; vom Altar weiß er, daß er stand ,,ad templum Jovis Servatoris in eodem portu''. Nicht durch Zufall figuriert der Altar unter den Bronzewerken. Selbstverständlich war aber nicht der ganze Altar in Bronze ausgeführt, sondern nur der Reliefschmuck an ihm in Appliken aus diesem Material angesetzt. Die Technik der Bronzeappliken war dem vierten Jahrhundert sehr geläufig; um ein unseren Tänzerinnen nahe verwandtes Werk aufzuführen, sei die Bronzefigur in Turin genannt, welche Heydemann, Verhüllte Tänzerin (4. Hall. Winckelmanns- programm) herausgab; sie weist auf ein Vorbild ungefähr derselben Zeit hin wie unsere Agrauliden.-*) Die sehr scharfe Ausarbeitung der Gewandfalten an Hören
^*) Dagegen darf als Originalarbeit des vierten so liegt doch eine andere Erklärung näher. Die weiß-
Jahrhunderts gelten die angebliche tote Niobide im grundige Lekythos, abg. im Jahrbuch 1895 Taf. 2,
Museum zu Athen (Ridder, Bronzes de la societä bezeugt, daß an Grabstelen vor dem Akroter zu-
archeologiquc n. 920, dazu Heydemann, Sächsische weilen Reliefgruppen oder auch Rundfiguren ange-
Bcrichte 1883 Taf. I 159). Wenn die Deutung auf bracht wurden, und zwar führt die eben hier erhaltene
eine Niobide auch nicht geradezu ausgeschlossen ist, Darstellung einer Todten, welche von Hypnos und
Disicfla iiienihra iicualtisi-lu-r Kclicls I07
und Agrauliden, namentlich das tiefe Unterarbeiten der freiflatternden Gewand- zipfel, läßt sehr wolil die Möglichkeit zu, daß die Origfinalo dieser Figuren in Bronze ausgeführt wären.
Vielleicht darf es auch nicht dem Zufall zugeschrieben werden, daß der Zeus Meilichios des Peiraieus, der meist als Schlange aufgefaßt wird (Foucart, Bull, de corr. hell. 1883 p. 507), ausnahmsweise auch einmal in einem dem Zeus des Tegeler Reliefs überaus verwandten Typus dargestellt wird, a. a. O. Taf. 18. Vor diesem Zeus steht, was ja auch nichts ganz Gewöhnliches ist, ein Altar von der Form wie derjenige, welchen wir reconstruierten. Man beachte für die Übereinstimmung auch die Verkürzung der Thronlehne und die Sphinx als Träger der Handlehne.
So viel zur Verteidigung der Hypothese vom Altar des Zeus Soter und der Athena Soteira von Kephisodot dem Jüngeren. Gegen die Redenken, welche der Vermutung- entgegenstehen, hoffe ich die Augen nicht verschlossen zu haben. ^■^)
Hier aber wollen wir uns noch des sicheren Ergebnisses freuen, welches sechs der herrlichsten Gestalten, welche die antike Kunst hervorbrachte, zu ihrem ur- sprünglichen Ganzen wieder vereinigte. Bedenken wir, was für eine überraschend große Wirkung auf die Kunst der Renaissance der Fries der Borghesischen Tänze- rinnen ausübte.^") welche doch neben den göttlichen Nymphen unserer Reliefs wie plumpe Bauernmägde wirken, so kann es uns wehmütig stimmen, daß der Grund, welcher all jenen Künstlern die reinere Quelle verschloß, doch nur ein recht ärmlicher war: Lüderlichkeit beim Ausgraben. Über drei Jahrhunderte währte es, bis die zwei mäßig großen Platten in einzelnen Stücken aus dem Boden gezogen waren. Und jetzt im zw-anzigsten Jahrhundert sind wir noch nicht so weit, daß man auch nur träumen könnte, die Zersplitterung der Bestandteile ließe sich wieder gut machen ; keine Hoffnung, es ließe sich erreichen, was jeder Vernünftige als das einzig Richtige ansehen wird, daß es den drei Museumsdirectionen gestattet würde, durch Tausch das zerrissene Ganze wieder zu vereinen.
Rom. FRIEDRICH HAUSER
Thanatos auf die Erde gebettet wird, auf eine ent- wie die unsere gegen sich, hat aber nicht für sich
sprechende Auffassung der Bronzefigur. drei so starke Stützen wie den gemeinsamen Fundort,
") Soeben wurde dem Madrider Puteal oder, was die Übereinstimmung der Maße und dieEinwirkung der
auf dasselbe hinauskommt, den Tegeler Reliefs, eine combinierten Bestandteile auf ein und dasselbe antike
andere Bestimmung zugewiesen, und zwar von Svoro- Monument. Der Gedanke scheitert allein schon an der
nos im Journ. intern, d'arch. num. V l6g flF. 285 ff.; feststehenden Deutung der Scene mit der Athena-
nach ihm stammt die Composition vielmehr von einer gehurt; diese Erklärung ist nach wie vor sicher, weil
Thymele in Mantinea, wo sie im Zusammenhang mit sich der Hammer nicht wegdisputieren läßt, den aufgefundenen Musenreliefs .ingebracht gewesen ^') Löwy im Archivio Storico dell' Arte II
sein soll. Diese Combination hat die gleichen Gründe Serie II p. 241.
14*
io8
Fig. 50 Agraffe aus Viterbo im Vatican.
Die Fibel des Odysseus, Helikes und Kalykes.
Die Untersuchungen von Heibig und ganz besonders diejenigen von Studniczka haben klargestellt, dai3 die Tracht der homerischen Frauen aus einem Peplos mit Überschlag bestand, der regelmäßig um die Taille mit breitem Gürtel umschlossen und auf beiden Schultern über den Brüsten mit Heftnadeln gebunden war. Es ist auch von beiden Gelehrten der Versuch gemacht worden, altg'riechische Denk- mäler zur Illustration der in den Gedichten beschriebenen Formen heranzuziehen. Diese Bildwerke, deren Zahl mit dem Fortschreiten der Ausgrabungen immer mehr wächst,') lehren uns, dai3 die homerische Frauentracht eine festländisch griechische ist, die im Gegensatz sowohl zu der mykenischen Gewandung wie zu der ionischen Chitonkleidung steht, die seit dem sechsten Jahrhundert auf dem griechischen Festlande platzgreift. Sie beweisen ferner, daß, während der Typus des Peplos, der sich bald mit dem orientalischen Chiton verbrüderte, durch einige Jahrhunderte sich constant erhielt und nur in Schnitt, Länge des Überschlags, Gürtungsweise und Art der Nestelung über den Achseln variierte, die Typen der Heftnadeln sehr rasch wechselten.
Diesen Wechsel nun, der nicht zufällig ist, sondern in dem sich Entwicklung kundgibt, lohnt es sich nach einem doppelten Gesichtspunkt zu verfolgen. Einer- seits, um das Verhältnis zu klären, in dem die griechische Cultur aus der Zeit dicht nach der historisch überlieferten Völkerwanderung zu den gleichzeitigen, in
') S. Terracolten mit dargestellten Fibeln (Jahres- figurige Vase des Berliner Antiquariums, Furtwängler,
hefte V 207 — 213). Zu den Darstellungen der Ge- Sammlung SabouroffI 55 (Nymphe Antheia). 3. weiß-
wandnadeln auf Vasen (ibid. S. 212) habe ich nach- grundige Kylix des Brit. Mus., Murray-Smith, white
zutragen: I. rotfigurige Hydria des Neapler Museums, athenian vases pl. XIX (in den Händen der Athena
Mus. borb. I 35 (Frau mit einer Binde), wo sie sind sie vorauszusetzen). 4. röm. Bronzeciste aus
falschlich für Ranken erklärt worden sind. 2. rot- Praeneste, Mon. dell' inst. Villi 58, 59 (Diana).
Die Fibel des Oilysscus, HcliUcs iiiul K;ilyUes l'>'l
iuulcrt'M europäischen Ländern durch h'undc erschlossenen Culturen steht, ander- seits um ein genaues Verständnis von einschlägigen Beschreibungen der homerischen Gedichte zu erreichen.
Gewaiiduadeln gebrauchten in jener i'^poche auch die Männer, um die Luden ihrer Mäntel, ganz wie in historischer Zeit, an der Brust oder auf einer Schulter zusamnien/.uMiuleii. In der Odyssee ist sogar eine detaillierte, oft besprochene, aber, wie mir scheint, noch nicht vollkommen erklärte Beschreibung einer reich verzierten goldenen Gewandnadel enthalten, ich meine die berühmte Perone, mit der Odysseus, als er gegen Troja auszog, seine puq^urne Chlaina zusammensteckte. Die Stelle-) (x 225 ff.) lautet:
XXaivav Tiopcpuper^v o{JÄr;v iyt oio^ 'ÜSuaaeiis oitcX'^v. aOxäp Ol Tzspövij y^puaoio xeiuxxo auXoiatv 5ioü\ioia'.. Tiapotvhe Se Sac'oaXov f)£V Iv Tipoiepotat Tiooeaat xüuv eye Tiotxt'XciV eXXov, dajratpovxa Xäwv xö ok {)'au|_iä^£ay.ov airavTsc:, (1)5 Ol ypoazoi eövieg ö [xev Idz V£l:ipöv äTxayy^wv, auxap 6 excpuyeetv \xz\xxüq fjairatpe Ttoosaatv. Unter den Formen der aus griechischem Boden ergrabenen Gewandnadeln sind zwei Haupttypen zu unterscheiden: die gewöhnliche Nadel, deren Kopf je nach den herrschenden vSchmuckbedürfnissen verschiedene GrölBe und Gestalt an- nimmt, und die eigentliche Pibel, die immer aus einer Nadel und aus einem mit Nadelscheide endigendem Bügel besteht. Charakteristisch für die letzte sind draht- artige Schleifen, die an einer oder an beiden Seiten des Bügels vorkommen. Die erste Form ist bereits unter den trojanischen') und mykenischen*) Funden reichlich vertreten und ist in der historischen Zeit Griechenlands infolge verschiedener anderer Verwendung, z. B. zum Haarschmuck, aus dem Gebrauch nicht ver- schwunden. Wahrscheinlich war sie in Griechenland, wie anderwärts in Europa, schon in der neolithischen Zeit vorhanden. Die zweite Form taucht zuerst unter den allerjüngstcn Funden der mykenischen Periode*) auf und war besonders stark
^) Vom philologischen Standpunkte behandelt devant, otait dccoree d'un sujet: dans ses pattcs de
richtig die Frage Pottier in Milanges Herni Weil devant un chien tenait un jcune faon tachete et
385 — 393. Doch verkennt er den engen Kreis der dcvorait sa proie palpitante. Tout le monde regardait
archäologischen Objecte, die zur Erklärung der avec admiration comme (Staient faits les dcux animaux
Stelle anzuführen sind. Er übersetzt die Verse folgen- en or, Tun devorant le faon qu'il <5touffait, l'autre
dermanen: cherchant encore ä s'echapper et remuant les pieds."
„Le divin Ulysse portait un manteau de pourpre, ') Dörpfcld, Troja und Ilion I 355 — 356.
cn Stoffe laineuse, pliöe en deux; sur le manteau *) 'Ecf>y]\i.. äpx. 1887 Jt. 13, 19, 1888 tz. 9, 25.
itait fixic une agrafe d'or, ä ötui double, qui, par ') "E'.pr]H. äpX- '888 n. 9, l. ;; 1891 -. 3, 5;
HO
Karl Hadaczek
in altgriechischer Zeit etwa bis zum fünften Jahrhundert verwendet, bis sie dann auf griechischem und etruskischem Boden den Agraffen (Fig. 50) und Knöpfen'') allmählich wich, wobei sie aber bei vielen nicht griechischen Völkerschaften ohne Unterbrechung bis in die römische Epoche') im Gebrauch geblieben ist.
Daß die Form der Fibel aus der Stecknadel entstanden ist und eine praktische Vervollkommnung der Nadel durch einen glücklichen technischen Einfall darstellt, leuchtet sofort ein, wenn man sich die Mißlichkeiten ver- gegenwärtigt, die der Gebrauch bloßer Nadeln mit sich brachte. Wie leicht konnten sie aus dem Gewand heraus- fallen, mit der freiliegenden Spitze den durchstochenen Stoff schädigen, den Gewandträger selbst oder eine mit ihm sich beschäftigende Person verletzen. Eine solche Verletzung er- wähnt Homer E 424, wo erzählt wird, daß Aphrodite, um einer Achäerin Liebe zu einem Troer einzuflößen, sie gelieb- kost und sich an der goldenen Perone ihres Peplos geritzt habe. In armen slavischen Gegenden, wo eine aus Knochen oder Holz verfertigte Nadel benutzt wird, um ein mantelartig um die Schultern geworfenes Stoffstück zusammenzuhalten, pflegt man an dem meist durchlöcherten Kopf der Nadel eine Schnur zu befestigen, mit der die in den Mantel eingesteckte Nadel an beiden Enden umschnürt wird. Ähnliche Umschnü- rungen der Nadel am Gewände müssen auch im Altertum vorgekommen sein, wie die auf alten Gewandnadeln vorkom- menden Ösen*) oder angehängten Ringe ^) vermuten lassen, und eben diese haben offenbar auf die Idee des Bügels geführt. Dies wird durch viele Fibeln bestätigt, die in der Structur noch alle Merkmale des Übergangstadiums aufweisen. Es kommen beispielsweise Exemplare vor, bei denen der Bügel etwas besonderes darstellt und erst in Vereinigung mit einer gewöhnlichen Stecknadel zur Fibel wird. Er ist besonders gegossen und zeigt an einem Ende eine Ose, an
1
Fig. 51 und 52 Nadeln aus Lusoi. Wiederholt aus Jahreshefte IV Fig. 93 und 94.
ferner Daremberg-Saglio IV 1104.
^) Beispiele aus Cometo werden erwähnt : Notizie 1880 p. 80; 1893 p. 516; aus Bolsena Notizie 1885 p. 65; aus Montalto di Castro (Vulci) Notizie 1880 p. 250.
'') Erwähnenswert sind die Darstellungen der kahnförmigen Fibeln auf zwei unteritalischen Wand- gemälden des dritten vorchristlichen Jahrhunderts
abgebildet. Mon. ant. dei Lincei I 954 f. (aus Kyme), Mon. dell' inst. X tav. LV I (aus Capua). Sie dienen zur Nestelung der Mäntel.
^) Vgl. Exemplare aus Lusoi abg. Jahreshefte IV S. 54 Fig. 93 — 94 (oben Fig. 51, 52) und aus Cypern, Murray Excavations in Cyprus p. 19 Fig. 38 pl. VIII— IX.
') So bei Murray a. a. O. p. 19 Fig. 38.
Die Fibel des Odysseus, Helikes und Knlykes
I I I
dem zweiten eine Hülse für die Nadel. In die Öse nun wird eine einfache Steck- nadel eingeführt.'") Andere Fibeln sind wiederum dadurch entstanden, dalj der Kopf der metallenen Nadel umgebog-en und der Spitze angenähert worden i.st, wobei dann die Anhakung auf verschiedene Weise geschehen konnte. Der Bügel ahmt noch meistens die gedrehte Schnur nach.") (Fig. 53.)
Wo aber ist die erste eigentliche Fibel entstanden? Furtwängler'-) behauptet, daß sie in der Zeit der dorisclu>n luiiwanderung von Norden importiert und in Griechenland nie ganz heimisch geworden sei. Weitgehende Schlüsse über eine keltische Beimischung in der griechischen Bevölkerung zog kürzlich Ridgeway'^) aus der Ähnlichkeit der Hallstätter Cultur und namentlich der Fibeln mit der aus neuen Funden im Peloponnes er- schlossenen achäodorischen Civilisation der nachmykenischen Periode. Solchen Annahmen gegenüber ist es wichtig festzu- stellen, daß gerade auf griechischem und italischem Boden die größte Varietät von Plbeln vorkommt, daß in Griechenland sich allerwärts fast alle Grundtypen nachweisen lassen, daß dagegen, je weiter wir nach dem Norden kommen und die größeren prähistorischen Sammlungen von Budapest, Wien, Prag, Dresden und Berlin mustern, uns eine desto geringere Zahl von Fibelformen, und zwar solche in einfacher Gestalt, entgegentritt, dafür aber in sonstigen zeitgenössischen Funden die älteren Stecknadeln vorherrschen. Diese Tatsache spricht beredt dafür, daß die Fibel in Südeuropa, wahrscheinlich in Griechenland selbst, entstanden und daß ihre Formen von da nach dem Westen und Norden sich verbreiteten.
Freilich läßt sich dieser Export nach dem Norden mit Sicherheit noch nicht erweisen, da bisjjetzt in Griechenland nur in geringerer Anzahl sich Funde aus der Epoche der ersten Eisenzeit ergeben haben. Aber ein glücklicher, längst bekannter Fund wirft doch ein Licht auf die Handelswege und die sehr weite Einflußsphäre der griechischen Cultur gerade aus jener noch halbheroischen Zeit, in der die Griechen sich anschicken, in das geschichtliche Leben zu treten. In dem Vettersfelder Goldfund des Berliner Antiquariums,''*) den Furtwängler für ein
^>8- 53 Bronzefibel
aus Italien
im Wiener Hof-
museum.
'") Lindenschmit: Die Altertümer unserer heidn. Vorzeit I Heft VII Taf. 4, III Heft IX Taf. 3.
") Vgl. ein ähnliches Exemplar aus Bassano abg. Notizie 1894 p. 164, .lus Bissone abg. Bull, di Paletn. It. XXIII Tav. III. 10.
'^) Furtwängler. Die antiken Gemmen B. III 58. ") Ridgeway, The early age ofGreece ChapterIV. ") Furtwängler, Der Goldfund von Vettersfeldc Taf. II I, S. 8.
112 Karl Hadaczek
ionisches Fabrikat des ausgehenden sechsten Jahrhunderts, ich glaube um ein Jahrhundert zu tief taxierte, findet sich ein wichtiger Gegenstand, den dieser geniale Forscher mangelhaft gedeutet hat. Es ist ein 17 Centimeter breites und hohes Goldblech, dessen Gestalt durch die angebrachte Ornamentik bedingt ist. „Vier Kreise umgeben einen kleineren in der Mitte. Das Centrum aller vier Kreise war durch ungelahr halbkugelförmige Buckeln aus dünnem Goldbleche geziert, die an eine Ose befestigt waren; nur zwei derselben sind erhalten, an Stelle der anderen drei sieht man nur das Loch für die durchgesteckte Öse." „Rings um das Centrum der vier größeren Kreise hat der Künstler laufende oder liegende wilde und zahme Tierfiguren, und zwar in Gruppen zu je zweien
angebracht." Der Ge- genstand hat durchs Feuer gelitten. Wie die erwähnten Löcher zeigen , bildete diese Zierplatte erst in Ver- einigung mit einer festen Grundlage, die vom Feuer zerstört sein wiril, den Ge- brauchsgegenstand. Als solchen vermute- te Furtwängler einen
Fig. 54 Idol aus dem Heraion von Argos. AViederliolt aus Jahreshefte V Fig. 6l.
Fig- 55
Fibel aus Lusoi.
AViederliolt aus
Jahreshefte IV
Fig. 76.
Brustschmuck, der auf dem Gewände oder vielleicht auf einem Panzer befestigt worden sei. Doch halten alle Analogien, die er dafür heran- zieht, der Kritik nicht Stand. ^=) Es wäre merkwürdig, daß die Ränder der Zier- platte umgebogen sein sollten, um die Unterlage zu fassen. Dieser Umstand beweist vielmehr, daß das ganze Schmuckstück nicht größer und nicht kleiner war als die Goldplatte selbst. Ihre Form aber weist uns bestimmt in eine andere Gattung von Schmuckgegenständen.
An zwei altgriechischen Terracottastatuetten, von denen eine aus dem Heraion bei Argos^") (Fig. 54), die andere aus Tiryns stammt,^') ist eine Variante von Platten- fibeln dargestellt, die genau die Form der Vettersfelder Zierplatte aufweist. Sie
'*) Furtwängler a. a. O. 31 — 32.
'") Jahreshefte V 209 Fig. 61.
") Schliemann, Tiryns Taf. XXV c an der 1.
Schulter. Die Darstellung ist infolge der Bem.alung unkenntlich.
Die Kil)el des Oclysseus, Helikes und Kalykcs
i'3
zeiijt vier zur Einheit verbundene Disken, in deren Mitte buckrlartij^e l'^hebuni^en vorkommen. Der Schluß, der sich aus dieser Analogie ergibt, wird noch zwingender, wenn wir uns die Formen der griechi- schiMi Plattenfibeln in ihrer Entwicklung ver- gegenwärtigen. Wie ich bereits früher dar- gelegt zu haben glau- be und hier mit reiche- ren Materialbelegen wiederholen möchte, entsteht die älteste Plattenfibel dadurch, da(j ein S-förmiges Gewinde von Draht verbunden wird mit einer bereits in spätmykenischer Periode erscheinenden Bogenfibelvariante mit plattgeschlagenem Bügel; dazu wird der Bügel durchlöchert '*) (Fig. 55). Die Stelle der Spirale nimmt bald eine Platte ein, die, oft aus Knochen verfertigt und mit eingesetzten Bernstein- perlen geschmückt,'^) die Form von zwei Disken zeigt (Fig. 56). Eine andere Variante
Fig. 56 Bronzefdjel aus .Sybaris. Nach Notizie degli scavi 1888 tav. XIX fig. 8.
n
Fig. 57 und 58 Bronzefibeln aus Suessola. Nach Xotizie degli scavi 1878 tav. VI fig. 504.
") S. Bronzefibel aus Lusoi abg. Jahresliefte IV Paar aus Ruvo wird beschrieben Notizie 1878 p. 378.
52 Fig. 76 und ein Exemplar aus Spezzano-Calabro ") So ein Exeni|)lar aus dem Hcraionfunde im
in Unteritalien abg. Notizie ig02 p. 35. Ein goldenes Nationalmuseum in Athen, eines im Berliner .\nti-
J.-xhroshefto des österr. arcliiiol. Institutes B»l. VI. |-
114
Karl Hadaczek
entsteht (Fig-. 57), wenn man zwei S-förmig gewundene Drähte kreuzweise zusammen- schlägt und auf jene Fibel mit flachem Bügel auflegt.-") Eine abgeleitete Form zeigt am Bügel aufgesetzte Vierdiskenplatten, die wahrscheinlich gleichfalls aus verschiedenem Material hergestellt waren. Eine dritte Abart (Fig. 58) hat drei spiralförmig eingerollte und zusammengebundene Drähte auf den Bügel aufge- setzt-') und ihr entspricht eine neue Variante mit drei Disken.^-)" Etwas jüngere Terracottafigürchen zeigen, daß die griechische Plattenfibel, bei der nur die sicht-
Fig- 59 Oberteil einer Terracotla-
statuette aus Böotien. (Wien, Antiken-
s.imml. d. AUerli. Kaiserhauses).
Fig. 60
Oberteil eines tönernen Sitzbildes aus Tarent
(Wien, Antikenkensamml. d. AUerh. Kaiserhauses).
bare Platte ^^erzierungen zuließ, verschiedene Gestalt annahm. Wir sehen quadrat- und rautenartige Formen, vielseitige, ferner rein elliptische oder elliptische mit halbkreisförmig ausgeschnittenen Seiten, endlich kreisrunde Spangen. (Fig. 59—61). Alle diese Formen sind an altgriechischen Terracotten festländischer Werkstätten -^)
quarium, dagegen aus Bronze ein E.'iemplar aus Sybaris abg. Notizie 1888 tav. XIX Fig. 8 (oben Fig. 56).
^'') S. ein Exemplar aus Crichi nel Catanzarese abg. Bull, di Paletn. It. VIII tav. IV 2; ein gut erhaltenes Beispiel mit Bekleidung aus Suessola abg. Notizie 1878 tav. VI 5 (oben Fig. 57).
^') S. ein Exemplar aus .Suessola abg. Notizie
1878 tav. VI 4 (oben Fig. 58).
^^) .S. eine Platte aus Elfenbein gefunden in der Nekropole von Syrakus abg. Notizie 1895 p. 173 Fig. 69.
^') Sie sind bis jetzt aus folgenden Ortschaften bekannt: Heraion bei Argos, Tiryns, Tegea (Gaz. arch. 1878 p. 44), Aegina, Athen, Böotien (abg.
Die Kil>cl des Oiiysseus, Hclikus und Kalykes
I "5
Fig. 6l Elliptische Fibel aus Terni (Rom, Museo Kirclieriano).
aus der Zeit etwa i loo — 500 v. Chr. sichtbar, aber vorderhand sind nur einige auf yriccliischem Roden in erhaltenen Exemplaren -') nachweisbar, während in Bosnien und anderen nördlicher ge- legenen Ländern dergleichen öfters auf- stol3en. Es kommen dort z. B. Platten- fibeln mit zwei,-'') drei-") und vier-') Disken, ferner-*) runde (Fig. 62) und elliptische mit eingezogenen Seiten,^'') daneben aber auch einige neue Typen vor,''"') für die auf griechischem Boden bis- her zufällig kein Analogon existiert. Aus dem in die Augen springenden Zusam- menhange dieser bosnischen Funde mit der zeitgenössischen griechischen Cultur
dürfen wir schließen, daß auch jene neuen Formen nur Verkümmerungen griechi- scher Vorbilder sind, welch letztere gewiß einmal durch Ausgrabungen in Griechen- land selbst auftauchen werden. Aus dem Ende dieser Entwicklung rühren schließlich die zoomorphen Plattenfibeln von IMichal'kow her, die einem im gräflich Dzieduszyc- kischen Museum in Lemberg be- findlichen Goldschatze angehören. Die eine (Fig. 63) zeigt ein auf- lauerndes Tier (vielleicht Wolf oder
Heuzey, Les figurines ant. du Louvre pl. 17, 4), Sizilien (Notizie 1895 P- '78, f. 76), Cyrenaica (abg. Heuzey, Lcs figurines ant. du Louvre pl. 40, l). Es sind meistens stehende oder sitzende primitive Brettidole.
^*) Elliptische Plattenfibel aus Spezzano Calabro, Xotizie Ig02 p. 34 Fig. 3; eine quadratische aus Syrakus abg. Bull, di Palctn. v. XX pl. IV 11 p. 51 — 52. Eine elliptische aus Terni (jetzt im Museo Kircheriano) ist oben abgebildet (Fig. 61).
") Glasnik 1889 S. 33 Abb. 24; S. 34 Abb. 29; 1890 S. 85 Abb. 44; 1894 S. 734; 1895 S. 559 Abb. 39; Wiss. Mitth. aus Bosnien I 82 Fig. 56, 57, 59; -S. 132 Fig. 9; V 13 Fig. 39; VI 39, Fig. 9.
Fig. 62 Kreisrunde Fibel aus HuUstadt (Wien, naturhist. Hofmuscum).
2«) Glasnik 1897 S. 283 Abi). 3: 1898 S. 653 Abb. 46; 1902 Taf. XI 9; XIV 29—30; XXXI 17; Wiss. Mitth. aus Bosnien VI 103 Fig 154: VII 30 Fig. 46.
") Glasnik 1890 S. 85 Abb. 45; Wiss. .Mitth. aus Bosnien I 82 Fig. 58.
2») Glasnik 1892 S. 432 Abb. 55; I992 Taf. XV 17, 18; XVIII 2, 2 a, XXXVIII i, I a; Wiss. Mitth. aus Bosnien I 158 Fig. 67.
") Glasnik 1892 S. 420 Abb. 42; 1895 S. 546 Abb. 18; Wiss. Mitth. aus Bosnien I 149 Fig. 52; V 13 Fig. 18.
•"') Z. B. Exemplar mit sechs Disken s. Glasnik 1892 S. 409 .-Xbb. 28: 1893 S. 734 Abb. 43; Wiss. .\littli. aus Bosnien I 142 Fig. 38; III 18 Fig. 50.
'S*
ii6
Karl Hadaczek
Hund), die £indere (Fig. 64) ein scheu aufs23rinj,'-eiides (Pferd) in einer der yeometri-
schen Stilrichtung entsprechenden Verzerrung.
Die bosnischen Vierdiskenplatten, die auch im Hallstätter Culturkreis (Fig. 65,
66) erscheinen, können nun als frappantestes Analogen für die Vettersfelder Zier- platte angeführt werden. Wie jene, zeigen auch diese in jedem Diskus getriebene Kreise; die Disken sind in ähnlicher Weise wie bei jener durchlöchert; ein Loch befindet sich ebenfalls in der Mitte des ganzen Gebildes. Beispiele sowohl dieser Form als auch anderer Varianten'') des Typus zeigen, daß diese Löcher für aufgesetzte Zierden bestimmt waren, wie sie
Fig. 63 Goldübel aus Micbalkow.
auch auf der Vettersfelder Zierplatte vorkommen.
Aus dem vorgeführten Material ergibt sich also mit Sicherheit, daß diese Platte nur die goldene Verkleidung einer wahrscheinlich aus vergänglichem Material — etwa Knochen — gemachten Plattenfibel bildet. Die bronzenen mit
getriebenen Goldplättchen bekleideten etrus- kischen Fibeln der gleichen Epoche können uns über die Art der Technik erwünschten Aufschluß geben.'"-) Die zur Decoration der Kreise angewendeten Tiermotive, verglichen mit den Michalkower Tierfiguren — es sind dies gleichfalls sowohl wilde wie zahme Tiere — lassen vermuten, daß auch auf griechischem Boden solche zoomorphe Plattenfibeln vor- handen waren, in einer Fülle von Ausge- staltungen, die wir auf Grund des evidenten Dranges nach Varietät gegenwärtig nur zu ahnen vermögen.
Fig. 64 Goldlibel aus Miclialkow.
Wie verhält sich nun die von Homer so anschaulich beschriebene Fibel des Odysseus zu diesem Kreise? Um einem möglichen Irrtum vorzubeugen, muß ich
") Vgl. die Profilansicht einer bronzenen Platteu- fibel mit zwei Disken aus Bosnien (ülasnik I894
S. 734; Wiss. Milih. aus Bosnien IV 13 Fig. 27). '''') Milani, Studi e materiali I 239 — 2O5.
Die Kibel des Odysseus, [lelikes und Ivalykes
"7
/iuvur iiucli eiiiL- aiKkTL- panilk'lt' luitwickluiiy in lietraclit ziulica. hii- /wi'itf Hauptklasse der j^riechischen Fibeln bilden die Bogenfibeln.
Auch (lirscr (Iruiultypus weist in derselben Epoche eiiKiii sehr g-roljen Reichtum auf. Dem Bügfei, der im Bopen lief, wurde die verschiedenste Gestalt gegeben, bevor er die Nadelspitze berührte, zunächst in der Form des Draht- bügels selbst. Bald wurde der Drahtbügel mit bunten Perlen garniert, und indem diese die Structur der Fibel bestimmten, ergaben sich mannigfaltig neue Varianten. So hat sich durch die Aufnahme einer bauchigen halbmondartigen Perle die charakteristische Form der getriebenen metallenen Kahnfibel herausgebildet. Man
Fig. 65
Bronzeplatte von einer Fibel aus Salberg (Wien, naturliist. Hofmuseum).
Fig. 66 Bronzeplatte einer Fibel
aus der Byciskalahölile in Mähren
(Wien, uaturhist. Hofmuseum).
kann nun beobachten, wie diese Mannigfaltigkeit zu demselben Resultat führte, nämlich, daß man jene geometrisch toten Formen aufgab und durch die Einfüh- rung der Tierfigur in den Bügel eine höhere Entwicklung der ganzen Schmuck- form anbahnte und begründete. Als Vorläufer derselben dürfen jene Kahnfibeln gelten, deren Rücken mit Tierköpfen^^) und kleinen Vögeln^^) geschmückt sind. Die zoomorphe Bogenfibel erscheint schon sehr früh auf griechischem Boden. Ein etwa dem ausgehenden achten Jahrhundert v. Chr. angehöriges Beispiel mit Pferdemotiv''') ist in der Nekropole von Syrakus gefunden worden. In derselben
'') Bogenfibel mit Stierköpfen aus Koban, einer aus Suessola (abg. Notizie 1878 tav. VI 6);
Kondakof-Tolstoi-Reinach, Antiquitcs de la Russie vgl. Perrot-Chipiez VII p. 252 f. 120. merid. 1891 p. 457 Fig. 398. '') Notizie 1895 P- 175 F'g- 73 "°<1 ß""- d»
'*) So z. B. an einer Bogenfibel aus Karairos Paletn. It. XXII p. 35 Fig. 9 (zusammengefunden
(abg. Daremberg-Saglio IV p. Ii05f. 2989) und sind geometrische und protokorinthische Vasen).
ii8
K;irl Hadacjek
Epoche taucht sie in Kampanien^'') und Etrurien-'') auf; sie ist ferner in Mittel-^'') und Xorditalien ä") und im Hallstätter Culturkreis'**') (Fig. 67) ebenfalls nachweisbar. Gleichzeitig kommt sie in Osteuropa im kaukasischen Kobangebiete*') vor. An verschiedenen Gegenden Italiens gefundene Exemplare, die teils noch der älteren sogenannten geometrischen Kunstrichtung angehören, teils schon der Zeit, in der in Etrurien gräkophönikische Einflüsse zur Geltung kamen, belehren uns, daß dieser Typus sich besonderer Beliebtheit erfreute. Im Einklang noch mit der älteren geometrischen Weise stehen z. B. solche Exemplare, deren Bügel durch Gruppen von nebeneinander gestellten Tieren, ^^) einem Mann zu Pferde,''^) oder Gruppen von bewaffneten Kriegern zu Pferde gebildet werden'") (Fig". 68); mit einer jüngeren
Phase stimmen dagegen
jene Fibeln überein, bei
denen den Bügel eine
Sphinxfigur ^•'') oder der
Löwe*'') ausmacht.
Diese gleichartigen
Endformen der Entwick- lung, welche beide Haupt-
g^attungen antiker Fibeln
ergaben, müssen wir
vor Augen haben, indem wir uns zur Erklärung der Homerstelle wenden.
Die Fibel des Odysseus war mit einer Gruppe geschmückt, welche einen
Hund darstellte, der zwischen den Vorderpfoten ein zappelndes Hirschkalb hielt
und würgte. Zu diesem bereits dramatischen Motiv des Tierkampfes können viele
878
Fig. 67 Bronzefibel aus Hallst.->dt. (Wien, naturhist. Hofmuseum).
Fig. 68 Bronzefibel aus Este
Wiederholt aus Jahresliefte I
Fig. 12.
^') Ein Beispiel aus Suessola, Notizie tav. IV 9 p. 107.
'^) Ein Exemplar aus Corneto erwähnt Notizie 1892 p. 41, ein Beispiel Mon. dell' inst. X tav. Xb, 10, vgl. Ann. 1874 p. 259.
^) Ein Beispiel aus Tolentino, Bull, di Paletn. It. VI tav. IX 10.
^') Ein Beispiel aus Novillara, Monum. dei Lincei V t. XIV p. 265, ein anderes Notizie 1892 p. 17; aus Benevenuti, Monum. dei Lincei X p. 23 f. 12, Bull, di Paletn. It. VI t. V 4; aus Este, Notizie 1900 p. 155 f. I.
*") E. V. Sacken, Das Grabfeld von Hallstatt Taf. XV 4-7.
*^) Chautre, Recherches II pl. XIII 4.
*^) Monum. dei Lincei VII tav. I Fig. 14 p. 16, aus Este.
*') Monum. dei Lincei IX 155 Fig. 12, aus Petona.
*^) Jahreshefte I 12 Fig. 12 aus Este.
^^) Ein goldenes Beispiel aus Vetulonia, Notizie 1894 p. 343 Fig. 9; Bull, di Paletn. Ital. XXVII 167 Fig. 2; ein anderes Exemplar, Milani, Studi e materiali I 256 Fig. 24.
■") Ein goldenes Exemplar aus .Südrußland, Reinach, Ant. du Bosph. cimm. pl. XXIV I ; ein Exemplar mit dem Motiv eines geflügelten Löwen (Museo n.iz. in Neapel), Daremberg-Saglio IV II 10 Fig. 3023.
Die Fibel des Odysscus, Uclikcs und K:dykc-s II9
passende Analoga aus verschiedensten altgriechischen Denkmälern aus dem achten bis sechsten Jahrhundert v. Chr. angeführt werden."") Der charakteristische Umstand, ilaü hier kein ]-ö\ve oder Panther erscheint sondern ein Hund, der in dieser Epoche den Mann im Krieg'"') wie auf der Jagd begleitet, bringt dieses Product der dichterischen Phantasie in lunklang mit jener ältcriMi I{iitwicklungsphase der fest- ländisch griechischen Kunst, in der (He Kiinstk-r, von den orientalischen Einflüssen noch unberührt, ihre Aufmerksamkeit zunächst dem Mitmenschen und dem kleinen Kreise von Haustieren zuwandten. Was den Typus betrifft, so stehen wir nur vor der Wahl, ob der epische Dichter eine Plattenfibel oder eine Bogenfibel meinte, und dann, ob die Darstellung im getriebenen Relief oder in Rundsculptur aus- geführt war. Das zusammengestellte Material scheint entschieden für die zweite Annahme zu sprechen. Dazu kommt noch eine Eigentümlichkeit der Perone in Betracht, die dieses Urteil bestätigt. Der Dichter erzählt, daß sie mit doppelten Röhren versehen war, und die antiken Scholiasten*") erklären ganz richtig, dal3 damit die doppelten VerschluÜhülsen gemeint sind, in denen die Nadelspitzen ge- borgen waren. Es zeigt sich nun, daß gerade unter den Bogenfibeln der gleichen Epoche eine solche Verdoppelung der Nadelscheiden und somit auch der Nadeln selbst sich nachweisen läßt.'") Sie hatte nur den Zweck, dem Schmuckobject, da.s manchmal große Dimensionen annahm, Festigkeit zu verleihen. Ein großes, reich in Rundsculptur''') ausgeführtes Exemplar dürfte nun auch die Fibel des Odysseus gewesen sein und die Menge von Tierfüßen mag dem Juwelier gute Gelegenheit zu organischer Verwendung der beiden Nadeln gegeben haben.
Durch diese Vorführung der wichtigsten griechischen Typen^^) wird es auch erklärlicli. warum den Fibeln bei Homer das Beiwort YvafiTi-CTj (gekrümmt) zukommt und warum ein ähnliches Epitheton söyvajiTCto; (wohl gekrümmt) besonders für die xXr/?; a 294 der Fibel — für den zur Aufnahme der Nadelspitzen bestimmten
^') Erwiilinenswcrt ist ein Bronzebeil aus Kol).Tn, i8c)t .S. 166 Abb. 7.
dessen Krönung ein von zwei Hunden angefallener ^') Dies kann auch durch die Bezeichnung der
Hirsch ausmacht (Kondakof-Tolstoi-Reinach, Anti- Fibel als är^a.X[ux. £ 256 angedeutet sein. Das von
quitiSs de la Russie nicrid. Paris 1891 p. 459 Heibig citiertc etruskische Schmuckstück kommt
Fig. 402). Für die Composition der Gruppe vgl. die nicht in Betracht, weil es nicht zu den Fibeln gehört.
Reliefs eines Frieses aus Xanthos, Brunn-Bruckmann ■'-) Ein gewissermaßen bereits jüngeres, secundäres
Taf. 104, 2 (ein Reh von einem Löwen angefallen). Gebilde stellt der nur für Griechenland und das an-
**) Krieger zu Pferde mit Hunden auf klazo- grenzende Mitteleuropa charakteristische Fibeltypus
menischcn Sarkophagen, Murray, Terracotia Sarko- mit großer profdierter Fufiplatte dar, deren Gcst.iltung
phagi pl. VI. sich manchmal mit den Formen der Plattenlibcln
*') Heibig, Das hom. Epos' 278 — 279. berührt (vgl. Darcmberg-Saglio II 2 p. 1 105 Fig. 2982;
'") Ein Exemplar aus Vulci, Daremberg-Saglio PiTrol-Chi])iez VII p. 251 f. 11"': p. 253 — 256I Diel. IV 1 106 Fig. 2995, eines aus Bosnien, Glasnik
120 Karl Hadaczek
Haken oder Kanal — gebraucht wird. Wie erhaltene Exemplare zeigen, gab es auch Fibeln mit wenig festen xXr/Ses. Bei vielen ist der Bügel und die Nadel be- sonders gegossen und dann erst vermittels der Lötung miteinander verbunden. Daß sie oft in Brüche gingen und daß jede Person von Stande mehrere Exemplare besaß, ist dabei selbstverständlich. Wir dürfen uns daher meines Erachtens nicht wundern und zu gesuchten Erklärungen greifen, wenn Penelope von dem Freier Antinoos einen Peplos mit 12 Fibeln zum Geschenk bekommt a 292. Brauchte sie doch nicht alle auf einmal an einem Gewände anzubringen. Daß sie in solcher Zahl auf der Seite des Schlitzes getragen werden, wie Studniczka''^) an- nahm, erweisen die Denkmäler nicht. Es hielt ja auch ein breiter Gürtel den Peplos eng am Körper zusammen und die Ränder waren breit aufeinander gelegt, so daß an der offenen Seite des Peplos meist nur ein verzierter Saum zum Vor- schein kam.
Als ein Symbol der Frauensitte und des Frauenlebens wurde die Perone in dieser Zeit wie der Peplos selbst Göttinnen geweiht,-''*) in deren Schutz sich die. Frauen mit ihren Wünschen und Bedürfnissen stellten. Sie war ihnen unter Um- ständen, wie die bekannte Herodoteische Erzählung von Aigina zeigt, zugleich eine tückische Waffe, deren Gebrauch ihnen die bedrohten Männer durch Staats- verordnungen"'') untersagten. Aus mythischen Zeiten fehlte es "gewiß nicht an weiteren Beispielen, wie das von der Blendung des Oidipus, der Blendung des Polymestor durch die Troerinnen. *^) Für den Mann war die Perone ein Prunk- stück, das je höher er stand desto kostbarer werden mußte, um als Zeugnis seines Reichtums zu dienen,''') ein Zug irrtümlich naiven Geschmacks, der in vollem Gegensatz zu späterer griechischer Sitte steht.
In unmittelbarem Zusammenhang mit den Gewandnadeln stehen nach dem Zeugnis der behandelten Terracotten mehrere Brustketten. Sie hängen vorne an der Büste des Körpers über den Gewandüberschlag herab und ihre Enden ver- schwinden unter den dargestellten Sicherheitsnadeln. Die Francoisvase^*) zeigt,
'') Studnicrka, Beiträge zur Geschichte der alt- die gefundene Inventarliste, in der eine große Zahl
griechischen Tracht g6; Heibig, Das hom. Epos- von Gewandnadeln figuriert.
204. An dem Peplos der Athena des dort angeführten ") So in Athen in der Zeit um 600 v. Gh.,
korinthischen Pinax ist nur die geometrische, bunte Herodot V 88.
Musterung sichtbar, die keineswegs als eine „Re- *^) Heibig, Das hom. Epos- 276.
miniscenz der Darstellungen solcher mit vielen Heft- ^'') x 2()9 -0 äs 3-au(iiC:say.ov äna'^sj.
nadeln geschlossener Schlitze" gelten kann. *') Furtwängler- Reichhold, Griech. Yasenm.
^*) So der Damia und Auxesia in Oia auf Taf. I und 2 (eine der Moiren), Taf. 13 (Atal.inte);
Aegina s. Herodot V 88 vgl. Furtwänglers Mit- Murray-Smith-Walters, Excavations in Cyprus 20
tlicilung (Berl. pli. Wclischr. igoi S. 1005) über Fig. Jt).
Die Fibel des Odysseus, Hclikes und Kalykes 12 1
daß diese Ketten an den Rinpfen der Gewandnadeln anß-eliänpt waren. Anderseits belehren uns wiederum die Gräberfunde über die Art, wie sie an den Fibeln be- festigt wurden. Es kommen nämlich oft in den Gräbern dieser Epoche Bog'en- fibeln vor, an deren Nadeln ein oder mehrere Ring-e,*^) auch Spiralen"") hängen. Die letzten sind manchmal noch mit kleinem Hängewerk belastet."') Diese Ringe haben nun wahrscheinlich die Befestigung der Brustketten am Gewand vermittelt.
Die Erkenntnis dieser Gebrauchsart ist von Wichtigkeit für die Erklärung der rätselhaften, schon in der Ilias vorkommenden Helikes und Kalykes. Sie sind dort 22 401 mit den Peronen und Schmuckketten (8p|iot) genannt und werden noch einmal in dem Hymnus auf Aplimdite offenbar nach der Ilias zusammen mit dem Peplos, mit Poroncn und Ketten erwähnt (Hymn. hom. IV 86 f., 162 f.). Der Zusammenhang der Stellen weist darauf hin, daß alle drei Schmuckarten wahr- scheinlich einem Brustschmuck dienten, der an dem Peplos angebracht war. Die 5p[ioi sind dann die Brustketten, die Helikes und Kalykes die freien Anhängsel, die, wenn sie nicht größere Anhängsel der Brustketten waren, an der Nadel der Fibel angebracht werden konnten. Für die Helikes paßt dann vorzüglich ein An- hängsel der festländisch altgriechischen Kunst,"-) das die Form eines gebogenen Drahtes hat, dessen Enden schneckenartig eingerollt sind. Wie die Kalykes aus- sahen, mögen viele Anhängsel illustrieren, deren Formen vegetabile Motive"') dar- stellen. Die Funde lehren, daß beide Formen von Anhängseln freie Gebilde ge- wesen sind, die verschiedene Größe annehmen konnten und noch in historischer Zeit an verschiedensten Schmuckgattungen Verwendung fanden. Daher ist wohl auch erklärlich, warum die antiken Scholiasten des Homer unter den Helikes und Kalykes so verschiedene Schmuckgattungen vermutet haben."*)
In Bezug auf Tracht und Schmuck scheint also die homerische Cultur im Gegensatz zu der früheren mykenischen zu stehen und in großer Verwandtschaft
") Eine silberne Fibel aus Cypern, Murray It. VI tav. V I. Excavations in Cyprus pl. XIV 30 ; eine bronzene '^) S. meine Arbeit über den Ohrschmuck der
aus der sizilischen Nekropole auf dem Berge Finoc- Griechen (Abhandlungen des archäol. -epigraphischen
chito bei Noto, Bull, di Paletn. XXIII tav. VII 6, Seminars -XIV) 13 A. I.
17; bronzene Exemplare aus Volterra, von denen *') Sie kommen bereits in mykenischer Epoche
eines den Rest einer anhängenden Kette aufweist, vor: s. ein goldenes Anhängsel aus Cypern abg.
Mon. ant. dei Lincei VIII 151 — 152 Fig 18; eine Murray-Waltcrs-Smith Exe. in Cyprus p. 18 Fig. 55.
bronzene Fibel mit Reifen und Kette aus Oppeano Doch besonders beliebt waren sie in Griechenland
nel Veronese, Bull, di Paletn. IV tav. VTI 2; im 7. und b. Jahrb. v. Ch. In dieser Zeit sind sie
Fibel mit Kette aus der Nekropole von Tolentino, an den weiblichen Terracoltastatuetten dargestellt.
Bull, di Paletn. IV tav. IX 20. vgl. z. B. das Anhängsel der Halskette des Sitz-
*") Ein bronzenes Exemplar aus Capodimonte, bildes von Tanagra abg. Heuzey Les figurines antiques
Notizie 1894 p. 129. du Louvre pl. 17, 2.
") S. Bronzefibel aus Norditalien, Bull, di Paletn. «•) Heibig, Das hom. Epos' 279 — 282.
Jahreshefto des österr. archiuil. Institutes BJ. VI l5
122 Karl Hadaczek, Die Fibel des Odysseus, HeÜkes und Kalykes
mit der Cultur der nordwestlichen Teile der Balkanhalbinsel und angrenzender Teile von Mitteleuropa. Dies erscheint begreiflich, da in diesen Regionen ge\vii3 die Ursitze jener Völkerschaften waren, die an den Völkerwanderungen teilnahmen und den Peloponnes besetzten. Was die festländischen Griechen mit den nördlich von ihnen wohnenden Völkerschaften infolge des früheren Nebeneinanderseins gemeinsam gehabt hatten, behielten sie fast bis zum Ende des sechsten Jahrhunderts durch den regen commerziellen Verkehr, der in dieser frühen Zeit von Korinth und Sikyon den Weg längs der epirotischen und dalmatinischen Küste nahm. Wien, December 1902. KARL HADACZEK
OJvonooiapx»)?.
Oinoposiarchen, Vereinstrinkwarte, wie sie unter wechselnder Benennung auch anderwärts bezeugt sind, finden sich zweimal auf bithynischen Inschriften: Bull, de corr. hell. XXIV 386 n. 41; 407 n. 90/91. Ein weiteres Beispiel dieser augenscheinlich local bithynischen Titulatur verbirgt sich in einer Inschrift aus Nikomedia (Izvestja russ. arch. inst. Konstant. II 130):
v\0(lAPXHC' ^'■'l TolTiOC(GHK.ATONK.PArtlP'N
y TT
Ar]][i,oaiapxrjs "Omoc, eiJ-r^xa tov xpocxfjpa, \ ex töv Ktwv xr; yM[i(ri).
So die Herausgeber. Einer Kritik des unmöglichen 5yj[ioacapxvjS bedarf es nicht angesichts des im Wortlaute und Bilde gesicherten Gegenstandes der Weihung, eines Kraters, der in offenkundigem Bezüge zur Person des Weihenden steht; ein y.pa.vrjp'ux,[p-/}QC. ist für Apollonia Pontica beglaubigt (Dumont-Homolle, Mel. d'archeol. 457 n. iii"^; Ziebarth, Vereinsw. 56); die entsprechende Würde bekleidet hier der ofvoTiJoacäp/Tjs, wie mit leichter Correctur des unsicheren Buch- stabenrestes zu Beginn Z. i — in der Copie des kleinasiatischen Schedenapparates fehlt er überhaupt — fraglos zu ergänzen ist. Der Name des Weihenden ist aller sonstigen Analogie nach vor dem Titel zu suchen; damit entfallt der singulare 'Omoc,. Was dafür einzusetzen sei, weiß ich nicht; £v]x67T;tos hilft nicht weiter. Nach fSt'wv fehlt der Name einer anscheinend bisher nicht bekannten Kome (Ath. Mitth. XII 172). — otvoTioaoov ist verkannt auf einer anderen bithynischen Inschrift Izvestja II 112: Die Stifter eines Altars geben OINOr|OZIN KE rYMNA|i:iAPXIAN KnM|H TENBnN ,wo nicht mit den Herausgebern an ofvoyoatv = owoysQaLV zu denken, sondern otvonoatv mit vulgärer Verschleifung zu lesen ist. yu(i,vaa]täp)(VjS neben oi-^o- 7ioatocpyT/5 zu ergänzen Bull, de corr. hell. XXIV 407. J. Z.
123
Altäre mit (Jrubcnkammcrn.
Vorliegeiule Arbeit ist ausgegangen von einer Prülung' der bekannten ar- chaischen Reliefs aus Thasos im Louvre. Ihre tektonischen Formen, erläutert durch Inschriften und Reliefcomposition, führten allein zu dem Schlüsse, daß die Platten nur von einem großen Altar mit \virklich(>r 'l"ür in der einen, als Geg-en- stück der Blendtür an der anderen Seite, herrühren können. Erst später fanden sich ausdrückliche Zeug-nisse, literarische, bildliche und architektonische, für das Bestehen ähnlicher Altäre an verschiedenen Orten und aus verschiedenen Zeiten hinzu. So wurde der kleine Fund auch in einer .Sitzung- des deutschen In.sti- tutes in Rom vorgetragen.') Die schriftliche Darlegung nimmt besser den umge- kehrten Weg. Daß sie von Vollständigkeit weit entfernt geblieben ist, bezweifle
ich nicht.
I. Grundlegende Zeugnisse.
I. Das Hyakinthosgrab in Amyklai.
Wie die von Tsuntas entdeckten Grundmauern, obschon leider unvollständig freigelegt und veröffentlicht, erkennen lassen, umschloß der marmorne Thron- bau des Bathykles in halbelliptischer Form das nahezu quadratische, rund 6"' breite Bathron des — natürlich auf diesem, nicht auf dem Throne stehenden — Apollonkolosses ^) : toü Ss dy5c).|ia-o; ih päÖpov Tiapeysxat \^.bl jiü)|ioO cr/fj[ia, xeS-äcpö-a; 0£ TÖv Taxtvil-ov Xeyouaiv vt «Otö, xa! 'Xx-zMiHoic, npo xf;; toö 'A7c6a>,(dvo; Ö-uata; i; toüiov TaxtvO-w -öv pwiiöv Si« ö'upas y^a.Xxfj(; ivayii^ouatv ev aptaxepdc Ss eattv i^ S-üpa xoü ßw^oö" STCEcpYatTTat Se x(p ßwiiw -oQio jisv äyaAjia Btp:Sog, xoOxo ok 'A^i-f txptxir]s xa: IlosEiSwvo;- u. s. f.^) Nach der Fassung dieser Eingangsworte der Beschreibung (xoOxo |iev — toOto 51) war der rings um das ganze Postament laufende Reliefschmuck auf der linken Seite, das heißt zur Rechten des Cultbildes, von einer Bronzetür unterbrochen.*)
') Rom. Mittl). XVI I901 S. 96. .\usführliclier li.ilien -Schrill für .Schrill bericliliyl \V. Reichcl,
berichtcl hal über den Vortrag Mariani in der Vorhellen. Götterculte 88 fF. ; C. Robert, Bathykles
Rivista di sloria ital. XIX 1902 S. 159 und in Pauly-Wissowa III 125 ff.; schließlich Hitzig
ich selbst bei O. Kaemmel, Neue Entdeckungen und Blümner in ihrem Pausaniascommentar I 2
auf dem Forum Romanum, Gr;nzbolen Heft 19 vom S. 813 f.; 828 f., dessen Darlegung im wesentlichen
8. Mai lgo2. meiner Meinung entspricht. Die letzte Besprechung,
^) 'E^riii. äpx. 1892 a. 15; die Grundrißskizze HomoUe im Bull, de corr. hell. XXIV 1900 S. 431 ff.,
unvollständig wiederholt bei Furlwängler, Meister- scheint mir in Betreff des Allars irre zu gehen, werke 693. Die dort vorgetragenen Deutungen ^) Paus. 3, 19, 3.
dieses Fundes und der Beschreibung des Pausanias *) So wesentlich richtig Trendclcnburg im Bull.
J.ihroshrfte des österr. archäol. Institutes Bd. VI. \-j
124
F. Stiidniczka
Sie diente dazu, dem in der Tiefe ruhend gedachten Erddämon Hyakinthos") seinen Anteil an den IvaytajjiaTa zuzuführen. Worin er bestand, lehrt der ander- weitige bekannte Ritus dieses chthonischen Opfers.") Aus der durchschnittenen (ivc£[iv£tv) Kehle des Tieres ließ man erst das Blut, meist durch eine [iöd-pOQ, in die Erde fließen, worauf der „geschächtete'' Cadaver im Ganzen verbrannt ward.') Demgemäß beschreibt Pausanias das Opfer am Heroon des Xanthippos im phoki- schen Tronis: xö [i£V affia SC ön^? icry^ioDOiv e? xov xacpov xä Se xpea -aüxrj acptctv avaÄoOv ■/.ait-EGxryXEV.*) In Amyklai kann ebenso in der Basis des kostbaren Apollonidols nur das Blut hinabgeleitet, nicht auch die Verbrennung vollzogen worden sein. Letzteres geschah vielmehr draußen an der entsprechenden, südöstlichen Außen- seite des Thronbaus, wo sich noch Opferschutt mit Resten von Schafen und
't,~'fS- -
Fig. 6q Unterbau eines Grabdenkmals in Sidyma, Lykien.
Rindern, den im Heroencultus gebräuchlichsten Tieren,^) vorgefunden hat.'") Für jenen Zweck aber braucht die Pforte keineswegs so hoch zu sein, um Menschen den Eintritt in das Innere zu gestatten. '') Ja es ist eher unwahrscheinlich, so- wohl nach der Ausdrucksweise des Pausanias, als auch weil nach dem archaischen, noch von Phidias für Parthenos und Zeus befolgten Brauche^^) der diese beiden Götterbilder nur wenig überragende Koloß 'ä) schwerlich einen mehr als manns- hohen Sockel gehabt haben dürfte.
d. inst. 1871 p. 125; die abweichenden Ansichten bei Hitzig und Blümner 831 ff., Homolle a. a. O. S. 433. 440.
5) Roh de, Psyche 2 I 137 ff.
') Stengel in I. v. Müllers Handb. d. kl. Altert. ^ V 3 S. 127. 132.
'') Philostrat, Heroikos 14 p. 742, verglichen mit Odyssee 10 v. 5l7ff.; 531 ff.; u v. 23ff.; 44 ff., wo- nach die Darstellung Polygnots richtig erklärt ist von R. Schöne im Jahrbuch VIII 1893 S. 200. Eine Parodie des Vorganges bei Aristoplianes, Lys. 195. Mehr bei .Stengel a. a. O.
*) Paus. 10, 4, 10.
S) Stengel a. a. O. S. 127.
'») Tsuntas a. a. O. S. II. 16 f. Die S. 17 auf- tauchenden Zweifel in Betreff der Stelle der von Pausanias erwähnten Tür erledigen sich durch das oben Ausgeführte.
") Wie schon Robert a. a. O. S. 134 und Homolle a. a. O. (oben Anm. 2) S. 433 f. bemerkten.
'^) Bulle, Griech. Statuenbasen, Habilitations- schrift München 1 8gS S. 8 ff. 28.
") Hitzig und Blümners Pausaniasausgabe I 2 S. 830.
Altäre mit <rnibenknmmern 125
Das cfewonnene Ilild läüt es wirklich natürlich crschc-iiien, wenn das Bathron als (irabdenkmal des Hyakinthos jjalt. Dies zu veranschaulichen diene hier, als ein Jieispiel von vielen, der Unterbau eines solchen Bauwerkes in Sidyma''') (Fig. 69). Ob das amyklaeische Denkmal in der Tat über einem alten, nach den Kleinfunden seines Bezirkes bis in mykenische Zeit hinaufzurückenden Grab errichtet war,'*) mag bei der offenbar unvollständig gebliebenen Erforschung des Platzes als offene Frage gelten, für deren Bejahung es indes kein günstiges Vor- urteil erwecken kann, daß gerade ein Beobachter wie Tsuntas bei der Ausgrabung nicht auf diesen Gedanken verfiel. Wie dem aber auch sein mag, Pausanias er- kannte, schwerlich auf eigene Verantwortung, in dem Bau, trotz seiner Function als Sockel, bestimmt einen Altar, offenbar eben wegen der Einrichtung für das Blutopfer. Schon hieraus wäre zu folgern, daß es mehr Altäre dieser Art gab, die sich, um es kurz zu sagen, zu den bekannten Opfergruben ähnlich ver- hielten, wie das Kammergrab zum Schachtgrabe. Literarische Belege von einiger Deutlichkeit vermag ich dafür nicht beizubringen, wohl aber bildliche Dar- stellungen.
2. Abbildungen von Altären mit Türen.
Als cultgeschichtlich besonders wertvolle Beispiele würden den Vortritt be- anspruchen die auf samothrakischen Reliefs "') und vollständiger auf Münzen von Kyzikos (Fig. 70*') wiedergegebenen Rundbauten, wenn nur deren alte Deutung als Altäre**) zu Recht bestände. Doch sprechen die statuarischen Akroterien sowie die gewiß monumental zu denkenden Fackeln mit Schlangen*'') vielmehr für größere Bauwerke,^") was der Vergleich mit den Münzbildern der Ära Pacis bestätigen mag.**)
Dagegen sind Türaltäre durch aufgesetzten Rost^^) oder brennendes Feuer
'*) Benndorf und Niemann, Reisen in südwesü. den Vorlagen zu Fig. 71 — 74. Vgl. Rubensohn a. a. O.
Kleinasien I 56 und 79. Auch an die Hyposorien S. 169: Kern a. a. O. S. 357; Catal. of gr. coins in
der lykischen Sarkophage (ebenda S. loi) und die the Brit. Mus. Mysia (Wroth) Taf. II, 7. 42 S. 1S4. Turmkammern vom Typus des Harpyiendenkmals '*) So nach Mionnet auch Donaldson, Archi-
iS. 108 f. und Jahreshefte III loi) sei erinnert. teclura numismatica n. 42 S. 153.
'^) Wie Reichel a. a. O. bestimmt annehmen zu ") Vgl. Theophrasts Charaktere her. v. d. philol.
dürfen glaubte. Gesellschaft zu Leipzig p. 24.
"') Conze, Hauser, Benndorf, Archäol. Unters. ^'') So nach Niemann auch Rubensohn a. a. O.
auf .Samothrake II 113; O. Rubensohn, Mysterien- S. 176, obwohl nicht ganz ohne Schwanken, heiligtümer 158 ff. Abb. S. 163, 166; vgl. S. 227; ■") Kubitschek im vorigen Jahrgang Taf. 3 S. 157.
O.Kern in den Athen. Mitth. XVIII 1893 S. 356 f. Petersen, Ära Pacis 194 ff.
") Unsere Fig. 70 nach Abdruck eines Wiener '•') Hierüber einiges in Rcischs trefflichem Artikel
Exemplars, der Kubitschek verdankt wird, gleich , Altar' in Pauly-Wissowa I 1677.
■7'
126
F. StudniczUa
sicher gekennzeichnet auf einer Reihe von Kupferstücken der Kaiserzeit, deren Widmung an neu consecrierte Divi, in den mir bekannten Exemplaren Augustus (Fig. 71^»), Vespasian-*) und Faustina die Mutter (Fig. 72—74"), auch hier
von Kyzikos.
Fig. 71 Münze des Divus Augustus.
j^^^^^",
m^
Fig. 73 t'ig- 74
Fig. 72 — 74 Münzen der älteren Faustina.
den für Amyklai bezeugten chthonischen Sinn der Form gewährleistet. Daß sich mit ihm schon dort der Glaube an die Aufnahme des Verstorbenen in
den Olymp vertragen ... ,,. mußte, lehrt ja deren Dar-
stellung an der Vorder- seite des „Hyakinthos- grabes".^'') Die bei letz- terem durch das Cultbild besetzte Oberfläche dient in den IMünzbildern dem Zweck des gewöhnlichen Brandaltars.
Die Reception des Typus in Italien reicht aber in viel frühere Zeit hinauf. Dafür zeugt ein Vasenbruchstück des Archäologischen Instituts an der Universität
^^) Cohen, Medailles imper.^ I 94, 228. bis 11483. Vgl. Donaldson, Architectura numismatica
■*) Cohen'-' 1479,95. sehr .ihnlich der Augustus- n. 42 S. 153; Cohen^ II 432, 256. münze Fig. 71. -*'' Paus. 3, ig, 4, vgl. die ol>en S. 124. A. 4
^*) Fig. 72 — 74 die Wiener Exemplare 11481 citierte Literatur.
Fig.
Vasenbruchstück im Archäologischen Institute zu Leipzig
Altäre mit (irubenkamniern
127
Leipzijr (Fig. 75 "'). Ivs gehört /u einer von den kleinen campanischen Amphoren mit nachlässig hingepinselten und kaum gravierten schwarzen Figuren, die, soviel ich sehe, meist an chalkidische und attische, viel weniger an ostjonische Vorbilder anknüpfen.*") Chalkidischen Ursprungs ist der in dieser Classe meines Wissens nicht häutige .schmale Bildfries auf der Amphorenschulter/") von dem das Leipziger Fragment fast eine Hälfte darbietet. Ein Altar bildet den Mittelpunkt auch auf dem durch Gerhard allbekannt gewordenen .Stücke derselben Gattung, nur daß er dort, zwischen sitzender Göttin und herantretender Priesterin, bren- nende Gaben trägt. ^'') Hier dagegen sitzen sterbliche Männer beiderseits des unbenutzten Opferherdes, den der linke zu berühren scheint, ein- ander gegenüber, wie die vertrag- schließenden Herrscher Augustus und Cottius im W'estfriese des Bogens von Susa, dessen gallisch- barbarischer .Stil wesentlich auf archaisch-italische Tradition zurück- geht.^') Das grundfarbige Mittel- feld des Altars kennzeichnen dif dünnen Firnißlinien als Türe mit quergenagelten Bohlen oder Lei- sten, eine schlichte Form des
Fig. 76 Rundtempel mit Bohlentür,
Zimmerwerks, die sich, in Aegyp- Relief in den Uffizien.
'^') Es ist erworben mit Fr. Hausers Sammlunj; von keramischen Stilproben, deren wichtigste .Stücke er veröffentlicht hat im Jahrbuch XI l8q6 .S. 177 ff. Für die oben wiedergegebene Photographie bin ich I.. Schnorr von Carolsfeld, Studierendem der Kunst- geschichte und Mitglied des Leipziger archäologischen Seminars, zu Danke verpflichtet.
'') Dies gegen Patroni, Ccramica ant. nelP Italia mcrid. 30 f., wo einige Proben abgebildet sind. Mehr bei Furtwängler, Beschr. d. Vasens. zu Berlin n. 2123 ff.
2') Jahrbuch I 1886 S. 89, beiläufig bemerkt immer noch der relativ vollständigste, dennoch aber meist übersehene Versuch, die wirklich chalkidischen
Amphoren zu charakterisieren. Vgl. Lösclicke in den Bonner Studien R. Kekule gewidmet S. 257; Masner, Sammlung ant. Vasen und Terrae, im österr. Museum n. 219 Taf. 3; Poltier, Vases ant. du Louvre 11 Taf. 57, E 795. 797; Furtwängler und Reichholdt, Gr. Vasen- malerei S. 161 fl'.
^") Berlin n. 2129 Furtw>ängler, Gerhard, .\uscrl. Vasenb. IV Taf. 241, 3 (S. Reinach, Repcrt. d vases II [22, 2).
'') Ferrero, L'arc d' .•Vuguste ;\ Suse Taf. 1 2 S. 23, dieses Stück auch bei Tocilesco, Benndorf, Niemann, Monument von Adamklissi 146. Die Deu- tung und kunstgeschichtliche Stellung des Frieses besprach ich im Jahrbuch X\TI1 1903 S. I ff.
128
F StudniczUa
ten herrschend,'^) neben der senkrechten P"ügung^^) auch auf classischem Roden findet, und zwar, gleich anderen primitiven Dingen, im römischen Cultus fest- gehalten, wie der .Vestatempel' auf einem Relief der Uffizien lehrt (Fig. 76 ^^).
II. Denkmäler in situ.
Die so durch schriftliche wie bildliche Zeugnisse belegte Form oder wenigstens ihr nahe verwandtes ist auch unter den an Ort und Stelle gefundenen Altären oder altarähnlichen Heiligtümern wiederzufinden.
I. Ein Altar in Cypern. Der amykläische Gott war mit den vordorischen Peloponnesiern bis nach Cypern gewandert und blieb dort, von den Phönikern mit ihrem Reschef-Mikal gleichgesetzt, lang in Ehren.'^) Sein Heiligtum in Idalion scheint nicht genügend bekannt, um zu sagen, ob es etwas dem „Hyakinthosgrab'' entsprechendes ent- hielt.'*) Aber kaum anders aufzufassen ist der Aufbau vor der Türe zu dem Temenos in Achna (zwischen Kition und Salamis), von dem Ohnefalsch-Richters Ansicht und Grundriß im wesent- lichen ein klares Bild geben (Fig. 77"). Zwar denkt sich ihn der Herausgeber als „Erd- und Steintisch" mit einem Holzbrett überdeckt, aber nur infolge des offen- bar unzutreffenden Vergleiches mit zwei hochkantig gestellten Platten im Aphroditeheiligtum zu Dali, welche, viel dünner und ohne Querverbindung weiter auseinander tretend, in der Tat als Pfosten eines Tisches gelten müssen, der dort, in einem küchenähnlichen Räume neben dem Brandherd, an seinem Platz ist.'*)
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i'ig- 77 Altar vor der Tür
des Temenos in Achna auf
Cypern.
^^) Z. B. Wilkinson, Manners and Customs^ I 35«- 356.
^') Z. B. Stadttor auf dem Silbervasenbruchstück von Mykenae Perrot, Hist. de l'art VI 774, Reichel, Homer. Waffen^ 13; ein Sacellum Millingen, Peint. de vases ant. Taf. 12; ein Ladenverschluß Overbeck- .Mau, Pompeii''378 (Baumeister, Denkmäler III S. 1 806).
") Auer, Tempel der Vesta (Denkschr. Akad. Wien XXXVI 1888) Taf. 7, auch Nolizie degli scavi 1883 Taf. lg, 6 imd 1900 p. 161 (Boni); frühere Litteratur bei Amelung, Führer d. d. Antiken in Florenz 98; 154. — Eine ähnliche Tür bemerkte ich am Abguß der Trajanssäule, kann sie jedoch bei
Cichorius nicht wiederfinden.
^*) P,auly-Wissowa, Realencycl. I 1998 (Jessen).
2") Ohnefalsch-Richter, Kypros Taf. 8 gibt die Pläne von Lang und Ceccaldi, wo das Quadrat L des erstereu, R des letzteren am ehesten für den Hauptaltar in Betracht kommen mag. Der mit Kohle und Asche gefüllte , Altar' im Temenos der Aphro- dite zu Idalion ebenda Taf. 7 .S. Taf. 57, I S. 410 möchte nach der Plandisposition eher ein Haus- oder Küchenherd sein.
^'') Ühnefnlsch-Richtcr, Kypros Taf. 4, I und 3, A' S. 410.
•'^) Ohnefalsch-Richter, Taf. 7 im Kaum S des
Alläro mil (■riil>enl<ammi.Tn I 29
In Acliiia tlat'og'en sind flie zwei altaräliiilicli<'n Maii<;rkl(">lzu durch die schwache Rückwand verknüpft, um eine nach dem Herankommenden ostwärts offene Nische zu bilden, die, wenn schon ohne Deckstein und Türe, doch an nichts mehr als an unsere Blutopferkammern erinnert. Dazu kommt die für Heroa gebräuchliche Lagfo hart vor dem Eingan^r in ein (lötterheiligtum.^'-')
2. Das R o m u 1 u s g r a b.
Solche Deutung des Cyprischen Denkmals wird, nicht ohne selbst etwas Licht zurückzuwerfen, bestätigt durch den Vergleich der Reste, welche Bonis Energie auf dem Comitium (Fig. 78'") der Tiefe abgewonnen hat. So wenig aus- reichend immer noch der verwickelte Tatbestand dieses denkwürdigen Fundes bekannt gemacht ist, glaube ich doch, nach wiederholter eigener Prüfung am Orte, sowie nach wertvollen ergänzenden Mitteilungen von Petersen und beson- ders von Richard Delbrück, folgendes aussprechen zu sollen, obschon es mehrfach über das unmittelbare Bedürfnis dieser Untersuchung hinausgeht.'")
a. Zeit und Bedeutung des niger lapis.
Als Wegweiser zu dem fictiven Königsgrabmal diente dem Ausgräber das Feld aus schwarzem Marmor (Fig. 79 ■**). Wenngleich an der Oberfläche im Laufe der Jahrhunderte sehr beschädigt und übel geflickt, ist sein Grundbestand in vorzüglicher Technik gefugt, sowohl in sich, als auch mit den nordwestlich und gegenüber erhaltenen Travertinblöcken seiner Einfassung, einer erhöhten Schwelle mit tiefer Bettung wohl für eine Plattenbalustrade (.Schnitt Fig. 94 rechts). Ihre Stelle nehmen bloß an der Südwestseite, deren südliche Ecke nachträglich in
Grundrisses, Taf. 57, I vorn in Ansicht, vgl. Anm. 36. Sanctis in der Rivista di filol. XXVIII 1900
Steintisclie dieser Form z. B. bei Overbeck-Mau, p. 406 ff.; Dieulafoy in den Comptes rendus de
Pompeii^ zu S. 422, Mau, Pompeii 240. l'acad. d. inscr. 4 ser. XXVII 1899 p. 733 ff.
'') Deneken in Roschers Lexikon I 2492 unten. O. Richter in I. v. Müllers Handb. d. cl. Altert.
'") Im Wesentlichen nach Hülsen, S. 32; vgl. Boni III ni 2, S. 363 ff. O. Keller in dieser Zeitschrift
1900 (p. 296 und 314) beide citiert Anm. 41; die IV 1901 Beibl. S. 47 ff. Petersen im Jahrbuch
Unterscheidung der beiden Niveaus des Travertin- XVI 1901 Anz. 62. Hülsens zusammenfassender
pflasters verdanke ich Delbrück. Bericht in den Rom. Mitth. XVII S. 22 ff. — Sollte
*') Ich berücksichtige durchweg folgende Dar- ich Wesentliches übersehen haben, bitte ich um Nach- stellungen: Boni in den Notizie degli scavi 1899 sieht. Alles zu übcrsch.auen ist trotz der aufopfernden p. 150 ff. 488; 1900 p. 295 ff.; Comparetti, L'iscri- Chronistentätigkeit von Tropea in seiner Rivista di zione arch. del Foro Romano p. 3 f.; Gamurrini storia antica 1899— 19OI kaum möglich, in den Rendiconti d. accad. d. Lincei cl. sc. nior. ser. 5 '-) Nach Hülsen Taf. 3. vgl. S. 23 ff., woher IX 1900 p. 181 ff.; Milani ebenda 289 ff.; De .xuch Fig. 80 entnommen ist.
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F. Studniczka
der Läng-srichtung des Forums, etwa der Aemiliafront parallel, abgeschrägt wurde, viel schlechter gearbeitete Steine mit nachlässig aufgestellter Plattenbrustwehr ein. Was vom ursprünglichen Bestand erhalten ist, liegt in festem Verbände mit dem südlichen Teile des Comitiumpflasters aus Travertin, das in Fig. 78
gröber punktiert erscheint als das übrige. Letzteres verrät sein erhöhtes, mit jener Ein- fassung des niger lapis gleich hohes Niveau (Schnitt Fig. 95), wie seine geringere Arbeit wieder als späte Erneuerung. Hinter der Schwelle e f des Planes Fig. 78, das heißt in dem einst vergitterten Vor- hofe der Curie, liegt wieder etwas tiefer ein Belag aus regelmäßigen weißen Marmor- \ platten, der sich uns unten noch bestimmter als mit dem älteren Teile des Travertin- pflasters wesentlich gleich- zeitig herausstellen wird (S. 148). Von diesen drei Teilen des Comitiumpflasters gehört selbst der jüngste, in Fig-. 78 schwach .punktierte, noch si- cher dem Altertum an, nach Ausweis von darauf gesetzten Monumenten, wie z. B. der großen Marmorschale /. Vol- lends aber der ältere Teil des Travertinbelags mit dem schwarzen Feld ist in sei- nem ursprünglichen Bestände keineswegs ein „schlechtes" und noch weniger ein „spätes
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Fig. 78 Grundriß des Comitiuras.
All.ire mit Griilx'iilcimmcrn 13'
Macliwcrk". Denn er wurde, wie r'ctersen beobachtet hat, durchbrochen, als die Fundamente des westUcli benachbartrn .Septimiusbojj;-en,s /,u lehren waren, ist somit älter als dieser.''-') Da er ferner im ufanzen, besonders aber sein .schwarzer Teil, nach der Curicntroiit (iri('iiti<'rt ist,'') während das nächst tiefer liej.fende, ^rleich- falls schon aus Travertin bestehende Pflaster, im Plane ¥\^. 78 bei /■ durch (-ine Lücke des Marmorbelages sichtbar, mit jener ein(;n schiefen Winkel bildet, um seinerseits wieder mit sicher republikanischen Resten parallel zu gehen,''') so kann das erstere seinem Ursprünge nach gleichfalls nur der cäsarisch-augusteischen Neuordnung angehören. Dieses Ergebnis wird unten (Absatz d) zusammen- hängende Betrachtung der „.Stratigraphie", noch tiefer begründen.
Nichts anderes stand also dem Festus, das heißt seiner Hauptquelle Verrius Flaccus, dem Erzieher der Augustu.senkel ""'), vor Augen, als er im Praesens, aus eigener Anschauung schrieb: Niger lapis in Comitio locum funestum significat etc. Der Singular lapis zur Bezeichnung eines Steinmaterials als CoUectivgröße ist jedem Leser des gleichzeitigen'") Vitruv geläufig, somit kein Grund, an einen ein- zelnen schwarzen Stein, wie di(> Serpentincippen der Gräber von Volsinii, zu denken.^ **) Dieses erhaltene schwarze Pflaster also bezeichnete für Verrius-Fe.stus den Ort, der nach einigen für den Todesfall des Romulus zu seiner Grabstatt ausersehen gewesen war, jedoch liiefür gar nicht in Verwendung kommen konnte (natürlich: weil der König als Quirinus leibhaftig gen Himmel fuhr), sondern in Wahrheit nur die Gebeine seines Nährvaters Faustulus und — so, nicht „oder", dürfte aus Dionys zu ergänzen sein — seines Kampfgenossen Hostus Hostilius, dessen Enkel König ward (und nebenan die Curie baute), in sich aufnahm.*'')
") Diese grundlegende Beobachlung lial Petersen aus der augusteischen Zeit, in der er, von allem
a. a. O. nur allzu kurz ausgesproclien. Vgl. den anderen abgesehen, kunstgescbichtlich so fest sitzt,
Plan Bonis 1899 .S. 152, auch Comparetti p. 5 links. wie ein Quaderstein in seiner Mauer, listig hinaus-
Hülsen S. 30 ff. ignoriert diese, wie ich weiß auch zuargumentieren? S. nach Ussing wieder Mortet in
ihm wohl bekanntenTatsachen, um weiter die Zeit der Rev. arch. XL 1902 II 38 ff. des .äußerst exakt' gefugten (S. 24) Pflasters nach '^1 So wollen noch De Sanctis p. 410 und be-
den im vierten Jahrhunderte in seiner Umgeliung sonders Hülsen S. 28, dieser unter Hinweis auf das
aufgestellten Inschriftbasen zu bestimmen, und Richter von Milani p. 294 in etwas anderem Sinn abgebildete
S. 366 stimmt ihm bei. Bonis Ansatz des spätem Beispiel (unten Fig. 89). Die andere Deutung des
Travertinpfi.asters ins Mittelalter (1900 p. 303 f.) hat Singulars zog sofort in Betracht D. Vaglieri im
Hülsen widerlegt. ,Fanfulla' vom 29. Januar 1899, in Erinnerung an
") Boni 1899 p. 158. den gleichen -Sprachgebraucli der Inschriften.
'^) Boni 1900 p. 309, 312, Hülsen S. 36, ") Festus p. 177 Müller: nach der Ergänzung
Richter S. 363. von Detlefsen in den Ann. d. inst. 1862 XXXII
*^) M. Schanz in I. v. Müllers Hnndb. d. cl. 137 f. ""^ ^^ """'^ Roman, antiquiss. III (Progr. von
Altert. VIII 2, 319 ff. Glückstadt 1880) p. I f., nur daß ich, mit Rück-
*'; Wann wird man endlich aufhören, den Alten sieht auf die Anm. 50 anzuführenden Stellen des
Jahrcshrfte des östcrr- ;irrhruil, Institutfs Hd VI. | JJ
'32
F. Studniczka
Worauf diese zweite Meinung fußte, lehrt uns Dionys: neben den alten Rostra war das Grab des Hostus an einer seine Taten rühmenden Inschriftstele, das des Faustulus an „dem "steinernen Löwen kennt- lich gewesen, beide jedoch zu seiner Zeit nicht mehr, wenigstens nicht am Platze, vorhanden."") Als einstens hinter den Rostra gelegen erwähnte das letztere Denkmal bereits der von den Horazscholiasten ausgeschriebe- ne Varro, nur mit zwei Löwen statt des einen.*') Dieser Unter- schied löst sich vielleicht am besten, wenn das eine Tierbild des Dionys als der damals anderswo bewahrte Rest des dem Varro durch eigene Anschauung oder frühere Zeugen bekannten Paares aufgefaßt wird.
Dem ursprünglichen Glau- ben folgte der alte Republikaner sicher auch, indem er das Ganze für das Grab des Eponymen hielt. An dessen Stelle wurden von den augusteischen Antiquaren
iliiiil
Fig- 79
Dionys, die Namen Faustulus und Hostilius lieber mit ,und' statt mit ,oder' verbinde: Niger lapis in Comitio locum funestum significat, ut ali, Romuli morti destinatum, sed non usu ob[venisse ut ibi sepeliretur, sed Faujstulum nutri[cium eins et Hostum Hos]tilium avum Tu[lli Hostilii Romanorum regis], cuius familia [Medullia Romam venit post destruc]- tionem eius. Dem Anstoß, den De Sanctis p. 409 an , Romuli morti destinatum' genommen hat, ver- sucht obige Paraphrase zu begegnen.
'") Dionys. Halik. i, 87: Ttvsj 8s xai töv Xiovxa ■cöv XOtvov, 8s IxEiTO T^j ä-fopäs t^s t«jv Ttuiiattov iv tnj xpaTioTq) X"'p'<!' i^apä t^tg S|ip6Xot;, st:! tö) au)|iaTi To5 ^ato^üÄcy isS-^vat cfaa'.v, £v9-a Siisasv (als er den Streit des Romulus und Remus trennen wollte)
Das Pflaster aus schwarzem Marmor (niger lapis) über dem Romulusgrab.
itTzb Twv eüpivTU)-/ xacfivxos. 3, i Hostus 9-äii-s-ai ;ipö; TÖV ßaatXifüv sv Tip xpa-iatq) x^s «Yopäs xoTiq) oxTJXrjg £ji'.-fpa;fij xTjV äpsxijv [lapxupoOar,; äJio>8-s£s.
^') In den Schollen zu Horaz epod. 16, 13 f. Nach O. Keller a. a. O. S. 50 f. sind die Haupt- stellen: Porphyrie, Quaeque carent ventis et solibus ossa Quirini] Hoc sie dicitur, quasi Romulus sepultus sit, non ad caelum raptus aut discerptus. Nam Varro post Rostra fuisse sepultum Romulum dicit; Schol. cod. Paris. 7975, Plerique aiunt in Rostris Ro- mulum sepultum esse et in memoriam huius rei leones duos ibi fuisse, sicut hodieque in sepulchris videmus, atque inde esse, ut pro Rostris mortui laudarentur. Zu bezweifeln, daß auch dies aus Varro stammt, scheint mir, trotz Keller S. 51, unmöglich.
Altäre mit Grubenkammern
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oder ilircn (nnvährsmäiinorn''-) trleicli zwei neue (rrabherrcii aus seinum Kreise, der eine mit Hilfe der Inschrift, eingesetzt. Ein nahe liegender Grund dafür war, daß
inzwischen durch Identification des Stadtgründers mit dem Himmelsgotte Quirinus — die Varro nicht mitgemacht zu haben scheint^''') — die Vorstellung, er sei bestattet, unvernünftig ge- worden war. Mitgewirkt haben wird indes die Absicht, das prak- tisch wünschenswerte Verdecken jener Monumente durch den er- höhten Comitiumboden der pa- triotisch-religiösen Pietät erträg- licher zu machen. Mit Rücksicht auf sie blieb der locus funestus wenigstens an dem Feld aus schwarzem Gestein kenntlich, wie auf demselben Comitium das Puteal die Stelle des ebenso bestatteten Schleifsteins und Schermessers des Attus Navius bezeichnete.*') Nur in diesem Sinn ist uns von Verrius-Festus der niger lapis als etwas damals Vorhandenes überliefert, keines- wegs als Bestandteil der verschwundenen Denkmälergruppe bei den Rostra vetera, deren im Praeteritum redende Beschreibungen, die varronische wie die des Dionys, ihn deshalb nicht erwähnen.'-'')
Wann die Verdeckung stattfand, sagen die Schriftsteller nicht. Aber schon ihre genaue Kenntnis des alten Zustandes widerrät einen zu frühen Ansatz, wie
— i""l""| 1 hr
Fig. 80 D.-IS Romulusgrab mit Umgebung unter dem schwarzen Pllaster.
■''^ Wissowa in I. v. Müllers Handb. d. cl. Altert. 2 V 4 S. 61.
") Wissowa a. a. O. S. 140 f.
**) [Kiepcrt-jHülsen, Formac Urbis p. 50 puteal in Comitio.
'•') Diese klare Zweiteilung der Überlieferung,
je nach der Zeit, über die berichtet wird, scheint bisher nicht scharf genug erfaßt zu sein, vermutlich mit Ausnahme Petersens, der sich aber nur ganz kurz ausspricht. Alle Nachrichten contaminieren zu einem einheitlichen Bilde noch Hülsen 27 und Pinza im Bull. com. XXX 19O0 p. 37 f.
18*
134
F. Studiiiczka
den beliebten in die Zeit bald nach dem Galliereinfall.'"') Auch diese Voraus- setzung- werden uns später die Fundumstände bestätigen. Vorher aber ist der Fund selbst ins Auge zu fassen.
b. Lage und Grundriß des Romulusgrabes. Wie der neueste Grundriß, für uns von Delbrück vervollständigt und berichtigt (Fig. 80), und, weniger genau, die beste erreichbare Ansicht (Fig. 81^') zeigen, trat unter dem niger lapis (dessen Umriß im Plane punktiert ist) genau
Fig. 81 Ansiclit des Romulusgrabes samt Umgebung, mit Weglassung des schwarzen Pflasters.
das zu Tage, was nach den verhörten Zeugen dort zu suchen war: dicht bei- sammen die archaische Inschriftstele des Dionys, in deren abgeschlagenem Ober- teile die auf Hostus bezogenen Worte gestanden haben werden, und die besser erhaltene Hälfte der Doppelbasis für die zwei Löwen des Varro (.4).
Hart daneben erhebt sich, gleichfalls aus Tuff, die unregelmäßig gestaltete Ecke eines streng nach den vier Himmelsgegenden orientierten Quaderbaues ./, dessen Nordseite Fig. 94 nach Delbrücks Zeichnung im Aufriß, ein wenig von links gesehen, darstellt. Er ist hier vom Comitium aus zugänglich auf vier, in
^') Diese Meinung von Boni 1899 p. 488, Gamur- nach Delbrücks Aufriß und Schnitt Fig. 94 von
rini 303 f., Milani 299 u. a. bekämpfen treffend De Herrn Josef Klemm, Maler in Leipzig. — Die
Sanctis 417; 421 und Hülsen 29 f. Gesamtansicht bei Milani 291 ist in den Einzelheiten
'') Mit Zugrundelegung der Tafel bei Com- sehr ungenau, die Photographie, welche dem Zink-
paretti, (wiederholt Jahrbuch XV 1900 Anz. zu .S. i), druck Hülsen S. 23 zugrunde liegt, wenig khir. durchcorrigiert nach dem Grundriß Fig. 80 sowie
Altäre mit Grubenkammern 135
Fig. 80 und 94 von unten nach oben nuniuriurten Stuten. iJie zwei untersten gehen ostwärts über den Baukern weiter als Schwelle des heiligen Bezirkes der Monumente .4 bis D, dem zu Liebe der Stufenbau unterbrochen war, um sich dann, auf dem Plane Fig. 78 beiderseits des fünfeckigen Schachtes o und bei ;», wieder fortzusetzen. So belehrt mich Delbrück, welcher diese und andere Reste der das alte Comitium einfassenden .Stufenanlage im zweiten Hefte seiner römi- schen Tempel (,Der Apollotempel auf dem Marsfeld in Rom' Cap. III) bald zusammenfassend erläutern wird. Dennoch könnte der so streng orientierte Teil 7, wie vermutet worden ist, zu der gelegentlich als templum bezeichneten alten Rednerbühne gehören. Allein da von der Curie, deren älteste Treppe / zu sein scheint (Fig. 78, vgl. Fig. 95), gesehen die Mittagssonne rechts von den Rostra erschien, käme für sie eher die bei tu (Fig. 78) gelegene Stufenterrasse in Betracht, die auch noch besser prope iuncta curiae heilten könnte.**)
Am Ende der zweiten Stufe von J steht auf besonderer, leicht ver- schobener Standplatte von Travertin (dies nach Delbrück), welche ungefähr die Höhe der abgebrochenen Stufe 3 besitzt, der Tuifkegelstumpf G, etwa der Über- rest einer säulenförmigen Basis eines von den vielem am Comitium errichteten Standbilder.
In dem Winkel dahinter ragt der Inschriftpfeiler H empor. Er fulJt auf dem Rest eines altern Stufenbaues''") (den deutlicher als Fig. 80 Delbrücks Schnitt in Fig. 94 erkennen läßt), in flacher Bettung der Stufe 2, während die 3. Schicht, nach dem liegen gebliebenen Steine zu urteilen, in genauem Anschluß den un- beschriebenen Teil umfaßte, um die Stele festzuhalten. Ihre mit dem Unterbau merklich divergierende Richtung wird ihr Verhältnis zu einem verschwundenen Denkmal, dem Vorgänger von AB, verursacht haben. Die Schriftformen der Urkunde stehen denen der Dümmlerschen Fibula von Praeneste, die doch wohl in den Anfang des sechsten Jahrhunderts hinaufreicht, noch sehr nah, und daß der erwähnte König keiner von den echten alten, sondern erst der republikanische Cultbeamte sei, läßt sich nicht erweisen.^") Unter den sonst noch sicher gelesenen und mit Wahrscheinlichkeit ergänzten Stellen hat für die Deutung des ganzen
*'') Pliniub 11. li. 7, 212, Ascon. zu Cic. p. Mil. 5, *") Über diese Fragen s. besonders De Sanctis
vgl. Detlefsen in den Ann. d. inst. XXXII 1860, 433 ff- Über den König auch die Vermutung Thurn-
140 ff. 155 f- Hülsen in den Rom. .Mitth. VIII 1893, eysens im Rhein. Museum LVF iqoo 163, dessen
88 f. Dennoch wurde J für einen Teil der Roslra Ansatz in die Königszeit eben auch Moramsen ge-
vetera erklärt, zuletzt von Richter 365 ; v^l. denselben billigt hat, im Hermes XXXVIII 1003, 153. Die
81 f. und Hülsen 25. neueste Ausgabe des ganzen Documentes ist die
''') Vgl. Dieulafoy 760; Boni igüO S. 335 iv, V, von Hülsen in den Beitr. zur alten Gesch. II I902
nicht ganz klar. 230 ff.
136 F. Studnicika
Platzes den größten Wert die Weihungs- oder Verwünschungsformel s]akros esed Sora[no.'") Diesen Gott, dessen Verbindung mit dem Soracte kein Grund ist, weshalb er nicht auch anderswo zu Hause sein könnte, stellt nämlich Servius dem Dis Pater gleich, ^^) der Unterweltsfürst aber ist der gegebene Schutzherr des locus funestus, in dessen Nähe auch die laudatio funebris stattfand."'') Viel- leicht kommen in der tiefsten Tiefe seiner Umgebung auch noch alte Gräber zu Tage, wie deren neulich am Faustinatempel aufgedeckt worden sind.^*) Der schon hiernach wahrscheinliche Cultus unserer Stelle, von dem auch die dort gefundene „Opferschichte", wie immer sie sonst beurteilt werden mag (vgl. S. 149), Zeugnis ablegt, muß also chthonisch gewesen sein. Da von einem Tempel nicht die Rede sein kann, ist als sein Mittelpunkt ein Altar vorauszu- setzen, wie die Ära Ditis in Tarento.^*)
Zu einem solchen von der in Großhellas üblichen, auch in Rom nachweis- baren Langform •"*) paßt die rund 3'25 zu i*55"' messende Krepis D, abweichend von der Inschrift und der Stufenterrasse J so gerichtet, wie noch das letzte vor- cäsarische Pflaster des Comitiums (Fig 78 k). Die Unregelmäßigkeit ihres inneren Steingefüges und das Fehlen jeder Abnützungsspur verbietet, sie für ein bloßes Podium, eine Prothysis etwa, zu halten."') Es ist vielmehr die untere Platten- schicht eines mindestens altarähnlichen Aufbaus, der im übrigen vollständig abgetragen ward, gewiß um, wie schon für den einen Löwen vermutet ist (S. 132), anderswo neu errichtet zu werden."*)
Ihm ist, genau symmetrisch, der größere Bau AB vorgelegt. Er ist jünger, weil er D als Deckung für seine profillose Rückseite benutzt"') und von diesem Monumente gedrängt herübergreift auf die Fortsetzung der Unterstufe von J, die somit ebenfalls früher da war. Sie wurde dabei stark ausgehöhlt, offenbar damit der Neubau nicht über das Niveau von D emporrage (Fig. 81 und 94). Auch dieses Denkmal erhob sich auf einheitlicher Richtschichte, von rund 3'7o"' Breite
^') Thurneysen a. a. O-, 163. Die Lesung be- der wohl allzu rasch leugnet, daß an unserer Stelle
stätigt der letzte Herausgeber (s. vorige Note). Seinem gleichfalls Gräber gewesen sein könnten, leisen Bedenken gegen die Deutung wird oben be- ^^) Litteratur bei Richter 225, [Kiepert-]Hülsen,
gegnet. Formae Urbis p. 5.
^'^) Servius z. Aen. 11, 785: Ditis pater Soranus '^) Koldewey und Puchstein, Griecli. Tempel in
vocatur; vgl. Wissowa in Roschers Lexikon I 2693 f. Unterital. u. Sicil. S. 189 f. Einzelne Beispiele s.
und in I. v. Müllers Handb. d. kl. Altert. V 4 unten S. I64 f.
S. 19 t. Er scheint dem Namen .Soranus zu mißtrauen, ") So etwas wollte Gamurrini 186.
wofür ich keinen Grund finden kann. ^'^) Das bemerkt auch Hülsen 24 f.
"') Varro, oben S. 132 A. 51. '>'>) Dies scheint auch Lanciani zu betonen in
**) Notizie degli scavi lg02 p. göfiF. ; Hülsen (s. dem von Hülsen .S. 25 A. I citierten, mir noch nicht
oben Anm. 41) 92 f. Vgl. Pinza (oben Anm. 55), zugänglichen Buche New tales of anc. Rome 9.
Altäre mit rirubcnkammern
'37
und 2-28'" Tiefo, dio nur vorne diirchwoq-, rechts und links bloÜ an der Ober- kante S"l^tt ausgearbeitet ist. Die /weite Schicht aber zeipt, nach dem Comitium geöffnet, denselben hufeisenförmigen GrundrilJ, den wir bereits von Cypern her kennen (Fig. 77). Und in Rom steht seine Bedeutung außer Zweifel. Zwischen den beiden Postamenten .1 B und der gemeinsamen Vorderschwelle besteht der Boden hinab in große Tiefe nur aus schwarzer, wie es heißt mit Brandschutt gemischter Erde. Daran erkannten schon Beobachter, denen der Zusammenhang dieser Unter- suchung fremd war, am klarsten Gamurrini, die Opfergrube, den in Italien seit den Terremare bekannten mundus, wie er dem Manencult am Heroon des Stadt- gründers gebührt, und folgerichtig in der kleinen, streng symmetrisch am Ein- gang liegen gebliebenen Platte das Schlachtbänklein fürs evayil^etv"') (oben S. 124). Zum Verbrennen der Opfer diente gewiß, ähnlich wie es beim Hyakinthosgrabe vorauszusetzen war, der benachbarte Altar (/)), nicht, wie am Türaltare des Kaiser- cults (Fig. 73 und 74), die Oberfläche des Bauwerkes selbst. Denn nach den ver- hörten Zeugnissen müssen, wie allgemein angenommen wird, seine beiden anten- artigen Wangen die zwei Löwen getragen haben. Dieses überall, auch in Etrurien und Rom gebräuchliche Bild der Unterweltsmächte steigerte die Ähnlichkeit des Kenotaphs mit wirklichen Grabmälern, gleich dem monumentaleren, das auf einer schwarzfigurigen Vase nachgebildet ist (Fig. 82 '').
^*') Die Grube erkannte zuerst, ohne sie zu deuten, Dieulafoy 758 flF.; G.imurrini 184; 187 fF. gab cl.inn fast in allen .Stücken die gleichzeitig von mir ge- fundene Erklärung. Daß die Einwände von Hülsen S. 28 auf Mißverständnis beruhen, wird die weitere Darstellung zeigen. Zu dem Namen mundus s. Wissowa in I. v. Müllers Handb. d. kl. Altert. V 4 S. 188. Kür unsere Stelle gebraucht hat ihn Milani 289 ff., doch scheint er damit nicht dasselbe zu meinen wie ich. Seine Behauptung, der kleine Stein habe einen Raetyl getragen (oben S. 131 A.
48), schwebt in der Luft.
") Ann. d. inst. IX 1837 Taf. D (S. Reinach, Repert. d. vases I 257), richtig gedeutet von Gerhard, Auserl. Vasenb. IV S. 4 A. 3. Die Vase scheint ver- schollen. Ihre Gattung vermag ich nach der Ab- bildung nicht sicher zu bestimmen. Zwei Löwen an den Ecken eines Giebels auch an der archaisch etruskischen Reliefciste kgl. Museen zu Berlin, Beschr. d. ant. Skulpt. n. 1222. Über Grablöwen s. zuletzt O. Keller a. a. O. (oben Anm. 41) und CoUignon in der Strena Helbigiana 50 (f.
Fig. 82 Grabmal auf schwarzfiguriger Vase.
13«
K. Sludiiiczka
c. Reconstruction und kunstg-eschichtliche Stellung- des Aufbaus.
Von dem weiteren Aufbau sitzen auf den Plinthen nur noch die mächti,t,ren tuskanischen Profilstücke, rechts größtenteils erhalten in situ, links in geringeren Resten, deren einer sich verschoben fand. Ihr Umriß, in Fig. 81 nach einer von Delbrück in natürlicher Größe hergestellten Zeichnung wiedergegeben, ist der eines verkehrten altdorischen Kesselechinus, durch eine Nachwirkung der .achäischen'
Kehle angenähert an den Doppel- schwung des lesbischen Kymas. Die Stoßflächen haben Anathyrose mit schmalem Saum und stark vertief- tem Spiegel. Dieses Glied aus frag- würdigen metrologischen Gründen für nachträglich zugefügt zu hal- ten'*), liegt sonst kein Anlaß vor, es paßt in allen Stücken auf die Platten, auch in den Höhenverhält- nissen, welche von den unten an- zuführenden Parallelen Fig. 88 am ähnlichsten aufweist. Doch auch mit ihm können die Sockel noch nicht abgeschlossen haben. Mir wenigstens ist das umgekehrte Kyma nur als Fußleiste unter weiteren Gliedern bekannt. Zum mindesten wäre noch eine Platte mit senkrecht aufgehenden Wänden erforderlich, um eine von den ge- bräuchlichen etruskischen Formen herzustellen.") Eine solche jedoch bliebe dem Bedenken unterworfen, daß die vorhandene Lagerfläche mit 2-30 zu 0-55 "' selbst für liegende Löwen allzu gestreckt sein dürfte.'*)
Allen Bedingungen gerecht wird nur ein Aufbau, worin den erhaltenen Basisprofilen passende Capitelle entsprachen. Ihn als hohe Nische zwischen Anten,
'2) MitGamurrini l83f., wogegen De Sanctis 224., Tempel am Forum Holitorium 29. Ferner an Grabauf-
"') So an den Rampenwangen des quadratischen s.=itzen z. B. Museen zu Berlin, Beschr. d. ant. Skulpt.
Baues von Marzabotto Monura. d. Lincei I 1890 n. 1243; 1245 flf.; Notizie degli scavi 1900 p. 402.
Taf. 7 p. 260 (Brizio); Gozzadini, Ant. necrop. di '•*) Dies bemerkt Hülsen 28 mit A. I, nur ohne
Marzal). Taf. 6 p. 21, vgl. R. Delbrück, Die drei daraus die nötige Folgerung zu ziehen.
Fig. 83 Etruskischer Spiegel in Paris, Nationalbibliothek.
^
AUSrc mit Grubenltammcrn 139
etwa wie die der luturna'''), zu denken, verbieten die lireitenverhältnisse, sowohl des Ganzen als auch namentlich der Protilplatten, deren Kymatien nicht weniger als halb so weit ausladen, wie die eigentlichen Pfeilerstirnen unten breit sein kcinnti'n. So bleibt nichts übrig, als was oliiichiii die literarische Überlieferung von den Löwen als Hauptwahrzeichen des Koinulusgrabes, unterstützt durch den Vergleich mit dem cyprischen Denkmal Fig. 77, von vornherein nahelegt: den die Opfergrube umfassenden Bau nur als altar- gleiches Postament zu vervollständigen. Und in dieser Gattung tektonischer Werke finden denn auch die noch vorhandenen V
Teile ihre nächsten Analogien.
Mit Rücksicht auf ihre Wichtigkeit für Herstellung und Zeitbestimmung unseres Monumentes zähle ich die mir in Original oder Abbildung bekannten Altäre und Basen der fMii- schlägigen Form auf, möglichst in zeitlicher Abfolge; Voll- ständigkeit vermag ich gar nicht anzustreben.'")
Antike Darstellungen:
1. (Fig. 83) Statuenbasen des Apollon und der Artemis auf einem um 500 anzusetzenden Spiegel der Pariser National- bibliothek.")
2. (Fig. 84) Basis einer Frauenfigur im Relief (nner Grab- stele von Marzabotto, deren Stil in Griechenland und .Süd- etrurien bald nach 500 zu setzen wäre, jedoch in dem bar- barischen Nordetrurien leicht bis ins vierte Jahrhundert herab- reichen kann.'*)
3. (Fig. 86) Altar mit Prothysis zwischen einem Satyr ^ - ■
und Dionysos (der dem Apollon des Semelespiegels gleicht,'") auf ^'8- ^4 ^'^'^ '°"
. . Marzabotto.
rotfiguriger Amphora südetruskischer Herkunft im Archäologi- schen Institute der Universität Leipzig.*") Zu dem nächstliegenden Ansatz in den Beginn des vierten Jahrhunderts passen die Nachwehen schwarzfiguriger Technik
'') Notizie degli scivi 190 1 p. 72 und t'ig. 13, stimmte Beispiele zu nennen, schon Comparctti p. 3
15 .-»uf den Tafeln zu p. 60 (Boni); N. Jahrb. f. links. Ul. Altert. 1902 S. 6l6fr. (Deubner); Hülsen 70 f. ■") Gerhard, Etr. Spiegel IV I Taf. 292: Babelon
^"^ Die Mehrzahl haben schon angeführt Dressel et Blanchet, Catal. d. bronzcs ant. de la bibl. nat.
in den Ann. d. inst. LI 1879 p. 281 f. und Wissowa n. 1300.
zu Marquardt, Rom. Staatsverwaltung III' 162 A. 4; ") Gozzadini, Ulteriori scoperte ncll' antica ne-
das, was letzterer gibt, wiederholt Reisch bei Pauly- cropoli a Marzabotto Taf. 2, 6 p. 16. Wissowa I 1677. Richtig für die Ergänzung des '") Baumeister, Denkmäler I S. 515.
Romulusgrabes verwandte diese Formen, ohne be- *") Die Vase gehört zu einer namhaften Schenkung
J.ihrcshcfto des österr. arcbäol. Institutes Bd. VI. |n
140
F. Studniczka
Fig. 85 und 86 Vase im Archäologischen Institute der Universität Leipzig.
und das Bild der Rückseite: Reiterzweikampf eines an seinem vastum scutum und praelongus gladius**') kenntlichen Galliers mit einem eher classisch bewaff- neten Krieger. Des letztern tricotartige Hülle wird einen Ketten- oder Schuppen- panzer bedeuten, wie ihn der Triumphator auf der Berliner Bronzeciste um die Beine trägt, *^) so daß auch hier der Gedanke an einen italischen Streiter,
kleinerer Antiken, welche ein großherziger nord- amerikanischer Kunstfreund der Leipziger ähnlich wie anderen deutschen Universitätssammlungen zugewandt hat. Sie ist in Rom erworben zu einer Zeit, da in Süd- etrurien lebhaft gegraben wurde. Die Photographien werden abermals stud. L. .Schnorr von Carolsfeld verdankt.
") Livius 38, 17, vgl. 22, 46. Nachbildungen gallischer Schilde in Etrurien z. B. an der Berliner Terracottafigur Jahrbuch VI 1891 Anz. 120, 2 und in gesonderten Tonschildchen von Telamon bei Milani, .Studi e materiali di archeol. I 133.
^^) Mon. d. inst. X Taf. 29, vgl. Michaelis in
den Ann. XLVIII 1876 p. 116, der mir nicht richtig an Beinschienen zu denken scheint. Ähnlich die zwei Krieger des Cistengriffs Mon. d. inst. VIII Taf. 31 (Martha, L'art etr. p. 539, S. Reinach, Repert. de la statuaire II p. 521, l). Weiteres über solche Panzer: Marquardt [und v. Doraaszewski], Rom. Staatsverwallung 11^ 337; 469, Benndorf in d. Denkschr. Akad. Wien XXVIII 1878 S. 355 ff.; H. Droysen in den Altert, v. Perg. II 310. Vgl. die keltische Schwertscheide von Hallstatt: Much, Prahlst. Atlas Taf. 70 ; Bertrand et S. Reinach, Les Celles 100; auch die Sarmaten, Cichorius, TrajanssKule I Taf. 23, 28, 32, 37; Baumeister, Denkmäler III S. 2059.
Allärc mit ' iruhcnkammcrn
141
Fig. 87 Aschenkiste in Perugia.
beispielsweise den rechtswidrijT- auf .Seite der Clusiner fechtenden Gesandten von Ri>m,*^) ge- stattet sein möchte.
4. Altar mit Früchten neben ApoUon auf dem .Schwan, an rotfigurigem Krater vermut- lich faliskischer Arbeit des vierten bis dritten Jahrhunderts."')
5. (Fig. 87) Altar für die Opferung Iphi- genias auf einer Aschenkiste des zweiten Jahr- hunderts zu Perugia.'"';
6. Altar, etwa der luno Moneta, gewöhn- lich für den PrägambolJ versehen, auf Münzen
von Tresviri der beiden letzten vorchristlichen Jahrzehnte, die selb.stverständlich niclit als Entstehungszeit des Urbildes zu gelten haben. *'') Erhaltene Exemplare:
7. (Fig. 89) Trachytbasis eines kleinen Cippus von poliertem Serpentin, de.s typischen Grabaufsatzes in der Nekropole von Volsinii-Orvieto, nach der reichen Profilierung wohl aus den späteren Zeiten dieser Begräbnis.stätte im fünf- ten oder vierten Jahrhundert, im etruskischen Museum zu Florenz."')
8. Desgleichen, im Horliner Museum."")
9. (Fig. 88) „L'ara del locus "^ sacer di Fiesole", so von Milani
ä'j Uiodor 14, 113, 5. Livius 5, 36.
'*) Gerhard, Auserl. Vasenb. IV Taf. 320, 1, 2, (S. Keinach, Repert. d. vases II 157.) Der Aufbe- wahrungsort ist mir unbekannt.
'*) Brunn, Rilievi d. ume etr. I Taf. 42, 14; Ähnlich, aber nicht streng hierher gehörig, ist der Altar bei Brunn a. a. O. Taf. 45, 21.
'"j Abbildungen bei Babelon, Monnaies de la ripubl. Rom. I 113; 257; 358; II 99; 251; 404; 524; 5-5i vg'- ''^n Index unter .enclume monetaire'. Diese herkömmliche Deutung auch noch bei Babelon,
Fig.
,L'ara del locus sacer di Fiesolc.'
Trait6 d. raonn. gr. et rom. prem. part. I 902, trotz- dem p. 903, 22 ein Bild des wirklichen Amboßes daneben steht. Die Deutung auf einen Altar gab nach Klausens Vorgange Dressel, s. oben S. 139 A. 76.
*') Herausgegeben von Milani in den Rendiconti d. accad. d. Lincei cl. sc. mor. ser. 5. IX 19OO p. 294. — Über diese Gattung von Cippen handelt meines Wissens neuerdings am ausführlichsten Gamur- rini in den Notizic degli scavi 1887 p. 344 ff. mit Taf. 7, 1-7.
*ä) Beschr. d. ant. Skulpt. n. 1244.
19»
142
F. Studniczka
genannt, dessen versprochener Fundbericht mir noch nicht zu Gesichte ge- kommen ist.**^)
ID. Tönerne Miniaturaltärchen vom Esquilin im Conservatorenpalast und anderen Sammlungen, nur an den Seiten profiliert, vorne glatt für Reliefschmuck, der zum Teil hellenistische, zum Teil archaische Formen aufweist; trotzdem nicht viel vor 200 anzusetzen."")
1 1 . Capitellblock von der Statuenbasis des M. Claudius M. f. Marcellus consol iterum, 155 v. Chr., Besieger der Ligurer, aus Luna, in Florenz.^')
12. (Fig. 90) Altar des Gottes Verminus, geweiht im Consulat eines A. Postumius Albinus, nach dem Schrift- charakter wahrscheinlich 151 v. Chr., Rom, Magazzino archeo- logico comunale.*^)
13. Altar, dem vorigen sehr ähnlich, laut nachträglich eingemeißelter Inschrift im Jahre 9 v. Ch. restituiert von dem
älteren Drusus und seinem Mitconsul, ebenfalls im Magazzino archeologico zu Rom.^^) 14. (Fig. 91) Altar Vediovei Patrei gewidmet von den genteiles luliei zu
, ,„, Bovillae, nach dem Schriftcharakter in das siebente
Jahrhundert der Stadt ge- setzt.-'*)
15. Altar, sei deo sei deivae geweiht, resti- tuiert von einem Consul C. Sextius Calvinus, ent- weder 124 V. Chr. oder, wenn es sein Sohn war, in sullanischer Zeit, am Aufgange zum Pala- tin."5)
Fig. 89 Grabcippus von Orvieto, Florenz.
Fig. 90 Altar des Verminus, Rom.
89) Milani a. a. O. p. 295 (s. Anm. 87). Der dort für dasselbe Jahr angesagte Bericht findet sich nicht in den mir vorliegenden Heften der Notizie.
9") Mon. d. inst. XI Taf. 10; Dressel in den Annali LI 1879 p. 253 ff.; die Zeitbestimmung p. 297 f. Vgl. Furtwängler, Ant. Gemmen III 266.
'') CIL XI n. 1339 und I n. 539; Ritschi, Pris- cae latin. raonum. Taf. 48 F. Kleine photographische
Fig. 91 Altar des Vediovis, Bovillae.
AbbildungbeiMilani, Museo topogr. dell'Etruria p.73.
92) CIL VI n. 3732; 31057; photographisch ab- gebildet im Bull. com. IV 1876 Taf. 3.
^■^j Notizie degli scavi 1897 p. 104.
'*) CIL XIV n. 2387 und I n. 807; Ritschi, Priscae latin. mouum. Taf. 56 F.
95) CIL VI n. HO und I n. 632; Ritschi, Priscae latin. monum. Taf. 56 E.
Altäre mit Grubenkammern
'43
Den Auspang'spunkt dieser rund voti 500 bis 100 v. Chr. führenden Reihe bildete das aus dem reiferen, von lonien beherrschten Archaismus Griechenlands entlehnte Parallelepiped mit Kymatien samt Plinthen unten und oben.'-*") Aber schon die ältesten Belege für die Übernahme dieser Form, wie die auf einem Chiusiner Reliefsarkophage wiedergegebenen Altäre (Fig. 92'"), verraten die sehr ungriechi-
Fig. 92 Von einem Chiusiner Sarkophag.
sehe Neigung, das Kyma nach Umriß und Gewicht dem früher aus Großhellas
mit dem Säulencapitell eingebürgerten, gleich auch als Säulenfuß verwandten"**)
dorischen Kesselechinus anzunähern und hierdurch — sowie durch F.inschaltung
des Torus in der Mitte — das tektonische Hauptstück
einzuschränken. Wie sehr beides dem etruskisch-itali-
schen Geschmack entspricht, lehrt der Vergleich mit
dem weit ausladenden Traufrande des tuskanischen
Tempels, dessen Holzconstruction nicht nach Art des
dorischen Triglyphons sichtbar bleibt, sondern durch y^^ ^3 Capitell einer Grabsäule
decorative Antepagmente ringsum verhüllt wird.'"'') Diese von Megara Hyblaea.
""i Beispiele s. unten Fig. 102 und S. 178.
") Mon. d. inst. VIII Taf. 2, danach Schreiber, Kulturhist, Bilderatlas über dem Vorwort, welches Gliche die Seemannsche Verlagsbuchhandlung uns gefällig zum Abdruck überlassen hat. — Vgl. den Brunnenbau des Wandgemäldes aus Tomba dei Tori in Corneto Dcnkm. d. d. arch. Instit. II 4 Taf. 41, der auch wegen der beiden Löwen zu vergleichen ist.
"') R. Delbrück (oben S. 138 A. 73) 44 ff.; 32 f.
ä') Choisy bei Martha, L'arl itr. 274 ff.; Th. Wiegand, Puteolan. Bauinschr. im XX. Suppl. d. Jahrb. f. Philol. 719 ff.; Michaelis in Springers Handb. d. Kunstgesch. 1*301. Litteraturangaben sind hier nicht überflüssig, so lange die mit Vitruv absolut unvereinbare Reconstruction G. Sempers immer noch wiederholt wird, s. A. Schneider, Das alte Rom
I 44 !■'• J^luilniczka
zukunftreiche Vorliebe zugleich für mächtig ausladende Formen und für das Zurückdrängen des Tektonischen zu Gunsten des Decorativen verrät auch unsere Reihe. Nur unter ihren älteren Gliedern begegnen noch dürftige Reste des ursprünglichen — in anderen Fällen neben schwächeren Kymatien weiter bestehenden — Würfels (i. 3. 7), sonst haben ihn die Profile gänzlich ver- schlungen.
Unter ihnen ist offenbar das älteste der reine Echinus. Mit der archaisch „achäischen" Kehle'"") findet er sich allerdings gerade an einigen von den jüngsten römischen Altären (12. 14), aber vermutlich nur deshalb, weil in ihrer bereits stark hellenisierten Entstehungszeit, dem zweiten Jahrhundert v. Chr., für die Wiedergabe der nur noch in sacralem Gebrauche weiterlebenden Form be- sonders alte Vorbilder benützt wurden. Durch Verschmelzung der Kehle mit dem Echinusprofil entstand dann die dem lesbischen Kyma nahe kommende Doppel- welle. Sie erscheint bereits um den Anfang des fünften Jahrhunderts an dem Capitell einer Grabsäule von Megara Hyblaea (Fig. 93 '"'). Jedoch in unserer Reihe wird sie meist unten (2. 5. 8. 9), erst an der Marcellusbasis oben (n), niemals unten und oben zugleich angewandt. Und die für mich einigermaßen datierbaren Beispiele gehören zu den jüngeren (4. 5); der provinzielle Archaismus des nord-etruskischen Grabsteins (2) wird schwerlich eine Gegeninstanz be- deuten. Auch unter den allerdings spärlich erhaltenen Säulenbasen haben die von Conca, dem sechsten Jahrhundert angehörend, noch reinen Echinus,'"^) die bald nach 300 anzusetzenden von Alba Fucens und Alatri '"') das quasile.sbische Profil. Auch das wirkliche lesbische Kymation ist kaum vor Mitte des sechsten Jahrhunderts ausgebildet.'"*)
Der A'ergleich mit diesen Analogien ergibt somit, daß das Romulusgrab
Taf. 2, 5 (neben der von Choisy), Winter in See- "") F. v. Duhn und Jacobi, Der gr. Tempel
raanns Kunstgesch. in Bildern I Taf. 23, 10, Hula, in Pompeii S. 26 A. 37; Mon. d. Lincei I 1890
Rom. Altertümer S. 69. Über die Antepagmente T. 4, 2.
zuletzt R. Bornnann im Handb. d. Archit. erster '"2) Notizie degli scavi 1896 p. 31 ff. ; vgl. Petersen
Teil IV 39 fr. in den Rom. Mitth. XI 1896 -S. 165 f.; vgl. 175 f.
"") Koldewey und Puchstein, Gr. Tempel in S. .luch die säulenähnliche Basis der nackten
Unterital. u. .Sicil. 204 r. Auch an dem Brunnen des Aphrodite von Orvieto Notizie 1885 Taf.3, 5, g;
Wandgemäldes in Anm. 97. AVährend der Correctur Körte in den Arch. Studien H. Brunn dargebr.
kann ich noch auf die alte Säule von Pompeii, die Taf. I, 4; den Grabcippus von Mazzano Romano, No-
soeben Mau, in den Rom. Mitth. XVII I902 Taf. 8 tizie I902 p. 337; das Relief oben Anm. 71.
S. 305 ff. herausgegeben hat, verweisen, als auf ein '"3) Promis, Antichitä di Alba Fucense Taf. 3
Zeugnis für die Übernahme dieser Capitellform durch mit der Zeitbestimmung von Delbrück a. a. O. S. 27 f
die tuskanische Kunst. Das Capitell steht dem des Alatri: Winnefeld in den Rom. Mitth. IV 1889
Verminusaltars (Fig. qo) besonders nahe. Vgl. Del- S. 147.
brück (oben Anm. 73) .S. 44 ff. t"4) Beispiele Fig. 99!). 102. 107; S, 17S. 183.
Altlire mit Grubenkiimmern 145
schwerlich älter ist wie das fünfte Jahrhundert v. Chr., wahrscheinlich jünjfer, jedoch eher wieder früher als das zweite. Nach seinem Fu(3profile steht es am nächsten etwa dem einen Cippus von Orvieto (8) und, seine gröüere Weichheit abpferechnet, dem , Altar' von Fiesole (9), der zudem, bei noch größeren Maßen, iihiilich gestückt ist.
Nach denselben Beispielen war der fehlende Oberteil unseres Denkmals ein schwerer Echinus mit niedrigem, wenig ausladendem Halsstreif und einem der unteren Plinthe correspondierenden Abacus. Und zwar werden diese Teile kaum wie bei den kleinen, nur die schmalen Serpentinfetische tragenden Basen (7. 8) und dem Altärchen der Urne (5) wesentlich, sondern wie bei den Stücken von ähnlichen MalJen in I'"icsole (9) und Rom (12 bis 15) nur unbedeutend kleiner zu denken sein als die erhaltenen unteren. Das ergibt für den ganzen Aufljau der Postamente i'io bis r2o"' Höhe, soviel als der Altar des Verminus und sein Gegenstück (12. 13) messen. Die Löwen müssen auf den 2"7o'" langen Sockeln, wenn sie ganz stille lagen, doch nicht viel unter i "" hoch, wenn sie die Köpfe hoben oder saßen, entsprechend höher gewesen sein.
d. Schichtenchronologie.
Die stilistische Zeitbestimmung des Romulusgrabes wird infolge der Beständig- keit der tuskanischen Kunstformen kaum viel genauer zu geben sein, als eben versucht worden ist. Sie läßt, wie gesagt, mindestens das vierte und dritte, wohl auch das fünfte'"*) Jahrhundert offen. Nur an das sechste oder gar noch ältere Zeiten zu denken verbietet sie rundweg.
Historische Erwägoingen helfen, soweit ich mir ein Urteil gestatten kann, nicht weiter. Die Romulussage war gewiß ungefähr abgeschlossen, als im Jahre 295 V. Chr. die beiden Ogulnier ihre Wölfin errichteten; aber ob sie das archaische Meisterwerk etruskischer Kunst, die Bronze des Conservatorenpalastes, auch schon voraussetzt, ist ungewiß.'"'') Und schließlich könnte ja der Grubenaltar, ursprüng- lich den Unterweltsmächten überhaupt geweiht (S. 136), erst später nach dem Vorbilde von am Markte gelegenen Heroa griechischer Oikisten"") umgenannt worden sein.
'"*) Diesem möchte Hülsen S 29 das Denkmal Kunstgesch. I* I92f.; 315 f. Der von Petersen auf- geben, mit Dieulafoy, der aber nur Griechisches ver- gestellten, meist gebilligten Meinung, die Wölfin glichen hat. sei vielmehr ein ionisches Werk, vermag ich nicht
100) Petersen, Vom alten Rom S. 16 f. vgl. beizutreten. Rom. Mitth. IX 1894 S. 291 A. 2; Heibig, Führer'- '"^^ Beispiele gibt Deneken in Roschers Lexikon
I n. 638; Michaelis in Springers Handbuch d. I 2491 f.
.46
F. Studniczka
Der topographische Zusammenhang (Fig. 80. 81) zeigte nur die relative Folge: Inschriftstele (H) samt Unterbau, Stufenterrasse (/), Altar (D), Romulusgrab (AB).
Weit mehr aber lehrt, wenn ich recht sehe, die Schichtenbildung des Comi- tiums, die sich wesentlich gleichartig vom schwarzen Pflaster bis zum Curienvor- hof erstreckt. 1"**) Boni hat sie mit Scharfblick und Gründlichkeit erforscht in drei- zehn Tastungen, deren fünf, IX bis XIII seiner Zählung, vollständige Durch- schnitte vom Pflaster der Kaiserzeit bis auf das gewachsene Erdreich — meistens Ton, erst südlich, unter dem Romulusgrabe, Tuff — geliefert haben. Ihre Stellen sind hier im Plane Fig. 78 mit den römischen Ziffern eingetragen, ich hoffe durch- weg richtig, trotzdem die betreffenden Angaben mehrfach an Druck- oder Schreib- versehen leiden. 1"") Eine allgemeine Vorstellung davon gibt am besten der hier in Fig. 95 wiederholte Durchschnitt mit dem Schachte XII und den oberen Schichten
,„ E.rdt m. Opfirscliutt
~6* "(5es!^p^rt'[XTäe 7° Tuffcsrrict\ grok f -I-rdi •
'9* Y.rd't'm]r wtnig'Kits
V Lrdt
12" DftctlTi'cual u-BrondYcsr«.
13* ^Dirtdiqt J^rdt m. h*[?broci^tn
1^° Lrdt mit KotiU'
WWm9^=^ ■% s^'w-m-ym-W -^"^«iiüi
I I M I I M I I I
l'ig- 94 Schichtendurchschnitt unter dem niger lapis. Rechts Aufriß, links Schnitt eines Teiles der alten Denkmäler, im Verhältnis zum schwarzen Pflaster willkürlich gedreht, vgl. Fig. 79 bis 81.
'"*) Einige durchgehende Schichten hat aus Bonis Einzelbeobachtungen bereits Hülsen S. 36 ff. herausgelesen.
"") X ist auf dem Plane bei Boni 1900 p. 296 nicht eingetragen, liegt aber nach p. 318 und 337 westlich am „pozzo trapezoide", d. h. dem unregel- mäßigen Fünfeck o unserer Fig. 78, nicht, wie Hülsen S. 36 annimmt, bei dem Rhombus «. — XI ist nicht, wie bei Boni p. 338 steht, auf seinem Plane (p. 296) bei c, was ja nach p. 335 die Stelle
von esplor. V ist, sondern bei l, also vom „pozzo a trapezio" 6 ™ entfernt, aber nicht nach Westen, wie p. 337 und 338 gesagt ist, sondern nach Osten; ungefähr ö"" nach Westen liegt vielmehr IX. — Esplor. XII liegt nach Boni p. 337 „tangente a sud del disco marmoreo", somit auf seinem Plane (p. 296) bei «, nicht, wie p. 339 gedruckt steht, bei d. — XIII endlich liegt nach p. 337 wie 339 „in centro del disco marmoreo", somit nicht, wie S. 339 zu lesen ist, bei c, sondern bei ü des Planes p. 296.
Altäre niil Gruhenlcimmcrn
147
von Xlll."") Von den qfrößeren, ins einzelne! gehenden Diapramm(;n ist nur das von X sehr anschaulich und genau, auch in den Maßen, gezeichnet,"') die vier anderen, bloß mit Linien gesetzten sind wenigstens zum Teil in den Schichtenhöhen sowohl in sich als auch gegeneinander verschoben, was die Übersicht der zu- sammengehörigen Streifen erschwert. Dies betrifft namentlich die obere Hälfte von IX, des dem niger lapis am nächsten liegenden Schnittes."-) Jedoch glaube ich aus Bonis anderweitigen Maßangaben die wirklichen Höhen der Schichten und ihr Verhältnis zu unseren Denkmälern annähernd sicher gewonnen zu haben, so wie es Fig. 94 darstellt, deren Zählung teilweise auch in Fig. 95 eingetragen ist- i" kennen wir bereits von S. 12g f her als das caesarische Travertinpflaster mit dem schwarzen Felde, das in eine Kalkmörtellage gebettet ist, umschlossen von der Travertinschwelle mit der Einarbeitung für Balustradenplatten, auf deren Niveau später das nordwärts anschließende Comitiumpflaster von gleichem Steine neu gelegt wurde, bis zu dem wieder etwas tiefer liegen ge- 5 bliebenen weißen Marmorbelag im Vorhofe der Curie."') 3
Niveau des niger
l.ipis
Spätes Travertin- pflaster
Marmor- schale
i XUI
Treppenkem
L
I
I %
Fig- 95 Schnitt durch die nordöstliche Hälfte des Comitiums. Vgl. den Plan Fig. 78.
'•") Fig. 95 nach Boni 1900 p. 298, aber mit der wesentlich Hülsenschen Beschriftung unseres Planes Fig. 78. Bei Hülsen S. 37 ist die Schichtung nicht ganz genau wiedergegeben.
'") Boni 1900 p. 318 Fig. 18 (fortan einfach als X citiert, mit kleineren römischen Ziffern, Bonis Schichtnummern); eingehend beschrieben p. 317 fr.
"^) Boni 1900 p. 338 IX, beschrieben p. 336 f.; auf p. 338 steht noch das Diagramm XI, auf p. 339 XII und XIII.
"••) Boni zählt deshalb in IX als oberste Schicht die „crepidine di travertino", die Schwelle, welche über das Pflaster hinaufragend das schwarze Feld ein- faßt (oben S. 129), sonst immer das spätere, höhere Jahreshefte des östorr. archäol. Institutes Bd. VI.
„lastricalo di travertino", das er irrig dem Mittelalter zuschreibt, s. oben Anm. 43. Die Seehöhe des niger lapis gibt er p. 338 mit 13' 195 ™, die des jungem Travertinpflasters in X p. 318 mit 1 3^478 ■", wovon Delbriicks Nivellement der „crepidine" mit 13-40 ■" nur unwesentlich, in einem aus der ungleichen Senkung verschiedener Pflasterteile leicht erklärlichen Maß abweicht. Als Dicke des niger lapis gibt Boni 1899 p. 151 ungefähr I Fuß an, was gewiß einschließlich des pietrisco o letto di posa (IX) gemeint ist. da Delbrück die schwarzen Platten nur 0'22'", das da- mit zusammengehörige ältere Travertinpflaster 0-25 ■" stark mißt. Die Dicke des höhern, jungem Travertin- bclags beträgt nach Boni p. 303 rund 0'35 "".
20
1 ^S F. Studniczka
2" ist die Schuttbettung des caesarischen Pflasters, durchsetzt mit Werk- splittern von seinen beiden Materialien, Travertin und weißem Marmor, wie sie gleichzeitig auch für das opus caementicium im Treppenkerne des neuen Rat- hauses (L in Fig. 95 und 78) Verwendung fanden."*) In den esplorazioni X bis XII liegt darüber noch eine schwache Schicht Erde, welche der Höherlegung des Travertinpflasters in der Kaiserzeit diente. Unten dagegen in der Tiefe der caesarischen Füllung unterscheidet man ebenda noch zwei dünnere Schichten, die obere von Erde, die untere von Opferschutt, der schon hier archaische Reste, wie schwarzfigurige Vasenscherben enthielt"") (Fig. 95, aß unter 2"). Beide zusammen füllen gerade die Höhe des dem caesarischen unmittelbar vorher- gehenden, noch dem Romulusgrab entsprechend orientierten Travertinpflasters, von dem nur einige Platten liegen geblieben sind"") (k in Fig. 95 und 78), vermutlich weil die übrigen meist zur Herstellung des gleich dicken caesarischen Belages i" verbraucht wurden.
3" war sein Unterlager, eine überall gefundene starke Bettung von Tuffschotter. In diesen mischten sich unterhalb des schwarzen Feldes zahlreiche Splitter seines Marmors, zum Beweise, daß es ursprünglich schon hier, im Zusammenhange mit jenem letzten republikanischen Pflaster aus Travertin, gelegt worden war;"') auch von seiner Umarbeitung beim Drehen und Heben in den Verband des caesarischen Pflasters i« finden sich weithin die Spuren in der Füllschichte 2 <•."«) Dabei blieb es nicht unverändert, sondern verlor wahrscheinlich eine ganze Plattenreihe an der Südostseite (Fig. 79). Denn ,,der letzte Stein der nordöstlichen Lage endet ja nicht so grad; die vier Innern Steinreihen werden von einer anders gerichteten, wie im Nordwesten, auch im Südosten eingefaßt gewesen sein" (Petersen, brieflich).
'") Boni 1899 P- 15« u°o Strato di scaglie di "=■) X, IV terra, V avanzi di sacrificio, ähnlich
travertino e di marmo bianco dello spessore di m. XI und XII; schwarzfigurige Scherben dieser Schichte
o'44 compreso il letto di posa del marmo nero (s. 1900 p. 321 Fig. 22- — 23.
vorige Note gegen Ende); 1900 p. 338 IX nur colma- "^) Boni 1900 p. 309 photographiert; vgl.
tura, jedoch XIII colmature dai tempi imperiali, XI p. 339 XIII lastricato repubblicano di travertino;
bis XIII wieder colmatura oder terra con scaglie di Dicke 0*23 '".
travertino e di marmo. In X bis XII liegt die oben "'') Boni 1899 P- 15"? Molte schegge dello
im Text erklärte dünne Erdschichte, terra, darüber. stesso marmo nero si trovano nella massicciata di
Sie ist nach X, II ungefähr 0^09 " stark, mißt also tufo, grossam. 0-35, che ricopre lo Strato del sacrificio
mit dem neuen Travertinpflaster darüber (0-35 ") rund [in unseren Fig. 94. 95 Schicht 4°] e arriva all' altezza
0"44™, das ist etwa soviel, wie das caesarische Pflaster della troncatura del cippo [des Inschriftspfeilers H].
mitsamt der Schwelle des niger lapis, was die oben Vgl. 1900 p. 318 X, VI, nach p. 321 stark 0-39 "";
ausgesprochene Auffassung bestätigt; s. Abb. 95. Das photographisch abgebildet p. 323; p. 338 f. IX. ff.
Fehlen dieser Erdschicht in XIII entspricht meiner wird die Schicht überall massicciata di tufo a rude-
Annahme, daß der schwache, weiße Marmorbelag ratio oder ähnlich genannt, dicht vor der Curie gleichfalls caesarisch ist. '") Boni I900 p. 320. 321 f.
Alläre mit (irulicnkammfrn I in
Gemäß der ursprünglichen Zugehörigkeit des niger lapis zu drni l^tlaster, dessen Bettung die Tuffbrockenschichte 3" war, ist die Inschriftstele H fast genau an ihrer Oberfläche abgeschlagen und reicht auch der Conus G ungefähr ebenso hoch, beide, wie mir Petersen schreibt, mit so frischen Kanten, daÜ sie gleich überdeckt worden sein müssen. Beide Stümpfe dienten so zur Festigung der sie umgebenden Anschüttungen, wozu auch die aus hochkant gestellten Platten zu- sammengefügten ,.pozzi rituali" (Fig. 78 n bis s) mitgewirkt haben mögen. '^) Die Zeit dieser ersten Überpflasterung der alten Denkmäler bestimmt
4", die Schichte von Erde mit Opferschutt. "^'') Weiterhin auf dem Comitium fast nur aus kohlenhaltigcr Erde bestehend,'"') war sie über dem Romulusgrab angefüllt mit Resten von Tieren und einer Menge von Figürchen aus Bronze oder Ton, Relief- und Vasentrümmern sowie anderen zur Weihung geeigneten Gegenständen, großenteils im Stile des sechsten Jahrhundert v. Chr. Wegen seiner räumlichen Beschränkung wird dieser Fund in der Tat als die ^stips votiva" des Heiligtums gelten müssen.'--) Nur kann sie solche Lagerung unmöglich durch allmähliches Anwachsen erfahren haben und deshalb keinen terminus ante quem für die Denkmäler abgeben, wie zu Beginn geglaubt ward. Sie wurde vielmehr, bis dahin anderswie gehäuft, über die zerstörten oder abgetragenen Bauten erst, in der allgemein üblichen Weise, als Füllmasse zur Erhöhung des letzten republi- kanischen Pflasters ausgebreitet. Denn mit den vielen archaischen enthielt sie nebst Splittern des schwarzen Marmors nicht wenig Erzeugnisse späterer Zeit, bis ins erste Jahrhundert v. Chr. herab, wie namentlich Savignoni nachgewiesen hat.'*-') Der Opferschutt lagert auf
5", einer Bettung aus gelbem Flußkies. Ihre nicht ausdrücklich angegebene Stärke hier unter dem niger lapis '-^) kann nur ungefähr so viel betragen haben, wie in esplorazione X, wo sie 0-22'" mißt.'-^) Denn ein dicht an ihrer Sohle gefundenes
"') S. besonders Hülsen S. 36. 58. '2') Savignoni in den Notizie degli scavi 1900
•2") Boni 1899 p. 153, wo 0-40'" .-ils mittlere P- '43 ^■- ^'S'- de Sanctis p. 419 ff. und schon
Dicke angegeben wird; die Funde darin p. 158 ff.; Comparetti p. 3 rechts.
1900 p. 338 IX ceneri e stipe votiva etc. Die übrige 124) ßoni 1899 p. 153 erwähnt die Schicht als
Litteratur bei Hülsen S. 25 A. 2 und in unseren breccia sabbiosa, doch ohne Maß; denn die 0-40°'
folgenden Noten. beziehen sich auf die Opferschicht 4", nicht, wie Hülsen
'•") Boni 1900 p. 318 X, vn, näher beschrieben S. 38 8 annimmt, .luf den Kies. Comparetti p. 4
p. 322 f., wonach sich Reste von Weihgeschenken rechts gibt freilich 0'55 "" an und Bonis Diagramm
fast nur in den „fossetle rituali" dieser Schicht IX zeichnet die ,ghiaia gialla' viel mächtiger als die
finden, zu denen vgl. Hülsen S. 37 A. 2. Boni 1900 Opferschicht, aber das kann gegen obige Berechnung
p. 338 f. XI ff. heißt die .Schicht terra carboniosa. nichts ausmachen. Vgl. oben S. 147.
'^■) Vgl. auch Mariani lobcn S. 123 A. i). '-■') Boni 1900 p. 325.
20*
I 50 F. Studniczka
Bronzefigürchen lag i'SÖ"" unter der Oberkante des schwarzen Pflasters '^^) und über diesem Punkte lassen die bekannten Maße der Schichten i" bis 4'^ bloß etwa 0-20" frei. Das wie mir scheint phönikische Figürchen, welchem ein ganzer Rattenkönig von Combinationen zu dem Namen Vertumnus verholfen hat,'^') dürfte aus der stips votiva in den Kies gelangt sein, also verraten, daß letzterer wesentlich gleich- zeitig mit der Opferschicht 4'* über das Comitium ausgebreitet worden sei. Nach der Curie hin rasch abnehmend, so daß er im Schnitte XIII nur an die 0*05 " stark liegt,'-*) diente er zugleich der Ebnung und Hebung des Bodens. Wird doch glarea öfter auch als Straßenschotter erwähnt.'^-') Die von Sachkundigen abgewiesene Vermutung, der Flußkies sei nicht durch Menschenhand, sondern durch den Tiber hierhergebracht,'^'^) behält den Wert eines Fingerzeiges, weshalb man nötig fand, das Pflaster (3^^ und k) so hoch zu legen. Noch um 43 v. Chr. stieg der Fluß, als wollt er ,ire deiectum monumenta regis templaque Vestae', womit freilich nur die Regia, das dem Vestaheiligtum benachbarte Megaron mit Rundherd, nicht das dazumal längst mit dem schwarzen Pflaster überdeckte Königsgrab — ,quaeque carent ventis et solibus ossa Quirini' — gemeint sein kann.'^') Aber dieses, dem der Tiber auch nach der Ausgrabung schon einen unliebsamen Besuch ab- gestattet hat, kann er früher einmal so weit zerstört haben, daß es bei der fol- genden Planierung des Comitiums lieber aufgegeben ward, nachdem Romulus ohnehin leibhaftig in den Himmel versetzt worden war (S. 133). So würde sich trefflich der Zustand der Reste, namentlich die Verschiebung der Profilstücke an der linken, durch den Stufenbau J minder geschützten Wange (Fig. 80, 81 ß), und damit zugleich das oben vermutete Übrigbleiben nur eines Löwen (S. 132) er- klären. Daß der exaugurierte Cult an anderem Orte weiter geführt wurde, ge-
"^) Boni 1900 p. 325. 338 IX .Vertumnus". Klotz noch bei Cicero ad Quinlum fr. 3, I, 2, 4
'") So tauft sie Boni 1900 p. 324 f. gleich und bei Tibull I, 7, 59. Milani p. 300, dieser weil sie einen ähnlichen '^'') Boni 1899, p. 153 und 587 f. unter Be-
Krummstab trägt, wie die von ihm in den Notizie 1884 rufung auf Fachleute, vgl. De Sanctis p. 418. Auch
Taf. 3 und in seinem Museo topogr. dell' Etruria Petersen und Delbrück lehnen den Gedanken auf
p. 46 herausgegebene Bronze, deren archaisch an- meine Frage entschieden ab.
klebendes Gewand ihn an das koische erinnert, das ''') Horaz car. I, 2, 13, nach Borsaris An- bei Properz 5, 2, 23 der verwandlungskundige Gott regung auf unser Denkmal bezogen von Gamurrini nur anzulegen braucht, um als — Mädchen zu er- p. 210 und Milani p. 297, trotzdem sie seine Zer- scheinen. Obendrein ist Vertumnus erst spät in Rom Störung schon den Galliern zuschreiben. Des Dichters eingebürgert worden, (Wissowa, Religion 233 f.) Worte von der Geborgenheit der Leiche des Romulus
'^) Boni 1900 p. 338 f. IX ff. ghiaia gialla; oben Anm. 51. Über die Regia vgl. Hülsen S. 62ff
freilich über starkem Stratum von terra und arena; Die oben kurzer Hand ausgesprochene Vermutung,
vgl. Hülsen S. 38 8. der Rundbau d sei ein Herd, drängt sich jedem auf,
'^^) Außer der von Comparetti beigebrachten der den Grundriß der Regia mit mykenisch-home-
Stelle Livius 41, 27 l.iut dem Wörterbuche von rischen Megara vergleicht.
Alliiro inil (irul)cnkanimcrn I 5 '
Stattet die vollständige Abtrajcrunief des mutmaßlichen Altars (D) anzunehmen (S. 136). Als Anknüpfungspunkt für diese Veränderung bietet sich, nach der kunstgeschicht- lichen Grenze der Funde im Opferschutt (4"), am passendsten Sullas Umbau der Curie, der zur Entfernung anderer alter Denkmäler Anlaß gab."") Die unseren kann somit \'arro noch sehr wohl mit eigenen Augen gesehen haben (oben S. 1 33 f.).
So viel ermöglichen die das Romulusgrab deckenden Schichten von seinem Ende zu wissen oder glaubhaft zu vermuten. Nach der Entstehungszeit sind die tiefer gelegenen zu befragen und sie scheinen mir nicht minder bestimmte, wenn auch noch überraschendere Auskunft, zu geben.
b", die Schichte, worauf das Romulusgrab steht, ist eine Tenne von festge- stampfter Erde, wohl nur die oberste Lage des tiefen Erdreichs, in das die Opfer- grube zwischen A und B hinabführt (S. 137), nach vorne begrenzt durch die unterste (i.) Stufe des Bauwerks ./."') Diese .Stufe führt unmittelbar hinab auf
7", eine starke Lage von grobem TufFschotter, die jedoch nicht wie 3" nur als Bett eines Plattenbelages, sondern selbst als Estrich diente. Sie kehrt wieder im Durchschnitt X, nur dünner und auf eine Schicht weißen Flußkieses gelagert, die sich bis XII und XIII (Fig. 95) erstreckt, hier bloß gestampfte Erde mit oder ohne Tuff brocken tragend.*'*)
8' und 9" sind wieder Unterlager von 7", meist, wie beim Romulusgrab, aus Erde mit Kies oder Tuffbrocken, nur bei X die mit 8" correspondierende Schicht aus festerem TufFschotter gebildet.''^) Darunter erstreckt sich überall
10", ein dünner, einheitlicher, wohl geebneter Estrich aus fein geschlagenem braunen Tuff, an der Oberfläche von längerem Gebrauche besonders festgetreten,
'^^) Plinius n. h, 34, 27, vgl. oben Anra. 54. interposizione di uno straterello di terra battuta [dies
"'j Boni igoo p. 338 IX terra battut.-» addossata unsere 6°]; darunter X,X ghiaia bianca, nach p. 326
alla platea del cono e che passa sotto ai piedislalli dick Ol 6™; XII terra battuta, XIII terra e tufo
\A, ß.]. Dasselbe ist offenbar p. 335 II, straterello battuto, beidemal über ghiaia bianca.
di terra battuta, grosso m. O' 1 4, che passa sotto lo zoccolo "') Boni IX zweimal terra, jedoch p. 336 (unsere 8°]
nord del picdistallo Orientale [B]. In unserer Fig. 94 uno Strato di terra con tufi, grosso m. 0"I0, [unsere 9"]
waren für die Dicke dieser Schicht nur etwa o'!!"" Strato di terra battuta grosso m. o"l5, che porta alla
zu erübrigen, aber auf so kleine Unterschiede kann superficie un piano sparsamente glareato; XII (unter
es nicht ankommen. In den anderen esplorazioni der ghiaia bianca) terra arenosa, XIII terra c tufo
scheint sie zu fehlen, vgl. Anm. 134. battuto; aber X, XI massicciata di tufo, p. 326 terza
''*) Boni IX massicciata a scheggioni di tufo, massicciata [nach unseren 3" und 7°] grossa m. 0*09 e
P- ii^ grossa m. 025, che passa sotto al piano di composta di tufo battuto, terriccio, e qualche pezzo
posa del gradino in fronte ai piedistalli di tufo e di malta; X, XII terra battuta, p. 326 grosso m. Ol 15.
allo zoccolo del cono; p. 318 X, IX mass. di tufo, — In XI entspricht 6" bis 9° nur eine einzige
nach dem Maßstabe rund O'io" stark, laut p. 325 starke Lage terra e tufi; die lockeren Schichten sine"
quello Strato che porta i piedistalli dei leoni con la eben hier ineinander geraten.
152 F. Sludniczka
das älteste Comitiumpflaster, auf das die Stufen / in Fig. 95 und 78, höchstwahr- scheinlich der alten Curia Hostilia gehörig, hinabführten.^^")
11", seine nächste Bettung, besteht wiederum zumeist aus Erde mit Tuff- brocken und anderen festen Bestandteilen; nur bei X, wo sich bereits Schicht 8" ausnehmend solid gefügt erwies, senkte sich, offenbar infolge des besonders tief hinabreichenden, sumpfigen Erdreichs, jene weiche Füllung gleich so tief, daß darüber erst durch mehrere feste Packungen von Tuff und Kies die Planierung gesichert werden mußte. ^^') Dagegen
12", das durchgehende festere Unterlager des Estrichs 10" (auch dieses in X natürlich mitgesunken), ist fast überall nach der Oberfläche zu aus Trümmern flacher und hohler Dachziegel einfacher Form geschichtet, die sich teilweise ganz zu- sammensetzen ließen, also wohl nicht fern zerbrochen waren, und zwar, wie darunter liegende zahlreiche Spuren, Kohle und angebrannte Hölzer (tizzoni) lehren, beim Brand eines oder mehrerer Bauwerke, wahrscheinlich auch der Curie, nach der hin sich die Brandreste mehren. 1^*) Von den Wänden derselben Gebäude rühren auf das Romulusgrab zu häufiger auftretende Brocken von ungebrannten Lehmziegeln her. 13-')
13". 14" und was sonst noch unter der Dachziegelschicht über dem gewachsenen Boden liegt, sind nur wieder unterschiedliche Lagen mehr oder minder fest ge- stampfter, bald kohlenhaltiger, bald lehmiger Erde mit Tuffbrocken und Kies.'*")
Zu chronologischen Versuchen bieten auch die Schichten unter dem Romulus- grabe, wenngleich viel spärlicher als die höher liegenden, kunstgeschichtlich mehr oder weniger datierbare Reste, namentlich Tonscherben. Leider sind sie mir nicht aus eigener Anschauung bekannt und veröff'entlicht hat Boni nur einzelne Proben. Aber seine Bestimmungen scheinen im allgemeinen richtig, nach fach- männischem Urteil, etwa von Savignoni, gemacht, und so dürfen sie einer vor- läufigen Erwägung wohl zu Grunde gelegt werden.
"^) Boni IX massicciata di tufo fino battuto, Tuffestrich 10" liegen die Schichten X, XV bis xvm,
nach p. 336 hier 0*09 "" stark; in XI bis XIII die meist aus Tuff und ghiaia, zusammen, nach p. 325.
unterste massicciata; am genauesten dargestellt X, XIV, 0'325"' hoch.
hier nach p. 326 dick O'oS "", di tufo rosso, finamente "') Boni IX, X, XX, XII, XIII embrici e tegole,
battuto, alquanto concrezionato alla superficie, pro- in IX 0.21™ stark (p. 337), in X 0"255°' nach p. 327,
babilmente per causa del calpestio. Vgl. Hülsen wo die ausführliche, reichlich illustrierte Beschreibung.
S. 38 s. Nur in esplor. XI fehlen die Ziegel und nimmt
''') Boni IX terra e grumi di argilla, O'az™ dick ihre Stelle, soviel zu erraten ist, terra sabbiosoargil-
(P- 337); XI terra; tufi, concrezioni e ghiaia; XII losa; terra con ossa e fittili ein. Vgl. Hülsen S. 38 ?.
terra e tuli; XIII terra carboniosa; terra e tufo; "^) Boni 1900 p. 330 f.
dagegen erst X, XIX terra, tufi e qualche ciottolo, ''"') Boni IX (mit p. 337) terra arenosa a
o'l25 stark (p. 327), darüber aber bis zu unserem superficie sparsamente glareata, con tufi; terra car-
Allärc mil (inihfiikimintTn '53
Das Archaische überwiepft durchaus, aber das j,rilt auch vf)ii (k-r Opfer- schicht 4", die nur ihre verhältnismäüig- wenigen jüngsten Bestandteile in den Anfang des ersten vorchristlichen Jahrhunderts festlegen; eine hier wohl zu beherzigende Lehre. Es fanden sich Villanovascherben unter und noch über der Ziegelschicht'") (in 11"), aber ebenso, bereits in 13", auch schon „bucchen^ lucido" und Protokorinthisches, welches dann, nebst seinen heimischen Nachahmungen, wie begreiflich vorherrscht und noch in 6", unmittelbar unter dem Romulusgrab, wie ja selbst in 4", vorkommt."") Wer kann überhaupt, bei dem sehr conservativen Charakter der römischen Kunstübung vor dem zweiten punischen Krieg, an den uns oben schon die vergleichende Betrachtung der Profile des Romulu.s- grabes nachdrücklich erinnert hat, sagen, wann diese Ware in Rom aulJer Gebrauch kam? Fragmente von „bucchero greve" aus der Tiefe von 7" schreibt Boni dem fünften bis dritten Jahrhunderte zu und weiter unten, in Schicht 8", fand er eine Scherbe „a vernice nera, etrusco-campana," doch wohl von einer der ganz mit matterem Firnis überzogenen Vasen, die bis zum Aufkommen der arretinischen gebräuchlich waren."-') So wenig ohne Nachprüfung der Originale auf diese Angaben gebaut werden darf, bis auf weiteres verdienen sie um so eher Glauben, als sie gar übel stimmen zu des Berichterstatters erster, jetzt, wie es scheint, auch für ihn wankender Meinung,'^*) die Denkmäler unter dem niger lapis seien bereits von den Galliern zerstört worden. Hätte dieser Gedanke Boni nicht beherrscht, dann wäre sicherlich auch ihm ein anderer, entgegengesetzter aufgestiegen, der jedesfalls einmal ausgesprochen und durchgeprüft werden muß. auf die Gefahr hin, dalJ er sich gleichfalls als Irrtum erweist.
Wer sich des chronologischen Wertes der Residua von den Perserkatastrophen auf der Akropolis und in Naukratis ''■'') entsinnt, wird im Schichtendurchschnitte des Comitiums den Gallierschutt suchen und alsbald zu finden glauben. Woher eher, als von der mutwilligen und gründlichen Zerstörung der Stadt durch den das nahe Capitol umlagernden Feind, in deren Schilderung der fragor ruentium
boniosa; X, XXI terra battuta e munitio di j>hiaia '*•') Boni igoo p. 336 esplor. VII, VIII; zu (p. 333), XXn terra carboniosa, XXHI terra nerastra der letzteren Gattung vgl. Savignonis Ausdrucksweisc, compenetrata di ghiaia. XI tufo e argilla; terra ar- Notizie degli scavi 1900 p. 144, wo unter den Funden gillosa e ghiaia; XII terra e tufi; tufi c ghiaia; tuli der stips votiva aus nacharchaischer Zeit erscheinen pianeggianti; terra carbone e ghiaia; XIII terra argilla frammenti di vasi ctrusco-canipani ed altri di fabbriche e tufo; terra nera, carbone; argilla (vielleicht schon aflini, ornati di striscie dipinle in bianco suUa ver- gewachsener Ton wie in X, XI). nice nera u. s. f.
"') Boni iqoo p. 334 Fig. 38 aus X. XXm(etwa '**) Boni 1900 p. 340, vgl. 1890 p. 488 und
unsere 14"); p. 337 Fig. 40 aus IX, in unserer ll". oben Anm. 56.
'*') Boni 1900 p. 335 esplor. I ff. '") E. Gardner, Naukralis II p. 36. 55.
154 F. Studniczka
tectorum ein Hauptzug ist, nach der zur Wiederherstellung vor allem ,tegula publice praebita est',^*") kann unsere Ziegelschichte 12" mit ihren Brandresten herrühren? Solch ein Zusammentreffen als ein Ungefähr zu erweisen, bedürfte es zwingender Gründe: die Schichte selbst oder etwas darüber stehendes müßte sich als sicher älter wie das Jahr 382'*') ausweisen.
Form und Maße der Dachziegel sind freilich altertümlicher als die classischen italisch - römischen ; aber sie für wesentlich vorgallisch zu halten, finde ich kein Anzeichen, und gibt es eines, dann beweist es nichts, weil die Barbaren sicher auch recht alte Dächer zerstört haben und namentlich das der Curia Hostilia dazu gehört haben kann. Die zwischen den Ziegelbrocken gefundenen Scherben von schwarzbunten „rhodischen" Gefäßen'**) verschlagen aus ähnlichen Gründen ebenso wenig, was uns am wirksamsten die schwarzfigurigen Bruchstücke der caesarischen Füllung 2" zu Bewußtsein bringen können (oben S. 148). Es wird erst wieder sorg- faltig zu prüfen sein, wie alt die jüngsten Bestandteile dieser Schichte sind.
Das, was sie zu tragen bestimmt war, der Tuffestrich 10", ist allerdings der früheste solide Belag des Comitiumbodens, aber der Glaube, daß dieser älter sein müsse, wie er hier angesetzt wird, entspricht eher modernen Anforderungen als den mir bekannten antiken Zeugnissen. Noch die glänzende hellenistische Agora zu Magnesia am Maeander scheint, obwohl gleichfalls auf sumpfigem Boden ange- legt, ursprünglich ohne Pflaster gewesen zu sein'*^) und die wertlosen kleinen Steine, die man nach Piaton auf dem athenischen Markt auflesen konnte/^*') ge- hörten eher zu noch schwächerer Schotterung, etwa wie sie für das Comitium schon die Tuffbrocken und Kiesel der untersten Schichten 13" und 14" bezeugen. Was Wunder also, wenn die römische Dingstätte nach dem Gallierbrand und noch etwas später (Schicht 7") erst bloß axupüjxä, mit XaxÜTir; gepflastert war, wie die Feststraße von Kyrene zu Pindars Zeit.*''')
Von den über der Ziegelschicht aufgestellten Monumenten halte auch ich
"^) Livius 5, 42; 55 (letztere Stelle, merkwürdig für Pflaster aus kleinen Steinen angeführt von Wachs-
genug, von Boni 1900 p. 329 zu der Ziegelschichte muth, Stadt Athen II I S. 307 A. 5 ; vgl. was der dort
citiert). Diodor 14, 115, 6; 116, 8. citierte Becker (und GöU), Charikles-* II S. 194 f.
•") Ed. Meyer, Gesch. d. Altert. V S. 152 f. beibringt und besonders Nissen, Pomp. Studien
"*) Boni 1900 p. 332 Fig. 34, 35, vgl. Böhlau, S. 516 ff. Als classisches Zeugnis für den Zustand
Aus ion. und ital. Nekrop. S. 89 ff. der Straßen in einer kleinasiatischen Stadt des 3.
*^') Jahrbuch IX 1894 Anz. S. 77 (Humann). Jahrh., vielleicht Ephesos, kommt hinzu Herodas 1,13
■50) piaton, Eryx. p. 400 D st tlj 'ASTJvrjcjtv xoö- i'i 5s zaXc, Xaüpats 6 nrjXöj äxpi; E-fvuSv npoasaxTjxsv.
TO)V Ttöv X£9-tuv TÄv SV zf) ä-fopä ol; oüSsv Xf^'l'-^^"- '^') Pindar, Pyth. 5, 125; vgl. Böckh, Staats-
xsy.xTjiiivo; sItj X'^'°' "J^a^-avia aTaS-jiov, sauv öxi äv haushaltung' I 257 a; Hiller v. G.Hrtringen, Thera
JlXouoHUTEpos V0|i£iJötTO sTvai 8ia toüto; als Zeugnis I 2671.
All.'irc mit (Iruhcnkammcrn l.SS
ilt'ii Tiischriftsteiii // für liedeutend älter als rlic Gallicrkatastropho (oben S. 135), (loch st'h' ich nicht das ^erin^ste HindcTiiis auzunelimcüi, daü er sie überdauert hatte und dann zwar unj>efahr an seiner alten Stelle, jedoch auf einem Neubau wieder aufjuferichtet wurde, wie so manches altattische Denkmal nach der Perserinvasion.'''*) Den Stufenbau, /.u dem ./ yehürt, und dessen Niveau, der Tuffestrich 7", noch wesentlich jünger sein muß, als der mit der Ziegelschichte zusammengehörige 10", will allerdings ein so genauer Kenner ^iltrömischer Architektur wie Richard Delbrück in der oben S. 135 angekündigten Schrift lieber noch in das sechste Jahrhundert V. Chr. setzen, jedoch nach technisch-stilistischen Indicien, die mir bei der Spärlich- keit des Denkmälerbestandes und dem hier schon öfter betonten Conservativismus der tuskanisch-römischen Kunst nicht durchschlagend erscheinen wollen. Das Romulusgrab endlich darf, nach der obigen, von der in Rede stehenden Frage durchaus, auch im innerlichsten Ursprung, unabhängigen Darlegung, so nah an 300 oder sogar darüber hinab rücken als irgend nötig. Es wird noch neu ge- wesen sein, als gerade hier auf dem Comitium, vielleicht dicht bei ihm, die kindersäugende Wölfin der Ogulnier aufgestellt ward (oben S. 145).
Das alles bedarf ohne Frage der Nachprüfung, aber — so hoffe ich — ver- dient sie auch. Der für unsere nächste Aufgabe wichtigste Teil, die cuUliche Deutung der Anlage (S. 137), scheint mir indes gesichert.
3. D a s R a u w e r k vor d (i m alten Tempel in I' o m ]) e i i.
In diesen Zusammenhang gehört schließlich gewiß irgendwie auch ein Denkmal der Landschaft, aus der oben das älteste bildliche Zeugnis für Altäre mit Türen beigebracht wurde (Fig. 75). Vor dem wahrscheinlich im sechsten Jahrhundert errichteten dorischen Tempel am foro trianguläre zu Pompeii liegt an der Stelle des Hauptaltars das rätselhafte Bauwerk, welches Fig. 96 innerhalb der Gesamtansicht Weichardts, Fig. 97 abermals nach Richard Delbrück verdankten Originalskizzen, im Grundriß — nach Koldewey und Puchstein mit dem Plane der Tempelfront '''•'') zusammengefügt — und Durchschnitt wiedergibt. Es besteht aus ganz demselben opus caementicium (genus incertum) von Sarnokalkbruchsteinen mit „Tuffziegeln" an den Ecken, das nebenan in den Holconierstiftungen beim
'") Die meisten zusammengestellt von Michaelis namentlich von v. Duhn und Jacoby, Sogliano, Mau,
im Hermes XXI 1886 S. 494. Weichardt; vgl. die Recension von Mau in den
'") KüUlcwcy und Puchstein (citiert Anm, 100I, Rom. Mitth. XV I900 S. 12G IT. und desselben
Taf. 5, 1 S. 4; ff. mit Benutzung aller Vorarbeiten, l'ompeii 1 26 f.
Jahreähcftc des üsterr. archäol. Institutes Rd. VI. 21
156
F. Studniczka
Theater wiederkehrt und vor ihrer, der augusteischen Zeit gfenau so nicht vor- kommt."*)
Es ist ein Höfchen von 5'75 '" zu rund 7™ äui3erem Umfang-, die Außen- mauer o'5o"' bis o'6o™ stark, i'ßö"' hoch einschließlich der vorspringenden Deck- platte von Samokalk. Über ihr liegt noch ein margo oder columen von der heute so gut wie bei den Alten üblichen Spitzbogenform, '^^) mit vollständiger als
Fig. 96 Der alte Tempel in Pompeii mit den vor ihm liegenden Bauwerken.
an den Wänden erhaltenem Stuckverputze, so daß Delbrück, gleich Koldewey- Puchstein und Weichardt, der ihn in seiner Skizze '•^^) wegläßt, an der Ursprüng- lichkeit dieses Abschlusses zweifelte, während ihn Mau unbedenklich mitgemessen hat (i'8o"' Höhe). Zugänglich ist die areola nur vom Tempel her durch eine Türöffnung von 2-23 " lichter Weite, die jedoch nach Ausweis der Einarbeitungen an beiden Enden der Lavaschwelle steinerne Türpfosten auf rund i'so"" einengten und zugleich, der rechte schmäler als der linke genommen, in die Mitte der Wand zurechtrückten. Aber der unverengte, excentrische Durchlaß gibt Lage und lichte Breite"') an für das 2'83'" tiefe Rechteck, das vom übrigen Innen- raum ein Mäuerchen, o'3i ™ stark und ohne den margo o'34'" hoch, absondert. An den vier Ecken ist es besetzt mit Cippen einer dem Mauerprofil samt Abschluß
•'*) Mau, Pomp. 127. '5'') Dies freilich nur nach Delbrück, während
'") Wiegand in der Anm. 09 angef. .Schrift 715. die lichte Breite des kleinen Rechtecks nach
'^'') Weichardt, Pompeii S. 27 Fig. 32; kleine Koldewey-Puchstein rund 250 '", nach Nissen, Pomp.
Ausgabe S. 58, 37. Studien (S. 340) 253 "" betragt.
Altäre mit Orulx'nkjinniiTn
'57
entsprechenden, nur oben abgerundeten Form, wovon einer fehlt. Die Quermauer dieser niedripfen Einfriedung- hat in der Mitte eine Öffnung von etwa o'6o"' Breite (nach Delbrück; nach Koldewey-Puchstein etwa o'8o"'), mit ganz unbe- festigten Ecken.
AUäTc
031
A -
•---B
Tempelstufen
1 |
|||||
11 |
1 7 3 4 S |
' 7 M 1 |
Fig. 97 Das Bauwerk vor dem alten Tempel in Pompeii.
Nachdem für die.sen „recinto'' die verschieden.sten Deutungen aufgestellt worden waren, '■''*") hat Nissen ausgesprochen und Mau dargelegt, daß er seine nächsten Analogien in Grabanlagen findet. Das einfach ummauerte Grabtemenos ist im Osten gebräuchlich und im Heroon zu Trysa monumental gestaltet.'''') In
'") Die wichtigeren, von Gell und Mazois, an- '") Vgl. Benndorf und Xiemann, Das Heroon
geführt bei Overbeck-Mau, Pompeii* S. 89, vgl. von Gjölbaschi-Trysa (aus dem Jahrbuch d. kunst- Nissen a. a. O. bistor. Samml. d. Kaiserhauses 1889) S. 42 ff.
21»
158 F. Studniczka
Pompeü selbst aber findet sich ein dem unsern ganz ähnliches Beispiel, das Grab des Aedilen T. Terentius Felix vor dem herculanischen Tore (Fig. 98 '^*'). „Ein unbedeckter ummauerter Raum" von annähernd gleicher Ausdehnung, 1 I 1 ,, durch eine Tür zugänglich; an der für den Eintretenden linken Wand ■ J I ^'" kleiner gemauerter Tisch oder Altar. Unter diesem war die Asche ™ *■■ des Felix beigesetzt . . . Gegenüber, rechts, in einem durch eine
F'g- 98 niedrige Mauer abgeteilten Raum, weitere Aschenurnen, wohl von Angehörigen und Freigelassenen ... In dem mittleren Räume fand
Felix in man Reste des Totenmahles, namentlich Schalen von Austern und
Pompeü. sonstigen Muscheln." (Mau.)
In der Tat, „unverkennbar ist die Ähnlichkeit der ganzen Anlage mit dem rätselhaften Bau vor der Treppe des dorischen Tempels." Obendrein sollen nach alten Berichten zwischen den beiden Mauervierecken menschliche Knochen gefunden sein,*"^) worauf freilich nicht allzu viel gebaut werden dürfte, da sie vielleicht doch auch während des Vesuvausbruches Schutz suchenden angehört haben könnten. Aber einleuchtend bleibt trotzdem die Auffassung des Hufeisens als Bestattungs-, des kleinen Rechtecks als Cultraum.
Jedoch nicht minder gewiß bleibt die fundamentale Tatsache, daß dieses einem Grabe gleichende Monument die Stelle des großen Altars einnimmt, und dies von Anbeginn. „Sicher sind zwar diese Mauern ihrer Bauart nach nicht älter als die Kaiserzeit; ebenso sicher aber sind sie nur die Erneuerung eines älteren Baues. Denn die [drei] zweifellos viel älteren [wahrscheinlich oskischen] Altäre sind doch nur deshalb seitwärts gelegt worden, weil der Platz vor der Türe schon besetzt war" (Mau). Ja die Verschiebung des „Grabes" aus der Mittelachse des Tempels möchte den Gedanken nahe legen, jenes sei früher da gewesen als dieser, da sich offenbar das kleine Heiligtum so viel leichter nach dem großen hätte richten können als umgekehrt.
„Also ein Grab an heiligster Stelle vor dem Tempel, der gewiß seinerzeit der Haupttempel der Stadt war. Barg es etwa den oder die als Heroen verehrten Gründer der Stadt?" (Mau; vgl. oben S. 145). Schwerlich. Es muß eben, wenigstens ursprünglich, zugleich der Hauptaltar gewesen sein, also dem Inhaber des Tempels selbst angehört haben und dieser war doch sicher kein heroisierter Mensch, sondern ein Gott, nur eben ein chthonischer, gleich dem amykläischen Hyakinthos. Altäre wie der seinige werden wir alsbald in Thasos dem Apollon und Hermes,
*^") Mau, Pompeü Plan IV 2 S. 406 f. Overbeck- '■^') Mau, Pompeü 127; Derselbe, Führer durch
Mau' 399 bei 26, S. 404 f. Pompeü ^ 38.
Altäre mit Grubenlcimmcrn '59
dem Herakles und Dionysos geweiht finden; auf letzteren könnte in l'ompeii die Nachbarschaft des Theaters hinweisen."'-) Diesen chthonischen Grubenaltären wird unser Denkmal einst auch im Aufbau geglichen haben; es ist mir ein gutes Omen, daß es Weichardt mit Reliefs nach dem Vorbilde der thasischen er- gänzte.'"^) Dann ward es, vermutlich mit dem ganzen Tempel, gründlich zerstört. Die späten römischen Hersteller aber hielten sich, wie die amykläische Cultsage, vor allem an die Deutung als Grab der Gottheit und wählten danach die Formen ihres Neubaus. Der Grundriß aber blieb dabei unverändert, so wie wir uns den des Hyakinthosaltars und der gleich zu besprechenden thasischen denken müssen. Mögen diesen Erklärungsversuch Tiefgrabungen bestätigen oder berichtigen.
III. Orthostaten thasischer Marmoraltäre.
Die nachgewiesene Altarform bietet endlich den Schlüssel zum tektonischen Verständnis zweier Gruppen archaischer Reliefs von der Insel Thasos.
I . Vom Altar der Nymphen und Chariten. Die von E. Miller im Jahre 1864 aus Thasos in das Louvremuseum gebrachten Reliefplatten, sind oft genug besprochen worden als charakteristisches Zeugnis aus dem Beginne jenes Kunstfrühlings, der mit der Persernot über Griechenland kam.'*'^) Erschöpft ist ihre Bedeutung auch in dieser Hinsicht nicht, zumal was die Eigenart thasischer, überhaupt insel-ionischer Bildnerei im Zeitalter Agiophons betrifft. '"'') Noch dringender aber bedürfen ihre tektonischen Formen der Feststellung und Er- klärung. Denn die hierüber bisher veröffentlichten Angaben, auch die ausführlichsten, sind unvollständig wie die des Fröhnerschen Katalogs,'"") oder obendrein in wesent- lichen Punkten irrig wie die von Rayet und Michaelis."'") Die des letzteren gründen sich nicht auf die Steine selbst, sondern auf Gipsabgüsse, in denen nicht nur die
'") Vgl. Koldewey u. Puchstein a. a. O. S. 49, den Ath. Mitth. XXV 1900 S. 382 ff., der sich aber
die somit Dcgerings Versuch, aus einer oskischen mit anderen von Furtwänglers Hypothese über den
Inschrift Minerva als die Tempelherrin nachzuweisen parischen Ursprung der Sculpturen des olympischen
(Rom. Mitth. XIII 1898 .S. 140 f.), nicht für so Zeustempels hat irreleiten lassen. Vgl. auch G. Mendel
überzeugend halten wie Mau, Pompeii 128. im Bull, de corr. hell. XXIV 1900 p. 572 f.
'") Weichardt, Pompeii 27; kl. Ausg. 57. "') W. Fröhner, Notice de la sculpt. ant. du
'**) O. Rayet, Monum. de l'art antiq. I Taf. 22 Louvre I' p. 32 ff.
mit sechs Selten Text. Brunn, Denkm. gr. röm. '*'') Amer. joum. of arch. V 1890 p. 417 ff.
SUuIpt. Taf. 61 und Gr. Kunstgesch. II 213 ff.; Michaelis hat diese seine unhaltbare Reconsiruction
CoUignon, Hist. de la sculpt. Gr. I 275 ff. Unsere soeben nochmals abgebildet: Slraßburger Antiken,
Fig. 99 und loi nach Aufnahmen Giraudons, Fig. 100 Festgabe für die archäol. .Section der XLVI. Ver-
nach Rayet. Sammlung deutscher Philologen und Schulmänner,
"*) Hierüber handelte neulich R. Delbrück iu Straßburg 1901 S. 23.
l6o F. Studniczka
formlosen Rückseiten der Blöcke weggeschnitten, sondern auch gewisse bedeutsame Einarbeitungen zur Erleichterung des Abformens verstrichen sind. Die Ergebnisse meiner eigenen Untersuchung der Originale haben mit gewohnter Bereitwilligkeit E. Michon und Carl Robert in wichtigen Einzelheiten, zuletzt aber im Ganzen der Studierende der Kunstgeschichte Joseph Kern, Mitglied des archäologischen Semi- nars der Universität Leipzig, nachgeprüft und vervollständigt. Was so festgestellt ist, veranschaulichen die den photographischen Abbildungen Fig. 99 bis 101 bei- geordneten Risse von drei Schmalseiten jeder Platte, nach vorn aufgeklappt zu denken, durchaus zureichend, obschon sie minder wichtiges nur schematisch andeuten. Dies gilt namentlich von den formlos gebliebenen Rückseiten und von gewissen roh ein- gehauenen Vertiefungen, die mit der ursprünglichen Form der Steine nichts zu schaffen haben und frühestens herrühren können von ihrer sepulcralen Wiederver- wendung in römischer Zeit, welche die späte Inschrift auf dem Nischengeison des Hauptblockes . . . laioxpä-crj? 'Eptoto? bezeugt. Einige unwesentliche Kleinigkeiten werden, nach eigener, in letzter Stunde möglich gewordener Revision der Origi- nale, im Texte zu berichtigen sein.
a. Das Wesen des Denkmals. Vor uns stehen drei in sich bis auf kleine Verletzungen vollständige Platten aus schönem körnigen Inselmarmor, der auf Thasos selbst brechen soll (Rayet p. 2), alle drei rund o'gj ™ hoch, aber sehr ungleich in der Breite, die größte 2'o8 ™, die kleineren o"93'" und 0-945™ messend. Die Dicke beträgt bei der ersteren bis gegen 0-45 "", bei den letzteren bis gegen o-^-j"'. Das große Relief zeigt beider- seits einer Türnische links ApoUon von einer Frau bekränzt, rechts drei heran- kommende Göttinnen. Einen ähnlichen, nur rechtshin schreitenden Dreiverein und den lebhafter im Gegensinne bewegten Hermes, auch ihn von einer Frau be- gleitet, stellen die beiden kleineren Tafeln dar.
Die Namen der meisten von diesen zehn Gottheiten nennen die alten In- schriften.'''*) i\uf den beiden Fascien oberhalb der Nische lesen wir: N6|icpyj;cjiv x 'AnoW^wvt Nujiiyyjye-ajt ö'VjXu %«.l apc- £v ajx pöXrji TipouepSsv, Sov ou d-i\).:Q oüSe y(oipoy ■ QU Tiatwvt^ETa:. Nur als Fortsetzung hievon ist verständlich, was auf der Reliefplinthe zu Füßen des Hermes steht:
Xapiatv alya. oö ^en'.? oCiSe y^oipoy.
'*') Inscr. Gr. ant. n. 379; Dittenberger, Sylloge 11^ 418 n. 624; Michel, Recueil 611, 706.
Altäre mit Grubcnkammcm ' f* '
Nach Zusammeiihanj»' uiul 'rrt'iiiiuiijif dieser Vorschriften (gehören die beiden Platten an zwei wesentlich pfesonderte Teile eines und desselben Denkmals (Rayet p. 5), deren einer den Nymphen und ilirem Führer Apollon, der andere den Chariten und ihrem, als selbstverständlich zu ihnen gehörig gar nicht ausdrücklich genannten %£(iü)v Hermes ""•) gewidmet war. Es ist dieselbe Göttergesellschaft, die der Theraeer Archedamos in der Hymettosgrotte zu Vari verehrte, nur daß dort die Stelle des Zeugungsgottes Hermes sein wesensverwandter arkadischer Sohn Pan einnahm.'"")
Des Charitencultes bekannter chthonischer Charakter, der in Paros, der Muttergemeinde von Thasos, Bekränzuiig und Flötenspiel ausschloß,*'') wirkte hier auch auf die Apollonseite hinüber, wo deshalb der Paean untersagt war, ge- rade wie bei dem Trauerfest an dem eingangs besprochenen Hyakinthosgrabe, "-) dort zusammen mit dem Tanze, dessen sich in unseren Reliefs auch die sonst so tanzlustigen Nymphen und Chariten enthalten, während Apollon Saitenspiel und Gesang wenigstens unterbricht.
Auch über die Bestimmung der Platten geben die Inschriften Auskunft. Schon die Kleinheit ihrer Buchstaben setzt Aufstellung nahe dem Erdboden vor- aus (Rayet p. 2). Dem entsprechend verweist sie ihr Inhalt an einen Opferplatz. Solche Ritualvorschriften finden sich nun entweder, gleich anderen Gesetzen, auf besonderen Stelen'"^) oder, namentlich kürzere, an den Altären selbst.''*) Nur diese zweite Möglichkeit kommt bei der Größe und sonstigen Eigenart der Werkstücke hier in Betracht. ""') Und zwar gehörten sie zusammen einem der ß(0[ioJ xotvoc oder 5tSu|iOi, unter deren überlieferten Beispielen sich eines, zu Olympia, findet, das den beiden männlichen Führern dieser weiblichen Göttervereine gemeinsam war.'"')
Es heißt dem Nächstliegenden künstlich aus dem Wege gehen, wenn man die Reliefplatten statt dem Altare selbst nur seiner Umgebung zuspricht. Die
">') Pauly-Wissowa III 2159 n. 35 (Esclier). '"') So die besonders ähnliche Inschrift von
Ein hübscher Beleg für diese Zusammengehörigkeit Lesbos, Conze, Reisen auf L. Taf. 4, 3 S. 1 1 ; Cauer,
des Hermes mit den Chariten ist auch das in dieser Delect. inscr. Gr.^ n. 435, und die ausführliche von
Zeitschrift III 1809 S. 23lff. von Wilhelm erläuterte Oropos I. Gr. Sept. I n. 235; Dittenberger, Sylloge^
altattische Hermenepigramm. n. 5^9-
'■">) CIA I n. 423—430. "*) CIA I n. 5; vgl. O. Rubensohn, Mysterien-
''") ApoUod. Bibl. 3, 15, 7, 4; vgl. den Com- heiligt, z. Eleus. u. Samothr. 196 A. 8 und Ath.
mentar zu unserem Denkmal von Michaelis in der Mitth. XX 1895 S. 168. — CIA II 3 n. 1665 f. —
Arch. Zeitung 1867 S. 5 und Escher a. a. O. CIL XII n. 4333.
S. 2160 f. "') So vermutete schon J. Harrison, Mythol.
'") Athenaeus 14, 139 D, herangezogen von and monum. of Athens 544; vgl. Stengel a. a. O.
Dittenberger (oben Anm. 168). Über chthonische (s. Anm. 172) S. 15 A. 14.
Beziehungen Apollons vgl. Stengel, Gr. Cultusalt.^ '") Paus. 5, 14, 8; vgl. Reisch bei Pauly-
(I. V. Müllers Handb. d. cl. Altert. V 3) 112. Wissowa I 1658.
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Fig. 99 a Aufriß der Tür.
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Fig. 100 Chariten.
Fig. 99 — loi Die drei Ihasisclien Reliefs mit den N
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Artemis, Nymphen.
Fig. 99 b Schnitt der Tür.
Fig. 10 1 Hermes und Hekate.
hen und Apollon, den Chariten und Hermes im Louvrc.
164 F. Studniczka
hiefür gemachten Vorschläge sind denn auch an sich unglaublich. Die Herkunft solcher Blöcke von dem ^piyy.ö; Xiil-wv'") einer Opferstätte, nach Art etwa der Nikebalustrade, zu der nur die Höhe passen würde, hätte Rayet nicht einmal für möglich gehalten, wäre ihm die ganze Dicke wie die unregelmäßige Bearbeitung der Rückseiten gegenwärtig gewesen. ''') Und sein zweiter Hinweis, auf den perga- menischen Prachtbau, mag er nun mehr auf den Reliefschmuck des Sockels oder auf den der Hofwände gemünzt sein, darf getrost als Anachronismus abgelehnt werden. Vollends aber das, was Michaelis im Straßburger Museum aus den hinten abgeschnittenen Gipsabgüssen aufgebaut hat''-'): eine Nische von 2-10™ Breite und rund 1-50 "" Tiefe, eingefügt man weiß nicht in was für einen Hintergrund, um ein Feldsteinaltärchen hineinzuzwängen, wäre für einen Cultplatz, wo Ziegen und Schafe, vielleicht auch Rinder geschlachtet wurden, nur ein seltsam er- fundenes Bewegungshindernis.
Dagegen fügt sich alles zu einem stattlichen Altar, wie wir deren jetzt aus verschiedenen Perioden nicht wenige kennen. '■^'') Die roh gelassenen Rückseiten unserer Steine passen zu nichts besser, als zum Einfassen der Füllung von Erde, Schutt und Asche, das z. B. bei den früharchaischen Opferherden zu Gaggera und am Tempel D in Selinus, '*') wie noch bei dem zu Beginn des Peloponnesischen Krieges errichteten Altar der Athena Hygieia'*^) ganz ähnlich bewerkstelligt wurde. Dem Mangel jeglichen Verbandes durch Klammern und Dübel — deren es höchstens in den mir unbekannt gebliebenen Unterflächen gegeben haben könnte — begegnete die Standfestigkeit so mächtiger Orthostaten, bei dem längsten noch durch erhebliche Verbreiterung nach unten erhöht. Die verbandlose Con- struction findet sich ja auch sonst nicht selten, in unserm Zusammenhang am Romulusgrabe (Fig. 81). Der reichlichen Tischhöhe der thasischen Platten (o"93'") und ihrer Dicke (o"45'" bis 0-3 2™) stehen nahe genug die entsprechenden Maße — das der Höhe natürlich an dem gerade aufgehenden Teile genommen, einerlei, ob er selbständig oder mit den Profilen oben und unten zusammen gearbeitet ist —
"'') Zur Wortbedeutung s. Fabricius, De archit. "") Vgl. Reisch im Artikel „Altar" bei Pauly-
Gr. 57, unter Berufung auch auf Euripides Ion. 1321 Wissowa I l662fF.; Koldewey und Puchstein (oben
Kirch.; dann aber gilt dieselbe Auffassung auch für Anm. loo) l8g f.
Vers 156, gegen die noch von O. Hense, Philol. '*') Koldewey und Puchstein a. a. O. Taf 11
LX 1901 p. 383 vertretene Erklärung; die Scene S. 84 Gaggera, Taf. 13 S. Iio .Selinus D. Vgl. noch
stellte eben im Vordergrunde die Temenosmauer dar. S. 152 r. und 170 r. ; auch Koldewey, Neandria, 51.
"') Rayet p. 2 wo die Plattendicke viel zu klein Progr. zum Winckelmannsfeste Berlin 189I S. 28
angegeben ist; p. I erwähnt Rayet freilich aus Millers und Puchstein im Jahrbuch XI 1896 S. 68. erstem Berichte die Formlosigkeit der Rückseite. "-| Michaelis, Arx Athen.' tab. 38, 2; Wolters
'"') Oben S. 159 A. 167. vgl. S. 167. in Ath, Mitth. XVI 1891 S. 161.
Altäre mit Grubenkammern
'65
der verglichenen Altäre: an beiden selinuntischen Höhe runrl o-yo'", Dicke in Gaggera o'38"', vor dem Tempel D 0*45 '"; am Hygieiaaltar erhaltene Höhe o'88"', Dicke o'ßß™. Dazu kommt der große hellenistische Triglyphenaltar beim Thersileidii in Megalopolis '**•') mit etwa o"86"' hohen inul durchschnittlich o'jo'" dicken Werkstücken und zwei römische Beispiele: der von Furtwängler aus dem Münchener Poseidonfries und dem Pariser Suovetaurilienrelief so schön zusammengefügte des Cn. Domitius Ahenobarbus mit 0-84"' Orthostatenhöhe "'^) bei unbekannter Stärke und die Ära incendii Neroniani mit 0-94 "" Höhe, o-6o'" Dicke."*'') Dargestellt ist ein Altar von ähnlicher Höhe unter anderem im Friese des delphischen Knidierschatzhauses (Fig. 102"*''). Auch die Breite des größ- ten thasischen Blockes, 2- 10'", welche freilich noch beiderseits, aber, wie sich zeigen wird, nicht um sehr viel hin- ter der des ganzen Denkmals zurückbleibt, steht dem entsprechen- den Maße zum Beispiel des Hygieiaaltars (2 •21 '")
nahe genug. Fig. 102 Friesplatte vom Knidierscliatzhaus in Delphi.
b. Die Stoßflächen.
Aber wie sind die drei erhaltenen Orthostaten im Grundrisse des Altars anzuordnen?
Alle drei tragen .Spuren seitlichen Anschlusses anderer Werkstücke, in Ge- stalt einer nicht ganz ausgebildeten, jedoch am Originale noch viel deutlicher als am Abgüsse fühlbaren ävaO'üfwat?, mit glattem Saume von durchschnittlich etwa o'03'" Breite.
Der ApoUonblock zeigt diese Bearbeitung an beiden Seiten. Die daran- stoßenden Platten können, zunächst einmal nur mit einfach rechteckigen Formen
183) Journ. of. hell. stud. Suppl. I Excav. at Megalopolis 5 1 (Schultz).
'8<) Furtwängler, Intermezzi 38.
"*) Lanciani im Bull. com. 1889 Taf. 10 p. 331 f.; Hülsen in den Rom. Mitth. VI 1891 .S. I17.
•8*) Pomtow, Bcitr. zur Topogr. v. Delphi Taf. 12; Annali XXXIII 1861 T.af. B I (Conze u. Michaelis); HomoUe im Bull, de corr. hell. XVIII 1894 p. 184, 4. Vgl. die altetruskischen Reliefs oben S. 143 A. 97 mit Fig. 92.
l66 F. Studniczka
gerechnet, entweder der Länge nach (B) oder im Winkel nach hinten {A) abge- gangen sein. Nur daß sie rechtwinkelig heraussprangen (C'*''), ist von vornherein äußerst unwahrscheinlich; denn die hart an die Kanten gedrängten Randfiguren rufen entschieden nach einer Fortsetzung des Reliefgrundes wenigstens auf kurze Strecke, wie sie nach innen zu, beiderseits der Türnische, vorhanden ist. Erträglich wirkt solche Enge nur dann, wenn sie, wie bei Grabstelen, aus dem Maße des ganzen Denkmals folgt.
Die zwei kleineren Steine haben, trotz der gegenteiligen Versicherung, '**) avaö'upwats bloß an den Kanten im Rücken ihrer Figuren, die anderen, in Fig. loo und loi benachbarten Seiten zeigen unverkennbaren Eckschnitt, und zwar in symmetrischer Entsprechung. An die Vorderfronten stoßen nämlich im rechten Winkel schmale Ansichtsflächen, völlig ausgearbeitet, breit am Hermesblocke rund o'i3", an dem zweiten unbedeutend weniger, 0'ii5". Erst von ihnen biegen, im Winkel von etwa iio^ also mit der Reliefseite divergierend, Anschlußflächen mit schmalem glatten Saum ab, an ihren engsten Stellen in der Mitte fast genau so breit wie jene, rechts gegen 0T3'", links cii", oben und unten aber rasch viel breiter werdend, weil begrenzt nicht von scharfer Hohlkante, sondern von unregelmäßiger Bosse, die mit stumpfem Knick in die flache Rückseite übergeht.
Was hier anschloß, ist vorerst nicht zu sagen. Nur das muß gleich als ganz unglaublich bezeichnet werden, daß wir Außenecken des ganzen Denkmals vor uns haben. ^'*'') Denn an diese schrägen engen Stoßflächen passen keine starken Blöcke nach Art der erhaltenen; solcher aber bedurfte es an allen Außenseiten, um die lockeren Massen des Innern ringsum zusammenzuhalten. Der Vergleich des Hygieiaaltars und der Ära incendii '^'') bestätigt diese Voraussetzung.
Die beschriebenen Eckfalze waren es, was der Gipsformer behufs Verein- fachung seiner Arbeit zustrich, so daß im Abguß auch diese Schmalseiten einfach rechteckig erscheinen ;^^') bei genauerem Zusehen ist aber die Furche zwischen Marmor und Füllung deutlich. Mit der Feststellung ihrer wirklichen Form ent-
'ä'') So Michaelis, s. oben Anm. 167. '^'') Oben Anm. 182 und 185.
"*) Amer. journ. V 419 f., s. oben Anm. 167. ''') Grundrisse nach den Abgüssen s im Amer.
"') So glaubte Rayet p. 6. journ. V 420 f.
Altäre mit Gnibenkammero
167
fällt jede Mög'lichkeit, sie mit den beiden Stof3flächen der großen Platte zusammen- zufügen. Dazu sind jene wirklichen schrägen Stoßllächen an den Rückseiten viel zu schmal. Die seitlichen Ansichtsflächen aber und etwa gar ein Stück des Relief- grundes in den Fugen verschwinden zu lassen, widerspräche dem antiken Brauche wie jeder vernünftigen Arbeitsökonomie. Hiermit erledigen sich die Zusammen- fügungsvorschläge von Miller und die beiden von Michaelis, wie die folgenden Sch(^mata kürzer als Worte zeigen:
Miller "-)
T
Miiliaclis II >'")
An die Stoßflächen des Hauptblockes könnten eben nur die beiden anderen, gleich bearbeiteten Seiten der kleineren Stücke passen, so daß in gerader Linie die Hermesplatte links, die mit dem Dreivereine rechts anschlöße. Dann aber würden einander die Figniren zu beiden Seiten der Fugen fast unmittelbar mit ihren Rückseiten berühren, was niemand ohne zwingende Not annehmen wird. Auch die beträchtlich geringere Dicke der zwei kleineren Orthostaten widerrät, sie dem großen unmittelbar anzureihen.
c. Vollständigkeit, Entsprechung und Deutung der Reliefs.
Noch sicherer ausgeschlossen wird ein unmittelbares Zusammenreihen der drei Platten und überhaupt die Auffassung der kleineren als Fortsetzung anderer — etwa verlorener — Reliefs durch den beiderseitigen Abschluß ihrer Figuren- plinthen.
Die Füße der Götter ruhen nämlich nicht, wie gewöhnlich, auf durchgehen- dem Reliefrande, sondern auf Leisten, die nur soweit reichen, als die Darstellung es erfordert, doch wohl nach dem Gleichnis einfach tektonisch geformter Statuen- pHnthen, wie sie die archaische Plastik häufiger in Ton und in Bronze'**) als in
"') Rev. arch. 1865 XII p. 438 f., skizziert bei *'») Z. B. de Ridder, Catal. des bronzes de
Fröhner p. 38; s. oben Anm. 166. l'Acropole (Bibl. d. ecoles fran9. LXXIV) n. 595,
"^) Arch. Zeitung XXV 1867 S. I. 4. 603,778, 700; dreieckig mit l^erlenschnur und Kyma
'") Oben S. 159 A. 167. 793; melir im Index unter ,base'. Auf Steinbasen
Jahresliefte des ünterr. archäol. Institutes Kd. VI. 22
l68 F. Studniczka
Marmor""') verwendet. Rechteckig-e Leisten dieser Art kenne ich an der sitzenden Aphrodite von Thasos im Louvre, "") an der Stele von Syme,^"*) an der des Alxenor von Naxos, '"•') an der grimanischen Mädchenstele zu Berlin,^"") an der sogenannten trauernden Athena der Akropolis,-"') und, trotz der Verstümmelung ziemlich sicher, an dem unvollständigen archaischen Relief des Conservatoren- palastes. -"-) In freierer Bildung finden sie sich noch an den beiden größeren Friesen des Nereidenmonuments, "*'^) deren Platten ja meist einzeln, wie die des Phigalia- frieses, oder paarweis in sich abgeschlossene Gruppen enthalten. Nach diesen Be- legen wird der Brauch ursprünglich im griechischen Osten heimisch gewesen sein.
An den thasischen Reliefs ist die Plinthe complicierter gestaltet: als Abacus auf einfacher Hohlkehle, verwandt also dem nicht selten für Statuenträger ^"*) be- nutzten altdorischen Anten- und Pfeilercapitell. Das gleiche Profil zeigt der untere Reliefrand einer altattischen Kriegerstele, -''^) nur daß dort die Hohlkehle in das kleine untere Bildfeld verläuft, während sie hier, dicht über den Unterkanten der Blöcke, doch noch scharf absetzt, dem Gedanken der Selbständigkeit solcher Relief- plinthen besser Rechnung tragend. Bloß an dem Dreifrauenrelief schneidet, trotz Fig. 99 und loo, die Kehle mit dem Blocke zugleich ab, wahrscheinlich weil seine Höhe nachträglich um den glatten Saum unter der Plinthe gekürzt werden mußte.
An den Ecken biegt das Profil gleichfalls um. ^''^) Und zwar auf den kleineren Tafeln an beiden Enden, nicht bloß an den in unseren Abbildungen einander zu- gekehrten Kanten, von denen der Plinthenabschluß g'egen o'o6 ™ entfernt bleibt, auch an den äußeren Rändern, so hart er an diese heranrückt. Auf der Tafel mit
erhaltene Bronzeplinthen Jahrbuch III 1888 S. 284 Ant. Sculpt. a. d. l:gl. Museen in Berlin I Taf. 8.
(Borrmann), Bettungen von solchen Kastenplinthen 2"') Collignon II 144; Hirt-Bulle, Der schöne
ebenda II 1887 S. 145, von mir nicht ganz richtig Mensch, Altert. Taf. 47. Die Plinthe ist in den
verstanden. Abbildungen nicht deutlich.
''^) Z. B. rund an der Chernmyesstatue von -"-) Brunn, Denkm. gr. röm. Sculpt. n. 417, 2;
Saraos Collignon, Hist. de la sculpt. Gr. I 163, Bull. com. XI 1883 Taf. 14; Heibig, Führer I-
Overbeck, Gesch. d. gr. Plastik I* 97 und an dem n. 608.
,Xoanon' der Akropolis 'E(fr)(i. äpx. 1887 Taf. 9, -"^j Mon. d. inst. X Taf. 13 fr. vgl. Michaelis
Collignon I341; rechteckig Coli. Barracco Taf. 27, in den Ann. XLVII 1S75 p. 68 ff.; Collignon II
Hirt-Bulle, Der schöne Mensch, Altert. Taf. 45. 218 ff.; A. H. Smith, Catal. of Sculpt. in the Brit.
"•) Bull, de corr. hell. XXIV 1900 Taf. 16 Mus. II 10 ff.
p. 554 ff. (Mendel); vielleicht auch an dem Torrelief ^04^ j^^rbuch III 1888 S. 271 f. 277 f. (Borrmann);
ebenda Taf. 15 p. 561. Grabstein von Lamptrae Conze, Att. Grabreliefs I
"ä) Bull, de corr. hell. XVIII 1894 Taf. 8 Taf. Ii; Collignon I 383.
p. 221 ff. (Joubin). 205j Conze, Att. Grabrel. I Taf. 8. I n. 10.
iMj Brunn, Denkm. gr. röm. .Sculpt. 41, 2; ^"^) Dies erkannte im Princip Rayet p. 6; vgl.
Reber und Baycrsdorfer, Kl. .Sculpturenschatz n. 349; Amer. journ. V 420, wo jedoch Michaelis die Natur
Collignon, Hist. de la sculpt. Gr. I 255. dieser Plinthenendigung wieder weniger richtig
•iOK
') Ant. Denkm. d. d, arch. Inst. I 3 Taf. 33, 2; beurteilt.
AUärt* mit (iruhcnkniiimcrn lÖQ
den drei Göttinnen macht auch der Abacus 2 bis 3 Millimcti-r vor der Kante halt, auf der hier ärger bestoUenen Hermesplatte läuft zwar er sich tot, aber das Hulil- kehlenprofil zieht sich deutlich in den Reliefgrund herein.
Nach diesem untrüglichen Anzeichen sind die beiden kleineren Reliefs in sich vollständig". Demnach können sie weder das erhaltene große fortsetzen, noch sich an etwelchen verlorenen Teilen des Denkmals fortgesetzt haben, wie Rayet und Michaelis wollten. Auch die Chariten, deren herkömmliche Verbindung mit Hermes die Inschrift unter seinen Füßen ausdrücklich bezeugt (oben .S. 160), können ihm nicht, gleich den Nymphen attischer Reliefs, nachgefolgt sein, wodurch schon jetzt fraglich wird, ob die einzeln bleibende Göttin hinter ihm eine von jenen ist. Wo sind eiber dann die fehlenden zu suchen?
Die Antwort gab, sogar vor der Prüfung des tektonischen Sachverhaltes,*"') die ausdrucksvolle Bewegung des Gottes. Mit geöffneten Lippen (Fröhner) und vorgestreckter Hand heranschreitend, wie er bei Brygos den Paris auf sein Kommen aufmerksam macht,-""*) kann er hier nur die Cultgenossinnen begrüßt haben. Diese müssen ihm also links in einiger Entfernung gegenüber gestanden sein. Da nun links vor Hermes eine Ecke liegt, um die herum Ruf und Gebärde nicht wohl biegen können, müssen sie jenseits einer Lücke an correspondierender Ecke her- angekommen sein. Und genau so trippeln sie denn auch, wie gewöhnlich zu dritt, die erste mit erhobener Hand den lebhafteren Gruß des Führers erwidernd, heran auf der andern Platte, die wir bereits als vollendetes tektonisches Gegenstück der Hermestafel kennen. Nur ihre Breite ist, der größeren Figurenzahl notdürftig Rechnung tragend, um 0-085'" größer, ihre Reliefplinthe sitzt, infolge jener Kürzung, wenig niedriger {o-o-j^ gegen o'io'"), was aber durch den Zwischenraum ganz unauffällig wird. Daß die beiderseits von ihm gelegenen Eckfalze nicht an Außen- ecken des Altars gehören, war von vornherein wahrscheinlich (S. 166).
Der Bildtypus: Hermes drei ihn grüßenden Schwestergöttinnen gegenüber- tretend statt ihnen voranzuschreiten, liegt schon in einem altern Werke vor, nämlich in dem früher auf den Auszug zum Parisurteile gedeuteten Innenbild einer Schale des Xenokles (Fig. 103-""). Den Frauen mangelt, trotz fleißiger Ausführung, jedes Attribut. Und bei dem Gotte widerspricht jener Auffassung nicht allein die dort
'''^) So J. Harrison (oben S. 161 A. 175) 545. bezogen noch von A. Schneider, Troischer Sagen- '"*) Mon. d. inst. 1856 Taf. 14; Wiener Vorlcgebl. kreis 92 G und 100 f., richtig gedeutet von Brunn
VIII Taf. 3; S. Reinach, Repert. d. vases I 246. in den Sitzungsber. Akad. München 1887 II 234,
^"'j R. Rochettc, Mon. ined. Taf. 4g, danach dessen von Scherer in Roschers Lexikon I 2404 ge-
Overbeck, Gall. her. Bildw. Taf. 9, I, aufs Parisurteil billigte Darlegung ich oben nur etwas vervollständige.
22*
I70
F. Studniczkn
nur dem Paris zukommende Gegenüberstellung, sondern auch die eigentümlich geduckte Haltung. Aus bloßem Raumzwang ist sie nicht zu begreifen; der Maler hätte nur die Trias dichter zusammenzuschieben gebraucht, wie schon Klitias im Hochzeitszuge seines Kraters tat, um für die richtige Stellung und Wendung des
Gottes Platz zu finden. Sein Hermes wiegt sich vielmehr in den Knien, ähnlich dem taktierenden Chormeister des feinen Stackelbergschen Astra- gals-'") und hält, um den bevorstehen- den Tanz zu begleiten, in der Linken seine Syrinx, worauf wir später Pan den Nymphen aufspielend finden.
Für die Deutung des thasischen Reliefs ergibt sich nunmehr ganz sicher, daß die Begleiterin des Her- mes keine von den Chariten ist. Am nächsten liegt der Gedanke an He- kate, die ja demselben Götterverein auf dem Pyrgos vor den athenischen Propyläen benachbart war ''"') und nach dunkler Kunde dem Gotte drei Töchter, vielleicht eben die gut chtho- nischen Chariten, geboren hatte.-'-)
Die so mit zwingender Folge- richtigkeit allein durch aufmerksames Betrachten erschlossene Zusammen- fassung der zwei kleineren Relief- tafeln zur einheitlichen, nur von einer Öffnung durchbrochenen Altarwand ergibt aber gar nichts anderes, als was im Spiegelbild an dem großen Block als Einheit gegeben ist, nur daß hier jenem wirklichen Durchlaß bloß die plastische Nach-
Ksei^OKVt ( ^ r< 0 ' f**^"
Vig. 103 Schale des Xenokles.
2'") Stackeiberg, Gräber der Hellenen Taf. 23, danach Schreiber, Kulturhist. Bilderatlas Taf. 20, 6, Joum. of hell. stud. XIII 1892—3 p. 135, 2 (Six), vgl. C. Smith, Catal. of gr. etr. vases in the Brit. Mus. III E 804.
^") Michaelis, Arx Athenarum'' 44 r.
"') Tzetzes zu Lykophr. 674; vgl. Petersen in den Arch.-epigr. Mitth. V 1881 S. 44 und Escher bei Pauly-Wissowa III 21 51. Im thasischen Relief erkannte die Hekate auch J. Harrison (oben S. 161 Anm. 175) nach dem Vorgange Roberts, in den Com- ment. in hon. Momraseni 147.
Altäre mit GrulienUammern I 7 '
bilduiig- eines solchen entspricht. Reclits von ihm kommen dit,' Nymphen heran, aucli sie in der gewohnten l^reizahl, die sowohl für die parische Heimat^'') als für die thrakische Nachbarschaft-''') der Thasier bezeuj^-t ist. J/inks sehen wir abermals eine einzelne Frau mit ApoUon näher verbunden; für sie drängt sich der Name der alten Nymphenführerin Artemis auf.^"")
Das Fehlen dieser beiden, an sich nicht charakterisierten Genossinnen der männlichen Götter in den Inschriften begreift sich allerdings nicht ganz so leicht, wie bei dem unverkennbaren Götterboten (oben S. 160). Vielleicht hat sie nur der Künstler herangezogen, um, empfindlicher als der ältere Meister des später zu be- trachtenden Dionysosreliefs Fig. 105, die Hälften beiderseits von den Unterbrechungen in besseres Gleichgewicht zu setzen. Wie sehr es ihm darauf ankam, lehrt die Composition: geflissentlich ins Breite gezogen auf Seiten der Paare, äußerst zusammengedrängt in den Dreivereinen, besonders den Nymphen.
Nach alledem ist nicht zu bezweifeln, daß auch die Darstellung der großen Platte vollständig ist und sich nicht auf die beiderseits fehlenden Anschlußstücke fortgesetzt hat. Die Plinthenenden beweisen das hier freilich nicht. Das Profil — dessen Hohlkehle durch minder sorgsame Ausführung rechts beinahe, links völlig gradlinig erscheint — biegt zwar an den inneren Enden, unter den Füßen der vordersten Gestalten, um wie auf den beiden anderen Stücken, nur daß sich hier noch der Abacus allein in schwächerem Relief bis an die Nischenumrahmung fortsetzt; an den Außenkanten des Blockes aber läuft es sich tot, auch rechts, obgleich an diesem Ende die stärker bestoßene Kante der Hohlkehle den Anschein des Gegenteils erwecken könnte. Also werden sich die Plinthen beiderseits über die Fugen hinweg fortgesetzt haben, wie Rayet sah; aber nach dem Gesagten wahrscheinlich nur, um alsbald ebenso zu endigen wie neben der Nischenum- rahmung. Für die anstoßenden Werkstücke bestätigt sich so die Voraussetzung, daß ihre Stirnen zunächst wenigstens den Reliefgrund weiterführten (S. 166).
d. Die Blendtür und ihr Gegenstück.
Hat bisher, vermöge der offenbaren Responsion beider Teile, mehr die Nymphenseite von der der Chariten Licht empfangen, so soll nun jene helfen, die Lücke, welche in dieser klafft, auszufüllen, das heißt ihre Bedeutung, Form
'") Relief des Adamas, Le Bas-Reinacli, Monum. bensohn im Jahrbuch XVI igoi Anz. loi. figur. Taf. 122; mehr in Roschers Lexikon III 535. 2'*) Roschers Lexikon III 534; vgl. 566 (Bloch).
Photographie beim athenischen Institut, vgl. O. Ru- ^'') Vgl. Harrison, oben Anm. 175.
172 F. Studniczka
und Weite möglichst genau zu ermitteln. Deshalb ist schärfer ins Auge zu fassen, was eigentlich das Relief zwischen ApoUon und den Nymphen darstellt (Fig. 99 a; b, nach dem Wiener Abguß von Wilberg gezeichnet).
Die bisherigen Erklärer sprechen meist nur von der Nische, die ja wirklich vorhanden ist. Allein ein Zweck für sie als solche wurde nicht gefunden. Ein drinnen auf die Dauer aufgestelltes Bildwerk hätte, wie in der kleinen Aedicula von Loryma, Befestigungsspuren hinterlassen. ^^^) Das gilt zum Teil auch von kleinen Weihgeschenken,^") wenigstens von an die Wand gehängten Pinakes. Überdies wäre der Raum für solche täglich sich mehrende Votive gar zu be- schränkt, wie denn die hierfür benutzten Brunnenhäuschen auf Vasen bedeutend größer sind.^'*) Zur Aufnahme geringer Opfer an Früchten, Speisen und der- gleichen angelegt, enthielte sie wohl eine schüsselformige Vertiefung im Boden, wie die Nische der Thea Basileia zu Thera.^'°) Die unsere hat eben keinen Zweck für sich, sondern ist nur ein notwendiger Bestandteil des Ganzen, dem sie zugehört.
Und das ist nichts anderes, als das treue Abbild einer richtigen Pforte.^^") Charakteristisch für eine solche ist schon die starke Verjüngung der lichten Weite (von beinahe o'5i™ auf o'475™ bei nur o'sö"" Höhe), welche erst der Türrahmen allmählich wieder ausgleicht, und dieser zeigt trotz seiner archaischen Steifheit doch bereits alle wesentlichen Elemente der aus Bauten classischer Zeit und den Regeln Vitruvs bekannten ionischen Tempeltüre. ^^^) Wie dort sind Pfosten und Sturz, jedoch, gegen das Erechtheion---) und Vitruv, mit lykischen Felsgräbern und anderen Bauten ■^^^) übereinstimmend, auch die Schwelle verkleidet, durch ein ringsumlaufendes Antepagment, dessen zwei statt der drei canonischen Fascien oder corsae wieder unter anderem in Lykien ihresgleichen finden.-'-^) Die äuiBere
^'^) Fröhner p. 32 dachte an eine Büste. Die ^^') Vitruv 4, 6, 3 S. 97 Rose und Müller- Nische von Loryma bei Benndorf und Niemann, Strübing; vgl. die Kupfer zu der Ausgabe von Reisen im südw. Kleinasien I S. 22, 18 hat ein o'ia™ August Rode Taf. 6, 14. Donaldson, CoUection of tiefes Zapfenloch. doorways from anc. buildings 1833 ist mir hier nicht
^'') Mit solchen stattet die Nische Michaelis aus, zur Hand, s. besonders die oben S. 159 A. 167 citierte Fest- ^^-) Journ. of hell. stud. XII iSgl Taf. I — 3
Schrift, doch auch schon Arch. Zeitung XXV 1867 S. I flF. (E. A. Gardner). S. 4. ^^■') Grab in Myra Texier, Descr. d'Asie min.
218) Frühlucanischer Krater Mon. d. inst. IV III Taf. 225 (Schreiber, Kulturhist. Bilderatlas Taf. 96,
Taf. 18 (vgl. 14); S. Reinach, Repert. d. vases I 126 l); vgl. auch die dorische Türe von Antiphellos
(vgl. 124). Vgl. das Sacellum der luturna oben Durm, Handb. d. Archit. II I ^ S. 82, sowie die
S. 139 A. 75. Neapeler Grabtür Monum. d. Lincei VIII 1898
2'9) Ann. d. inst. XXXVI 1864 Taf. R 2 .S. 257 Taf. 5. (Michaelis); vgl. Hiller v. Gärtringen, Thera I 307; --*! Amyntasgrab zu Telmessos, Texier a. a. O.
Götting. gel. Anz. 1901, S. 552. Taf. 169; Benndorf und Niemann, Reisen im südw.
'^") So am bestimmtesten Rayet p. 2. Kleinasien I S. 41, 29.
Altiire ntiil nruhenkammern 173
bcj^leitct (jiii dünner Rundstab, (\vr un^^cq-licdcrtc Astray'.il, welchen altinnische Künstler ebenso oder in plastischer Ausführung- auch allein als tektonischen Saum vcrwciidi-n. --•'') Darüber sit/t oben ein schweres lesbisches Kyma, noch mäüig' vorspring-end und geschwunjjfen, als Träger einer schwachen, vorkrag^enden Leiste, die nahe ihren überstehenden Enden auf zwei gleich engen, etwas zurücktretenden Pfosten ruht. Dieser Außenrahmen gleicht am meisten dem der Alxenorstele,*-") nur daß statt ihrer einfachen Pfeilercapitelle hier zum ersten Male die charak- teristischen Türconsolen, Vitruvs ancones oder parotides, auftreten, im Profil noch matter geschwungen als das Kymation, in der Vorderansicht außen hohlkehlenförmig geschweift, nach innen gerade abgeschnitten. Über jener von ihnen getragenen Platte .springt als oberster Abschluß die Corona, das schwere und schlichte, rechteckige, nur oben etwas abgeschrägte Türgeison, kräftig hervor.
Innerhalb solcher Einfassung kann die Hinterwand der „Nische'' gar nichts anderes als die zwei verschlossenen Türflügel bedeuten, was gewiß einst Bemalung klarer aussprach. Dieser zum Schutze gereichte das starke Zurücktreten hinter den Rahmen. Doch hatte es auch an wirklichen Türen ähnlich begründete Vor- bilder genug, von den Kuppelgräbern angefangen bis zum Vestibulum des römischen Hauses,--') dem in Hellas der Türvorraum der Skeuothek Philons am nächsten kommen dürfte.^-**) Hier dienten die breiten Leibungen, wie zu Pompeii wenigstens in Casa del Fauno,'^^") zugleich als Anschlag für die nach außen auf- gehenden Flügel. Auch zu diesem Zwecke reicht die Tiefe unserer Nische beinahe aus: o"225"' (unten gemessen) sind nicht viel weniger als die Hälfte der oberen Türbreite von o'475"'.
Was w^ar es nun, das diese genaue Nachbildung- einer verschlossenen Pforte veranlaßte? Gewiß nicht die Darstellung: die Götter schicken sich keinesw-egs an, etwa wie Hermes auf römischen Sarkophagen, den für sie viel zu niedrigen Eingang zu benutzen;-^") sie lassen ihn vielmehr ganz unbeachtet, so daß er herausgenommen werden könnte, ohne daß irgend ein Figurenmotiv der Änderung bedürfte. Nur
2") Stele von Dorylaion Bull, de corr. hell. "8) aHi. Mittli. VIII 1884 Taf. 9 S. 155 (Dörp-
XVni 1894 Taf. 4 bis, p. 129 ff.; (Radet und Ouvri), feld); vgl. Wlegand, Puteolan. Bauinschr. (genauer
Ath. Mini). XX 1895 Taf. I S. I ff. (A. Körle); oben .S. I43 A. 99.) 731.
ebenda S. 3 Stele aus der Troas mit einfacliem Rund- •^^') Mau, Pompeii 276. Als die ursprüngliche
Stab; das thasische Relief oben S. 168 A. 197, wozu wird die nach außen schlagende Türe wohl aufge-
Mendel 554 A. I auch noch auf die Stele von Perinth faßt von Koldewey und Puchstein, Gr. rempel
Arch.-epigr. Mitth. XIX 1896 S. G4 f. verweist. Unterital. u. Sicil. 97, vgl. 210 r.
'-") Oben S. 168 A. 199. 2^°) .So behauptete Rayet p. 2 f. — Hermes in der
'^') Overbeck-Mau, Pompeii'' 252 f. und Mau, Hadestür auf römischen Sarkophagen z. B. bei
Poni]icii 231 f. Dütschke, Ant. Bildw. in Oberilalien I n. 146, II
174 F- Studniczka
ein äußerer Grund kann seine mühevolle Darstellung- erzwungen haben. Er steht vor uns in dem wirklichen Durchlasse der Charitenseite, der dort auch in der Composition zu etwas lebendigerer Geltung kommt. Jene Nachbildung aber lehrt, daß er zu einer wirklichen Türe geführt hat, wie wir sie bereits als Zugang zur Opfergrube chthonischer Altäre kennen (oben S. 124 fF.). An dem mutmaßlichen Nachfolger eines solchen zu Pompeii fand sich auch die nicht streng centrale Lage des Pfortchens zwischen ungleich breiten Wandstücken (S. 157).
Aber weshalb sind dann nicht auch hier schon die Außenkanten der Öffnung als Pfosten mit Antepagmenten g-eformt? Der Türrahmen war eben erst weiter hinten eingesetzt, an jenen im stumpfen Winkel abgehenden Stoßflächen der Rückseite, deren geringe Breite (cii'" bis o"i3'") trefflich zu so kleinen Werk- stücken paßt. Und für diese Abweichung des verlorenen Vorbildes von der erhal- tenen Nachahmung liegt ein zureichender Grund auf der Hand. Es ist gut antiker Brauch, die Türpfosten mit Holz zu verkleiden, festgehalten von dem alten Luft- ziegelbau bis zu Parthenon und Propyläen und zu pompeianischen Haustüren,*'*) auch an so kleinen Pförtchen, wie sie zu den aS'jxoi des Karneiostempels auf Thera führen. ^^'^) Das Zurückziehen der Holzpfosten hinter die Front empfahl hier erst recht die Abwehr von Witterungseinflüssen, vielleicht auch vom Opfer- herde niederfallender Glut. Freilich hat der Holzrahmen nicht, wie sonst, Be- festigungsspuren hinterlassen, deren es aber, wie gesagt, an den thasischen Marmor- platten überhaupt nicht gibt. Und das Wesentlichste war ja die Verzapfung der Pfosten in dem fehlenden Schwellenstein sowie deren Verbindung durch den Tür- sturz. Ihr Ausweichen nach vorn oder hinten verhütete gewiß das seitliche Ein- greifen in den Falz, dessen Vorderseite erhalten ist, dessen Rückseite, wie Fig. 104 andeutet, weitere, die Türgasse fortsetzende Orthostaten gebildet haben werden. Denn solche Platten, mit einer Querverbindung ganz hinten, waren ohnehin not- wendig, um die Grubenkammer ringsum abzugrenzen, wie wir es mutatis mutandis in Cypern (Fig. 77), Rom (Fig. 81) und Pompeii (Fig. 97) sahen.
Wie breit die sichtbaren Teile der Holzpfosten und wie geformt sie waren, auch die Weite der Türöffnung bleibt ungewiß. Denn es ist doch nicht einfach sicher, daß hierfür die Blendtür der andern Seite den Maßstab abgeben muß.
n. 122; Matz und v. Duhn, Ant. Bildw. in Rom II -") Schliemann-Dörjjfeld, Tiryns 216 ff.; Olympia
n. 2695 ff., wie mir C. Robert freundlich nachweist. I Taf. 23 Text II I S. 32 (auch Durm, Handb. d.
Vgl. Altmann, Archit. u. Ornamentik d. ant. Sark. 55. Archit. II i^ S. 108). Aufsätze für E. Curtius 143 f.
Ähnliches schon auf etruskischen Aschenkisten, z. B. (Dörpfeld). Für Pompeii s. Anm. 227. K. Museen zu Berlin, Beschr. d. ant. .Skulpt. n. 1271. ^^'^) Hiller v. Gärtringen, Die Insel Thera I 28 1
1302. 1307— 1309. 1311. (Dörpfeld).
Altäre mit Grubcnkammcrn I 7 .S
Nehmen wir den äuüern untern Abstand ilin;r aufrechten Antepaftrnente, o'Sj'", als Maß des Durchlasses zwischen Chariten- und Hermesplatte, dann ergibt sich, deren Breiten von o"93"' und 084,'i'" hinzugezählt, als Gesamtbreite dieses Wand- teiles ungefähr 2"6o"', also rund o5(j"' mehr al^ die Nymphenplatte mißt (2'o8"'). Dagegen von dem naheliegenden Wunsch ausgehend, beide Seiten gleich breit zu machen, behalten wir für die fragliche Öffnung nur etwa o'3o"', gewiß viel zu wenig. Eine beträchtlich größere Breite der Charitenwand muß demnach ferner in Rechnung gestellt werden.
Wie standen diese beiden Wände im Grundrisse des Altars gegenein- ander? Reihten sie sich an derselben Front auf, gleich den |iorpat anderer gemein- samer Altäre? ^^*) Durch unmittelbares Zusammenfügen ihrer Stoßflächen könnte das nicht geschehen, da, wie gesagt, weder die Reliefplinthenenden noch die Rand- figuren aneinander passen (S. 167). Es müßte vielmehr ein Zwischenstück, gewiß relieflos und nicht breit, also pfeilerförmig, eingeschaltet werden. Aber ein sol- ches wäre doch einfacher und solider gleich dem betreffenden kleinern Relief- block angearbeitet worden. Auch die Verschiedenheit der Dicke und der Breite sowie der sonstigen äußern Gestaltung, letzteres für gleichzeitigen Anblick besonders anstößig, widerrät solches Aneinanderreihen.
Hingegen kommt alles in Ordnung, wenn Nymphen- und Charitenseite Rücken an Rücken, nur von der weichen Füllung auseinander gehalten, als vordere und hintere Wand angeordnet werden. So erst gelangt ihre Responsion, vor allem die Nachbildung der echten Pforte der einen als Blendtür auf der andern Seite, in den rechten organischen Zusammenhang und der Breitenunterschied ist leichter auszugleichen.
e. Die weiteren fehlenden Teile.
An die Stoßflächen der so festgelegten zwei Altarwände schloß gewiß nichts anderes an, als die Schmalseiten der Orthostaten, welche die beiden anderen Seiten bildeten. Diese Blöcke müssen im allgemeinen den erhaltenen geglichen haben, auch in ihrer beträchtlichen, durch den Zweck geforderten Dicke. Jedoch wird dieses Maß nicht durchaus gleich gewesen sein, sondern größer nahe dem eben- falls dickeren Nymphenblocke, geringer an den schwächeren Platten mit Hermes und den Chariten. Solche Verschiedenheit erklärt sich aus einer einleuchtenden statischen Rücksicht. In der Charitenhälfte des Altars war durch die hineingebaute
"') Dreiteiliger Altar CIA II 2 n. 167t (Pauly- I, 34, 3 mit dem Commentar Blümners; der kleine Wissowa I 1658); der große oropische Altar Paus. dreiteilige Altar oben S. 1 56 f. Fig. 96, 1)7. J.ahrcshcfte des üstcrr. archäol. Institutes Hd. VI. 23
I yft F. Studniczlia
Opferkammer die Masse der lockern Altarfüllung- auf zwei kleinere Behältnisse verteilt; g-anz einheitlich dagegen längs dem Nymphenblocke mußte sie dort weit stärkern Seitenschub ausüben und schwerere Umfassungssteine verlangen. Damit findet sich ungesucht auch der Ausgleich des Breitenüberschusses, der sich vorhin für die Charitenwand ergab (S. 175). Bestätigen werden uns diese Vermutung später noch Spuren der Plattenteilung des obern Abschlußgliedes.
Für jetzt drängt sich die Frage vor, ob die Schmalseiten der verlorenen Orthostaten, mit denen sie die beiden Reliefflächen einfaßten, in ihrer ganzen Dicke zu Tage traten (a), oder aber durch einen tiefen Falz geschmälert (h). Die
früher zum Vergleiche herangezogenen Altäre, soweit sie hierfür ausreichend bekannt sind, zeigen durchweg das einfache „stumpfe" Zusammenstoßen, nur die Ära incendii Neroniani^''^) hat an einer Ecke einen ganz schwachen Falz, ähnlich dem Grabe Fig. 09 auf S. 124. Somit ist die Lösung a das Gegebene.
Schwerlich aber ist zu glauben, daß die beiden Streifen ihrer ganzen Breite nach bloß den glatten Reliefgrund weiterführten. Dieser im Interesse der Figuren allerdings erwünschten Fortsetzung wird nicht mehr Raum zu gönnen sein, als die Symmetrie fordert, was in dem Reconstructionsentwurf (Fig. 1 04) annähernd nach den Plinthenabschlüssen bemessen ist (vgl. S. 168; 171). Der Rest der Breite jedoch dürfte vorspringenden Eckpfeilern einzuräumen sein. Solche finden sich an Altären freilich erst in römischer Zeit, schmälere bei dem des Domitius,^^^) stärkere bei dem neronischen. Vergleichbar ist aber immerhin schon der auf einer apulischen Am- phora gemalte Steinaltar in Gestalt eines Tisches mit Beinen. ^'^) Und für den Archaismus darf zur Ausfüllung der Lücke das nahe stehende Gebiet der Gräber- tektonik dienen, wo der samische Vorfahr des Klagefrauensarges von Sidon'-^') unprofilierte, der schon für die Türumrahmung verglichene Naiskos der stilver- wandten Alxenorstele ^ä**) kymationbekrönte Pfeiler darbietet. Ihrer bedarf nach
2M) Oben S. 168 A. 185. Neapel n. 241 1.
"5) Oben S. 165 A. 184. "') Ath. Mitth. XXV Iqoo S. 209 von AViegand
^^S) Mon. d. inst. VI, VII Taf. 37; Schreiber, herausgegeben. Vgl. Altmann a. a. O. (oben S. 174
Kulturhist. Bilderatlas Taf. 12, 10; S. Reinaeb, A. 230.) S. 1 1 fl.
Repert. d. vases I 154; Heydemann, Vasens. in ^^^) Oben S. 160 A. 199.
Altäre mit ( irubcnUaninicrn 177
meinem (xefühle j^aiiz imabweislicli die Nymphenseite, damit sie eben der krätlij^en Pforteneinfassung ihrer Mitte das Gleichgewicht halten. Das höchste zulässige Maß ihrer Ausladung bietet wohl das Türgeison (o'oö""). Zu solcher Annahme fügt sich in gegenseitiger Bestätigung die früher begründete, auf <len fehlenden Eckstücken dieser Altarwand hätten sich mit dem Reliefgrund aiicli die des Abschlusses er- mangelnden Figurenplinthen fortgesetzt (S. 171). Für die Charitenseite gelten beide Gründe nicht, aber dennoch wird man auch für sie den seitlichen Abschluü nicht missen wollen, schon um der tektonischen Einheit des Ganzen willen. Der schwächeren Wirkung ihres hinter die schlichten Marmorkanten zurückgezogenen Türrahmens (oben S. 174) entspricht das ihren Eckpfeilern ohnehin schon vorge- zeichnete geringere BreitenmalJ, das vielleicht auch deren Ausladung einschränkte. Auf dieser Seite bietet solch compliciertere Bildung der Ecken noch den Vorteil, unauffälliger als es sonst möglich wäre, durch leise Verschiedenheit in den Maßen der einzelnen Glieder die Verschiebung des Pförtchens um coSs™ nach rechts abzuschwächen.
Ob die Pfeiler, wie das unsere Skizze voraussetzt, auch nach den beiden verlorenen Altarwänden zu Front gemacht haben, kann bezweifelt werden. Ganz unsicher ist natürlich auch die Breite dieser Wände. Wahrscheinlich aber war sie nicht um vieles geringer als die der Reliefseiten. Dies erfordert schon das Wesen des Rücken an Rücken verbundenen Zwillingsaltars mit der Grubenkammer einer- seits. Auch das „Hyakinthosgrab" war annähernd quadratisch, aber das erklärt sich freilich aus seiner zweiten Function als Basis des cylindrischen ApoUon- kolosses. Denn das „Romulusgrab" (Fig. 80) und sein cyprisches Seitenstück (Fig. 77), beide, gleich dem amykläischen, nur der chthonischen Hälfte des Altars von Thasos entsprechend, sind demgemäß oblong.
Fortführung des Bildschmuckes auf den fehlenden Nebenseiten zu beanspruchen, ist kein Grund. Wohl war der amykläische Altar und noch der des Ahenobar- bus ringsum mit Reliefs bedeckt. Aber neben dem Princip der umlaufenden Decoration steht von Anbeginn überall, von der Keramik bis zum Tempelbau, das ihrer Beschränkung auf die Stirnseite. So ist schon die Kypseloslade-^'') — vielleicht doch das zurückgebliebene Postament des verschwundenen Goldkolosses — ,
"') Diese Meinung Brunns (Gr. Kunstgesch. I achtens der Einwand Löschckes in den Ath. Mittli.
177) hat mit Recht auch Furtwängler, Meisterwerke XIX 1894 S. 513 Anm. nicht trifft, weil sein Fest-
730 vertreten. Ich nehme damit zurück, was ich im halten an der Nausikaa des Pausanias unwahrschein-
Jahrbuch IX 1894 S. 53 A. 16 vermutet, bis auf lieh ist, trotz der Verteidigung von A. Schneider,
den oben wiederholten Gedanken, den meines F.r- Troischer Sagenkreis 65 f.
23*
17° F. Studniczka
SO archaische Statuenbasen -■*") gleich den kolossalen des Pheidias,^*') so schließlich noch der Vespasiansaltar in Pompeii,^*^) von bescheidenen Emblemen der Schmal- seiten abgesehen, nur vorne verziert. Folgerichtig kann ein Altar mit zwei Fronten bloß an ihnen Reliefschmuck tragen, gleich zahlreichen Tempeln.
Für die Gestaltung der Krepis und der Deckplatte bestimmtere Vorschläge zu machen, reichen die mir bekannten archaischen Monumente schwerlich aus. Erstere besteht gewöhnlich, wie in dem campanischen Vasenbilde Fig. 75 und dem etruskischen Relief Fig. 92 aus einer, im Knidierfries Fig. 102 aus zwei Stufen. In diesen und anderen Fällen ist zwischen sie und die aufgehende Wand ein Kymation als Ablauf eingeschaltet. Aber an unserm Altar könnte solch ein Glied mit den profilierten Reliefplinthen unpassend zusammenstoßen, und eine Steinformen nachahmende, kleine Bronzebasis von der Akropolis^*^) zeigt, daß es in altionischer Tek- tonik unten fehlen darf. Am obern Abschlüsse dagegen ist es wohl unentbehrlich. Wie im knidischen Relief, mag es in Thasos ionisch gewesen sein, nicht lesbisch, wie am Deckblock des Peisistratosaltars,^**) weil dieses Profil bereits am Tür- sturze der Apollonseite vorkommt und Abwechslung frühzeitig beliebt war. Der Abacus über dem Kyma ist gewöhnlich, auch an dem pisistratischen Beispiel, einfach, nur in dem knidischen Relief vorgetreppt, hierin dem Unterbau ent- sprechend.
Über den Fugenschnitt der Deckplatten glaubte ich aus den in die Lager- flächen der Orthostaten eingehauenen Stemmlöchern -*-'') das in Fig. 104 ausge- drückte entnehmen zu können. Die große Nymphenplatte weist deren fünf (statt der in Fig. 99 und 104 angegebenen vier) auf Darunter stehen jedoch je zwei, wie in der Mitte so auch weiter links (in Fig. 104) so dicht beisammen und ist von ihnen je das der Mitte nähere so deutlich vom Gebrauch erweitert, daß es als Ersatz für das unbenutzt gebliebene benachbarte gelten muß. Vorausgesetzt nun, was höchst wahrscheinlich ist, daß die zu dem mittlem Paare gehörige Fuge genau
•'*") Schöne, gr. Rel. Taf. I5> 73> Brunn-Arndl, dem der alten ephesischen columna caelata am nächsten
Denkm. gr. röm. Sculpt. n. 516, I mit Text. (CoUignon I 180). Die concave Innenmodellierung der
^*') Vgl. Bulle, oben S. 124 A. 12. Herzbl.Htter taucht dann im Osten wieder in der
^*-) Overbeck-Mau, Pomp.* 118 und Tafel vor hellenistischen Zeit zu Priene, Samothrake und Perga-
117; Mau, Pomp. 98 ff. mon auf.
'") Abg. bei de Ridder a. a. O. (oben S. 167 2") Den Gebrauch des Stemmlochs erläutert
A. 195) n. 601; die Inschrift CIA FV 1, 2 p. 98 Dörpfeld in den Ath. Mitth. VI 1881 Taf. 12 S. 284;
1. 373''"; Michaelis, Arx Athen.^ 120 n. 213. nach ihm Durm im Handb. d. Archit. 2. Teil 1^97 f.
^") Besser als CIA IV l p. 41 abgebildet Ath. mit Fig. 63. Vgl. u. A. Koldewey und Puchstein 3.
Mitth. XXIII 1898 Taf. 10, I (Wilhelm). Zeichnung a. O. (oben Anm. 229) S. 225 r. und Niemann bei
und Modellierung dieses lesbischen Kymas steht TocUesco, Monum. v. Adamklissi S. 17.
Altiirc mil Grubcnkaramern
179
die Blockmitte traf, betrug- hier der Abstand zwischen Stemmloch und Stoü- fläche etwa o"o8"'. Damit ergab sich, g-leich breite Lagerflächen der einzelnen Werkstücke angenommen, die in Fig. 104 gezeichnete Einteilung. An ihr blieb mir jedoch befremdlich, daß die vier Decksteine dieser Seite nicht genau der Reihe nach versetzt sein müßten, sondern (in Fig. 104) von links gezählt der dritte als letzter in die Lücke zwischen den zweiten und vierten eingesenkt worden wäre. Obendrein scheinen mir jetzt alle drei Stemmlöchcr in derselben Richtung benützt zu sein. Dann lag also wohl die dritte Fuge von ihrem (dem einzelnen) Stemmloche soweit links, als sie hier rechts erscheint, und die beiden Steine waren von sehr ver- schiedener Breite. Der anderen Annahme glaubte ich früher auch deßhalb den Vor- zug geben zu sollen, weil für die Charitenseite die zwei dort kenntlichen Stemm- löcher, allerdings jedes an derselben Seite der betreffenden Fuge angesetzt, ungesucht eine genau symmetrische Fugenanordnung ergaben, und zwar, entsprechend der Durchbrechung dieser Altarwand durch die Grubennische, mit einer größern Mittel- platte zwischen zwei kleineren seitlichen. Kundigere wissen vielleicht auf Grund genauerer Untersuchung der Stemmlöcher eine bessere Lösung vorzuschlagen.
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Fig. 104 Reconslruierter Grundriß des Altars der Nymphen und Chariten. Vgl. Fig. 99 — lOI.
i8o
F. Studniczka
2. Vom Altar des Herakles und Dionysos.
Kurze Zeit nach den besprochenen Reliefplatten, im Jahre 1866, fanden sich in demselben Thasos, beiderseits vor dem aufrecht stehenden Stadttor,'^**) wohl zu späterer Verstärkung der Mauer verwendet, drei Orthostaten eines ähnlichen, Herakles und Dionysos, den zwei auch auf Münzen der Insel (Fig. 108'*') oft verbundenen Göttern gewidmeten Doppelaltars. Von einem türkischen Kriegs- schiff nach Constantinopel gebracht, sind ihrer zwei verschwunden, höchst wahr- scheinlich zerstört; nur einer, mit dem Relief des bogenschießenden Herakles, ist, im Schiffsarsenal von Top-hane zu Galata wiedergefunden, im kaiserlich ottoma- nischen Museum geborgen und würdig veröffentlicht. Über den ursprünglichen
Fig. 105 und 106 Thasische Reliefs des Dionysos mit drei Thyiaden und des Herakles,
nach Skizzen von Christidis.
Zustand dieses Bildwerkes und über die Gestalt der beiden anderen Steine bieten von S. Reinach hervorgezogene Skizzen des thasischen Arztes Christidis trotz ihrer kindlichen Unbeholfenheit wertvolle Kunde. ^*^)
Die eine von ihnen (Fig. 105), leider ohne Rahmen, gibt, wie sofort be-
-*^) Den Fundbericht von Christidis an Conze gibt am genauesten wieder Bergmann im Hermes III 1868, 234. Für das Tor vgl. Conze, Reisen a. d. Inseln des thrak. Meeres Taf. 3. Es scheint dasselbe zu sein, dessen Relief Mendel herausgegeben hat, im Bull, de corr. hell. XXIV 1900 Taf. 141. p. 560 fr. Seine Behauptung p. 561, auch die Reliefs des Hera- kles und Dionysos hätten zu einem Tore gehört, widerlegt sich in unserem Zusammenhange von selbst.
-■''') Unsere Abb. der Münze nach Bull, de corr. hell. XVIII 1894 Taf. 16. Vgl. Catal. of gr. coins in the Brit. Mus. Thrace etc. (Poole) p. 2I9 ff.
^*') Herausgegeben in der Revue arch. 1885 I p. 71 f. = S. Reinach, Chron. d'orient 1883 — 1890 p. 106 f , vorher beschrieben von Bergmann a. a. O. sowie von Miller und Longp^rier im Corapte-rendu de l'acad. des inscr. 1866 II 324 f. und von Bertrand in der Revue arch. 1S66 II 389.
Altäre mit ( i r n I u ■ ii It ;j m in c r n
rSi
merkt wurde,-'''') ein der l'iirisor Apull- und Xyiiiphenplatte (Fijüf. 99) gleich- artiges r.ild. Wieder zerlegt ein unverkennbares Pförtchen die einheitliche Dar- stellung in zwei Hälften, die jedoch hier noch nicht annälieriul gleich breit gemacht sind. Rechts schreitet Dionysos, wie gewöhnlich in langem Chiton und
Mantel, allein daher,*'''') hoch em- porragend über die Tür, oberhalb derer sich sein ältestes Attri- but,-''') die von der linken Hand geschwungene Rebe dehnt, nur in den Grundformen plastisch angegeben, das Laub sicher einst gemalt. Der Gott zeigt sich mit herausgedrehtem Kopf und zurückweisendem rechten Arm als xaö'TjyeiJ.wv^'''^) des weiblichen Dreivereins, der ihm zur andern Seite der Pforte, gleich den Nymphen, Chariten und Tau- schwestern attischer Reliefs der- i'lben und späterer Zeit,*""') leb- haft bewegt nachfolgt, die erste mit erhobenem Fuß, die letzte fc^^ii^2!i*i^Ä(i' mit stark gesenktem Kopfe, dies wie die Frauenpaare des Reliefs
Kig. 107 Thasisches Relief des Herakles in Constanlinopel.
von Karaköi bei Milet, welche Zweigbüschel schwingend einen heftigen Tanz aufzuführen scheinen.-''') Der
2") Miller a. a. O.
^"') Bergmann a. a. O. 235 behauptet nach der ihm vorliegenden Zeichnung von Christidis, daß dem Gotte — den er als Anführer eines dionysischen Zuges verkennt — mindestens noch eine männliche Figur folgte; offenbar irrig.
-") Roschers Lexikon I 1095. 109g. Einige Beispiele zum Vergleich: altkorinthischer Ampho- riskos Ath. Mitth. XIX 1894 Taf. 8, 5 14 f. (Löschcke, dessen Deutung B. Graf im Hermes XXXVI 1901, 94 f. irrig bekämpft); attisch schwarzligurig iMon. d. inst. IX Taf. 1 1 (S. Reinach, Repert. d. vases I p. 183); rotfigurig: Nikosthenes, Wiener Vorlegebl.
1890—91 Taf. 7, 2 b (auch Rom. Mitth. V 1890 Taf. 12), Phintias, Mon. d. inst. XI Taf. 27 (S. Reinach I p. 223), Leagros, Gerhard A. V. IV Taf. 3 19 (S. Reinach II p. 157), Hieron, Vorlegebl. A 4; großfigurig mit ähnlicher Handhaltung Gerhard A. V. I Taf. 77 (^S. Reinach II p. 45, 5).
"^) Vgl. zuletzt von Prott in den Ath. Mitth. XXVII 1902 S. 162 flf.
^") Das älteste vollständig erhaltene Beispiel Bull. de corr. hell. XIII 1889 Taf. 14 p. 467 ff. tl.ech.it), wo die drei Frauen an ihrem geraeins.amcn Pflegling Erichthonios als Tauschwestem kenntlich sind.
^^*) Brunn, Dcnkm. gr. röm. Sculptur n. loi B;
l82 F. Studniczka
kleine Vierfüßler, Reh oder Raubtier, welchen die letzte unterm Arme hält,^-''-^) und das am ehesten als Trinkhorn aufzufassende Attribut in der gesenkten Rechten der mittleren lassen keinen Zweifel, daß es hier wieder die mit dem Gotte zusammengehörigen Göttinnen sind, also was wir gewöhnlich Mänaden oder Bakchen nennen, was aber auch Thyiaden, Lenai, Nysai heißen konnte."^®) Den leeren Reliefgrund oberhalb der Köpfe dieser soviel kleiner gebildeten Figfuren wird einst die gemalte Fortsetzung der Rebe gefüllt haben. Als Maß dieser Platte soll Christidis fso" Höhe und i'io™ Breite angegeben haben, ^^') was augen- scheinlich umzukehren ist.
Von der andern Seite besitzen wir jetzt noch im Originale den Reliefblock mit dem knieenden Bogenschützen Herakles, wie ihn Fig. 107 nach Joubins Heliogravüre wiedergibt,^-''*) das heißt leider, dank der barbarischen Behandlung während seines fünfundzwanzigjährigen Aufenthaltes in Top-hane, soviel unvoll- ständiger als ihn Christidis sah (Fig. 106 ^^^), zudem mit Pech besudelt. Der eigenartige Stil dieses Bildwerkes mit den wuchtigen Gliedmaßen und den zier- lich auf- und abgeschlängelten Kleidersäumen zwischen den Beinen ist selbst in der mißverstandenen Wiedergabe von Christidis an der Dionysosplatte (Fig. 105) wiederzufinden und bestätigt die Zusammengehörigkeit beider Reliefs zu dem- selben Denkmal. Das Material ist wieder körniger Inselmarmor. Der Herakles- stein hat rund i™ Breite und o-66™ Höhe.^"*) Die wagrechte Oberfläche gibt die von Theodor Wiegand freundlich besorgte Skizze über Fig. 107 wieder. Die ur- sprünglich größere Dicke wurde durch schräges Abschlagen oder Absägen der Rückseite, vielleicht zur Erleichterung des Transports, bedeutend verringert (Joubin p. 65). Die beiden Schmalseiten sind Ansichtsflächen. Die rechte, ebenso rauh gespitzt wie der Reliefgrund, aber nach Wiegands ausdrücklicher Ver- sicherung ohne Anathyrose, bildete die eine Außenseite des Altars. Denn die
Rayet-Thomas, Milete Taf. 27; CoUignon, Hist. de -'^) Roschers Lexikon II 1939. 2243 ff. III
la sc. gr. I p. 258 (sehr ungenau gezeichnet); vgl. 569 Z. 10. — Bergmann (oben Anm. 246) und mit
A. H. Smith, Catal. of gr. sculpt. in the Brit. Mus. ihm S. Reinach sah vielmehr einen menschlichen
I n. 21, von dessen Beschreibung ich nach genauer Opferzug.
Prüfung eines Abgusses oben mit Bewußtsein ab- -") Nach Bergmann und Miller a. a. O.
weiche. Der im Tanze scharf gesenkte Kopf z. B. ■^^) Bull, de corr. hell. XVIII 1894 Taf. 16
in dem Nymphenrelief K. Museen zu Berlin, Beschr. p. 64 ff. (Joubin).
d. ant. Sculpt. n. 709 A und oben Taf. 5. -*^) Nach Reinach (oben Anm. 248) p. 73 oder 107.
255) Vgi_ 2.. B. die Vasen des Pamphaios, Wiener •'^'') Christidis gab nach Bergmann und Miller den
Vorlegebl. D 6, Phintias, Mon. d. inst. XI 27 (S. Stein als 075" hoch, o-6o ■" breit an, was offenbar
Reinach, Repert. d. vas. I p. 223), des Oltos und wieder umzukehren ist, letzteres vielleicht aus 0'b6'^
Euxitheos, Mon. d. inst. X 23 — 24 (S. Reinach I verlesen, die Breite von 0*75 " wohl an der erhaltenen
p. 203); Gerhard A. V, II 112 (S. Reinach II p. 61). Vorderfläche gemessen.
Altliru niil CinibciiUaninicTn 183
linke Seitenfläche, nach demselben Zeug-en noch glatter ausg-earbeitet und von häufiger Berührung im Gebrauche fast poliert, wird durch das sie vorn im Ab- stände von 0*09 '" begleitende lesbische Kyma mit Deckplatte vollends als rechte Leibung einer wirklichen Pforte gekennzeichnet. Das Kymation für nachträglich eingearbeitet zu halten^''') besteht meines Erachtens nicht der mindeste Grund; es ist kaum weicher geschwungen, als über der Blendtüre der Apollonplatte (Fig. 99b) oder gar an der Agasinosstele von Korseia.""'-) Somit entsprach die Seite des Heros in dem Wesentlichen ihrer Anlage der des chthonischen Gottes an dem andern thasischen Altar. Nur kann sich das Relief hier links von der Türöffnung nicht wolil fortgesetzt haben, da Herakles ihr den Rücken zukehrt. Und so war es in der Tat.
Christidis nämlich erkannte als Seitenstück des Heraklesreliefs einen mit- gefundenen Inschriftstein, welcher nach seiner Copie etwa so aussah:-''^)
'EjtE Auataxpaxou [xoO A]ra)(p(i)vo; fi?p)(o[vTos
£7il xoraoe ixSlSoxat [xi^Tio.;] 'HpaxXeou; 6 npbc, [xw X'^P'V '^'-'^ 'AaxXrjTitoö- 6 äva-
paipr;|i£Vos xöv X'^[ixov xö )(ü)pt]ov xab'apiv Tiapl^st
Ti{)Xoi.c, Stxol) ^ y.oTipoc, [i^B^O!.'kX]Bxo- Yjv oi X'.; iy[j(i.XX[-Q xöv SouXwv xojtpov, waxe 5 xö )((Dptov elvat zb djyoc, xoö avatp£prj|Ji£Vou xöv XYJTt[ov, xoöxov |i£V xöv Xyj-ipS-Evxa
SoöXov [laaxtywaavxa a8-ü)ov £tvaf Stxw? 5^ x6 xwpt'ov xai)-[apiv
7iap£5(Trj, £ra|X£).£a9'a[ xöv äyoprjW[).oy xae.1 xöv iepicu. xoö
'AaxXijjxtoO xoü? £xäaxox£ iövxaj- r^v 5J i-irj £7ic[j,£Xtovxat ,
Ö9£[A£tv auxoüi; x'^s i^iispr;; ixäfjXYjs i^iJitExxov ipiv xm 10 'AuxXr^Ti»]) • Stxa^EcO-at §£ xoü? aTxoXöyous >5 auxous o^eiXeiv
xöv S4 ävacp£prj[i£vov x[^> ijpei xaä xw dyoprjvoiiw Exxr;V d'^EtXscv
x^S T^HepT;;.
„Die fiinf ersten jetzt zum Teile zerstörten Zeilen erstreckten sich über die ganze Breite des Marmors, die folgenden sind dadurch kürzer, daß in der rechten Ecke eine der oben [an dem Dionysosrelief] erwähnten Nischen angebracht ist, deren Kranzgesimse sich in dem gleichen Niveau mit der sechsten Zeile befand."' So
-''') Mit HomoUe bei Joubin a. a. O. p. 65, I. Delectus ^ n. 527; Bechtel, Inschr. ion. Dialects
Dem widerspricht vor dem Oriyin.il auch Wiegand. (Gott. Abh. XXXIV 1887) n. 71; Hoffmann, Gr.
'«-) Ath. Mitth. IV 1879 Taf. 14, 2 S. 270 Dialeete III .S. 35, 71; Michel, Recueil n. 1361.
(G. Körte); vgl. das Stclenstiick von Abdera, Brunn- Auf die für unseren Zweck gleichgillige Wahl
Arndt, Denl<m. gr. röm. Sculptur n. 531. zwischen den verschiedenen Ergänzungsvorschlägen
^^') Bergmann a. a. O. 237. Nach ihm P. Cauer habe ich wenig Sorgfalt verwendet. Jahreshefte des österr. archUol. Institutes Bd. VI. 24
i84
F. Studniczka
interpretierte Bergrnann die Zeichnungf des Thasiers, aus der er zugleich die Vermutung entnahm, der leider verlorene Inschriftblock sei mit dem Heraklesrelief verbunden gewesen.^**) Das ist für uns unmittelbar einleuchtend. Nur kann es dann nicht richtig gewesen sein, wenn Christidis wirklich beide Steine gleich hoch gezeichnet hat. Denn an der Heraklesplatte setzte sich das zur Türumrahmung gehörige Kyma ofiFenbar bis an den oberen Rand fort, so daß für deren rechte obere Ecke hier kein Raum ist. Diese muß vielmehr einem dritten Werkstück an- gearbeitet gewesen sein, das auf der Lagerfläche über dem Kopfe des Heros ruhend den Reliefgrund ebenso fortsetzte, wie es die Dionysostafel oberhalb der etwa gleich hohen und zusammengenommen auch gleich breiten Mänaden zeiget (Fig. 105). Eine Möglichkeit der Reconstruction veranschaulicht dieses Schema:
Inschrift
fehlender Teil
Pforte
So würde zugleich der nach der Angabe von Christidis (oben S. 182) etwa o"44"^ betragende Höhenunterschied der beiden Reliefplatten ausgeglichen.
Die Urkunde, ein vojao; X£[i£VOus etwa,-''') wird nach sprachlichen Kennzeichen dem vierten Jahrhundert zugewiesen,^**^) war also nachträglich der zuvor leeren Altarwand eingehauen. Sie verpflichtet den Pächter des Kf^Tio; 'HpaxXsoug und die Behörden für die Reinhaltung des benachbarten Asklepiosgrundstückes von dem offenbar beim Bewirtschaften jenes Gartens entstehenden Unrat Sorge zu tragen. Der eigentliche Herr des Platzes war somit Herakles und der ihm befreundete^^') Thraker Dionysos gewissermaßen sein Gast, wie er es dem Apollon zu Delos und Delphi war. Wie nahe sich die Thasier dem Heros in dieser Epoche fühlten, lehrt am besten die Sage, daß er ihnen den Athleten Theagenes erzeugt habe, sowie die
^'''*) Bergmann a. a. O. S. 236. Der ihm vor- in Athen, Dittenberger, Sylloge^ n. 550, 26. liegende Brief von Christidis an Conze ist, nach '^'') Von den Anm. 262 aufgeführten Heraus- freundlicher Mitteilung, nicht zurück in die Hände gebem ging nur Bergmann in makedonische Zeit des letzteren gelangt. Vgl. S. Reinach a. a. O. hinab.
*'^) Vgl. den Pachtvertrag über das Basiletemenos ^'''j Preller-Rohert, Gr. Mythol. I* 685.
Altäre mit Grubenkamracrn
■85
von ihnen nach Olympia pfoweihtc Bronzestatue des Onatas.*^"") Und daß unser Altar im Heraklesjrarten damals ein Hauptheiligtum der Stadt war, verrät die genaue Nachbildung nicht etwa eines gemeinsamen statuarischen Vorbildes, sondern Zug um Zug unseres Reliefs auf Münzen schon aus der Mitte des fünften Jahr- hunderts (Fig. 108*"''). St'in Gegenstück ist denn auch ständig ein Dionysos- kopf, freilich so ganz dem strengschönen Stil angehörig, daß er von dem des verlorenen Altarreliefs nicht wohl abhängen kann.
Mit dem Altar des Apollon und Hermes verglichen erweist sich dieser ent- schieden als der ältere. Zunächst in der Composition. Während sie dort nicht ohne Zwang darauf angelegt ist, die Tür und ihr Gegenstück möglichst genau in die Mitte zu bringen (S. 171), sitzt sie hier mehr od(!r minder unsymmetrisch zwischen zwei sehr ungleichen Hälften. Und damit stimmt der bildnerische Stil. Der Herakles und, soviel wir noch sehen können, die Dionysosplatte schließen .sich in der Wucht der Körperformen und der derben Frische der Bewegung jenen altertümlichen makedonischen Münzen an, auf die vor Zeiten Brunn seine Charak- teristik der „nordgriechischen" Kunst zu gründen versuchte.^'") Die Pariser Reliefs dagegen mit ihren durchaus zierlichen Formen stehen unter der Herrschaft des reifen nesiotisch-ionischen Archaismus und weisen in Gestalten wie diejenige des Apollon auf die Befreiung der Kunst voraus.-'')
Fig. 108 Dionysos und Herakles auf thasisclicr Münze.
So sind wir zurückgekehrt in den Bereich der ionischen Reliefsculptur, der schon unser Ausgangspunkt, das Hyakinthosgrab, wenigstens vermöge seiner Er- neuerung durch Bathykles angehörte. Das wird insofern kein Zufall sein, als das
^^) Paus. 5, II, 2: 25, 12.
^''') S. oben Anra. 247 Joubin a. a. O. p. 66 f. und mit ihm Mendel (citiert Anm. 246) p. 571 A. 3 nehmen ein gemeinsames statuarisches Vorbild an. Sie datieren die ältesten Münzen dieser Art zu spät.
■'"') Sitzungsber. Akad. München 1876 I, 323 ff. wiederholt Brunn, Gr. Kunstgesch. II 209 ff. Neuere
Abbildungen der Münzen: V. Gardner, Types of gr. coins Taf. 3, I ff. ; K. Museen zu Berlin, Beschr. d. ant. Münzen II Taf. 4 u. a., Baumeister, Denkmäler II S. 936 Abb. ioi4f. Vgl. Mendel a. a. O., be- sonders p. 570 ff., dessen neue thasische Reliefs den Übergang zwischen unseren beiden Altären herstellen. "») S. oben S. 159 A. 164 f.
24*
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F. Studnicika, Alläre mit Grubenkammern
Land des ionischen Baustils in der Tat auch für die Anbringung von so reichem plastischen Schmucke an Altären und anderen tektonischen Gebilden maßgebend gewesen sein dürfte. Die cultliche Grundform unseres Opferherdtypus aber auf denselben Stamm zu beschränken, verbietet das mutmaf31iche Alter des amy- kläischen im Vereine mit dem cyprischen Beispiel. Sie -nird eben, mit der chtho- nischen Religion, der sie dient, in den Tiefen der hellenischen Urzeit wurzeln und vielleicht noch unter ihren sich rasch mehrenden Denkmälern zu Tage kommen.
.eipzig.
FRANZ STUDNICZKA
Das Mädchen von Antium.
Tafel VII.
Die Statue, die ich mit Erlaubnis ihres Besitzers, des Principe D. Ludovico Chigi, der mir den Besuch seiner Villa und die Aufnahme von Photographien gütig gestattete, auf Tafel VII veröffentliche,') ist ein seit längerer Zeit bekanntes
Kleinod griechischer Kunst, das jeden, der es gesehen, entzückt hat und als sol- ches zu erneuter Betrachtung auffordert. Sie befindet sich in der fürstlichen Villa Sarsina in Antium, in deren Be- reich sie gefunden wurde. In den letzten Dezembertagen des Jahres 1878, in einer stürmischen Winternacht, lockerten sich die Schutthaufen, die in langer Kette längs des Arco Muto auf den Funda- menten antiker Paläste lagern, und aus einer bis dahin unsichtbaren Nische fiel von einer Ziegelbasis die Statue herab. Das Meer bespülte damals die Küste noch nicht in dem MalBe wie heute, wo es an den bröckligen Ruinen frißt, doch werden einige große Fluten bereits damals den oberen Rand erreicht haben. So erklärt sich wohl am besten der stellenweise besonders starke rötliche Ton des Marmors, den nur einzelne, separat gefundene
Fig. 109 Antike Palastfundamente von Antium.
') Sie ist zuerst publiciert von P.Rosa in den Not. d. scavi 1879 pl. I 4 p. 16, 116; vgl. ReinacU-Clarac
II 660, 4 ; W. Klein, Praxitelisclie Studien 39 ff ; Ame- lung, Berlin. Philol. Wochenschrift 1900 Sp. 625 — 28.
W. Allinann, Das Mädtlicn von Anliuin 187
Fragrnente nicht aufweisen. Die Nische, wie deren noch viele länys der Küste jetzt sichtbar sind — in ¥\g. 109, die am weitesten rechts — g-ehörte ohne Zweifel der Rückwand eines mächtijren Saales an, der auf das durch groiie Fundamente von hier abgedämmte Meer hinausblickte. Jetzt steht v(jn dem einstigen Saale nur noch die Nischenwand, und mühevoll folgt man dem schmalen, trennenden Küstensaum, der darunter hinläuft. Unten sieht man die mächtigen Constructionen der Fundamente, darüber die pfeilerartigen Wände der Nischen. Sie sind aus bestem opus reticulatum erbaut und zeigen die Merkmale der Architectur der ersten Kaiserzeit.-) Oben endete die Nische in Muschelform. In einer nahen, süd- licher gelegenen Nische wurde eine ebenfalls im Pal. Sarsina befindliche, minder- wertige römische Gewandfigur gefunden.')
Die Statue ist aus griechischem, an den Bruchstellen klarem, weißen Marmor gefertigt, der mit kleinen Kristallen durchsetzt ist und keine besondere Trans- parenz besitzt. Die Figur ist nicht monolith. Aus einem großen Block ist der ganze Körper, soweit er bekleidet ist, samt Füßen, linkem Arm und Schüssel gearbeitet, während ein zweiter kleinerer Block den Kopf samt Hals und rechter Schulter umfaßt. Am Gewandrande greift der letztere in den Hauptblock ein. Eine ähnliche Zusammensetzung ist unter anderen von der Demeter von Knidos und der Aphrodite von Arles bekannt. Der Marmor des Kopfstückes ist sicher iden- tisch mit dem andern, aber von besserer Qualität und verschiedener Bearbeitung. Angestückt war der rechte Arm kurz vor dem Beginn des Ellbogens, von dem noch ein ilurch die Oxydierung des Metalldübels gebräunter Splitter erhalten ist (s. Fig. 113).
Es fehlen der Figur: die Nasenspitze, der rechte Unterarm und ein Teil des linken. Einige Haarlocken sowie das Kinn sind bestoßen. Von den Händen sind nur zwei Finger der rechten erhalten (s. Fig. 1 1 2 f.). An dem Gewände fehlen mehrfach einzelne Stückchen, so der Saum an der rechten Schulter, an der Mantel- partie der linken, an der äußersten Vorderfalte. Einige später im Schutte ge- fundene Fragmente sind wieder angesetzt, so die unteren Enden der vorderen äußersten und die der mittelsten Falte, ferner das Gewandstück des rechten Ober- armes und ein o'i3 ™ langer Splitter des linken Unterarmes mit einem Teil der Schüssel. Diese besteht nach ihrer Zusammensetzung jetzt aus drei aneinander- passenden Teilen.
') S. Nibby, Dintorni di Roma I 182. inst. 1857 p. 67; 1870 p. 14; Pauly-Wissow.i I
') Aus Antium stammt die Petersburtjer Juno- p. 256 1 (Hülsen). Daß der Apollo von Belvedere
Statue (Kiseritzky n. 157), ferner vgl. I-ombardi, nicht in Anliura gefunden wurde, hat Hülsen, Jahrbuch
Anzio antico e moderno 1S65 p. 233 — 37; Bull. d. 1890 S. 48 nachgewiesen.
l88 W. Altmann
Durch eine wechselnde Technik in der Bearbeitung der Oberflächen sind glückliche coloristische Wirkungen erzielt. Geglättet, wenn auch nicht zu vollem Glänze, sind die Fleisch teile, Gesicht und Schulter; das Haar hat einen gedämpften Ton; die Gewandung ruft durch die teilweise wie feine Schattierung wirkenden Meißelstriche einen wirksamen Contrast zu der großzügigen Faltengebung hervor. Die Füße sind glatt poliert. Die Tätigkeit des Bohrers ist bis auf einige Stellen an der linken Seite des Gewandes verwischt.
Die Statue ist 170 " hoch und steht auf einer Plinthe, die o"565 ™ lang, 0-42 '" breit, o'io™ hoch ist. Die Plinthe ist rechteckig, aber auf der Rück- seite und der angrenzenden Schmalseite derartig zugeschnitten, daß die Contur- linie dem Gewände folgt. Die Schmalseiten haben oben Saumschlag, die untere Partie ist gerauht. An der Vorderseite fehlt diese Bearbeitung, es zeigt sich nur oben eine ganz schmale, geglättete Kante. Vermutlich ist diese Bearbeitung der Vorderseite nicht die ursprüngliche, vielleicht hat hier einst die Künstlerinschrift gestanden. In römischer Zeit hat man dann die Plinthe in eine kufenartig ver- tiefte Basis eingelassen, in der sie auch heute noch ruht. Diese ist in der Mitte geborsten.
Die Statue ist völlig auf die rechte Profilansicht und eine niedrige Auf- stellung berechnet. Dies beweist die Stellung des Kopfes, die Gewandung, die Haltung der Schüssel, die nur ein auf gleichem Niveau mit der Plinthe stehender Beschauer völlig übersehen konnte, endlich die Vernachlässigung der Rücken- und linken Seitenansicht. So ist das Gewand auf dem Rücken bis zur rechten Schulter kaum angedeutet.
In schreitender Bewegung begriffen hält sie hemmend inne, der Körper ruht auf dem linken Beine, der rechte Unterschenkel wird, halberhoben, nachgezogen. Der Blick ist sinnend auf die Schüssel gerichtet. Nur die rechte erhobene Hand ist in einer Action begriffen, man erhält den Eindruck, als sei ein bestimmter Moment dargestellt.
Das Gesicht zeigt ein feines, nicht langgezogenes Oval, das bei den Über- gängen der weichen Teile in die Knochenstructur von vornehmer Zartheit ist. Die Stirn ist leicht gewölbt; das rundliche Kinn, dessen jetzt bestoßene, linke Unterhälfte einen zu harten Schatten hervorruft, springt energisch vor. Die starke Betonung einiger Linien um Auge, Nase, Mund und Kinn, das leise Hervor- heben des Schläfeknochens dient dazu, alles Weichliche aus diesem blühenden Mädchenantlitze zu bannen.
Der Augapfel ist gewölbt, die Augenlider stark betont. Das obere, abwärts
Das Mädchen von Antium 189
gesenkt, in der Mitte sich verbreiternd, greift an den Kcken niclit über das untere Augenlid heraus. Die Profillinie der Nase zeigt eine fast unmerkliche Anschwellung. Der iiruch der Nasenspitze setzt sich bis zur linken Wange fort, ebenso ist auf dem Räume zwischen Nase und Oberlippe eine leichte Corrosion zu spüren. Die schmale Oberlippe ist wellenartig geschwungen und ein leichter Schatten in die leichtgeöffneten, gegensätzlich bewegten Lippen gelegt. Im Profile steht die Ober- lippe mit der feinen Einziehung in wirksamem Gegensatze zu der frischen vollen Unterlippe. Nach den Seiten sind die Mundwinkel leise gesenkt.
Das fleischig hervorspringende Kinn mit seiner tiefen lünkerbung unterhalb des Mundes ergibt eine eigentümlich reizvolle Mischung von Anmut und Herbheit. Die untere Kinnlinie zeigt einen wellenartig bewegten Linienzug, den der Künstler sehr liebt.
Mit zwei feinen Hautfältchen geht die rechte Wange in den Hals über, dessen Stellung durch den nach vorne gesenkten, nach der dem Beschauer zu- gewandten Seite etwas übergeneigten Kopf bedingt wird. Während die ange- spannte linke Hälfte zwei Hautfurchen zeigt, die sie in drei Ringe gliedern, ist die rechte verfeinert und geglättet, so daß nur eine kleine Anschwellung des Halsmuskels erkennbar ist.
Im Gegensatze zu dieser Glättung ist das Haar ganz gedämpft, aber mit virtuoser Meisterschaft behandelt. In der Mitte gescheitelt, sind die herabfallenden Haarmassen von hinten um den Kopf nach vorne in zwei dichten Strähnen herum- genommen und in einen Knoten zusammengeschlungen. Da dieser Knoten bei der geneigten Kopfwendung keine klare Profillinie geben und durch starke Schatten die w'eiße Stirn verdunkeln würde, ist er auf die linke Seite verschoben, eine künstlerische Asymmetrie, wie sie beispielsweise an der für Vorderansicht be- stimmten Haarfrisur des Kopfes von Benevent sich findet. Eine einzelne Locke zweigt sich von dem Haarkranze ab und legt sich leicht auf tlie Stirn, ebenso fallt, abgesehen von einigen Nackenlöckchen, je eine Ringellocke spielerisch in flachem Relief von den Ohren herab.
Die Richtung der Haarwellen geht auf den oberen Gipfel des Knotens hin, tiefe Schatten markieren die Grenzen des Haarkranzes und den Beginn des Knotens. Die darüber befindliche Partie ist in ihrer Oberfläche zerstört, aber diese Zerstörung- verändert nur unwesentlich den Eindruck. Die Haare sind weder mit pedantischer Sorgfalt ins Einzelste ausgeführt, noch in bloßen .Schattenwirkungen zum Ausdruck gebracht. Vielmehr sind überall Haarsträhne abgesondert, so springen drei solche in die Augen, die sich vom Scheitelpunkte bis zum Knoten
igo
W. Altmann
im Bog'en hinziehen, so sind einzelne in dem Haarkranze hervorgehoben, sie sind gesondert gewölbt und jede durch feine, wie Blattadern sich hindurchziehende Linien und Verästungen gegliedert. In der Art, wie sie auf einen Punkt hin- drängen, im großen gesondert und doch bis ins kleinste charakterisiert, ähneln sie in ihrem Zuge der Faltengebung des Gewandes.
Der Knoten, so frei und künstlerisch ersonnen, wie die kunstvolle Haartracht des Hypnoskopfes aus Perugia*) findet nirgends eine Analogie (Fig. 1 1 o). Wie zwei durchschlungene Hände fassen die untere und die obere zusammengerollte Haar- locke ineinander, an den Seiten hier unten, dort oben, übergreifend. Es braucht nicht erst betont zu werden, daß diese Frisur mit der der Apolloköpfe ^) nichts zu tun hat. Das rechte Ohr ist bis auf das fleischi- ge Ohrläppchen unsichtbar, es wird ähnlich unter dem Haare versteckt, wie bei dem in den Caracallathermen gefundenen, im British Museum befindlichen Apollokopf. ^) Das sichtbare linke ist mittelgroß, von schlichtem organischen Bau; bemerkens- wert ist die das Ohrläppchen durchziehen- de Einkerbung, wie sie der Druck von großen Ohrringen zu erzeugen pflegt. Der untere Rand ist bestoßen. Auf das Anmutigste tritt der jugendliche Körper aus dem Gewände hervor. An der linken Seite geht der Hals unter dem Mantel in die Schulter über, rechts können wir den zarten Übergang des Halses sowie den wundervoll geschwungenen Contur der hohen, vollen Schulter verfolgen. Zwar kommt auch hier die Knochen- structur in der Angabe des Schulterblattes, des oberen Rippenansatzes zur Geltung, doch ist die Weichheit des Körpers hier mehr als sonst betont. Der knospen- haften Jugendfrische der Gestalt entsprechen die leise unter dem Gewände an-
*) Klein, Praxiteles 144. und der Kopf aus Tralles; Furtwängler, Masterpieces
^) R. V. Schneider, Album d. Samml. d. Allh. 396 Fig. 174. Kaiserhauses 3 ; Klein a. a. O. 178. Ferner die Köpfe '') Friedrich -Wolters 1527, abg. Monum. X 19.
vom Ostgiebel des Asklepiostempels in Epidauros
Fig. 110 Oberteil der Statue von Antiura.
Das Mädchen von Anliiim 19'
schwcllonden, sichtlich mit Absicht vordecktcii lirüste. An der Kückseite greift der Rand des Schulterstückes nicht ganz scharf in den Torso ein, was kleine Ab- splitterungen und die moderne Einfügung verschuldeten.
Das Gewand besteht aus einem zarten, wohl baumwollenen Stoffe, der sich durch einen feinen Saum vom Nacken abhebt. Es hat nur kurze, auf der Achsel ruhende Ärmel, von denen der rechte herabgeglitten ist. Es ist hochgegürtet, bildet von dem Mantelwulste, wie von einem Gürtel gehalten einen Kolpos und fällt dadurch, auf der Vorderseite gerafft, in mehreren Stichfalten auf die Füße herab. Ein schmales Gürtelband ist unter der rechten Brust geknotet. Das Gewand ist charakterisiert durch bald streifenartige Falten, die von oben nach unten ver- laufen, bald lanzettförmige, blattartige Erhebungen, die in der Diagonale sich hinziehend, das weiche Gewebe nachahmen. Sie rufen den Eindruck leicht sich kräuselnder Wellen hervor.
Die Faltenmassen sind in zwei Gruppen klar ilisponiert. Nur die mittleren Steilfalten sind unabhängig von jeder Bewegung. Zwischen den zwei nach unten sich stark verbreiternden Falten schiebt sich eine dritte, mittlere oben ein, die durch die starke Vertiefung nach unten zu nicht weiter sichtbar wird. Die stö- rende Parallelität dieser Falten wird durch andere in schrägem Bogen sich zum rechten Fuße herabziehende gemildert. Auch hier ist die Gegensätzlichkeit zu der rechten, das linke Bein nach außen begrenzenden Falte hervorgehoben. Diese, weniger stark nach vorne herausgewölbt, um die Rundung der Figur hervorzu- rufen, bildet in der Hauptansicht die abschneidende Seitenkante. Einen wunder- vollen Abschluß erhält die Gewandbildung durch die mannigfach bewegte Linie, die der untere Saum beschreibt. Mit großem Genüsse folgt das Auge, nachdem es auf dem ruhigen Faltenwürfe geweilt, dieser verschlungenen, bald auf-, bald absteigenden, aus- und einbuchtenden Linie, deren bedeutende Wirkung durch einen ähnlichen wechselnden Rhythmus erzielt wird, wie wenn auf lange Cadenzen kurze Betonungen folgen.
Das zweite Gewandstück ist der künstlerisch drapierte Mantel. Er ist zu einem Wulste zusammengerollt, um die Taille herumgeschlungen, unter dem linken Arme hindurchgeführt, über die Schulter geworfen und durch den gürtel- artigen Wulst hindurchgesteckt, von wo er bis zum Knie herabfällt. Hier findet sich die einzige an dem ganzen W^erke angebrachte Stütze, ein ganz unbedeu- tender Verbindungssteg zwischen dem Zipfel und dem Untergewande. Im Gegen- satze zu diesem wird der Mantel durch tiefe, scharf eingeschnittene, schmal ver- laufende Falten charakterisiert, die einen knittrigen, brüchigen lundruck machen.
J-ihrosIipft«» des östf^rr. .ircliäol. Institutes Bd. VI 25
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W, Altmann
Der künstlerische Zweck der Mantelfalten beruht darin, die durch die Steilfalten allzu betonte Senkrechte aufzuheben und eine gewisse Responsion in der Fignr herzustellen. Auch bedurfte die aus einem Blocke zusammen mit dem Körper gearbeitete, weitausladende Schüssel, einer Stütze, die sie an dem Mantelwulste fand. Auf der linken Seite ist der Arm fest angelegt und hält in der vorge- streckten Hand einen flachen Teller (Fig. 1 1 1). Trotz seiner Vernachlässigung ist der rundliche, weii3e Arm von einer Schönheit, die den Verlust des rechten bedauern läßt. Unter dem Ellbogen i.st auch der linke Arm gebrochen, ein später gefundener o'og™ langer Splitter setzt den Unterarm nicht ganz bis an die Hand- wurzel fort (Fig. 112). Der nach oben gekehrte innere Teil des Unterarmes ging
in den Teller über, dessen Hinter- partie mit dem Mantel zusam- menhängt. Das w^eitaus größere Stück des Tellers sprang aber frei heraus. Die Form dieser Schüssel') ist die einer flachen, kreisrunden Scheibe, deren Über- rest ein Segment mit einer Sehne von o"49°' bildet und etwa zwei Fünftel des Ganzen entspricht. Die Schüssel besteht jetzt aus drei Fragmenten, von denen das dritte, über- ragende Stück nur am Rande anschließt. Unten ist sie flach gearbeitet, an den Seiten gewölbt und mit überstehendem Rande versehen. Die Art, wie sie dem Beschauer zugeneigt ist, führt schon auf die Bedeutung, die die darauf ange- brachten Dinge hatten. Dieselben bestehen zunächst aus einer kleinen, o'i?"' langen, 0-04™ hohen Pergamentrolle, deren aufgerollter Teil über den Rand hin- wegfließt; ferner aus einem dem Tellerrande folgenden, gebogenen Lorbeerzweig, von dem ein Ast mit einem Büschel Lorbeerblätter und die Reste von anderen, die sich bis zur Bruchlinie des zweiten Stückes fortsetzen, kenntlich sind. Eine jenseits des Risses auf dem dritten Stücke vorhandene Vertiefung, mit einem am Bruche erhaltenen Reste, kann mit dem Zweige nicht mehr in Verbindung stehen. Endlich befindet sich am äußersten Rande eine auf einer kleinen Plinthe stehende Löwentatze. Nach der Stellung der Zehen ist es eine linke Vordertatze. Daß sie mit dem Reste nicht zusammengebracht werden kann, beweist die abweichende
Detail der Statue von Antium.
') Ähnliche Schüsseln finden sich auf Vasen- bildern, z. B. Millingen pl. XXVIII; 'EtpTjji. äpx-
1890 o. 7; vgl. auch die Schale mit Früchten auf dem Telephosfries Jahrbuch II 251.
Das Mädchen von Anlium
lO.i
Richtung'. Kbunso .scheint mir die Achsonrichtuni;- dur latzü den (iodankun an einen Gerätefuß auszuschließen. Die Ausbuchtung' am Rande ist Bruch, das frag- liche Loch mit dem Rest ist nicht analog der Plinthe mit der Löwentatze gebildet, also kann das zur Löwentatze gehörige Übrige nur auf dem fehlenden Teile Platz gefunden haben. Anderseits mußte diese Seite der Schüssel schwerer belastet sein, weil nur so es sich erklärt, daß der linke Arm den Teller nicht in der Mitte unterfaßt. Am wahrscheinlichsten ist mir, daß hier ein kleiner Löwe dar- gestellt war, dessen Füße auf je einer basisartigen Plinthe ruhten.
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Fig. 112 Bruchstücke der Statue von Antiura, Vordersicht.
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Fig. 113 Bruchslücke der St,Ttue von Antium, Rückansicht.
Wie oben gesagt, findet sich unter den Fragmenten ein o"i3"' langer Arm- splitter, der innen an der Einsatzstelle des Dübels durchgebrochen ist (Fig. 112, 113). Er gibt die Richtung an, die der rechte Arm hatte, denn er zeigt die durch den nach innen gebogenen Unterarm erfolgte An.spannung der Oberarm muskeln. Hierfür spricht ja auch die geringere Ausarbeitung der Brust und des Gewandes bis zum Teller hin. Doch um diese Partie zu verdecken, genügt Arm und Hand allein nicht. Erhalten sind von ihr der Zeige- und Goldfinger. Beide haben auf der Rückseite am letzten Gliede erhaltene Ansätze, die der Form und dem Aussehen nach, am besten mit Resten eines Blattes sich vergleichen lassen. Dazu paßt es, daß unter den übrigen Stücken sich zwei obere Enden eines Kranzes befinden.
194
W. Altmann
der in griechischer Weise unten mit den Zweigen zusammengebunden, oben aber oflfen war.^) Die Zugehörigkeit aller dieser Stücke ist gesichert durch dieselbe kristallinische Bildung des Marmors.
Die feine Modellierung der Finger harmoniert durchaus mit der ganzen Arbeit der Statue. Die Hand muß demnach außerordentlich lebendig gestaltet und die Fingerhaltung nicht parallellaufend, sondern divergierend gewesen sein. Wir haben uns die Stellung so zu denken, daß die rechte Hand im Begriffe war, einen Zweig auf die Schüssel zu legen, auf welcher der Blick ruht. Erhalten sind von dem Kranze ein Stück mit fünf Lorbeerblättern und zwei Früchten, ein anderes mit drei Blättern und zwei Früchten.^)
Unter den übrigen Fragmenten findet sich ein eigentümliches Stück (Fig. i i4f), das sich nur mit einem geringelten Schlangenkörper vergleichen läßt, der auf einer Seite nach allen Richtungen zunimmt, auf der andern sich verjüngt und einen
Fig. 114 und 115 Bruchstücke der St.itue von Antium, Vorder- und Rückansicht.
weder kreis- noch elHpsenartigen Durchschnitt besitzt. Ob der Rest wirklich von einer Schlange herrührt, wage ich nicht zu entscheiden. Jedesfalls hat er auf der Rückseite irgendwo aufgesessen.
Weniger bedeutend ist das letzte Stückchen, ein schmales gebogenes Frag- ment, das dem Rande der Schüssel ähnlich sieht, aber an dem vorhandenen Teile nirgends anpaßt. Es ist zu vermuten, daß auf dem verlorenen Teile noch einzelne Gegenstände gestanden haben. Sie können aber, da die Schüssel frei schwebte, nur leicht gewesen sein. Außerdem ist anzunehmen, daß die Stelle frei blieb, wo der Kranz niedergelegt werden sollte.
Noch einige Worte über die Bildung der Füße. Ist bei dem linken die Structur des Knöchels hervorgehoben, so kommt bei dem rechten die Gliederung der Zehen sowie der feinere Übergang in den Mittelfuß zur Geltung (Fig. 116). Die Füße stecken in Sandalen, deren Riemen mit großer Sorgfalt wiedergegeben sind. Ohne mit Details überladen zu sein, wie die der Praxitelischen ''') Statuen,
') Vgl. die Kränze auf Ehrendecreten z. B. Museo Vivenzio tab. XXXII.
'Ecf)r)|Ji. dpx. 1897 a. 4, 12. '") Besonders der Hermes und die Artemis von
') Die Haltung des Kranzes entspricht der Art, Gabii, vgl. Klein, Praxiteles 376; ferner die Porträt-
wie ihn die Nike auf dem schönen Theseuskrater statue aus dem Louvre und ihre Replik in Rom,
in Neapel hält, Gherardo Rega, Vasi dipinti de! Jahreshefte IH 81 Fig. 14.
üas Mädchen von Anlium 195
ist das wi'iii^o niil Aiij^abi- slt)lilichur Dcliiils und mit L'iilcrarbi'ituuy am ruchten F"uße an dem Knoten hervorgehoben. Die Art der Verknüpfung' des um den Spann gehenden Riemens mit einem kleinen, die große Zelie V(in den übrigen trennenden Riemchen findet sich u. A. ganz ähnlich bei der Berliner Mänade.
Den Weg zur Deutung der Statue hat uns ihre Betrachtung gewiesen. Die Concentration aller wesentlichen Momente auf die Schüssel lassen keinen Zweifel aufkommen, daß die Lösung in ihren Objecten zu finden ist: ein Mädchen, einen Kranz auf eine Schüssel legend, auf der eine Pergamentrolle, ein Lorbeerzweig und wahrscheinlich ein Löwe ruhten.
Der Lorbeer weist uns auf den apollinischen Kreis, aber seine Verbindung mit der Rolle und dem Löwen finden wir sonst nur noch einmal, bei dem sitzenden Apollo der Samm- lung Albani. Auch hier hat die Deutung lange gestockt, in- dem Raffei '') auf allerlei Münzbildern und Verzierungen d(Mi Löwen unter abenteuerlichen Vermutungen in Ver- biiKhmg mit Apollo zu bringen suchte, Overbeck '-) an der Möglichkeit sie zu deuten überhaupt zweifelte. Erst
Fig. IIb Rechter Fuß
Helbig'^) hat das erlösende Wort gesprochen, indem er auf j^^. ^latue von .Antium. den Apollocult in Patara hinwies. Wir lesen nämlich bei
Clem. Alex. (Protrept. c. IV § 47 p. 41 Pott): (irjS^ to £v Ilaxapots zffi Auxtag äyscXfiaxa Ati; xaä 'AtxoXXwvos, ä OetSta; naXtv exelva xa ÄyaXjiaxa xaD-aTiep xoug Xeovxa? X0Ü5 ai)v aüior; ävax£C[j,£vou$ erpyaaxat. ef S^, w; cpxaov xtvsj, BpuäEio; f^v ~^yyfi, ^'J 5:a- cp£pci[xa'., EX£tg xac zo^xov dt.foik^oi.zoM^'^bv. Es standen also in Patara Statuen des Zeus und des Apollon, von Löwen begleitet, Werke, die einige dem Phidias, andere dem Bryaxis zuschrieben.
Die Albanische Statue zeigt Apollo in langem, faltigem Gewände auf dem Dreifuße sitzend, unter dem der Löwe ruht. Dieser Löwe — als lebendiges, ge- zähmtes Tier gedacht — tritt als Begleiter orientalischer Könige auf und gilt ursprünglich als Symbol des Herrschers und wird erst secundär decorativ ver- wendet.") Aber nocli ein anderes merkwürdiges Detail findet so seine Erklärung. Über dem Löwen befindet sich nämlich eine glatte viereckige Fläche, „welche wie ein Blatt Papier oder wie eine Tafel auf unerklärliche Weise mitten aus der Netzhülle hervorkommt oder ihr angeheftet ist." Vergleichen wir sie mit den
") Ricerche sopra Apolline delhi Villa Albani, '•'} Helhij;, Führer- II l8 n. 787.
Roma 1821. '*) Darüber Benndorf, Heroon v. Gjölbaschi-
'-) Overbeck, üriech. Kunslmylhol. IV 233. Trysa 146, I.
igt) W. AUmann
Objecten unserer Statue, so entspricht sie der Pergamentrolle, nur zeigt jene eine völlig aufgerollte Fläche: aber es ist kein Zweifel, daß auf dieser Fläche etwas geschrieben stand, oder geschrieben stehen sollte, und zwar konnte es kaum etwas anderes sein als ein Orakelspruch. Die Bedeutung, welche die lykischen Orakel, besonders das zu Patara, genossen, ist bekannt, ^^) sie wetteifern an Ruhm und Verehrung mit den delischen. Es ist daher durchaus verständlich, wenn die albanische Statue nicht den delischen, sondern den Apollo von Patara darstellt. Dieselben Voraussetzungen finden wir bei der Statue von Antium, es wird sich daher behaupten lassen, daß sie ebenfalls in den Cultkreis von Patara gehört. Auch hier läßt uns die Überlieferung nicht im Stich. Bereits Herodot (I 182) hat Einzelheiten aus dem Orakelculte berichtet: v.M. xa-ca T^ep iv HaTapotat tf;s AuxtVjj r) 7ip6[iavTts xoO -O-eoü, imm yi^fixon- oü y«p wv <xlzi eati XP~'^P'^^P'-'^'^ aöxo^f STieäv o£ ysvrjxac, tote dJv auyxaxaxXTjtexai xag wy.xaq eaw sv x(p vrjij). Sollte also ein Orakel gegeben werden, so wurde die Promantis die vorausgehende Nacht im Tempel eingeschlossen. Die Fiction ist natürlich, daß sie als die Braut des Gottes gedacht wurde. Beglaubigt wird diese Deutung weiter durch eine Inschrift vom lykischen Sidyma, die in schwülstiger Weise uns die alten Sagengeschichten und Cultus- formen überliefert:'^)
ajyvä %-z&c, äoivfi xe -npim'. Auxäßavx[o]s Ixaaxou
TiapO-evcxaij TzxXd^iMZ ^urjTtoXa xeJjiia xeO^etv.
e]axt yap, eaxt d-sx Avjxwt'St xoöxo Tipoarjve?
|iV] TtpoCTotystv d-(x,)M\ioi<; kpvjTcöXov, vjv duö Xexxpwv
ajtp'^ Tzpoav.a.Xiaot.ad-XL avu|JLcp£uxous inl Tf^z-odc,
a]XXa veav do|.iyjxtv 6(ao[ö] SvjXwxov dcö-ixxov.''')
Keuschheit und Unberührtheit wird hier als Vorbedingung gestellt, wo finden wir sie glücklicher und reiner zum Ausdruck gebracht als bei dem Mädchen von Antium ?
Wir kennen die Einrichtungen des berühmten Apolloorakels in Korope, welches bis in die Kaiserzeit seinen Ruhm bewahrt hat. Aus Inschriften erhalten wir genaueren Aufschluß über das Verfahren, das dabei eingehalten wurde.'*) Die Orakelsuchenden ließen ihre Namen durch den Ypajifjiaxeüg auf ein X£Üx(i)|xa
^^) Robert-Preller, Griech. Mythol. I 284, 1 ; Apolloheiligtum ist noch nicht aufgedeckt vgl. Beau-
Reisen in Kleinasien II 118 (E. Löwy). fort, Karamania 2 ff.; Antiquities of lonia, London
'») Reisen I 77; E. Z. 6 flf. 1840 III p. 85 ff.; Benndorf a. a. O. 115.
") Die Inschrift wurde auf dem Forum der ") Lolling, Ath. Mitth. VIT 72. Robert, Hermes
l-'atara benachbarten Stadt Sidyma, gefunden. Das 1883 S. 468.
Das Miiflclien von Anlium ^97
eiiitrag"en, nach diesem Verzeichnis aufgerufen, bepfeben sie sich einzehi in das Heiligtum, wo sie der Reihe nach Platz nehmen, hier werden ihnen die Blei- täfelchen eingehändigt, auf die sie ihre Fragen schreiben, die gesammelt in einem versiegelten Gefäße die Nacht im Heiligtume verbleiben. Am andern Morgen wird das Gefäß geöffnet und die Täfelchen in der Reihenfolge der Liste den Fragestellern zurückgegeben. Älinliches hat Robert für das Heiligtum von Dodona nachgewiesen.
Bei unserer Statue handelt es sich weniger um ßleitäfelchen für einzelne Orakelsuchende, als vielmehr um eine Rolle für WeissagTingen. Wir haben sie uns in der Art sibyllinischer Blätter zu denken.
Ob sie in dem Augenblicke gedacht ist, wo sie sich in das Heiligtum des Gottes hineinbegibt oder wo sie aus demselben heraustritt, hat der Künstler unentschieden gelassen.
So ergebnisreich die Überlieferung bei der Deutung der Statue ist, so sehr läßt sie uns bei der Frage nach dem Künstler im Stich. Nur eine Wahrnehmung drängt sich sofort auf, daß sie mit dem praxitelischen Kunstkreise nichts zu schaffen hat. Weder finden wir hier die Stellungsmotive seiner Gestalten wieder, noch die Formengebung des Körpers oder seiner Teile. Erkennbar wird dies bei dem Vergleich mit der Gewandung der Artemis von Larnaka, die in der Ausbiegung der Hüfte schon ihren Meister verrät. Wie viel weniger aufdringlich, wie viel motivierter erscheint der Mantelwulst bei unserer Figur. Ganz praxi- telisch sind dort die Faltenzüge, in denen die Gewandenden auslaufen, jene bauschigen, von regelmäßigen Linien durchquerten Massen. Hier findet sich nichts Analoges, auch nichts von den freigelösten Gewandstücken, die Praxiteles schon in den umgeworfenen Mäntelchen liebt.
Auch mit der Diana von Gabii, Studniczkas '■') „Artemis Brauronia", lohnt der Vergleich. Hier fallt die kolposartige Bildung des sich bauschenden Unter- gewandes allzusehr in die Augen. Die Dissonanz in Haltung, Formgebung und Stimmung ist evident. Fehlen hier jene überhängenden Zipfel, die in die beliebten Treppenfalten*") auslaufen, so dort auch nur eine Spur jener flotten unteren Ge- wandkante. Wie Praxiteles das Gewandproblem gelöst hätte, zeigen Figuren wie die Urania im Vatican,^') die Köre in Wien.--)
Schließlich finden wir auch in der seelischen Stimmung einen Unterschied. Nirgends bei Praxiteles findet sich jene concentrierte Aufmerksamkeit, jene
") Untersuchungen z. Kunstgesch. iSff. ^ij Klein, Praxiteles 359 Fig. 72.
'") Z. B. Venus von Arles. 2^) Klein, a. a. O. 363 Kig. 73.
igS W. Altmann
Spannung des Blickes, meist nur ein träumerisches Hinausblicken in die Ferne. Nur die kleine Berliner Bronze von Thera zeigt einen gewissen Grad von Ver- senktsein in ihr Tun. Praxiteles schafft Gestalten von göttlicher, idealisierter Formengebung, die irdisch undenkbar sind. Bei unserer Figur strömt dagegen mit sinnlicher Gewalt wirkliches Leben entgegen, wenn auch über dem Ganzen etwas Weihevolles, etwas dem Alltäglichen Entrücktes ruht.
Ähnliches finden wir im Kreise der kleinasiatischen Kunst. Am nächsten läge es, an Einwirkungen von Skopas zu denken, aber eine nähere Betrachtung lehrt, daß es sich hierbei mehr um ein Product desselben Klimas, derselben Rasse, als derselben Kunstschule handelt. Immerhin steht ihm die Form des rundlichen Kopfes näher als das langgezogene Oval der praxitelischen. Wir empfinden, wie diese Nähe uns wieder entrückt wird, sobald wir bei einer Reihe von Köpfen, etwa derselben Epoche, den praxitelischen Einfluß wieder hindurchspüren, so bei dem schönen Bronzekopf des British Museums. ^^)
Weit weniger verwandt ist die Formensprache der anderen Mausoleums- künstler, so vor allem bei den Platten des Frieses, die nach der Pferdebildung am meisten Verwandtschaft mit der Basis des Bryaxis^*) zeigen und von jeher wegen ihrer effectvollen Ausführung den Preis zuerkannt erhalten haben. Die dramatische Behandlung der Gruppen, die langzügige, mit augenblicklichen und vergangenen Momenten wechselnde Faltengebung, die weit mehr attische Remi- niscenzen erweckt, scheint einen solchen Vergleich zu verbieten. Diesen Atti- cismus empfinden wir auch, wenn wir die Serapisbüsten betrachten, die in ver- schiedenen Brechungen uns die letzte, kühne Neuschöpfung eines Götterideals im vierten Jahrhundert vorzaubern.
Timotheos, der uns aus der Bauinschrift als Mitarbeiter der Giebelfiguren des Asklepiostempels in Epidauros-^) bekannt ist, wird aus den Akroterionfiguren durchaus kenntlich. Ja die Übereinstimmung der Giebelsculpturen mit den Ne- reiden vom First scheint zu ergeben, daß sie geistig und künstlerisch durchaus seine Schöpfung waren. Auch bei ihm wird vor allem die Anknüpfung an die Nikebalustrade besonders betont-") und Winter hat bei dem Versuche, die Leda- statue auf ihn zurückzuführen, in der Vergleichung der Motive und Gewand- behandlung diesen Punkt besonders in den Vordergrund gerückt. Gerade der Nachdruck, den er auf diese Art Gewandbehandlung legt, wie das Gewand die
") Cat. of bronzes 33 n. 266. ^^) Lechat, ;fepidaure74; Bull, de corr. hell. 1890
") Pauly-Wissowa, Realencyclopädie III 916 ff. p. 591 (Foucart). (Robert). '!■) Furtwängler, Meisterwerke 221.
Das Mädchen von Anlium '99
Glieder schmiegsam umschlieüt und zugleich in breiten Massen sich von ihm ablöst und neben dem Körper niederfällt, trennt beide Schöpfungen als Ergeb- nisse ganz verschiedener Schulen.
Dasselbe Bedenken trifft bei Leochares zu, an dessen Urheberschaft Klein*') zunächst dachte. Befremdend wirkt schon die nahe Beziehung zwischen dem Ganymed und der Leda zu der Nikebalustrade. Nehmen wir aber mit Winter und Furtwängler als Ausgangspunkt den Apollo von Belvedere an, wo gerade das Problem darin gipfelt, über Natur und Mensch hinauszugehen und jenen göttlichen, schwebenden Gang zum Ausdruck zu bringen, so öffnet sich uns hier eme unüberbrückbare Kluft.
Diese raschen Andeutungen werden genügen, um den Versuch, die Statue einem bekannten Meister zuzuweisen, von vornherein abzulehnen. Es erübrigt noch, kurz einiges über die Kunstrichtung hinzuzufügen. Die Statue ist nicht als Rundfigur erdacht, sondern ohne einen starken architektonischen Rahmen undenkbar. Schon dies ist ein Moment, welches sie von der attischen Kunst- blüte des vierten Jahrhunderts trennt und zum Vorläufer jüngerer hellenistischer Schöpfungen macht. Ziehen wir ein derartiges Werk, so den sog. Dionysos von Tralles in Constantinopel 2**) zum Vergleiche heran, so fühlen wir eine gewisse, weniger zeitliche, als locale Verwandtschaft heraus. Die feine Sinnlichkeit, die uns aus beiden Werken entgegenspricht, scheint die Ursache dieser intimen Be- ziehung zu sein. Auch tritt ja die decorative Bedeutung des Kunstwerkes hier stark in den Vordergrund, dazu gesellen sich verschiedene Züge, die wir bei der Statue von Antium beobachtet haben und die oftmals bei hellenistischen Werken wieder- kehren, der volle, runde Hals mit den feinen transversalen Hautfalten, die spiele- rischen Nackenlöckchen und das zeichnerische Element, welches beispielsweise der schöne, im Wiener Hofmuseum befindliche Aphroditekopf aus Tralles-^) aufweist.
Schon die grundvenschiedenen Typen, welche die aus Tralles stammenden Stücke repräsentieren, beweisen, wie außerordentlich schwierig und für uns schwer verständlich die Verhältnisse in Kleinasien in jenen Zeiten liegen. Trotzdem scheint mir kein Grund vorzuliegen, mit der Statue von Antium tief hinab- zugehen, weit eher möchte ich ein frühes Beispiel der neuen Kunstepoche in ihr sehen, die sich auf kleinasiatischem Boden vorbereitet. Dafür spricht auch ein Vergleich mit der Gewandbehandlung der Nike von Samothrake, deren durch
^') Praxitel. Studien 45. Saloman, Die Rest.iuration der Venus von Milo II;
'ä) Revue arch. 1888 Taf. XIV 289; 1894 Taf. 69 Taf. IV; R. v. Schneider, All), auserl. Gegen-
IV 184. stände der Antikens-amml. des allcrh. Kaiserhauses
") Arch.-epigr. Mitth. IV Taf. I, II 66; Geskel Taf. VI S. 3. Jahreshefte des üsterr. archUül. Institutes Bd. VI. 26
200 \V. AUniann, Das Mädchen von Antiuni
die heftig entgegenstürmenden Winde geblähten Faltenmassen von Natur motiviert sind. Können wir zwar den ruhigen, langzügigen Faltenwurf, dort die den Körper- formen angeschmiegten Gewandmassen mit dem reichen Spiel der prächtigsten Falten nicht zu directem Vergleiche heranziehen, so lehren uns doch diese unendlich be- wegten Flächen, die sich nicht nach einigen, wenigen Richtungen hin gliedern und nicht von einfachen Conturlinien begrenzt werden, wo alle Senkrechten und Wage- rechten vermieden sind, wie viel vorgeschrittener die Kunststufe der Nike ist.
Vor allem aber hat die Statue von Antium vor den meisten kleinasiatischen Funden etwas voraus, die außerordentliche Originalität. Der Künstler ist ein geborener Plastiker, der sein Material souverän beherrscht. Seine Virtuosität zeigt sich schon in dem Verzicht auf jede Stütze und in der Kühnheit, mit der die Schüssel samt ihren Objekten frei aus dem Hauptblocke herausgearbeitet ist. Schlicht, von grandioser Einfachheit und doch bis in die kleinsten Züge erwogen und durchdacht, spricht uns die Statue an durch den Reiz der gehemmten Bewegung und durch ihre Herbheit.
Rom. W. ALTMANN
Zur griechischen Künstlergeschichte.
Die Erwägungen, von welchen sich Arthur Mahler vor kurzem leiten ließ, um einen neuen Zeitansatz des Bildhauers Phradmon zu begründen, ') fordern, da sie sich in erster Linie auf ein geschichtliches Factum stützen, von selbst die Nachprüfung seitens der Historiker heraus. ]\Iahler hat dabei Plinius' Bestimmung der Blüte Phradmons auf Ol. 90 (Nat. Hist. XXXIV 49) kein ausschlaggebendes Gewicht beigemessen. Man wird diesem Standpunkt Berechtigung zugestehen, wenn sich ein besser fundiertes Zeugnis findet, welches für eine andere Datierung spricht, besonders im Hinblick darauf, daß die vorzugsweise von A. Kalkmann verfochtene These, die Künstlerchronologie des Plinius gehe auf ApoUodors Chronik zurück, *) sich als nicht stichhaltig erwiesen hat') und in dessen chronologischer Tabelle, wie deren eingehende Prüfung zeigte,*) eine Reihe von unrichtigen Angaben
') Polyklet und seine Schule (1902) loi ff. mann gegenüber betont Felix Jacoby, ApoUodors
^) Die Quellen der Kunstgeschichte des Plinius Chronik 30, 36. 14 ff. *) Robert a. a. O. 39 ff. Die Versuche Kalk-
^) Darauf hat bereits Robert, Archäologische manns a. a. O. 40 ff., Plinius' Fehler zu erklären,
Märchen 46 ff. hingewiesen und es neuerdings Kalk- wirken nicht überzeugend.
H. Swolioita, Zur yriccliischcn Künstlcrgcschichte 20I
nacluuwx'isen ist. Auch Pausanias' Nachricht, dai3 Phradinun die olymjjische Siegerstatue des Eleers Amertas gearbeitet habe (VI 8, i), kann nicht für die Fixierung des Künstlers nutzbar gemacht werden, da die Zeit dieses Sieges selbst nicht zu bestimmen ist.^)
Mahler hat dafür das Epigramm herangezogen, welches in der Palatinischen Anthologie IX 743 (= Overbeck, Schriftquolloii n. 1018) unter dem Namen des Theodoridas mitgeteilt wird:*)
BeaaaXal at [Soes w.Zf ;:apa TTf/OÖ-upOia: 5' AO-avaj ^a-caatv, xaXov Swpov, 'IxwviäSo^.
Tcäaa: yaXxsta:, 5uoxa''5£xa. $pa5(iovo? epyov, ■/.%'. z.7.ny.'. y'j[iv(jjv axO/.ov a-' 'DJ.up»ov. Nach dem Inlialt dieses Epigrammes handelt es sich hier um ein Weih- geschenk der Thessaler — wohl des thessalischen Bundes — , zwölf eherne Kühe, die aus der Beute eines Sieges über die Illyrier, von Phradmon gearbeitet, vor dem Tempel der Athena Itonia aufgestellt waren. Allerdings erhebt sich zunächst die Frage, wie weit dieses unter dem Namen des Theodoridas gehende') Epi- gramm als genuine Abschrift eines Denkmals anzuerkennen ist oder nicht. Der Zweifel, den Benndorf früher gegen die Echtheit des Epigrammes aussprach,*) gründete sich gerade auf die Plinianische Datierung Phradmons, die, wie bemerkt, zu unsicher ist, um sie als Ausgangspunkt verwenden zu können. Für die Echt- heit spricht zunächst, daß die schlichte Fassung des Epigramms von der sonstigen, verschnörkelten Art des Theodoridas merkwürdig absticht,'') dann, daß sich in dem Epigramm, abgesehen von dem Namen des Künstlers, eine Reihe von Zügen findet, die unmöglich erfunden sein können, sondern echter Überlieferung ent- stammen: der Anlaß zu dem Weihgeschenk, die Zahl der Kühe (vgl. darüber eine Vermutung zum Schlüsse), die Örtlichkeit der Aufstellung.")
') G. H. Förster, Die olympischen Sieger I 20 Weisshäupl, Die Grabgedichte der griechischen Antho-
n. 268. logie 43 ff.
^) Zur Überlieferung vgl. die Ausgabe von Dübner. '") Es ist wohl der Tempel der Athena Itonia
') Über Theodoridas vgl. Jacobs zur Anthologie zwischen Pherai und Larissa gemeint, in welchem
XIII 959 ff. und Knaack bei .Susemihl, Gesch. der Pyrrhos die Beutestücke aus dem Sieg über Anti-
griech. Literatur in der Alexandrinerzeit II 541 ff. gonos und die Kelten (274) weihte (Paus. I 13, 2.
') De Anthologiae graecae epigrammatis quae 3. Plut. Pyrrh. 26. Anth. Pal. VI 130). Dazu Niese,
ad artcs spectant 41. Gesch. der griech. und makedonischen Staaten II 55.
') Es macht den Eindruck, als ob es mit Un- Über den Cultus der Athena Itonia, der in Thess.alien
recht unter die epideiktischen Epigramme eingereiht seinen Ursprung hatte (das Bild der Göttin findet
sei und eher unter die anathematischen Gedichte des sich auf thessalischen KLaisermünzen), vgl. Ferdinand
VI. Buches gehöre. Über Beispiele solcher unrichtiger Dümmler, Kleine Schriften II 26. Einreihungen in der Palatinischen Anthologie vgl.
26*
202 H. Swoboda
Erscheint die Verwertung des Epigramms für die Chronologie Phradmons sonach principiell als gerechtfertigt, so ergibt sich weiter, wie Mahler ganz richtig bemerkt, daß der Künstler in das vierte Jahrhundert gesetzt werden muß,'') da unsere Überlieferung von einer feindlichen Berührung zwischen Thessalern und Illyriem sonst nichts weiß und die Thessaler den Sieg, auf welchen unser Epi- gramm anspielt, nur als Bundesgenossen Makedoniens davongetragen haben können. Da nun Diodor (XVI 14) unter dem Jahre 357 berichtet, daß Philipp II die Thessaler dauernd als Bundesgenossen gewonnen habe und sie von da ab ständig auf seiner Seite fochten, so liege es am nächsten, den Kampf der ver- einigten Thessaler und Makedonen mit den lUyriern, welcher die Veranlassung zu unserem Weihgeschenk gab, auf den Sieg zu beziehen, welchen Parmenion im Jahre 356 über die Illyrier erfocht ; damit sei auch Phradmons Zeit ungefähr bestimmt.
Allein so einfach, wie Mahler sich dies vorstellt, ist die Sache doch nicht, vielmehr unterliegt die Verknüpfung des Weihgeschenks mit dem angeführten Datum den schwersten Bedenken. Das Epigramm setzt voraus — dies ward un- bedingt zugegeben werden müssen — , daß sämtliche Thessaler, . nicht ein Teil derselben, in der Schlacht gegen die Illyrier mitkämpften ; wenden war dies auf ihr Verhältnis zu Makedonien an, so bedeutet dies, daß der thessalische Bund dem makedonischen Königtum zur Heeresfolge verpflichtet war. Mahler hat für seine Ansicht, daß der Anschluß der Thessaler an Makedonien bereits im Jahre 357/6 (Ol. 105, 4, unter dem Archontate des Agathokles) erfolgte, den Worten Diodors mehr vertraut als geraten erscheint. Diodor XVI 14, i. 2 sagt: Kaxä 5e TTjv 'EXXaSa 'AXeEavSpo; 6 «I'epwv TÜpawog 6716 ir^g ihiccc fuva.'.y.'oQ ÖTjjBr;; v.od xwv lauTr^g aSeXcpüv Auxdcfpovoc xa: Ttatipovou ISoXo'.povrjST;. Üuioi ob xb jiev Tipwiov wg xupavvoxtövot [leyaXr^S exOyyavov ä7co§o)^^$, öaxepcjv 8k [lexavorjaavTs; xa! xoug [itoö-o'^opou; ypi^[iaat Tist'aavxes, äiceSst^av eauxoü; xupavvous xal TioXXoüg (.lev twv avxonpaxxovxwv dveiXov, xaxa- (jx£uaaa[^i£vo: Se xtjv §uva|jitv a.^iöXoyo'^, ßc'a xaxer/ov X7)v apyfjV. Ol S' A?.£uä5ai xaXoujjievo: uapä xois 0£xxaXorg, 5t' eiiysyetav 5k a;ta)|ia e)(OVT£? TCEpißorjxov, dvxETipaxxov xols xupavvot;. Oux ävxe; ok xaO-' eauxou? ä^i6\i.a,yoi, upotjeXajiovxo <I>tX'.7i7iov a'j|ji(Jia)(ov xöv MaxeSovwv jSaatXsa. Ouxos 5' £7:aveX{h(ji)v £?? xrjv HexxaXt'av, ■/.(ii.xt~oAi[xrpt xous xupavvous, xac xatg jiöXeaiv äva- xxrjCTä[i£vo; xy;v IXsuiJ-epiav, (icyäXr/v eüvocav £15 xoü? 0£xxaXoü$ £V£8£t^axo' Siönep £v xaf; [i£xa xaöxa 7wpa?£a'.v d£c auvaycüvtaxas eo/ev ou ^ovov auxo?, dXXä xaJ {ietä xaöxa 6 uiö? '4X£^avSpo;. Mahler kann damit entschuldigt werden, daß auch eine Anzahl von Historikern,
") Die Auskunft, daß es zwei Künstler des Namens scheinlich gegenüber dem oben hervorgehobenen Phradmon gegeben habe, erscheint als weniger wahr- zweifelhaften Charakter von Plinius' Glaubwürdigkeit.
Zur i^riechischen Künstlergeschichlc 203
wie Schäfer") hypothetisch, mit mehr Zuversicht v. Scala'-'), Niese"), Kaerst'*), G. Gilbert '") nach dieser Ausdrucksweise Diodors annahmen, es habe im Jahre 357 oder 356 Philipp einen Feldzug gegen Thessalien unternommen, dessen Folge das Bündnis zwischen ihm und dieser Landschaft war. Zur Kritik Diodors ist vor allem darauf hinzuweisen, daß er damit, daß er hier die Ermordung Ale- xanders von Pherae in das Jahr 357 setzt, in Widerspruch mit seiner früheren, aus der chronologischen Quelle geschöpften und daher zuverlässigeren Angabe gerät, daß Alexander im Jahre 369/8 (Ol. 102, 4, Archon Lysistratos) sich der Herrschaft in Pherae bemächtigt und 1 1 Jahre lang regiert habe (XV 61, 2). Das Endjahr seiner Herrschaft fiel also nach der Chronik'') in das Jahr 359/8, sein Tod ist somit spätestens in das Jahr 358 zu setzen."*) Damit müöte man denn im Sinne der oben genannten Gelehrten das Datum des Bündnisses Thessaliens mit Philipp hinaufschieben. Allein, wenn man die Worte Diodors genau ins Auge faßt, besonders OÖTOt 51 xö [i^v Trpwxov xxX., uaxepov Ss xtX., so erkennt man klar, daß das, was hier über die Regierung der Mörder Alexanders, dann anknüpfend daran über die Intervention Philipps auf Bitte der Aleuaden und endlich über das Verhältnis Thessaliens zu Philipp und Alexander d. Gr. gesagt wird, nichts anderes ist als ein zusammenfassendes R^sume über die Entwicklung der Be- ziehungen Thessaliens zu Makedonien in der gesamten folgenden Zeit, wie es Diodor aus seiner Vorlage herübergenommen hat, die nichts anderes beabsichtigte als an dieser Stelle eine allgemeine Betrachtung zu geben.'') Dadurch, daß
'^) Demosthenes und seine Zeit^ II 27. III 436, Ed. Meyer, Gesch. d. Altert. V § 976.
") Staatsverträge des Altertums I 186 n. 186. '5) Diese Annahme erhält dadurch eine weitere
Die von ihm auf S. 187 gegebene Begründung ist Stütze, daß c. 14 zu derjenigen Partie des 16. Buches
sehr anfechtbar. zu ziehen ist, welche die Verhältnisse des eigentlichen
'*) a. a. O. I 30. Griechenlands behandelt (so bereits Volquardsen,
'*) Geschichte des hellenistischen Zeitalters I Untersuchungen über die Quellen der griechischen
155' 4' und sicilischen Geschichten bei Diodor Buch XI bis
'^) Griech. Staatsaltertümer II 13. Ed. Schwanz, XVI, 108) und, wie die Untersuchungen von Kallen-
Demosthenes' Erste Philippika (Marburg 1894) 14, berg (Festschrift zu der zweiten Saecularfeier des
5 läßt vorsichtigerweise die Zeit der ersten thessa- Friedrich-Werderschen Gymnasiums zu Berlin 1881,
lischen Feldzüge Philipps unbestimmt. 97) Adams (Jahrb. f. cl. Phil. 135, 377. 378) und
") Die Königslisten bei Diodor rechnen nach Pintschovius (Xenophon de vectigalibus V 9 tind
vollen chronographischen Jahren (Ed. Meyer, For- die Überlieferung vom Anfange des phokischen
schungen zur alten Gesch. II 483). Krieges bei Diodor. Programm von Hadersleben 1 900,
") So W. Kitsche, Über die Abfassung von 23 ff.) gezeigt haben, mit höchster Wahrscheinlichkeit Xenophons Hellenika 15 ff. In das J. 358 setzen auf Ephoros als Vorlage zurückzuführen ist. Der Um- Alexanders Ermordung Adalbert Roquette, De Xeno- stand, daß hier auf das Verhältnis der Thessaler phontis vita 60, F. Reuss, Jahrb. f. cl. Phil. 153, zu Alexander d. Gr. Bezug genommen wird, ist 651; in das J. 359 Clinton-Krüger, Fasti Hell, ad nicht gegen Ephoros als Quelle einzuwenden (vgl. a. 359 und S. 300/1, Schäfer a. a. O.'- I 151, 2. Pintschovius a. a. O. 24 ff.), da Ephoros noch
204 H. Swobodii
Diodor dieselbe in ein bestimmtes Jahr einschachtelte, ist der ursprüngliche Sach- verhalt verdunkelt und die Auffassung möglich geworden, es handle sich hier um Ereignisse, die sich im Laufe eines und desselben Jahres abgespielt haben. Die früher citierten Gelehrten haben für ihre Annahme neben Diodor noch eine Stelle Justins herangezogen, welcher, nachdem er von der Niederlage der lUyrier nach Philipps Regierungsantritt gemeldet, folgendermaßen fortfährt (VII 6, 8): „Hinc Thessaliam non praedae cupiditate, sed quod exercitui suo robur Thessalorum equitum adiungere gestiebat, nihil minus quam bellum metuentem inprovisus ex- pugnat, urbem nobilissimam Larissam capit, -*') unumque corpus equitum pedes- triumque copiarum invicti exercitus fecit" ; darauf folgt die Hochzeit Philipps mit Olympias.-') Es kann wohl dahingestellt bleiben, ob diese Nachricht Justins überhaupt und speciell in dem gewollten Sinn nutzbar gemacht werden darf;^^) sie enthält handgreifliche Unrichtigkeiten^^) — auch wenn man annehmen wollte, daß hier Larissa und Pherae verwechselt sind — und steht in Widerspruch mit der späteren Nachricht Justins selbst (VIII 2, i ff.) : ,Adversus quem [gemeint ist Onomarchos] Thebani Thessalique non ex civibus suis, ne victoris potentiam ferre non possint, sed Philippum, Macedoniae regem, ducem eligunt et externae dominationi, quam in suis timuerunt, sponte sua cedunt.' Ihrer ganzen Tendenz nach scheint sie darauf berechnet zu sein, das Vorgehen Philipps, das auch sonst bei Justin als gewalttätig charakterisiert wird, an einem erfundenen Beispiel zu illustrieren.^"*) Gegen einen Feldzug Philipps nach Thessalien in den Jahren 357
zur Zeit der asiatischen B'eldzüge Alexanders an ^') Wie sie überhaupt in dem Abriß der make-
seinem Werke schrieb (Busolt, Griech. Gesch. ^ I donischen Geschichte Justins auch sonst vorkommen;
156). Die Rolle, welche die thessalischen Reiter in so erscheint Amyntas II als Nachfolger Alexanders
den Schlachten Alexanders spielten, ist bekannt; im des Philhellenen (dazu Otto Abel, Makedonien vor
J. 330 wurden sie in die Heimat entlassen (Arr. König Philipp 205, 2).
anab. III 19, 5. 6). Wenn c. 14 auf Ephoros zurück- ^*) In ähnlicher Weise steht VIII 3, I ff. nach
geht, so würde sich eine solche allgemeine Aus- der Bezwingung der Phoker folgende Erfindung:
führung über Thessaliens spätere Stellung zu Make- „Sed nee Philippus melioris fidei adversus socios
donien am leichtesten erklären, da Ephoros den fuit. Quippe veluti timens, ne ab hostibus sacrilegii
heiligen Krieg in seinem Werke nicht mehr be- scelere vinceretur, civitates, quarum paulo ante dux
handelte (Diod. XVI 14, 3). fuerat, quae sub auspiciis eius militaverant, quae
^"j Der Satz „urbem nobilissimam Larissam gratulatae illi sibique victoriam fuerant, hostiliter
capit" steht in den Handschriften vor „Hinc Thes- occupatas diripuit; coniuges liberosque omnium sub
saliam non praedae cupiditate" etc. und wurde von Corona vendidit; non deorum inmortalium templis,
Rühl hierher versetzt, vgl, Jahrb. f. cl. Phil. Suppl. non aedibus sacris, non diis penatibus publicis pri-
VI 140 ff. vatisque, ad quos paulo ante ingressus hospitaliter
^') Die Vermählung Philipps mit Olympias fällt fuerat, pepercit: prorsus ut non tarn sacrilegii ultor
spätestens in den Herbst 357, Schäfer a. a. O.- II 27, I. extitisse quam sacrilegiorum licentiam quaesisse vide-
^^) Die Quelle der Darstellung von Trogus' make- retur." Damit können nur die böotischen und thessa-
donischerGcschichte ist bekanntlich noch nicht eruiert. lischen Städte gemeint sein.
Zur ;^riccliisclien Kiinsllcri^i'scliiclitc 205
und 356 spricht auch der gewichtige Umstand, daß der König in diesen lieiden Jahren so viel mit anderen Unternehmungen beschäftigt war, daß man nicht wüßte, wo die fragHche Expedition unterzubringen sei; wie Foucart nachwies,'*) gehören in das Jahr 357/(1 die Eroberung von Amphipolis, Pydna, Potidaia und die I'esctzung von Krenides, darauf folgend in den lieginn des Jahres 356/5 der Krieg mit den drei verbündeten Königen von lUyrien, Paeonien und Thrakien, der sich um den Besitz von Krenides drehte.
Allerdings ist nicht zu leugnen, daß Philipp schon verhältnismäßig früh dem wichtigen Grenzland Thessalien seine Aufmerksamkeit zuwandte und dort festen Fuß zu fassen trachtete; in einer Stelle Polyaens, die nicht mit Unwahrscheinlichkeit auf Theopomp zurückgeführt wurde, ^''') sind uns über die Art seines Vorgehens wertvolle Nachrichten erhalten (IV 2, ig): (t>Dd7ZTZoz noMr/ xr^aaaö-at QsaaxXim aOiö? [iky cpavepöi; oux inoXi\izi Qeaaaloiq. llcXtvvat'wv Sä -oXsfioüvtwv <I>apaaXtots xaX Ospat'wv Aaptaatoc;, xöv 8k äXXwv Ic, zoüzouc, Sty/prj[i£vü)v, xzi TipoasßorjD-st tot? xaXoöat. vtx(j)v ok oOx ävaa-cäxou; zkoU: xou? i^TTWji,evou;, okIcü. o\) -aprjpsrio, "^siyri ou xatEJüaXXs, xoic, axaast; etpe^e (iäXXov 7) sAusv, xwv äaO'Svs- axepwv £7i£[Ji£X£rT0, robi SuvaTtOTEpou; xa<)-f;p£t, 1015 ST;|iots cpt'Xos //v, xoü? 5rjtAaY<^T^^S kd-zpdntuty. zoüxoiii zolc, axpa-T;yr;naat <t>['Xo7i7ioi; ExpatTjas 0£aaaAia?, ou xot? ottXoi;. Dieser Bericht ist unzweifelhaft auf die ersten Jahre Philipps zu beziehen und gibt uns ein ganz anderes, den Tatsachen mehr entsprechendes Bild, als das von Justin entworfene; nicht durch einen großen Feldzug hat Philipp damals Thessalien gewonnen, sondern sich bemüht, die seit dem Tode Alexanders von Pherai in dieser Landschaft eingerissene Zerrüttung weiter zu fördern, indem er einzelne Städte gegen andere unterstützte,"') sich selbst Anhänger gewann und das Auf- kommen einer Macht, welche Thessalien einigen konnte, verhinderte. Dabei wird er in den ersten Jahren seiner Regierung öfter mit Waffengewalt in Thessalien erschienen sein oder Hilfstruppen gesandt haben, ohne daß es zu größeren kriegerischen Actionen kam und ohne daß er sich dort lileibend festsetzte. Der Umschwung, der auch von Diodor deutlich markiert wird, erfolgte im Jahre 353
") Revue arclii-ol., N. S. XXXV 227 ff. in seinen ersten Hüchern die tliessalischen An-
^^) Melber, J.ihrli. f. cl. Pliilol. Sujiiil. XIV 604. gelcgenheiten ausführlich behandelt, was allerdings
") Es wird dies durch ein kurzes, aber bedeut- nicht nur im Zusammenhang mit Philipps Tätigkeil
sames Fragment Theopomps bestätigt, das in diese geschehen sein muH. Ob die Zerstörung Pharkadons
Zeit gehört (Fgm. 36 = 50): 9eö;:o[i7to;;ip(uT(p <I>iXt7tra- (Diod. XVIII 56, 5. Polyaen IV 2, 18. Theop. IX
xüjv, v.cd xptxq)' 'Exi auvs-oXi|iYjasv 6p|t(i)|isvo; iy. Fgm. 87) schon in diese Zeit gehört, wie angenommen
XaXxtöv T^J Aaptoaataj. Theopompos hat, wie die wird (Melber a. a. O.), oder in spätere Zeit, ist
erhaltenen Fragmente bezeugen (IV 54. V 59. 61), nicht zu entscheiden.
206 H. Swoboda
(Diod. XVI 35):^*) der Feldzug Philipps gegen Lykophron von Pherai hatte zur Folge, daß die mit den thessalischen Tyrannen verbündeten phokischen Macht- haber, zuerst Phayllos, dann Onomarchos in Thessalien intervenierten; der Aus- gang mit dem Siege Philipps über Onomarchos und dem Tode des letzteren ist bekannt. In diesen Feldzügen, die wahrscheinlich auf zwei Jahre (353 und erste Hälfte von 352) zu verteilen sind,-®) scheint Philipp sämtliche thessalische Städte gegen Pherai geeinigt zu haben (Diod. a. a. O. 4 6 [ilv $1X1717105 itstaag xou; ösxta- Xou; xoLvfj xöv 7iöX£tiov apaaö-ai, auvT^y^T^ ""^^^S 7iävTa; Tie^O'j; xxX.)-^); in der Schlacht gegen Onomarchos wird ebenda 5 das entscheidende Eingreifen der thessalischen Reiterei hervorgehoben. Unmittelbar an den Sieg Philipps schloß sich die Über- gabe Pherais und der Abzug der Tyrannen Lykophron und Peitholaos mit ihren Truppen. Diodor berichtet davon unter dem Jahre 352/1 (XVI 37, 3, vgl. 38, i), allein da — wie Dionysius de Dinarcho c. 13 bezeugt — der Auszug der Athener nach den Thermopylen unter dem Archontate des Thudemos (353/2) erfolgte, so wird die Niederlage des Onomarchos und die Capitulation der Tyrannen noch in den Anfang Sommer 352, vor Beginn des Archontatsjahres des Aristodemos gehören.
Thessalien wurde nach dem Abzug der Tyrannen als xoivov constituiert,") — wohl in Anlehnung an die bundesstaatlichen Formen, die einst Pelopidas ins Leben gerufen hatte,^^) — welches in ein Bündnis mit Makedonien trat;^^) am wichtigsten ist, daß durch dieses Bündnis die Verpflichtung der Thessaler, Philipp Zuzug zu leisten, festgesetzt wurde (Demosth. Yl 14 XIX 320; Diod. XVI 5g, 2).
^') Für die Beurteilung des Verhältnisses dieser IjSff. erwähnte Eid (in Pherai geleistet) scheint
Stelle zu dem früher Behandelten c. 14 ist wichtig, ebenfalls von den Thessalem als Bund beschworen
daß, wie Volquardsen a. a. O. Iioff., Sturm, De worden zu sein (Schäfer a. a. O.^ II 262 ff.). Ge-
fontibus Demosthenicae historiae quaestiones duae sandte, welche von den Thessalern abgeschickt
(Dissert. von Halle 1881) 2 ff., Kallenberg a. a. O. wurden, bei Dem. XVIII 211 XIX III. Philoch.
97, Adams a. a. O. 352 ff. und Pintschovius a. a. O. Fgm. 135. Gesandte, welche die Athener an sie ab-
17 ff. nachgewiesen haben, Diodor von c. 28 ab eine sandten oder absenden wollten. Dem. II II. Schol.
andere Quelle benützt, deren endgültige Bestimmung Aesch. III 83. Wichtig ist auch die Bezeichnung
bis jetzt noch nicht gelungen ist. Die gegenteilige mit dem gemeinsamen Ethnikon, daneben nach der
Aufstellung von Reuss (Jahrb. f. cl. Phil. 153, 325 ff.) Stadt (die Beispiele stammen allerdings aus späterer
ist nicht überzeugend. Zeit, der Brauch ist aber schon für diese Periode
^') Schäfer a. 3.0.2 l440ff. 506 ff. II 32 III 438ff. vorauszusetzen) IGIns. III 251, Z. 4 ff. Bull, de
^'') Vgl. auch die oben citierte Stelle Justins corr. hell. XXIII 358. 490; im Gegensatz zur
VIII 2, I. 2. früheren Gewohnheit, auf welche Hiller von Gaer-
") Gemeinsame Beschlüsse der Thessaler (auf tringen aufmerksam macht (in „Aus der Anoraia" 12). ihrer Bundesversammlung) werden erwähnt Dem. I '-) Gilbert a. a. O. II 12.
22 II ri. Aesch. III 161 (unter Alexander). Diod. '') Auf dasselbe sind wahrscheinlich die Dem.
XVII 4, l. Gemeinsame Beratungen Philipps mit den XIX 318 erwähnten Spxot zu beziehen. Thessalern Diod. XVI 59, 4. Der von Dem. XIX
Zur ßriechischen Künstlergeschichtc 207
l)i'r thossalisclie Buiui hatte als solcher, wie es scheint, (Mj^ene liiiikiinfte (Demosth. I 22 VI 22); allerding's lejrte Philipp von Anfang- an auf einen Teil derselben seine Hand, indem er Papasai besetzte und dort die Hafenzölle erhob (Demosth. I 13. 22 11 11 f., auch IV 35). Dieser Umstand sowie die Tatsache, daß Philipp die Halbinsel Magnesia occupierte, obwohl er versprochen hatte, sie den Thessalern zu übergeben (Demosth. II 7), und dort sogar Befestigungen an- legte, erregte in Thessalien eine immer mehr wachsende Mißstimmung und trug zur Lockerung des eben abgeschlossenen Bündnisses bei. Im Jahre 349 hatte die Mißstimmung, wie man aus den beiden ersten olynthischen Reden des Demo- sthenes ersieht, ihren Höhepunkt erreicht (Demosth. I 22 II 11); die Thessaler be- schlossen, von Philipp die Übergabe von Paga.sai und Magnesia zu fordern und ihn an der Befestigung dieses Platzes nötigenfalls mit Gewalt zu hindern. Diese Lage der Dinge schien den vertriebenen Tyrannen von Pherai günstig zu sein, um ihre Rückkehr zu wagen, um so mehr als Philipps Tätigkeit damals Olynth und den chalkidischen Städten zugewandt war; wie Diodor unter dem Archontate des Kallimachos (349/8) meldet (XVI 52, 9),^*) vertrieb Philipp den Peitholaos aus Pherai, was nur als ein freilich bald gescheiterter Versuch des letzteren aufgefaßt werden kann, die Herrschaft wieder zu usurpieren.^'') Zunächst hatte Philipp mit diesem Einschreiten seine Autorität in Thessalien hergestellt und in der folgenden Zeit standen die Thessaler ihm bei allen entscheidenden Actionen, besonders den- jenigen, welche sich vor dem Frieden des Philokrates abspielten und in dessen Gefolge waren, zur Seite, ^^) um so mehr als sein Vorgehen gegen die Phoker durchaus mit ihren Interessen zusammenfiel; nur Pherai, das es nicht verschmerzen konnte, mit dem Sturze der Tyrannen die Herrschaft über Thessalien eingebüßt
■") Das Datum erscheint als wohl bezeugt, da die kann sich gar nicht vorstellen, wie Reuss seine An- Nachricht Diodors mit höchster Wahrscheinlichkeit sieht mit Dem. I 12/3 vereinbaren will, an welcher aus dessen chronograpbischer Quelle stammt (Sturm Stelle die Tätigkeit Philipps in chronologischer a. a. O. 2). Reihenfolge geschildert und das Eingreifen in
'*) Böhnecke. Forschungen auf dem Gebiet der Thessalien, sein Vorgehen gegen Pherai. Pagasai,
attischen Redner I 32 ff. Schäfer a. a. O.^ II 139. Magnesia nach dem Fall von Methone (vgl. auch
Die von Reuss (Jahrb. f. cl. Phil. 153, 3I9ff.) auf- Dem. I 9) und vor dem thrakischen Feldzug des
gestellte Ansicht, daß die Tyrannen von Pherai durch Herbstes 352 (Schäfer a. a. O. ^ I 446 fr. II 32. 56)
Philipp nicht im J.352, sondern überhaupt erst 349 vcr- eingereiht wird. Dem gegenüber ist vuv£ bei Dem.
trieben wurden, ist ganz willkürlich; die Stelle des II 14 vuvi Sk OsTtaÄot; araaid^o-jot xal tSTapa-fiisvoi;
Dionys deDinarcho c. 13 bezeugt ausdrücklich, daß der ird TT,'/ T'jpavvf/.TjV oExiav sß^irjOTjas nicht zu pressen;
Auszug der Athener nach den Thermopylen unter es kann in diesem Zusammenhang kaum etwas anderes
dem Archon Thudemos (353/^) erfolgte, nicht wie bedeuten als das T.ih.'i a5 des vorhergehenden Satzes. Reuss, der dieses Datum bei Seite schiebt und für •'"') Der Abfall von Halos, der einer Streitigkeit
seine Argumentation von der falschen Lesart xf.;- der Stadt mit Pharsalos entsprang (Dem. XIX 163 cf.
xaiSixa-ov eto; ausgeht, es will, im J. 349/8. Man 164 ff.), kann nur als Episode angesehen werden.
Jahrrshoftc di*s »storr. .irchäol. Instititt<>s Bd. VI.
27
208
H. Swnbodn
ZU haben, blieb noch in diesen Jahren der Sitz der makedonenfeindlichen Oppo- sition, die sich in passivem Widerstand äußerte. ä') Trotzdem diese Opposition durch die veränderte I.ag-e, wie sie sich aus dem philokrateischen Frieden und der Beendigung des phokischen Krieges ergab, an Boden verlieren mußte, wozu noch kam, daß Philipp im Jahre 346 den Thessalern zum Lohn für ihre Haltung die magnetische Halbinsel und Nikaia bei den Thermopylen überließ, scheint sich in Pherai das Centrum des Widerstandes gegen den makedonischen Einfluß be- hauptet zu haben. So schritt denn Philipp zu durchgreifenden Maßregeln, um seiner Herrschaft über Thessalien eine feste Grundlage für alle Zukunft zu geben; dieselben wurden in zwei zeitlich von einander getrennten, aber bald auf einander folgenden Actionen durchgeführt.^*) Im Jahre 344 brach Philipp den Widerstand von Pherai, vor dessen Mauern er mit einem Heere erschien, dadurch, daß er eine makedonische Besatzung in die Stadt legte.^-') Auch in anderen thessalischen
^') Gefolgert h.it dies Schäfer a. a. O.- II 281 mit Recht aus den Worten des Dem. XIX 320 rjSet Sri o''=¥®; oliiac to'j9-', Sti vOv, ■^vtx' äa-aatajs p,Ev aüx(T) xa ÖsxxaXöJv, xai <I>3patoc Tipwxov oü auvigxGXoü- 9-ciUV, ... oüx EveaxL 7iap$},3-siv -xxX. ; doch wird der Widerstand der Pheraier schon in frühere Zeit zurück- gereicht haben. Die gleich darauf erwähnte Nieder- lage der Thebaner (iv.paxoOvxo Ss QrßyXo'. xal liixT' vjXxr]vxo v.ai xpoTtatov ärC aüxwv sEjxvjxsi) ist wohl die- jenige von Koroneia im J. 347 (Diod. XVI 5O, 2) gewesen, über welche Schäfer a. a. O.^ II 185 fr.
^*) Entgegen der neuerdings mit Lebhaftiglveit. besonders von Beloch, Griech. Gesch. II 532 ff., Preuner, Ein delphisches Weihgeschenk 7. 60 und Costanzi, Riv. di Filol. XXIX 450, I verfochtenen Ansicht, welche Gelehrten ein einziges Vorgehen Philipps gegen Thessalien im J. 344/3 annehmen, halte ich die von Schäfer a. a. O. ^ II 346. 430 ff. begründeten Aufstellungen für richtiger, denen sich auch Foucart, Rev. de philol. XXIII 108 ff. an- schließt. Daß zwei Actionen zu unterscheiden sind, bezeugtzunächstDemosthenes in derzweiten Philippika (VI 22): xi 5" oE SsxxaÄoi; ap' otsaJl-", ecfrjv, äx" aüxot; xoü; xupavvou; s^EßaXXe vcai TcoiXiv Nixot'.av xai Ma-,'vr,- aiav iätdou, TtpoaSoxäv xrjv xaS-Eaxröaav vüv äsxa- dapxtav ea£a9-ai Tap aOxoT; xxX. Da diese Rede zu Anfang von Ol. 109, I (344/3) gesprochen wurde, müssen die hier erwähnten Maßregeln vorher ge- troffen worden sein. Dazu stimmt, daß Diodor XVI 6q, 8 die Intervention Philipps in Tliessalien nach dessen Feldzug gegen die lllyrior crwälmt (vgl.
Anm. 39). Anderseits bezeugt das Schol. Aesch. III 83, daß die Athener unter dem Archon Pytho- dotos (Ol. 109, 2. 343/2) noch Gesandte nach Thessalien schickten, um es von Philipp abwendig zu machen", diese Tatsache ist wohl bezeugt, da auch der Führer der Gesandtschaft, Aristodemos, genannt wird, der wohl Niemand anderer als der Archon von Ol. 107, I (352/1) gewesen sein wird (in Kirchners Prosop. Att. finde ich die eben citierte Stelle nicht berücksichtigt). Es ist klar, daß eine solche Sendung nach der Einführung der Tetrarchien unmöglich erfolgen konnte; deren Begründung, auf welche Demosthenes in der dritten Philippika (IX 26) anspielt, ist demnach später zu setzen und dazu stimmt vollkommen, daß, wie Schäfer a. a. O. ^ II 430, 3 mit Recht hervorhebt, Theopompos im43. Buche (vgl. Fgm. 228) Philipps Feldzug gegen Arybbas, und im 44. Buche (Fgm. 234) die Einführung der Tetrarchien in Thessalien durch Philipp erwähnt hat. Dazu kommt, daß Hegesippos (Demosth. VII 32) bezeugt, daß Pherai vor dem Feldzug gegen Arybbas von Philipp besetzt wurde; darauf bezieht sich wohl auch die Bemerkung bei Trogus, Prol. VIII. Beloch hätte sich (a. a. O. II 533, l) über das ge- wichtige, aus Theopompos' Ökonomie gezogene Ar- gument nicht so leicht hinwegsetzen sollen.
'') Daß Philipp, um in Thessalien reinen Tisch zu machen, sich zuerst gegen Pherai wenden mußte, ist klar; sein Vorgehen gegen diese Stadt darfauch aus der Ausdrucksweisc Diodors XVI 69, 8 Msxa 5s -aüx« T:apsX9-<'ov sig xt/v BsxxaXtav xai xo'j; xupdvvou;
Zur t;rieiliisclicn Künsllcrgeschiclite
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Städti'u wurdi'ii <lani;Lls — wie die Erwähinmj^- in Dcmosth. XiX 2(><> tieweist, diese Rede gibt den unteren Terminus — makedonische Garnisonen installiert. Endlich nahm Philipp auch eine Änderung an den Stadtverfassungen vor, intlem an die Spitze der Städte Behörden von lo Männern (Sexacapyta'.) gestellt wurden/") Die stautsmännische Begabung Philipps zeigt sich in seiner Erkenntnis, daß es mit der militärischen Occupation Thessaliens nicht getan sei, sondern auch eine jjolitischc Reform diese I-andschaft fester an Makedonien knüpfen müsse; die Tatsache, daü die Athener noch in der letzten Zeit versuchten, mit 1 hessalien in Verbindung zu treten,") wird seinen Entschluß beschleunigt haben. Er schritt daher, nachdem er Arybbas im Herbst 343 entthront hatte, zu weiteren Maß- regeln in Thessalien,'-) von welchen die wichtigste die Gliederung des Landes in Tetrarchien war;'*) an die Spitze der vier Landesteile wurden ergebene Werk-
ix Tüiv T.iXsio'i £y.paX('uv v.-.X. gefolgert werden, nur daß dieser Schriftsteller seine Quelle ungenau wieder- gegeben liat; dieser Passus scheint aus der philippi- schen Quelle des XVI. Buchs zu stammen iKallen- berg a. a. O. gl. c)8; Adams a. a. O. 351). Es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln, daß die Ver- knüpfung der Ereignisse bei Diodor glaubwürdig ist, so daß die Intervention Philipps auf seinen Zug gegen die lUjTicr folgte — wenn auch nicht unmittelbar — , und daß auch der Zeitpunkt dieser Intervention bei Diodor anniihernd richtig bestimmt ist; nur ist sie (vgl. Böhnecke a. a. O. I 435. 735; Schäfer a. a. O. - III 442) noch in die zweite Hälfte des Archontats- jahres des Eubulos (345/4) zu setzen. Die Besetzung von Pherai wird erwähnt von Hegesippos in der Rede über die Halonnes (Dem. VII 32) und von Dem. IX 12 (wo 7:p(pr)v natürlich nicht zu pressen ist), vgl. auch VIII 59.
*") Vgl. die oben citierte Stelle bei Dem. VI 22. Daß Harpokrations Einwendung s. v. äExaoapx'a nichts taugt, hat Schäfer a. a. O.^ II 430, 3 mit Recht bemerkt. Die von Beloch acceptiertc Bemerkung H. Weils (Les Harangues de Demoslhene' 227), daß der Singular SsxaSapxtev nicht stehen könne, wenn sich die .'Vng.ibe auf die einzelnen Städte beziehe, ist zu rigoros; eine solche kleine Ungenauigkeit im Ausdruck des Demosthenes darf nicht zu sehr betont werden, denn auch IX 26 ist die Wendung y.al TSTpapy/Ia; xaxsoTrjjsv nicht präcis und sollte richtiger -ETpipx^u; gesagt sein. Vielleicht handelte es sich bei der Einsetzung der Dekadarchien nur um eine Überg.ingsmal3regcl (so auch Kaerst a. a. O. I 182, 3).
^') Schol. Aesch. III »3; AO-TivaEot £7ii IluO'oäo-rou äpxovto; 'cjj ß' |-Ei Tf,j p3- 'OXu|iTOä3o; *i/.tenou gaai/.EÜovTo; eto; irj Oiro-teuoiiivYj; Xu9->jasa9-a'. -^; -po; <PiXnnzo-/ stpT|Vr,; Easir|av ■urM.y.yr^'i xf/; 'EXXdSo; Ttpsißsia; Tiepl aD|i|iax£a; -/.ai si; öe-TaXiav y.ai Ma-fvrjatav toü; -spi "Apii-oiTiiicv, änoa-f^aai aCi-o'j; PouXöjiEvoi äitö «tiXiTiiiou -/.tA.
") Daß Schäfer a. a. O.- II 425(1. mit Recht Philipps Tätigkeit in diese Zeit setzt, geht, wie ich oben bemerkte, aus der Reihenfolge der Fragmente Theopomps hervor. Schäfer hat ferner auch nachge- wiesen, daß Arybbas' Absetzung in das J. 343 ge- hört. Die Annahme von Reuss (Rhein. Mus. N. F. XXXVI 165 ff.), Arybbas sei erst 341 oder 340 entthront worden, stützt sich auf die Stelle Diodors XVI 72, I, die nachweisbar die stärksten Irrtümer enthält. Gegen Reuss Kaerst bei Paul y- Wisse wa II 1496 ff. und Hermann Schmidt, Epeirotika (Marb. Dissert. 1894) 45 *^t ^^'^ Arybbas' Vertreibung in den Anfang 342 setzt.
^') Demosth. IX 26 (wohl auch 33 darauf zu beziehen). Thcopompos XLIV Fgra. 234. Harpocr. s. u. äsy.aSapxia und -lETpapxia. Daß die Tetrarchien vor Philipp als politische Einrichtung nicht existierten, hat Costanzi a. a. O. 447 ff. 466 ff. bewiesen. Die zuerst von Percy Gardner (A Catalogue of the Greek coins in the British Museum. Thessaly to Aetolia XXIV ff.) — dem Head Hist. Xum. 253 einfach folgt — , dann von Monceaux, Rev. archdol. S. III, XI 223, XII 198 ff. aufgestellte Ansicht, daß Philipp die Tetrarchien im J. 352 einrichtete und 344 wieder beseitigte, ist mit den Tatsachen, speciell der In- schrift des Daochos (Michel, Rec d'in«rr. '.jrcrques
2IO H. Swoboda
zeuge Philipps gestellt. ''"'^) Die Versammlungen des thessalischen y.oivdv blieben auch ferner bestehen (vgl. Diod. XVII 4, i. Justin XI 3, 2. Aesch. III 161). Damals wird Philipp zum lebenslänglichen Archon des thessalischen Bundes gewählt worden sein.*^) Von jetzt ab war Thessalien — trotz mancher Schwan- kungen in späterer Zeit — nicht viel mehr als ein makedonisches Untertanen- land ; *") am wichtigsten war, daß Philipp als Archon die unbedingte Verfügung über die thessalischen Truppen und über die Finanzen Thessaliens besaß.*') Mit der Einführung der Tetrarchien wird wohl eine Reorganisation des thessalischen Heeres verbunden gewesen sein.**)
Aus dieser Übersicht über die Beziehungen Thessaliens zu Philipp II geht hervor, dai3 die Ansicht Mahlers bezüglich des Zeitpunktes des Sieges über die Illyrier, der durch unser Weihgeschenk verherrlicht ward, ganz unmöglich ist. Selbst wenn im Jahre 357 ein Bündnis zwischen Philipp und Thessalien abge- schlossen worden wäre, was sich nach unserer Auseinandersetzung als unwahr- scheinlich ergab, so könnte es sich schwerlich um etwas anderes als um eine Epimachie gehandelt haben, welche die Thessaler im Falle der Verletzung des makedonischen Gebietes zur Waffenhilfe verpflichtete. Die siegreiche Schlacht, welche Parmenion im .Sommer des Jahres 356 den Illyriern lieferte (Plut. Alex. 3; Consol. ad. Apoll. 6. Justin XII 16, 6), fand kaum zur Abwehr eines Einfalls derselben statt, sondern Parmenion wird die Offensive ergriffen haben, um einem
n. 1281) unvereinbar. Ob die beiden Decrete von 532 aus den oben citierten Stellen Diodors und
Krannon, von welchen Monceaux ausgeht (Cauer, Justins; vgl. auch Monceaux, Rev. arch^ol. S. III,
Del.^ n. 39g = Otto IIofFmann, Griech. Dialekte II XII 203 ff., dessen Annahme, daß der makedonische
S. 37, n. 54; Cauer^ n. 400 = Hoffmann S. 38 ff. König den Titel oxpaxrjfGj geführt habe, weniger
n. 54 ^ Michel n. 302) wirklich aus dem vierten wahrscheinlich ist.
Jahrhundert stammen, ist in höchstem Maße zweifei- *^) Vgl. die öfter citierte Äußerung des Poly-
haft, wie Otto Hoffmann a. a. O. II, IX ff. überzeugend bios IV 76. Allerdings scheinen sich zur Zeit des
bemerkt hat, der sie in die Zeit nach 195 v. Chr. Abfalls des Agis auch die Thessaler gerührt zu
setzt (vgl. auch Preuner a. a. O. 61 ff. 64, der haben (Aesch. III 167); allein erst der lamische
sie noch weiter, nach 179 v. Chr. herabrückt). Leider Krieg bedeutet eine entschiedene Wendung ihrer
ist, wie mir Herr Professor Otto Kern in Rostock Haltung gegen Makedonien.
auf meine Anfrage gütigst mitteilte, der Stein, welcher *''} Dies geht aus der zu Anfang mitgeteilten
die beiden Beschlüsse trug, nicht mehr aufzufinden; Stelle Diodors XVI 14, 2 hervor; ferner Demosth.
damit schwindet die Möglichkeit, in dieser Frage VIII 14. Daß die Thessaler an dem Feldzug gegen
völlige Gewißheit zu erlangen. die Griechen 339 und 338 teilnahmen (Dem. XVIII 63),
^*) Theopompos XLIV Fgm.235 und besonders ist ebenso bekannt, wie die Rolle, welche die thessa-
die Inschrift des Daoehos. Dazu Beloch a. a. O II lische Reiterei in dem asiatischen Feldzug Alexanders
533, I. 610, bes. aber Foucart a. a. O. 105 ff. und d. Gr. spielte (vgl. oben Anm. 19). — Was die
Preuner a. a. O. 7 ff. 60. Ob die Tetrarchen ge- Finanzen anlangt, so ist dafür der beste Beweis,
wählt, oder wie Foucart 109 meint, von Philipp er- daß in den thessalischen Städten nur makedonische
nannt wurden, ist kaum zu entscheiden. Münzen geschlagen wurden (s. unten),
''■>) Mit Recht gefolgert von Beloch a. a. ü. II **) Ähnlich Kaerst a. a. O. I 182.
Zur {;riechisilicn Künstlergeschichte 2 11
Aiij^riif (los zur fciiKlliclien Coalitioti i,''ehörenden Königs Grabos (CIA II b(t b) zuvorzukomniiMi. Infolg-e der empfindlichen Lection, welche die lllyrii-r damals erhielten,'''') scheinen sie fortan Ruhe gehalten zu haben p^") unsere Überlieferung weil3 erst wieder nach dem Abschlüsse des heiligen Krieges von einem Feldzug Philipps gegen die Illyrier (Diod. XVI 69, 7. Trogus, Prol. VIII. Justin VIII 6, 3),'') der aber nicht in das Jahr 344/3 (so Diodor), sondern eher in das vorhergehende zu setzen ist.""-) Es ist möglich, daß an diesem Feldzug thessalische Truppen teil- nahmen, obwohl man dem das allerdings nicht durchschlagende Bedenken entgegen- halten könnte, daü damals Pheraes Widerstand noch nicht gebrochen war. Durcli diesen Feldzug scheint Philipp die Oberhoheit über das südliclie lUyrien erreicht zu haben. *^) Philipp hat dann noch nicht lange vor seinem Tode Krieg mit den Illyriern geführt; zuerst schlug sie Alexander (Curtius VIII i, 25), ''■') dann brachte Philipp selbst ihrem König Pleurias eine Niederlage bei (Diod. XVI 93, 6). Auch nach der Thronbesteigung Alexanders kam es zu einer weitreichenden Erhebung der Illyrier, welche der König auf seinem Rückmarsche von der Donau durch den Sieg bei Pelion (Sommer 335) niederwarf.-'''') Die Folge dieses Sieges war, daß sie in Abhängigkeit von Makedonien gerieten.^*')
Es läßt sich natürlich nicht mit völliger Bestimmtheit behaupten, daß unser Epigramm auf einen dieser Feldzüge zu beziehen ist; aber die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß die Thessaler bei diesen Gelegenheiten ein Contingent zu den makedonischen Truppen sandten-'') und an deren Siegen teilnahmen. Wenigstens das eine steht sicher, daß die zeitliche Grenze für die Veranlassung des thessa-
■") Ob Philipp nach Parmenions Sieg nochmals keine Truppen außer Landes geschickt haben, die Illyrier schlug, wie Sch.Hfer'- II 27 mit Rücksicht ^') Wahrscheinlich ging Philipp damals angriffs- auf Diodor (XVI 22, 3) annimmt, ist doch zweifei- weise vor (Zippel, Die röm. Herrschaft in Illyrien 26). haft. Parmenions Sieg kann zu derselben Zeit er- 5-i) ßöhnecke a. a. O. I 428 ff. 735. Zu diesem fochten worden sein, als der Abschluß der Allianz Kriege auch Schäfer a. a. O. ' II 345. des Grabos mit Athen erfolgte (CIA II 66 b); Foucart 53) Zippel a. a. O. 29.
setzt ihn vor dieselbe (Rev. archiiol., N. S. XXXV 54) -Wahrscheinlich im Frühjalir 337, Schäfer'
231. 232), allein auf den Synchronismus bei Plul. m 63, Droysen, Gesch. des Hellenismus' I 94.
Alex. 3 ist kein Verlaß. !>•■>) Arrian Anab. I 5. 6. Bei dem Überfall des
'") Die auf Dem. I 13 fußende Annahme von feindlichen Lagers wurden viele Illyrier niedergemacht
Reuß (Rhein. Mus. N. F. XXXVI 163 ff.), daß und gefangen, diejenigen, welche entkamen, warfen
Philipp im J. 351 oder 350 Krieg gegen die Illyrier ihre Waffen weg.
geführt habe, ist recht problematisch; Demosthenes' 56) Schäfera.a.O.' III iio; Droysen a.a.O.' 1 15g.
Worte: x4; 8' In' 'IXXupioüs xal Dato-za; aÜToü y.ai ") So wie sie Philipp im thrakischen Feldzug
;ipös Apöppav xal äTOi xi; äv EÜJiot TiapaXcfeu) axpaistaj (Jahr 341 ff.) verwendete (Dem. VIII 14). An dem
sind wahrscheinlich auf den Krieg von 356 zu be- Feldzuge Alexanders im J. 335 scheinen allerdings
ziehen. Aber selbst wenn Philipp damals mit Illyrien nur makedonische Truppen teilgenommen zu haben
Krieg geführt hätte, könnten die Thessaler, welche (H. Droysen, Alexanders d. Gr. Heerwesen und
in den Krieg mit den Phokern verwickelt waren, Kriegführung 4).
212 H. Swoboda
lischen Weihgeschenkes von dem Jahre 356 heruntergerückt werden mulJ, was natürlich eine weitere Folgerung für das Zeitalter des Phradmon nach sich zieht. Noch ist aber eine interessante Frage zu beantworten. Wie kommt es, daß als Weihgeschenk gerade zwölf eherne Kühe"*) aufgestellt wurden? Diese Zahl muß irgend einen Grund haben. Allerdings kann man nur eine Vermutung darüber aussprechen, welche an eine Beobachtung Szantos anknüpft;''-') dieser Gelehrte wies darauf hin, daß bei griechischen Bundesbildungen, besonders bei amphiktio- nischen Verbindungen, die Zwölfzahl der Teilnehmer sehr häufig sei. Ich möchte glauben, daß bei der Reorganisation des thessalischen Bundes durch Philipp II von Makedonien und der Einführung der Tetrarchien im Jahre 343/2 die Zahl der Städte, welche als vollberechtigte Mitglieder das xoiv6v der Thessaler bildeten und an den Bundesversammlungen teilnahmen, auf zwölf festgesetzt ward,®") während die übrigen, nach den Münzen recht zahlreichen Städte Thessaliens zu ihnen in ein Verhältnis der Abhängigkeit traten. Leider haben wir kein Mittel, an dem wir diese Vermutung prüfen könnten. Mit dem Eintritt der makedonischen Hegemonie in Thessalien 343 scheint die autonome Münzprägung aufgehört zu haben;"') sie wurde durch die makedonische Münze ersetzt — was für das Verhältnis Thessaliens zu dem makedonischen Königtum ungemein charakteristisch ist. Erst zu Ende des vierten Jahrhunderts lebte sie wieder auf."-) So bleiben einzig die in den letzten Jahren entdeckten, in die Zeit Philipps und Alexanders d. Gr. gehörenden delphischen Rechnungsablagen, ''^) denen man entnehmen kann, welchen Städten damals die thes- salischen Hieromnemonen vmd die thessalischen Mitglieder des delphischen Colle- giums der vaoTioiot entnommen wurden. Es ist dies eine ganz beschränkte Zahl, die immer wiederkehrt, nämlich: Pharsalos, Larissa, Krannon, Gyrton, Pherai, Pelinna."') Diese Städte müssen damals den bedeutendsten Rang in Thessalien eingenommen
^') Goldene Kühe als Weihgeschenk des Kroisos XXV. XXVI. Preuner a. a. O. 60, g. in Ephesos bei Herod. I 92. In der fruchtbaren ^^) Gardner a. a. O. XXVIII. Ebene von Thessalien wird noch heute Rinderzucht ''^) Ich habe zu diesem Zweck die letzten Jahr- betrieben (Bursian, Geographie von Griechenland I 47). gange des Bull, de corr. hell, durchgearbeitet.
*') Die griechischen Phylen (Sitzungsber. Akad. ^*) Für die Bedeutung dieser Städte spricht auch,
Wien B. 144, V) 40 fF. das sie, Gyrton ausgenommen, bereits vor dem J. 400
*") Vielleicht in Nachbildung der pylaeisch- Münzen geschlagen haben (außer ihnen taten dies noch
delphischen Amphiktionie, deren Teilnehmerzahl Oloosson, Skotussa, Pharkadon und Trikka [diese
ebenfalls zwölf war. beiden Städte wurden von Philipp zerstört]), Gardner
") Gardner a. a. O. XXIV. XXVI. Head, Hist. a. a. O. XXIV. XXXIII. Pelinna, das Philipp schon zu
Num. 246 ff. 253. Allerdings bedarf diese Aufstellung Anfang gegen Pharsalos unterstützte (Pol yaen IV2, 18),
entschieden einer Nachprüfung; was Larissa anlangt, scheint ein Hauptsitz der makedonischen Parteigänger
so gehören die Münzen mit der Aufschrift ^IMO in 1 hessalien gewesen zu sein; bei dem allgemeinen
(bei Gardner a. a. O. 31 n. 77. 78, PI. VI 10) wohl .\bfaU der Thessaler im lamischen Kriege bewahrte die
sicher nach 343. Über Sinios vgl. Gardner a. a. O. .Stadt den Makedonen die Treue (Diud. XVIII II, l).
Zur yrii'rliisclicn K iinstlergfschiclilr ^'3
haben;''') weU'lu' (ifin(Mii<lcii iliin'ii nnch hci/uzälilrti sind ili.' Riclitij,''kcMt uiisi.tit Hypothese vorausgesetzt — , imi ilic /wölfzalil voll zu marhcn. kann vorläufijf nicht jj"esagt wiTilcn. X'ii'lli'icht liriiiycii aiicli da dicMlr-lphisrlicii limde weitere Aufklärunjaf.
Noch ('in(> andere« Ansicht, welche Malilrr aufstellt, unterließet einer Kritik vom Standpunkte des Historikers. Bekanntlich meldet Pausanias in der Schilderunjf von Aniyklai (III 18,8), daß Polyklet eine Aphrodite pearbtsitet habe, welche unter iMiiem Dreitul.i stand, der zum Andenken an den Siej; von Aijjospotamoi aufj^estellt worden war. Mahler, der es für zweifelhaft hält, dati I'olyklet als (ireis einen .solchen Kunstauftrag noch habe übernehmen können, vermutet daher, ''^) daß die Beziehung dieses Dreifuf3es sowie desjenigen des Aristandros auf die .Schlacht von Aigospotamoi unrichtig sei; die wahrscheinlich ganz allgemein gefaßte Dedications- inschrift des Siegesdenkmales sei von dem Periegeten ohncnveiters auf die erwähnte .Schlacht ged(nitet worden. Es sei daher an eine andere Cxelegenheit zu denken, am ehesten an den .Sieg der .Spartaner bei Mantinea (418).
In der Kühnheit, mit welcher Mahler den Tatbestand hier umdeutet, wird er kaum einen Nachfolger finden."') Indem ich von den formellen Anstößen absehe, welche die von ihm vermutungsweise reconstruierte Weihinschrift aufweist, so scheint es zunächst, dal.1 Mahler sii-h nicht darüb(>r klar geworden ist, \'on wem das in Rede stehende Denkmal gestift(;t wurde; er nimmt wohl an, daß die Weihung von den Amykläern ausging. Die .Stellung von .\myklai innerhalb des spartanischen .Staats- organismus ist bestritten ; doch glaube ich, daß die Ansicht Nieses am ansprechendsten ist,"^) Amyklai sei ein Dorf des .Spartiatengebietes gewesen. Wie .sehr dazu die Tatsache stimmt, daß eine Oba der spartanischen Bürgerschaft, die einzige, deren
''•') Phcrai erfuhr also trotz seiner früheren Stehfen a. a. O. hält sie einfach für Perioeken, Ed.
Haltung keine Degradierun^. -Meyer, Gesch. d. Altert. III § 263 A. ebenfalls für
""j a. a. O. 7 ff. Perioeken, die auf spartanischem Gebiet, in Amyklai,
•"j Die gegen Mahler gerichteten Bemerkungen einzeln angesiedelt waren; Niese a. a. O. 79, 6 für
Hausers (Rom. Mitth. XVII 254, l) kann ich nicht .Spartaner, deren Landbesitz auf dem Gebiet des ehe-
als ernstliche Widerlegung auffassen. maligen Amyklai lag, ebenso Lipsius (Schümanns
"^j .Sybels Hist. Zeitschr. N. F. XXVI 74, 4. Griech. Altertümer'' I 289, 4), der in ihnen Ange- 79, 6. Ihm schließt sich Busolt an, Griech. Gesch.- hörige der Kome Amyklai sieht. Diese Ansicht ist I 521, 3 [vgl. jetzt auch die Erörterungen Kromayers sicherlich die folgerichtigste; nur erscheint es als in den Beiträgen zur allen Gesch. III 178 ff.]. Die merkwürdig, daß bei der geringen Zahl der sparta- andere, recht unwahrscheinliche Ansicht geht dahin, nischen VoUbürgcr die Amykläcr so viele gewesen daß Amyklai Perioekenstadt gewesen sei (so z. B. sein sollen, daß sie über das ganze Heer verteilt Stehfen, De .Spartanorum rc militari 11. 14, 2l). waren. Vielleicht sind unter den , Amykläern' bei Große Schwierigkeiten bietet unleugbar die Stelle bii Xenophon sowohl die Vollbürger als auch die in Xenophon Hell. IV 5, 11, in der erzählt wird, daß Amyklai angesiedelten Perioeken zu verstehen [einer im J. 390 die in Lechaion befindlichen Amykläcr zur ähnlichen Ansicht scheint Kromayer a. a. O. 177, I Keicr des llvakinlliicn nach Hause entlassen wurden. zu sein).
2 14 H. Swoboda, Zur griechischen Künstlergeschichte
Namen wir wissen, nach Amyklai benannt war,*'") braucht nicht bemerkt zu werden. Unter diesen Umständen ist es unmittelbar klar, daß die von Polyklet gfearbeitete Statue von den Spartanern selbst geweiht war.'')
Die weitere Voraussetzung Mahlers, daß die Fassung der Dedicationsinschrift den Sieg nicht näher bezeichnet habe, ist willkürlich, da eine öfter vorkommende Erscheinung doch nicht als Regel bezeichnet werden darf."') Ganz abgesehen davon darf man aber wohl mit .Sicherheit behaupten, daß an die Schlacht von Mantinea im .Sommer 418 als Veranlassung unseres Weihgeschenkes in keinem Falle gedacht werden kann. Das Haupt der feindlichen Coalition, welche Sparta durch diese Schlacht niederwarf, war Arges ;'^) die argivischen Äoyaoss zeichneten sich in dem Kampfe besonders aus.") Es ist bezeichnend, daß Thukydides für das Heer der Coalierten einigemale den Ausdruck 0: (xe) 'Apycrot xal 01 ^ö\i.\itxypi gebraucht. ''') Allerdings trat gerade infolge dieser Niederlage eine Wandlung in der politischen Haltung von Argos ein, indem zu Beginn des Winters 418 die aristo- kratische Partei emporkam und Argos sogar ein Bündnis mit Sparta einging.''') Allein dieses unnatürliche, der Geschichte und den Traditionen von Argos widersprechende Verhältnis dauerte nur bis zum Beginne des Sommers 417; durch eine Erhebung des argivischen Demos wurde dieses Bündnis aufgelöst und dafür ein solches mit Athen abgeschlossen."') Darnach ist es wohl ausgeschlossen, daß ein argivischer Künstler, wie Polyklet, ein Denkmal schuf, das nichts anderes als den Triumph Spartas über seine eigene Stadt verherrlicht hätte;") eine so weitherzige Auffassung des Patriotismus wäre selbst in Griechenland, wo die politischen Parteikämpfe manche merkwürdige Erscheinung gezeitigt haben, beispiellos gewesen.
Wenn nicht andere, gewichtigere Gründe gegen Pausanias' Nachricht ins Treffen geführt werden, dürfte es also bei der Beziehung der Aphrodite von Amyklai auf die .Schlacht von Aigospotamoi bleiben. Die weitere, von den Archäologen eifrig verhandelte Frage, ob dieses Kunstwerk dem älteren oder dem jüngeren Polyklet zuzuteilen ist, fällt außerhalb des Kreises meiner Betrachtung.
Prag. HEINRICH SWOBODA
''ä; Vgl. die bekannte Urkunde Ath. Mitth. III '-) Thuc. V 66 ff.
l64^Cauer, Del.^n. 32^Ditfenberger, Syll.^n. 451. '^J Thuc. V 72, 3.
'") An die Obe der Amykläer darf man kaum ''*) V 66, I. 70, I. 73, I.
denken, da die Oben in keiner Beziehung zur Gliede- ''^) Thuc. V 76 ff.
rung des spartanischen Heeres standen. '^) Thuc. V 32.
'') Es genügt für das Gegenteil auf die sparta- '') Daß Polyklet von Geburl Sikyonier war und
nische Weihung für den Sieg von Tanagra (IGA erst später das Bürgerrecht von Argos erlangte,
26 a) oder auf die Inschrift vom Schatzhaus der macht für diese Frage nichts aus. Athener in Delphi (Michel, Rec. n. II 17) zu erinnern.
2I,S
Fig. 117 Von einer Saalwand des Palazzo Farnese in Caprarola.
Das Kind mit der Fuchsgans.
Tafel VIII.
Das Kind mit der Fuchsgans *) ist uns als ein Werk griechischer Kinder- bildnerei durch eine neue Schriftquelle zur griechischen Kunst bekannt geworden, durch den vierten Mimiambus des Herondas, 'Aax),rjjti(;) ävaxtiS-eraai xaJ 9-ua'.ai^ouaat. Dieser schildert zwei Frauen aus dem \'olke, wie sie dem Asklepios Weihge- schenke, Opfer und Gebet darbringen und Bildwerke in seinem Heiligtum mit staunender Bewunderung betrachten.
Ehe wir die in dieser Quelle genannten Werke zu andern literarischen Notizen und zu dem erhaltenen monumentalen Material in Beziehung setzen, müssen wir uns über den Zeugniswert der Quelle klar werden.-)
') Die vorliegende Abhandlung ist in ihrem mich aber andere Arbeiten an den Platz, um den
Kern entstanden im Jahre 1895 ^"f Anregung des Herrn Kekule v. Stradonitz, dem ich für den Hinweis auf den Stoff zu großem Dank verpflichtet bin. Da zu Anfang ihre positive Seite nicht so sicher schien wie die negative, so hielt ich es für gut, sie zurück- zustellen. Der Fund von Ephesos brachte ihr neue Heweiskraft. In einer Sitzung des Deutschen Archäo- logischen Instituts in Rom, zu Anfang des Jahres I8q8, konnte ich darüber berichten. Dann führten J.ihresbeftc des üstcrr. archäol, Institutes lld. VI.
es sich handelt. So blieb sie bis ins neunte Jahr in der Stille, in Nebensächlichem mancher Wandlung unterworfen, in der Hauptsache in meiner Überzeugung unverändert. Die neuen Funde auf Kos und Rhodos lassen es nun an der Zeit erscheinen, daß sie ans Tageslicht tritt. Durch Mitteilungen haben mich mit großer Liebenswürdigkeit unterstützt F. Hauser, W. Amelung und R. Heberdey.
2) Das Archäologische zu Herondas IV haben
28
2l6 R. Herzog
Herondas ist ein Dichter. Es könnte also die Frajrp aufgeworfen werden, ob sein Zeugnis auf historische Treue Anspruch machen darf. Aber er ist ein Mimograph und der Mimus hat in hellenistischer Zeit in viel höherem Ma(3e noch als die neue Komödie die Tendenz der [u'iiryat; piou, der Mimograph legt .sich den Ehrentitel des [iioXojoQ bei. In diesem Sinne hat man auf die Typen des Herondas die Worte angewandt, die in diesem G-edichte von den Gestalten eines Gemäldes des Apelles gesprochen werden (v. 68): oOyJ ^örjv fjXino'jiiv rj|ji,£prjv KmxEi; blicken sie nicht alle lebendigen Tag? d. h. blickt ihnen nicht das lebendige, taghelle Leben aus den Aug-en? Aber nicht nur in den Typen, auch in den Localfarben strebt der ]\Iimus l^ebenswahrheit an. Wie er seinen Personen nicht etwa .redende Namen', sondern aus dem bürgerlichen Leben gegriffene gibt, so spielen auch die Stücke nicht irgendwo, sondern an be- stimmtem Ort, der freilich nirgends direct angegeben, aber immer voraus- gesetzt wird und also dem Publicum, für das die Mimen zunächst bestimmt sind, bekannt war.
In besonderem Maße mu(3 dies auf unser Gedicht zutreffen, denn der Haupt- vorwurf ist hier die Wirkung, welche verschiedene Kunstwerke auf zwei Frauen aus dem Volke ausüben. Dabei ist aber alles Nebenwerk mit größter .Sorgfalt und Liebe behandelt: das Opfergebet, die mit dem Opfer zusammenhängenden \'errichtungen, die unvermeidliche Zänkerei mit der Magd und die .Salbung des trinkgeldfrohen Küsters. Wenn uns hier die zugrunde liegenden religiösen Bräuche nicht ganz klar sind, so beweist das eben, daß sie ganz local und dem Publicum vertraut waren.
Bei dieser Treue des Nebenwerkes ist es natürlich unabweisbare Forderung, daß die Grundlage der im Mittelpunkt stehenden Charakterschilderung bis ins einzeln.ste streng historisch wahr und den Zuhörern oder Lesern bekannt und vor Augen war. Auch hiefür wieder ist es ein Beweis, dal.') uns bei der Unkenntnis des Locales manches unklar bleiben mußte, was dem Publicum des Dichters gegenwärtig war.
•Somit dürfen wir für die kunstgeschichtlichen Tatsachen, die wir aus dem vierten Mimus erfahren, unbedingt volle Wahrheit in Anspruch nehmen.
Daraufhin haben wir zuerst das Local zu bestimmen. Gegeben ist zunächst nur ein Asklepiosheiligtum. Die Frage, welches es sei, wurde fast einstimmig dahin beantwortet, daß nur das Asklepieion von Kos gemeint sein könne. Wir habtMi
aulicr den Coninieiiliitoien Hüclielcr, Crusius, Meister Gurlilf, Arcli.-epi};r. Millli. XV 1892 S, Idq ß.; Diels beli.inilcll Wnldstein, Cl;is;s, Review VI l,Si)2 ]i. 135 T.; Arcli. An/.. VI 1()0.
T1:is KhhI Hill iliT Fiichs(;ans
217
in (Irr l'at diuscs btTulunlc 1 Ifilij^luiu niil Siclierhuit ;ils ScIuiupliLl/. der 1 laiKlluii;^' anzunehmen. •'')
Wo waren nun in dem weiten lieilig'en Bezirke des (iiiltes ilie einzelnen \((n den I'Vauen ^i'sehilderten Kunstwerke aufyeslelll, welchen Gang machten die Frauen durch das Heiligtum? Bauliche Localangiiben finden wir zuerst in V. 55 ij >)"jpY^ -(xp wty.xa: xävsiiV 6 iixazic, weiter in v. 90 e; le t»)v -pwyÄrjV xöv jrs/.avov evil'e; xoO opäxovio? sOcpTjiia);. und je nach der Erklärung in v. 92 v.y.irfi top-fi (zu Haus oder im (iasthaus des Heiligtums).
Am nächsten lag es natürlich, als den Mittelpunkt der Handlung den Tempel des Gottes und die il-üpr^ und di-n Tixaxöc als in ihm befindlich anzunehmen. Davon
^) Kine directe, uiitra<^licbc Bezeugung des Schau- platzes haben wir nur für den II. Mimus, den IIopvc.- ßoay.öj, der in seiner peroralio die Richter auffordert beim Urteilspruch der Geschichte von Kos eingedenk zu sein. Bei der Anordnung der Stücke wird man schon an sicli keinen bunten Wechsel des Locals der Biologie annehmen, und in der Tat ist auch der III. Mimus, der AtSäaxaXos, durch die in kölschen Namen hellenistischer Zeit erhaltene karische Sagen- ligur des Xannakos (v. 10), für Kos gewonnen, wie anderseits die Gesamtstinimung des I. Mimus auf eine von .\lexandria nicht zu weit entfernte Kleinstadt weist, so daß wir sie unbedenklich auch Kos benennen dürfen. Dagegen kommen wir mit Mimus VI und VII an einen andern Ort. Der Monat Ta'jpstov (VII 86) existiert in Kos nicht, er gehört dem ionischen Kalender an. Er ist inschriftlich bezeugt in Sinope, Kyzikos, Samos, Amorgos, Ephesos (Inschr. von Pergamon II n. 268 D 35 S. 203) und .Miiet (Haussoullier, Etüde sur l'histoire de Milet et du Didymeion 174). Der Naturalismus des Herondas verbietet eine so falsche Farbe wie seine Nennung in Kos. Auch führt der galante Schuhladen entschieden in Großstadtluft, deren Nachbarschaft durch die Her- kunft der Hauptperson, Chios oder Erythrai (VI 58), angedeutet ist. Sonstige kleine I-ocaltöne passen am besten zu Ephesos, so der Name "Apxs|ii; (VI 87) und die -sXcüvat (VI 64), wenn man darunter ptolemaeische versteht. In Kos haben die Ptoleniaeer nie wirklich regiert, so daß sie Steuern einzogen, wohl aber unter dem II. und III. Ptolemaecr in Ephesos (Haussoullier a.a.O. S. 83, 8<), 135; Beloch, Die auswärtigen Besitzungen der Ptolemaecr, Archiv lür Papyrus- forschung II 244. Einen hübschen Vergleich aus dem wirklichen Leben bietet die Klage des pupaoSs'j/rjf
oder ^xuTSu; Petosiris in Krokodilopolis wegen Ver- gewaltigung durch einen TsXiivrjj, Mahaffy, Flind. Petr. Pap. p. [108J vgl. Wilcken, Ostraka I 293 f.). Wenn Herondas ionisches Großstadtleben schildert, muß er auch in lonien ansässig gewesen sein. Das tritt hervor in der Anwendung des ionischen Dialects. in der Bezeichnung der Xuthiden als sein Publicum und des llipponax von Ephesos als sein Vorbild (Prooemium v. 10 f.). Auch daß er den Apellcs, den die Tradition Koer oder Ephesier nannte, für Ephesos in Anspruch nimmt (IV 72 f.), paßt dazu. Ein Zweifel über die Herkunft des Apelles aus Ephesos bestand wohl in seiner Zeit nicht, aber da er durch seine lange sradajiia und gewiß auch durch das Bürgerrecht zum Koer geworden war, so mochte es wohl am Platze sein, ihn als Ephescr zu re- clamiercn. — Unbestimmt bleiben zunächst noch die Mimen IV und V. Der letztere scheint mir auch asiatische Farbe zu haben, der IV. aber ist indirect durch unabweisliche Schlüsse an Kos gekettet. Im JI. Mimus war die officielle koische Tradition von der Herkunft des Asklepios aus frikka gegeben (v. 97). Dieselbe finden wir wieder in dem natürlich au den officiellen Paian anklingenden Opfergebet im IV. Mimus, in dem Asklepios als Tpixxrjj (isäsoiv und unter seinen abgeleiteten Cultstätten an erster Stelle Kos mit dem Beiwort ^XuxEta genannt ist, das seit Homer die typische Bezeichnung der Heimal ist. Ein Cult des Asklepios Tptxxr/; psdäuv ist außer auf Kos nur noch auf Kreta iZingerle, Athen. Mitlh. XXI 1896 S. 84) und Mytilene bezeugt, was beides für Herondas nicht in Betracht kommen kann. Die Zurückweisung der Ansprüche von Epidauros auf die erste Stelle im Asklepioscull ist so fein, als es die olficiell guten Beziehungen erforderten.
28*
2l8
R. Herzog
ausgehend hat man in den äyaXiiaTa des Asklepios und der Hygieia, denen im Opfergebet die Verehrung dargebracht wird, die Cultbilder der Tempelcella ge- sehen. Da sich an das Gebet die Betrachtung der übrigen Kunstwerke anschließt, so mußte man dann diese in die Tempelhalle und Vorhalle verlegen. Nun kam man mit v. 55 vor die Tür. Diese mußte demnach in einen verschlossenen Raum hinter der Cella fuhren, also in den Opisthodom oder das Adyton, Abaton, mit dem man entweder den Tiaaxog gleichsetzte oder in das man ihn als Tabernakel setzte. Damit war ein mutmaßlicher Tempelgrundriß gewonnen, der für ein man- tisches Asklepieion ganz passend erschien. Freilich, das Asklepieion von Epidauros zeigte diesen Grundriß nicht, sondern hatte einen Tempel ohne Opisthodom und das Abaton in einem besonderen Bau.'')
Über diese Localfrage hat nun die Entdeckung und teilweise Aufdeckung des Asklepieions von Kos im Jahre 1902, über die ich im Archäologischen An- zeiger des Jahrbuches des kais. deutschen archäologischen Instituts 1903, S. 5 ff., vorläufig berichtet habe, größere Klarheit gebracht. Zwei Tempel im Centrum des Asklepieions sind dem Hauptgott zuzuweisen, ein großer dorischer Peripteral- tempel auf geräumiger Terrasse {A auf dem Plan a. a. O. S. 7), dessen Bauzeit ich auf kaum früher als um 200 v. Chr. ansetzen zu müssen glaubte und ein kleiner Antentempel {B auf dem Plan, vgl. Fig. 118), der nicht später als 400 v. Chr. ent- standen sein dürfte, mit einem Altarbau, der vor ihm in seiner Axe liegt. In
beiden Tempeln ist der Standplatz der Cultbildergruppe des Asklepios und der Hygieia aus den Resten ersichtlich, in beiden fehlt ein weiterer Raum dahinter. Zur Zeit des Herondas, der ein Zeitgenosse des Ptolemaios Philadelphos war, bestand die Terrasse mit dem Tem- pel A noch nicht, der Schauplatz der heiligen Handlung war also Tempel B mit Umgebung. Denn daran werden wir festhalten müs- sen, daß -fj d'öpri nur die Tür des
Fig. 118 Tempel und Altarbau im Asklepieion von Kos.
■•) Kavvadias hatte als äßaxov die H.^lle A auf Das epidaurische Abaton, Ath. Mitth. XXVIII 1902 seinem Plan, Tö Upöv loö "AaxXirjraoO iv "EraSaüptj), S. 289 — 293 mit guten Gründen und vermutet dafür angenommen. Neuestens bestreitet dies J.H.Holwerda, das Gebäude E auf Kavvadias Plan.
Das Kind mit der Fuchsgans
219
rcmpols sohl kann, nicht ilic eines andern Gebäudes, das dann ilocli genannt sein müÜte.
Machen wir uns nun die Situation klar:
Zwei Frauen mit ihren Dienerinnen*) kommen, wohl aus der Stadt Kos nach einem Weg von etwa */, Stunden, in das Heiligtum des Asklepios, um dem Gott zu opfern und ein Weihgeschenk darzubringen zum Dank für die Errettung aus Krankheit. Die Zeit ist angegeben in v. 54 äÄ),' r^jilpTj le xfj:rt \ii^oy öjO'crxa:/') Der erste Teil der Handlung spielt also kurz vor und um Sonnenaufgang. Diese Zeit, Tagesanbruch, ist die für das Opfer und den Gottesdienst des Asklepios fest- stehende. Mit Sonnenaufgang wird der Tempel geöffnet und der Paian gesungen.')
Der Schauplatz des ersten Teils kann also nur vor der Tür zur Tempel- cella sein. Im Pronaos dürfen wir keine Cultbilder annehmen, wir haben hier auch die Mitte durch den heiligen Tisch besetzt. Somit kommen wir für die Götter- bilder vor den Tempel. Da kann nur der Altar in Betracht kommen, der vor dem Tempel in dessen Axe liegt. Das Gebet findet vor den Götterbildern statt. Es ist ein Opfergebet und der Altar als Schauplatz wird in ihm deutlich bezeichnet. Es werden v. 5 die ß(i)[jiot der Kinder des Asklepios genannt und v. 10 die Götter
^) Die Personenzahl und -Verteilung ist noch nicht ganz im Reinen. Die neuere Annahme zweier Krauen, Kuvvtö und 'I>iÄY), und zweier Dienerinnen, Ko):y.a?.T] und KuäiÄXa, ist einleuchtend, geht aber auch nicht glatt auf. Für die vorliegenden Fragen hat das keine Bedeutung.
') Man kann das auf zwei Arten erklären, 1. ab- brechend: „Aber es ist (jetzt) Tag (geworden) und da ist das Gedränge stärker", (wir müssen uns also sputen)"; 2. entschuldigend: „Aber es ist jetzt Tag und da wird sie stärker gestoßen, (kommt im Ge- dränge weniger zurecht)." Zum Ausdruck vgl. Lucian. Luc. sive asin. 17 iitl Toö-tp r^iispa ts TjSrj ^v -/.al :^[iäi; öpY] ~oXJ,ä ävaß=p>;y.S'.)i£v. 51 y.ä::si5T) koT.ifx zs. ^v Tjäyj xal xxX., zur Sache Theocrit XV 73 (öS-eSvd-' (öcjiup ös;. Aristoph. Ach. 24 äXX' äupCav ■ijy.ovTE;, e?-a 8' (öoTioSvcai. 42 si; XTjv TiposSpiav nä; ävTjp (öa-i^Eiai. Lysistr. 330 SoüXa'.a'.v üaxtjoiiivrj. Plut. 330 ü)<r:i!^öjiso6-' sxaaTox' Iv xf,v.-AXrpic(.. Eccl. 300 öpa d' äino; tüS-ijaoiisv T0'j;5s Toüs 4g äorsto; ijxov-a; und die folgende Anmerkung.
') Dies ist für verschiedene Asklepieien bezeugt, so für Pergaraon durch Aristeides I 452, Dindorf, äSixouv £v -(]) ispui stva'. xoO "AaxXr|-'.0'j 5p9-piov xai Xaips'.v (bj -axico; ävstp-fvuxo. eäoxouv ik xal Toüg riatäa; |?=iv -6 äpxatov ^ajia. Ähnlich Aelian frg. 98
= Suidas s.v. äjy.ö; KTTjaicfwv-o;: xal öpS-p'.ov ä3o|iivou zoS raiävs; zGi Aax/.r|7iim saii-ov äno'^afvsi täv xopsu- Töv Iva (vgl. Kavvadias, T6 Esp6v Toü "AaxXr/moO 216). Für Athen durch den Paian CIA III 171 (Kavvadias a. a. O. S. 211'') V. I "Efpso ITaiiJMV 'AoxXtjtos . . v. 3. ü-vov &nb ßXscfdpwv oxeSdoa; £ÜX">'' ä'taxo'js otüv [ispoitcov. V. 6 l-jpzo xai xsöv ü|ivo'/ "lijie XsxXuS-.- XaTps. Dazu paßt auch der Hahn als heiliges Tier mit seinem Frühruf (vgl. Kavvadias a. a. O. S. 203'). Für Epidauros Plautus Curculio 203 f. Leo, wo die Scene vor Tagesanbruch im Asklepieion beginnt. Bene vale ocule mi, nam sonitum et crepitum claustro- rum audio, aeditumum aperire fanum. Für .indere Heiligtümer finden wir dieselbe Situation. Plaut. Poenulus 318 R.. quia non iam dudum ante lucem ad aedem Veneris venimus, primae ut inferremus ignem in aram. 333 quo te agis? — egone? — in aedem Veneris. — quid eo.' — ut Vcnercm propitiem — 336 mitte amabo. — quid festinas.' turba nunc illist. — scio, sunt illi aliae, quas spectare ego et rae spectari volo. Pomponius Alellan. Praeco posterior fr. 3 Ribbeck' p. 2g6 ad Veneris profectust mane vetulus, votum ut solveret. Ibi nunc operatur. Plaut. Mil. Glor. 413 R. (Di.ina) quae me in locis Neptuniis lemplisquc lurbu- lentis servavit.
220 R. Herzog
angerufen, welche den Herd des Asklepios bewohnen, d. h. die {heo: cjuvEatiot oder aüii,ßw|j.oi.*)
Götterbilder am .Vltar sind uns vielfach bezeugt.'') Dies war ja überhaupt die ältere Cultform, ehe man den (xott unter einem Dach wohnen ließ. Wenn dann der Gott sein Haus bekam, in dessen Cella ein Cultbild gestellt wurde, so konnte doch auch noch außen an der geheiligten Stelle ein Cultbild bleiben und bei Umbauten erneuert werden.
Auch bei hellenistischen großen Altarbauten, wie dem von Pergamon, fehlen Götterbilder nicht, nur sind sie dort, wie Schrader (Sitzungsber. Akad. Berlin 1899 S. 621 ff.) nachgewiesen hat, mehr zum schmückenden Nebenwerk auf dem Rand des Altars geworden. Die in dem vorläufigen Bericht S. 8 angedeutete Recon- struction des Altarbaues dürfte im ganzen durch den bisherigen Befund der Reste und der sicher dazugehörigen Architekturstücke gesichert sein. Eine weitere Stütze bekommt sie durch die mir bei der Abfassung des Berichtes noch unbe- kannte Reconstruction des Buleuterion -Altarbau es von Milet (Wiegand, Arch. Anz. 1902 S. 151 Abb. y und .S. 154 Abb. 10), welche im Grundriß und Aufriß annähernd dasselbe Bild ergibt. Der verfügbare Raum der Plattform ist nun aller- dings für die Aufstellung der Götterbildgruppe außer dem Hauptaltar und den kleinen Altären der Kinder des Asklepios schwer zu gewinnen. Auch als Akro- terien auf dem Dach der Säulenhalle passen sie nicht. Deshalb möchte ich davon absehen, sie mit Sicherheit auf die Plattform zu setzen, wenn nicht etwa im Relief zwischen die Säulen, wie in Milet, wobei man noch die übrige Familie des Asklepios unterbringen könnte. Doch spricht dagegen der Ausdruck dyäX|j,axa. Man könnte sie aber auch auf eine der Basen vor dem Fuß des Altarbaues setzen. Ja, es kann schließlich die Frage aufgeworfen und durch die weiteren Grabungen vielleicht beantwortet werden, ob die aus dem Befund herzustellende Form des Altarbaues nicht einer jüngeren Zeit als Herondas und die Söhne des Praxiteles'") angehört. Daß aber der Tempel zu dieser Zeit so dastand und vor
') Für die Gleichung IqSx = pu)|icis vgl. z. B. S.im Wide S. 117 A. loäxci oi äva|icfL(l6X(u; stvi zb
Aescli. Sept. 257; Eumen. 272; Suppl. 367; Soph. ä-faXiia TÖ bndpxo'/ £v xcTj tepcjj, £v (j) ävExsö'ri -ö
Oed. Col. 1491. iva-fXucfov. Das Votivrelief aus dem Piraeus Bull.
') Bildlich z. B. auf der Dareiosvase und ge- de corr. hell. 1883 pl. 18 stellt den thronenden Zeus
wohnlich auf den Kassandravasen, auch Millinuen, Meilichios als Cultbild vor einem Altar dar. Vgl.
Vas. gr. 52; Brunn-Korte, Urne Etr. II I T. 28, dazu Hauser, Jahreshefte VI 102
54; II 2 T. 88, 2. Auf dem Votivrelief aus Aegina *") v. 1 — 5 x°''P^'-» *"'"» Kair/ov — ^; TS X^'P'
(zweite Hälfte des fünften Jahrh.) 'E^vjii. äpx- 19O' " ^ ^'S'-f/ tp^'J^^s, 'l'-fista. v. ig ff. iv. Ssgif;; xöv Jifvav.a,
ist ein Opfer vor einem Altar dargestellt Neben dem KoxxaXYj, axijjiv i'^; Tfisirj;. [lä, xaXtöv, -^iXri Kuv-
Altar steht ein Cultbild der Artemis. Dazu bemerkt vot, ä-faX|ia-cu)v xt; fypa tyjv XiO-ov -otOxrjv xi/.xwv
Das Kind mit ilcr Kiichsgans 22 1
ilim i'iii Altar an diT Su-llc des aufj^fiKlcckten Altarbaues, so vii-l darf als siclx^r jrelttMi. Mail wird um so eher dou Söhnen des Praxiteles nicht nur die liilder der I lauptj4'ötter, sondern übiThaupt den plastischen Schniuck des Altarbaues des vierten Jahrhunderts zusprechen, seit !•. Häuser mit t,'-länzendetn Scharfsinn aus zerstreuten 'rrüminern einen Altarschmuck wiederherg-estellt hat, den er mit gTol3er Wahrscheinlichkeit auf den von ihnen beziehung-sweise dem einen von ihnen, Kephisodotos, qeschaflTenen Altar des 7.eus Soter und der Athena Soteira im Piräus zurückführt.")
Wie auch im einzelnen die Sch\vierig;keiten zu lösen siuii, so viel ist durch die Schilderung des Herondas im \'erein mit dem klaren Befund der Ausgrabungen unabweislich. daß der Schauplatz des ersten Teiles der Handlung der Altar und der Platz vor der geschlossenen Tempeltür ist.'"^)
Die in diesem Teil von den Frauen bestaunten Kunstwerke müssen demnach um Altar und Tempel aufgestellt gewesen sein, wo noch viele Unterteile von Basen verschiedener Größe stehen; ein Teil stand vielleicht auch im Pronaos. Wir haben es also mit Weihgeschenken zu tun. Es sind
1. ein Mädchen, das sehnsüchtig zu einem Apfel aufblickt, v. 27 ff. op^ rfi^'/ irafSa xyjv ävo) v.zbn^v fiÄTio'jam i; -b iiyjXov • oOx ipzic aÜTT^v. y^v |iy, Äa^jy^ tö [ji:^/,ov. Ix
2. ein Greis, v. 30 xeivov ok töv yipovta.
Beide Stücke können ebenso gut aus einem größeren Kreis, etwa einer Relief- darstellung, herausgegriffen, als Einzelbildwerke in Rundplastik oder Relief sein.'^)
äzoisi xocl t£; iaTiv 6 j-ijaag; — ot npvjSiTeXsio weise der ICinw.Tiid gem.ncht worden, daß die Götter-
naidss' O'JX ^PVi >'■=•''!' »■' ~S ßaosc -i. •;^i.\i\i'xz: Eü- bilder nacli v. 21 von Marmor seien, also eine Auf-
S'iirj; 3" aü-i ercrpsv 6 npr,j«)V5;. Von erhaltenen Stellung im Freien, wo sie der Witterung ausgesetzt
Kunstwerken könnte nur etwa eine Hygieia darauf seien, schwer anzunehmen sei. Die Frauen könnten,
zurückgeführt werden, auf deren rechter Schulter vor dem Altar in der Tempelaxe stehend, das Gebet
noch die Hand des Asklepios erhalten ist, der an zu den Cullbildern in der geöffneten Cella gesprochen
ihrer linken Seite st.ind, Vatican, Museo Chiaramonti, haben, die 0"jpr) könnte auch zu einem anderen Ge-
Helbig, Führer- I 66; Clarac-Reinach I 294 n. 1187. bäude gehören. Aber das müßte doch bezeichnet
Als Asklepios schien mir zu ihr zu passen eine sein und außerdem müßten wir dann nach dem
.Statue des Turiner Museums, die als Giove tonante Gebet einen schroffen, durch nichts angedeuteten
bezeichnet ist, aber auch Dütschke, Antike Bild- Scenenwechsel annehmen, denn das tönerne Votiv-
werke IV 42 f. n. 57 eher als ein Asklepios erschien. täfeichen (vgl. Benndorf, Griech. und sie. Vasenbilder
Der Stil würde zur Hygieia passen. Aber um die 12 f. Leonidas von Tarent AP VI 355. Die beste
Zusammenstellung und Identification zu wagen, dürften Illustration der Stelle sind die Täfclchen aus Lokri,
wir noch zu wenig Sicheres von den Söhnen des Guhl-Koner, Leben der Griechen und Römer'' 571,
Praxiteles wissen. Fig. 686) soll zur Rechten der Hygieia aufgestellt
") Jahreshcfle VI 79 ff. Disiecta mcmbra neu- werden und die Buchstaben auf der Basis sind zu
attischer Reliefs. lesen, die Frauen müssen also vor ihr stehen.
'■•) Von hochgeschätzter Seite ist mir gesprächs- ") Das erste Stück hat man teils mythologisch
22 2 R. Herzog
3. Ein Kind, das eine Fuchsgans würgt, die Gruppe, mit der wir uns ein- gehend zu beschäftigen haben.
4. Eine Statue der Batale, deren Urbild mindestens einer der Frauen genau bekannt ist. v. 35 if. xiv BatäXTjs yäp toOtov oux öpfjs, Kuvvor, oxw? ߣjj[rjx£v] äv5piavxa xf;? MüxxEto; bI [xrj xt? aüxr;v etSs BaxaXr^v, fjiXi<\io(.i; I; xoOxo xö sfxovtaiia [.itj £[xL)fi]rj? (oder l[x£p]rjg) SeEaö-w.*^)
Wir kehren zum dritten Stück zurück.
Die ruhige Betrachtung der zuerst genannten anziehenden Stücke wird durch einen jähen, wie erschreckten Ausruf einer der Frauen unterbrochen, v. 30 f. ■Kpbc, Moipewv, -r;V yri^a.XÜTiZY.7. ws xö 7iai5cov TiVt'yE:. So lebenswahr ist die Darstellung, daß sie einen Augenblick wirklich glaubt, das Kind werde die Fuchsgans noch umbringen. Das wirkt noch nach, als sie sich von der Überraschung gefaßt hat: Tcpö xG)V TTOOCüV yoOv, El XI jj,rj Xi%-oz, roupjciw, spEig, XaXfjast. „Vor unseren Füßen wahrlich, wenn das Werk nicht Marmor w'äre, wirst du sagen: Es wird gleich sprechen." Darauf folgt der bewundernde Ausspruch |iä, XP^^V "'''^'^' wvö-pWTcoi xr^g xoug X(i)-ous
Ähnliche Gedanken finden sich zum Überdruß wiederholt und endlos variiert in der späteren ekphrastischen Literatur, namentlich in den Epigrammen. Da sie durch den Gebrauch der papierenen Epigramme ganz abgegriffen sind, so hat man den Gedanken auch hier nicht in voller Schärfe fassen wollen, sondern mehr in der Art unserer davon abgeleiteten Redensart von der .sprechenden Ähnlichkeit'. '■'') Wir stehen aber bei Herondas, dem jüngeren Zeitgenossen des
als Hesperide teils als reines Genre aufgefaßt. Es könnte den Gedanken an eine Malice nahe legen.
war wobl ein Votivrelief oder eine Votivstatue eines So dachte ich daran, es könnte sich etwa um die
Mädchens in Darstellung des Kinderlebens. Die Statue einer Göttin handeln, in der man deutlich die
genaueste und reizendste Illustration des Motivs Züge einer bekannten Hetäre, die als Modell gedient,
bietet die Sotadeskyli.\ im Brit. Mus. aus der Samm- erkannt hätte. Das würde ja gut zu Künstleranekdoten
lung van Branteghem, abgebildet bei Murray and der Zeit passen. Aber man muß mit der Schätzung des
.Smith, White Athenian Vases in the Br. Mus. Plat. Rufsaus den Namen vorsichtig sein, seit Ad. Wilhelm
XVII; Fröhner, van Brant. Coli. n. 164, pl. 39. Vgl. mit der .Hetäreninschrift von Faros' aufgeräumt hat
Catalogue of Vases in the Br. Mus. III 391 ; D 6 (Ath. Mitth. 1898 S. 407ff. vgl. meine Koischen For-
Furtwängler, Arch. Anz. 1891 S. 69. Von Reliefs schungen und Funde S. 53 f.; 221.), und so möchte
wäre etwa zu vergleichen Conze, Attische Grabreliefs ich jetzt eher an die .Statue einer Priesterin oder einer
697 a. Knabe, der nach einem Apfel langt, in ahn- Privatperson, gestiftet von ihren Verwandten, denken,
lichem Motiv ein Mädchen n. 338. Man könnte dazu wie sie in hellenistischer Zeit häufig sind. Die Basis
den -fipwv in Beziehung setzen, als den, der den einer Priesterinnenstatue mit Aufschrift aus dem
Apfel dem Mädchen in lockender Ferne zeigt. Die Anfang des zweiten Jahrhunderts v. Chr. ist bei
anfänglich von mehreren Seiten angenommene Con- Tempel B gefunden worden.
struction Tov -fsp&vta itjv X'iT'aXomsxa ,die alte Fuchs- '') .So z. B. Diels in einem Vortrag in der
gans' wird wohl niemand mehr halten wollen. Archäologischen Gesellschaft in Berlin nach Arch.
'*) Der Name Batale, der nicht sehr gut klingt. Anz. 1893 S. 138.
Das Kinil mil ilcr l-'uchsj^ans 223
l.cniiidiis \(iii rarem, der Nossis und der l.rimia, am Aiilaiiyu drr l',ki)lira.slik und dürfi'n dalier zur Vergfleichunj»- nicht die späteren heranziehen.'") Sehen wir die älteren l{i)iL;ramme yenauer an, so sind liier drei Gedanken zu unter- scheiden :
1. Der Dargestellte sieht aus, als wollte er etwas bestimmtes sagen, was dann wcirtlich angeführt wird. Dabei ist natürlich nicht vorauszusetzen, daß er ilen Mund zum .Sprechen geöffnet hat, sondern es soll nur heißen, daß der Cha- rakter so leliendig in den Zügen zum Ausdruck gebracht sei, als er in Worten sich aussprechen könne. In diese Richtung gehört das bekannte Epigramm des Archelaos oder Asklepiades auf den Alexander des Ly.sippos ^ Benndorf S. 40 = Plan. 120, V. 3 f. aOoaao'jv-ut 5' £o:x£v ö yälr/.zoc, e; Aca Xsü-j^ojv Täv ii-' §|i,ol x''ih£|iat, ZsO, ob c "OXuiiTiov £X^")
2. Die Statue oder die Darstellung der Grabstele drängt sich dem \'or- übergehenden auf, sie sagt ihm im Bilde, ja sie ruft ihm von weitem zu, was dann im Epigramm über den Dargestellten sachlich gesagt ist. ,So das von Diels a. a. O. behandelte Epigramm auf Diomedes von Trozen, um 280 v. Chr., 'E'^rj|i. äpy. 1892 Q. 49 ff. Typ.oD-sv Eaxan£V(j) Ato|XT^5£a yoi.Xv.bc, auxEi "Avi)'(3;) irJ £uaTj|io'j '('.'iö\izwt "('£V£ä? xxX.'**)
3. Dem Bild fehlt nur die .Stimme zum Leben: Erinna AP VI 352, 3 f. = Benndorf S. 6 zoi.\izoi.-i yo'jy £xij[i.ws xäv TiapS-Evov Saxi? eypatj^EV, af xauoäv nozixi-rjy.'', r;; x' 'Ayaihapyl; ö),a.'")
Mit keinem dieser drei Gedanken deckt sich unsere Stelle genau, und daher dürfen wir sie wohl aus dem Munde der einfachen Frau wörtlich fassen : Das Kind ist mit geöffnetem Mund dargestellt, als wollte es sprechen. Wenn wir diesen Zug auf einem Kunstwerke treffen, das wir aus anderen Gründen für diese Gruppe in Anspruch nehmen, so werden wir ihn als weitere Bestätigung gelten lassen.
"') Vyl. Benndorf, De anlholo(;iae t;raecae epi- Maler die ersten Anfange der Kunstgeschichte sah.
grammatis, quae ad arlcs spectant ^f[.; 73 fT.: Geffcken, Es ist eine durchaus ycsunde, weil durch die Freude
Leonidas von Tarent 69 zum Epigramm 29 = am Gegenstand belebte Ekphrasis." I'lan. 182 auf die Anadyomene des Apelles in Kos: ") Variiert z. B. von Agathias AP XIII 59.
„Da dies bekannte und wohlgelungene Gedicht, wie Plan. 25, 7.
Benndorf bemerkt (S 73 ff.), durchaus eigener An- '') Vergl. die Grabschrift von Pantikapaion
schauung des Leonidas entstammen muß, so wird es lOSPE IV 2l8, 7; Pelop. I II 17; Kaibcl 502 a;
auch auf Kos selbst entstanden sein. Es atmet die- AP VI 269; VII 262 = Theokrit 24 Ziegler;
selbe Begeisterung für die Schönheit des Kunstwerkes VII 479,5: 481, I; Koische Forschungen -S. 112
wie Hcrondas (IV^ 72) sie vor ApcUes Gem.älden n. 169, I.
auf Kos empfunden hat, ein echtes Erzeugnis einer "') Variiert AP IX 145; 149; 151; XI 433; XVI
Zeit, welche nach den technischen Schriften der 318. 325. 326.
Jahreshefte des üsti.Tr. archäol. Institutes Md. VI. 29
224
R. Herzog
Was bedeutete die Darstellung- dieses Kindes, was war der Sinn der Weihung?
Salomon Reinach, L'enfant k l'oie, Revue de l'universite de Bruxelles VI, Janvier 1901, S. 9 ff. hat einen Gedanken des näheren ausgeführt, den auch ich (Koische Forschungen S. 131 f.) erwogen, seither aber fallen gelassen habe. Er will in dem Kind ein Asklepiosknäbchen mit der Gans als dem ihm geheiligten Tier sehen, weil wir von einem 'AaxXrjTziö; Tiar; des Boethos wissen, den er mit dem berühmten , Ganswürger des Boethos' gleichsetzen möchte. Wir werden sehen, daß diese Combination den Tatsachen nicht Stand hält. Darum werden wir auch in dieser Gruppe, wie in der des Mäd- chens mit dem Apfel die einfache Weihung eines irdischen Kindes durch seine Eltern an den kinderbewahrenden Heilgott sehen, belebt durch den reizvollen Zug eines kind- lichen Spieles.-")
Nach Erledigung dieser Vorfragen han- delt es sich darum, ob es uns gelingen kann, das namenlose Werkchen in unserem Anti- kenschatz wiederzufinden.
In der ersten Freude über die neuer- schlossene Schriftquelle glaubte man das mit ziemlicher Sicherheit tun zu können. Mau sah darin den berühmten, durch eine statt- liche Anzahl von Repliken bekannten , Gans- würger', einen stehenden Knaben, der mit einer großen Gans ringt, indem er sie um
den Hals packt (Fig. iig und 120). Diesen wiederum hat man von jeher allge- mein mit dem von Plin. N. H. 34, 84 unter den Erzwerken genannten ,,Boethi quamquam argento melioris infans eximie anserem strangulat"* gleichgesetzt. Gegen die Gleichsetzung des kölschen Werkes mit dem Ganswürger hat sich ausgesprochen C. Robert, Boethos bei Pauly-Wissowa III 604 ff. Dazu ist neue- stens ein gewichtiger Zeuge gekommen. Bei den Ausgrabungen in Lindos ist die Basis des von Plin. N. H. 33, 154 genannten Boethi opus in insula
Fig. 119 Knabe mit der G.ins (Vatican).
'"; Über solche Votivstatuen von Kindern vgl. lologus, Supplemenlband VIII 484 ff; Hadaczek, vorläufig Benndorf, Griechische und sicilische Vasen- Jahreshefte IV 209 fF. In einem zweiten Abschnitt bilder 55 f. zu Taf. 31 ; Paul Baur, Eileithyia, Phi- ist davon eingehender zu handeln.
Das Kind mit der Kuclis(;ans
2 2 c
Rhodionini ai)uil Liiuliani Aliucrvani f^cluiulL-ii worden. Uirc Aui'sclirift bestätigt die zuletzt von Robert als wahrscheinlich R-ebilligten Combinationen, welche die Schaffenszoit des Boethos in das zweite Jahrhundert v. Chr. hinabrücken, also nach der Zeit des Herondas. Wenn wir also den stehenden Ganswürger dem Boethos zuerkennen, so müs.sen wir ihn Kos aberkennen. Näher darauf und auf die 8;anze Boethosfrage eincfehen können wir erst, wenn die demnächst zu erwartende Publication und Bchandlunj^ der neuen, erst durch vorläufijje Mit- teilungen bekannten Inschrift durch die dänischen Forscher vorliegt.
Doch gegen den stehenden Ganswürger entschied schon ganz abgesehen von der Personal frage-') der Umstand, der für mich den Ausgangspunkt meiner Beschäftigung mit der Gruppe bildete. Auf der koischen (iruppe würgt das Kind keine gewöhnliche Gans, sondern eine Fuchsgans, yjijvaXwiir;?. Die wichtigsten Nachrichten über diesen \'ogel sind folgende:
Herodot 11 72. ipobq 5s toutou; toO NsiXou
^aalv efvac, xal xwv äpviil-wv xoü; /j^vaÄtüviExag.
Aelian. Nat. An. V 30. 6 5i /r;vaXü)/:rjE,
-ArJ.zy.-'xi ol zh 5vo|tz v.y}. V.y.ö-MC, iv. xwv xoO
i^(I)ou lo'Mv x£ y.yX GL)|r^uwv. 'Eysi [liv yxp xö
zlooq, xö xoO yjl'iöz,, Tiavoupyc'oc Sc Sr/.awxaxa olko-
v.pbioL'.-o S^J xfj äX(I)it£y.t. v.cd irj-l [xsv Xi^/vo;
ßpa^iixspos, avSpEiöxepos oi, y.y.l ytopsiv ci-iöas
Seivo?. 'AiJiiJvexai yoüv xai aJsxöv -/.al av.O'jpov y.a: xx Xo'.-ä, Sa« a'JxoO mziTzockx eoxiv.
Horapollo I 53. uEov 5^ ßouX6|i£vov ypaij'a-, x^'"'*^^'^'^^''-^ ^^wypacpoüat • xoOxo yäp xö
I^öiov cpiXoxexvoxaxov UKap/sc.--)
Die modernen Ornithologen haben das Tier nach den antiken Notizen zu- erst gleichgesetzt mit der Brandgans, Brandente, Fuchsente, Höhlenente, Anas tadorna Linn., Tadorna tadornoides, Tadorna vulpanser Flem., einer großen Ente, welche nichts von Gansgestalt zeigt. Seit Geoffroy und Cuvier wird es aber
") Für diese tritt noch die Schwierigkeit hinzu, ") Weitere Notizen ohne Bcl.-\ng für uns Aristot.
daß das Werk des Boethos von Bronze gewesen Ilist. An. VI 5, S; VIII 49: Aelian. Nat. An. sein muß, das koische aber ausdrücklich als Marmor- X 16; XI 38; Plin N. H. 10,56: iif>: Aristoph. werk bezeichnet wird. Av. 1259.
29»
Fig. 120 Knabe mit Gans (Museo Capitolino).
226
R. Herzog
Fig. 121 Cbenalopex als Hieroglyphe.
allg-emein bestimmt als die anas Aegj'ptiaca, moderner Chenalopex aegyptiacus Stephens oder Briss., Nilgans.'^) Seine Heimat ist der Nil, doch zeigt es sich auch im südlichen Archipel häufig, vereinzelt in Griechenland,^*) einzelne Exem- plare sind sogar in Spanien und England gesehen worden.-^) Charakteristisch ist seine schöne Zeichnung, die es leicht erkenntlich macht. An Größe steht es ziemlich hinter der gewöhnlichen Gans zurück, auch an Gestalt ist es von ihr verschieden. Der Rumpf ist entenartig und es wird nur durch hohe, dünne Ständer und einen dünnen Hals der Gansgestalt angenähert. Das Weibchen ist noch beträcht- lich kleiner als das Männchen. -") Die Notiz des Hor- apollon ist richtig. Der Chenalopex wird als Hieroglyphe (Fig. i2i) benützt für Sa = Sohn.-')
Die yrivoclüiTzril ist also ein Mittelding zwischen Gans und Ente. Nun ist aber die Gans, mit der sich der stehende Ganswürger herumbalgt, ein großes, ge- waltiges Tier, und sie muß es auch sein, denn der ganze Humor der Composition liegt in der Heldentat des kleinen Ringers, eines zweiten Herakliskos, in seinem Kampf mit einem ebenbürtigen Gegner. Wir müssen uns also in der Masse der Bildwerke, welche Kinder im Spiel mit einer Gans oder einer Ente darstellen, nach einer anderen Gruppe umsehen, welche uns den Vogel in einer Größe zeigt, die besser zur Gestalt des Chenalopex paßt. Der ganze Kreis dieser Darstellungen ist zuerst behandelt und gesichtet worden von O. Jahn in den Ber. d. Sachs. Ges. d. Wiss. 1848 S. 41 ff., noch ausführlicher von Stephani im Compte-rendu vom Jahre 1863 S. 55 ff., sodann von Furtwängler, Der Dornauszieher und der
^^) Eine ältere colorierte Abbildung bei Buffon, Ornithologie, Planclies enluminees n. 379, 982. Be- schreibungen bei Leunis, Synopsis der Naturreiche, Zoologie I^ § 333; Jäger, Handwörterbuch der Zoologie II 112.
2*) Ein inschriftlicher Beleg dafür ist der Posten einer Tempelrechnung von Delos aus dem Jahre 279 V. Chr. Bull, de corr. hell. 1890 p. 392 X'H''°i «''^'- •9-avöv-o; — h III — x''l"'°'^'"'^^'''^S ^-^l XV^i '!«»''
I-Il TlSpSlXOg I .
2^) Natur. Hist. Review III 1856, Proc. of .Soc. S. 53—55-
^•^j Ausgestopfte Exemplare des Chenalopex aegyptiacus St., welche dieser Schilderung durchaus entsprechen, sah ich im Museum für Naturkunde in Berlin sowie im Naturalicncabinet in Stuttgart. Hier
sind die Maße der ausgewachsenen Tiere: Männchen, Flügellänge OHO", Ständerhöhe o-ll"; Weibchen Flügellänge 0-36™, Ständerhöhe o-o8". Denselben Eindruck gewann ich von lebenden Exemplaren, die ich im Jahre 1898 im botanischen Garten von Pa- lermo sah.
-') Ein Ägyptologe wies mir das Tier auf den Hieroglyphengruppen „Königssohn" nach, coloriert abgebildet bei Lepsius, Denkmäler aus Ägypten und Aeth. II 21, 7. Reihe von 1. oben, 5. Reihe von r. oben (Danach Fig. 121 in doppelter Vergrößerung', 22 a, I. Reihe von 1., 22 c, 6. Reihe von 1. Dieses Tier ist ganz entenartig, liat nur einen längeren, dün- neren Hals. Die von Wiedemann zu Herodot II 72 S. 311 angeführten Hieroglyphen bedeuten nach dem Urteil desselben Ägyptologen etwas anderes.
Das Kind mit rlcr Kuchs(;ans 227
Knabe mit iler (iaiis, iSyi). I'.iicllicli liat ciiiu systuiiuitisclK; ZusammciistcllunK' versucht E. A. Gardner im Jouni. ol hell. stud. VI iSS.s p. i fF. A Statuette representing' a boy aiul g'oose. Auch sie kann noch (kinh weiteres Material vervoUständig-t werden.
Aus dieser Masse ragt nun <hirch die Häufigkeit seiner Wiederholungen in Originalgröße und seiner Nachbildungen in Kleinbronzen hervor ein Werk, das allen unseren Anforderungen zu entsprechen scheint. Die Repliken sind alle in Marmor und stammen aus römischer Zeit. Die Feinheiten der originalen Technik, besonders in der Fleischbehandlung, lassen sie nur noch ahnen, aber den Reiz der Composition haben auch die zum Teil rohen Copistenhände nicht zerstören können. Einige von ihnen sind durch Durchbohrung des Marmors zur Aufnahme von Wasserleitungsröhren eingerichtet, um als Brunnenfiguren zu dienen. Aber das Fehlen dieser Vorrichtung bei den am besten erhaltenen beweist klar, daß wir es nicht mit einer ursprünglichen Brunnencomposition zu tun haben.**) Die Gruppe verdankte also ihre Beliebtheit nicht nur dem Umstand, daß sie sich zu einer Brunnenfigur eignete. Was die Gestalt und Größe des Vogels betrifft, so schwanken die Beschreibungen zwischen den Namen Gans und Ente, auf den erhaltenen ist der Vogel nicht größer als eine Ente, wobei jedoch zu beachten ist, daß das Tier auf den Boden gedrückt wird, die Ständer also unter dem Leib verschwinden, und daß der charakteristische Hals meistens modern ergänzt ist. Wenn auf einigen schlechten Repliken das Tier noch kleiner ist, so verliert darunter der Findruck der Composition, die ein kleineres Tier verbietet. Die charakteristischen Merkmale der Fuchsgans mußten naturgemäß in später Copisten- hand sich verflüchtigten, während sie am Original den scharf beobachtenden Frauen klar erkennbar, jedesfalls auch noch durch Bemalung verdeutlicht waren.
Unter diesen Copien steht obenan durch die Güte der Copistenarbeit die Sicherheit des Fundortes, die gute Erhaltung und ilas Fehlen uncontroUierbarer Ergänzungen das Bildwerk, das hier (Taf. Vlll) zum erstenmal eingehend publi- ciert wird.
I. Gefunden bei den österreichischen Ausgrabungen in Ephesos im Jahre iSgö nahe der Südwestecke der römischen „Agora", in der Halle, etwa zehn Schritte von der berühmten Bronzestatue des Athleten entfernt. Sie war in verschiedene Stücke zerbrochen, aber bis auf ein Paar kleine Teile vollständig und scharf zusammen- setzbar (Fig. 122). Die Ergänzungen sind in Wien in Gips ausgeführt worden (Fig. 123). Das Werk befindet sich jetzt in den kunsthistorischen Sammlung^en
^') SoU'lie Brunnenris;iircn sinil aiisfülirlirli lichnncldl von K. rnrliui. Kleine Schriften II 127 ff. I V T-
R. Herzog
des Allerhöchsten Kaiserhauses in Wien, wo es zur Zeit im g'riechischen Tempel im Volksgarten mit anderen Fundstücken aus Ephesos ausgestellt ist. Eine kleine Abbildung' mit kurzer Besclireibung ist in dem von Robert von Schneider herausgegebenen Katalog dieser Ausstellung, Wien 1902, gegeben.
Maße: Höhe mit Plinthe 0-62'", ohne die- selbe 0-55™; Breite der Plinthe 0-58 "", Tiefe 0-35™. Der rechte Arm ragt nach vorne um 0'24'" vor, die Zehen des rechten Fußes um o'02"' über die linke Seite der Plinthe.
Ergänzungen: Hinterkopf, Ohren, Finger der rechten Hand, rechtes Knie, rechtes Gesäß, Zehen des rechten Fußes, Kopf des Tieres.
Die Arbeit ist gut, nur an einigen Stellen hart. Der Marmor ist am Körper des Kindes poliert, an dem des Vogels nicht. Farbspuren lassen sich nirgends constatieren. Keine Spur einer Wasserröhre, auch keine Wasseranlagen in der Nähe des Fundorts.
Weitere Copien sind:
2. Vatican, Galleria dei Candelabri n. 214. Marmor, wahrscheinlich italisch. Höhe 0-58 "", ohne Basis o'53". Ergänzt Xase, rechter Arm von der Schulter zum Ellenbogen, rechter Fuß, Kopf und Hals des Vogels. Arbeit nicht fein. Von einer Wasserröhre keine Spur. Abgebildet Museo Pio-Clement. III 36; Clarac-Reinach, Statuaire I 536. 877. 2229; Gardner a. a. O. n. 25.
3. Florenz, Uffizien, Sala dell' Ermafrodito n. 313. Höhe o'62'". Breite o"45" (Fig. 124). Ergänzt Kopf und Flügel des Tieres, am Knaben Zehen des linken Fußes, rechter Fuß, fast ganzer rechter Unterschenkel, rechter erhobener Arm, Kinn, Lippen und Nasenspitze. Dütschke, Antike Bildwerke in Oberitalien III 517. Unter dem linken Flügel geht eine Oifnung in den Marmor, augenscheinlich für eine Brunnenröhre, deren Ende wohl einst in dem Kopf des Vogels war. Arbeit flau, Gesicht blöde. Abgebildet Gall. di Fir. IV 70; Clarac-Reinach, Statuaire I 537, 877 A, 2230 A; Gardner a. a. O. n. 26.
4. Florenz, Uffizien, ebenda n. 317. Höhe o'5g"'. Breite 0-51™. Ergänzt rechter erhobener Arm, einige Zehen, einiges an der Gans und Rand der Basis. Dütschke
Fig. 122 Marraorgnippe aus Ephesos (unergänzt).
Das Kinil mit der Fuchsgans
229
v M
a. O. III 524. Lorh für Ilrunni-iirölm' an derselben Sti-llc Arbeit etwas sorgf- fältiger aber hart, Gesiclit lebendiger, Rückseite vernachlässigt. Abgebildet Gall. di Fir. IV 71; (.larac-Reinach I 536. 877. 2230; Gardner n. 27.
5. 6. Gardner n. 2g. 30; Zannoni,
Gall. di Fir. IV 2 p. 75 f. führt zu den
•^^fc^ beiden Florentiner Gruppen noch an:
(> /' ^^M una che osservö Tottimo e coltissimo
^^^J^ HlH^^^V Sign. Marchese Giugni nello studio dello
^^^^^^^^h|J^^^^C! sciiltor Cavaceppi in Koma^'), com' egli
^^^^^^^ " stesso m'ha detto, e quella bellissima
6 di gran lunga superiore alle nostre due, che quel nobil uomo e di belle Arti intelligentissimo [Marchese Giugni] cu- stodisce nel suo palazzo unitamente a raguardevoli pitture. Verschollen.
7. Rom, bei Cardinal Cesi; Gardner 32; Aldroandi, Le statue di Roma Aus- gabe von 1556 [In casa del Reverendiss. di Cesis, in Rorgo presso a S. Pietro], vi e un putto che preme un' ansera per fargli gittar acqua dal coUo, tutto intero, et questa e una delle belle cose di Roma per statua piccola. Von Zannoni a. O. hieher gerechnet, von Jahn zum stehenden (janswürger. Verschollen.
8. Palazzo Farnese di Caprarola. Gardner 31. Erwähnt von Visconti, Mus.
Pio-Clem. III 36, als ähnlich n. 2. Seither war es verschollen. Ich fand das Stück auf einem Ausflug
Vin dem vergessenen Palazzo Farnese in Caprarola im C^i^ i Jahre 1897 wieder, konnte^ mir aber nur eine kurze
Notiz machen. Dafür fand ich in Rom zufällig eine Photographie der Saalwand mit Brunnendecoration, in tleren Mittelpunkt es angebracht ist (Fig. 117). Es fehlen die Finger der rechten Hand, der rechte Unter- schenkel, der linke Fuß vom Knöchel an, der Vogel ist von der linken Hand weggeschlagen, die Reste abgemeißelt. Marmor gut, Arbeit mäßig.
Fig. 124 Marmorgruppe in Florenz. -^) Nicht zu finden in Cavaceppis Momimenta (3 Bände 1768 — 72).
Fig. 123 Marmorgruppe aus F.phesos (ergänzt).
230 R. Herzog
Zwei weitere Repliken fand ich 1S97 in Rom im Priv'atbesitz.
9. Torso im Studio des verstorbenen Bildhauers von Kopf. Es fehlt vom Kind der Kopf, rechter Arm von der hoch erhobenen Schulter an, linker Fuß, rechtes Bein vom Oberschenkel an. Tier sehr klein, im Hals desselben ein Loch, Kopf fehlt. Arbeit gut.
10. Sammlung von Fräulein Herz. Unbedeutend. Notizen konnte ich nicht machen.
Durch falsche Ergänzuncr unkenntlich gemacht ist
11. Eine etwas kleinere Wiederholung im Conservatorenpalast in Rom, die 1897 im Raum hinter dem achteckigen Saal stand. Höhe 0-48 ". Ergänzt der rechte Teil der Basis, die ähnlich der des ephesischen Exemplars ist, mit dem linken Unterarm des Kindes, dessen linke Hand sich sinnlos und häßlich auf eine Scheibe am Boden stützt. Der vorgestreckte rechte Arm ist vielleicht von der Schulter an, aber richtig ergänzt. Auf der Basis die Notiz: Dono del Sig. Barone Huffer, e Comd. Silvestrelli li 23. maggio 1879. E ristaurato dal Sig'. Cerelli scultore.
12. Richmond Castle, Sammlung des Sir Francis Cook, nicht bei Michaelis, Anc. sculpt. in Gr. Br., mir durch W. Amelung brieflich nachgewiesen: „Sie ist von der üblichen Größe, aus italischem, feinkörnig weißem Marmor. Ergänzt ist Nasenspitze, Teil des rechten Ohres, rechter Arm mit Schulter, linker Mittelfinger, linke große Zehe, rechter Fuß. An dem Tier ergänzt Kopf und Teil des linken Flügels. Endlich ist die Basis fast ganz modern. Die Arbeit ist nicht gut, der Ausdruck weder kläglich noch lustig. Soweit ich mich erinnere, war es keine Brunnengruppe."
Als weitere Replik kann vielleicht hinzukommen
13. Das Original des Gipsabgusses der Gipssammlung der königlichen Museen in Berlin. Friedrichs-Wolters 1589. „Marmor, Knäbchen mit Ente. Wo das Original sich befindet, wissen wir nicht. Auch die Ergänzungen können wir nicht genauer angeben, sie sind aber jedenfalls bis auf den Kopf der Ente, der in anderen Exemplaren nach oben gerichtet ist, getroffen, . . . Stil vortrefflich, die weichen Kinderformen sehr schön wiedergegeben." ^")
'") Selbst gesellen habe ich n. 1. 2. 3. 4. 8. i). 1898 (Höhe erhalten OMy" Gesicht o-ll™) und einen
10. II. 13. Die Repliken 9 — 13 können zum Teile Oberkörper im Magazzino Archeologico im Orto Bota-
mit den verschollenen n. 5 — 7 identisch sein. Von nico, Rom (Gesicht verstoßen). H. Bulle stellte mir
Fragmenten habe ich mir notiert einen Kopf mit eine Aufzeichnung aus Thespiae zur Verfügung:
Rumpfansatz, der wohl von der Gruppe herrührt, „Knäbchen mit Vogel, kauernd. Linke stützt sich
in der Sammlung des Herrn Paul 'laudin in Smyrna auf Vogel (Kopf fehlt. Hulin ? Taube? Knie, Gans?).
IJas Kiiul iiiil iler I'uclisyuns
23"
Fiu
Eros mit Ente.
Wicflorholuiipen des Motivs in der Ivloiiikunst sind häufig-. Sie sind aber meist variiert. Der Knabe kann Flügel bekom- int'ii uiiil zum Kros werden, das Tier kann auch weg-gelassen werden, wodurch das Motiv freilich sinnlos wird. Eine sehr hüb- sche Wiederholung in Bronze hat Ad. Michaelis publiciert in der Festgabe für die Straßburger Philologen Versammlung 1901, Straßburger Antiken, S. 9 Fig. i (Fig. 125^'). „Eros mit Ente. Erz. Höhe 0-045 '", Länge 0-055 '". Aus der Sammlung Spangenberg . . . Unser Erosfigürchen bezeichnet den Knaben durch die Flügel als Eros, verzichtet aber auf das drastische Motiv des Drückens; der Vogel erscheint hier mehr als Spielkamerad.'' Das Tier ist verhältnismäßig groß.
Ähnliche Bronzestatuetten habe ich z. B. im Archäologischen Museum zu Florenz und in der Bronzesammlung des Britischen Museums in größerer Anzahl getroffen.*-)
Der Inhalt dieser in so vielen Wiederholungen erhaltenen Darstellung ist kurz folgender:
Ein etwa zweijähriges nacktes Knäbchen sitzt auf dem Boden. Um sich zu erheben, richtet es den Körper nach vorn auf, zieht den rechten Fuii an und streckt den rechten Arm nach vorwärts in die Höhe. In derselben Richtung geht der Blick, der zum Rufen geöffnete Mund verstärkt diese doppelte Bewegung. Der linke Arm stützt sich schwer auf ein entenartiges, auf dem Boden sitzendes Tier, indem die Hand es hinter dem Hals faßt und platt auf den Boden drückt, so daß dem Vogel der Atem ausgehen muß. Der Kopf des Vogels ist nirgends mehr ursprünglich erhalten, der Hals am längsten am cphesischen Exemplar. Er hat gewiß nicht so ruhig bei Seite geblickt wie auf der Ergänzung-, sondern war wohl länger und drehte sich nach oben, vielleicht nach dem Kinderarm schnappend.
Die Erklärung ist sehr hübsch von Jahn a. a. O. gegeben: „Das Knäblein
Ganzer OberUcirpcr des Knaben nebst Annen felilt. Flüchtige Arbeit. Weißer Marmor. Höbe 023 '". Im Museum von Tbespiac gibt es {-anz auffallend viel K.inderstatuen. Woher sie stammen, weiß ich nicht." Wohl aus dem Eileitbyiaheiligtum, v^l. I*. Baur, Jahrflslieflc dns österr. arcbilol Institutes Hil ^'I.
Kileithyia 464.
") Nach einer neuen Aufnahme, die Ad. Michaelis gütigst zur Verfügung stellte.
•'-) Weniger genau sind die Nachbildungen in Terracottcn, Gardner n. 34 — 37.
30
232 R. Herzog
ist noch nicht im stände, sich allein aufzurichten, und der rechte Arm ist wohl nicht allein um der Bewegung des ganzen Körpers nachzuhelfen, erhoben, sondern es scheint ihn um Beistand auszustrecken."
„Damit stimmt auch der aufwärts gewendete Kopf, der nach oben gerichtete Blick, der geöffnete Mund, worin sich das Verlangen nach Hilfe ausspricht, die er von einem Erwachsenen erwartet. Nicht als ob eine Figur fehlte, welche die Gruppe erst vollständig machte; es ist der Beschauer, der vor den Knaben hintritt, an den er sich wendet."
Ahnlich sagt Wolters a. a. O.: „Der Witz dieser so oft wiederholten Dar- stellung besteht darin, daß das Knäbchen, in seiner Absicht sich zu erheben, wozu es auch mit Hand und Mund nach Hilfe verlangt, seinen Spielkameraden, die Ente, natürlich ohne es zu wollen, unbarmherzig preßt."
Etwas abweichend ist die Auffassung v. Schneiders a. a. O. : „Ein zwei- bis dreijähriger Knabe sitzt auf der Erde, erhebt den Kopf und öffnet den Mund wie zum Schreien, während er das rechte Händchen abwehrend ausstreckt, gleich als drohe ihm ein Angriff auf seinen Besitz, eine Ente, die er mit der linken Hand kräftig zu Boden drückt."
Klar ausgesprochen ist in den Bewegungen der mit aller zappeligen Willens- knift eines energischen Kindes zum Ausdruck gebrachte Drang nach oben. Aber der kindliche Körper mit seiner gesunden Fleischesfülle und seinen weichen Ivnochen kommt nicht nach, alle Muskeln sind schlaff, die Gliedmaßen können sich nicht strecken. Die Stimmung des Kindes ist auf den Repliken nicht einheitlich aufgefaßt. Im ephesischen Stück wie auf den meisten anderen ist der Gesichts- ausdruck lebhaft, vergnüget, man wird sagen, es kräht seinen Helfer, den Beschauer, an. In den schlechteren Copien ist das Gesicht zu blöde, um eine Stimmung wieder- zugeben. Zwei Exemplare dagegen, das Florentiner n. 4 und das von Caprarola n. 8, bringen entschieden in den herabgezogenen Mundwinkeln eine weinerliche Stimmung', die Erkenntnis der Ohnmacht, zum Ausdruck. Das ursprüngliche dürfte der lustige Ausdruck sein, aber auch ein guter Copist konnte ihn zum weinerlichen variieren, wie ja in der Kinderseele Sonnenschein und Regen plötzlich wechseln. Im Grunde handelt es sich ja nur um einen glücklich beobachteten und als fruchtbar festge- haltenen Moment, über dessen psychologische Grundlage sich der Künstler wie der Beschauer denken mag, was ihm paßt.^^)
'^) Dieselbe Verschiedenheit ist in den Repliken Ausdruck kommt. Aber das ExempLir im capitoli-
des stehenden Ganswürgers zu beobachten. Das Ur- nischen Museum (Photographie Alinari 11752) hat
sprüngliche ist hier gewiß auch die stolze Freude einen entschieden ängstlichen, weinerlichen Ausdruck
über die Heldentat, die in den meisten Copien zum erhalten.
I)ns Kiiul mit der I''uclisj^ans -33
Nun koninil diu llauptfnij^i': Stiniml unsere Gruppe zu dr-ni I-lindruck, den die Frauen von dem koischen Bildwerk bekommen? Ich ylaube, in allen Züyen.
Daß iler \'oyel im Orij^inal recht wohl als eine Fuchsj^ans deutlich charak- terisiert g^ewesen sein kann, haben wir schon gesehen. Die Art, wie das Kind ihn drückt, ist mit Tcv^yetv durchaus richtig wiedergegeben. Gerade^zu packend ist der Ausdruck des geöffneten Mundes. Man erwartet wirklich, die Stimme des Jungen zu hören, die künstlerische Illusion ist auch für den modernen Menschen noch stark unil durchaus (erfreulich. Großen Wert lege ich endlicli auf di(! Worte Jipö -wv -oSwv. Di(! Frauen sehen das Kind vor ihren Füßen, also am Boden, sie müssen zu ihm herabsehen. Das jiaßt nur auf unser sitzendes Kind, das etwa o-6o"' hoch sich vom Boden erhebt, nicht aber auf ein Werk wie den etwa 0-90™ hohen stehenden Ganswürger. Unsere Gruppe verlangt durch ihre Bewegung von oben gesehen zu werden, und in der Tat ist das der beste Aug-enpunkt, nicht die Ansicht von gleicher Höhe, wie sie bei der jetzig-en Aufstellung auf einem hohen Postament gegeben ist. Hiebei wirkt der nach vorn g"estreckte rechte Arm sehr störend, während er von oben gesehen, den Blick herabzieht. In Ephesos stand die Gruppe auf ihrer niedrigen Basis am Boden.
Wir sind mit dieser, in der hcUeni.stischen Zeit schon ganz durchgeführten Aufstellung auf niederer Basis zu ebener Erde, am Endpunkt einer Entwicklung angelangt, an deren Anfang die riesig hohen säulenförmigen Basen der archaischen und strengen Monumente des sechsten und fünften Jahrhunderts, wie das Weih- geschenk der Naxier und der Dreifuß von Plataeae in Delphi und die Nike des Paionios in Olympia stehen. Auf hoher Säulenbasis steht auch die oben S. 224 A. 20 erwähnte, der Athena geweihte Statue eines Kindes mit ähnlicher Bewegung wie das unsere bei Benndorf, griech. und sie. Vasenb. Taf. 31. Das wurde allmählich als .stark illusionsstörend empfunden und so werden die Basen immer niedriger, bis schließlich der „illusionsstörende Rahmen" so gut wie ganz wegfallt und damit die Bedingungen zu einer wirklichen Illusion wie bei den Frauen im Asklepieion g'egeben sind.
Nicht ganz einfach ist es, den Kunstwert und die Zeit des Originals zu bestimmen.
Die in römischer Zeit entstandenen Copien lassen alle Feinheiten der Marmor- technik vermissen, aber doch eine virtuose Behandlung der schwellenden Fett- und Fleischmassen ahnen. Der kindliche Körper ist in allen Einzelheiten ana- tomisch richtig nachgebildet, das pausbackige Gesicht macht in den besseren
30*
234
R. Herzog
Repliken einen überaus lebenswahren Eindruck. Die Composition ist bei allem Anschein der Einfachheit sehr durchdacht. Der Aufbau ist reg-elmäßig dreieckig-, aus seiner Fläche hebt sich kühn, aber in der Ansicht von oben gelungen, der rechte Arm heraus, an den lysippischen Apoxyomenos erinnernd, wie auch die Drehung des Rumpfes oben nach links, unten nach rechts. Damit kommen wir jedesfalls in eine Zeit, welche die Errungenschaften der lysippischen
Epoche schon frei zu verwerten wußte. Ehe wir die Grenze nach unten ziehen, ist es von Wert, einige ver- wandte Gruppen aus unserem Antikenschatz zu betrach- ten, denen das Motiv des sitzenden Kindes, das eine Gans plagt, gemeinsam ist.
In erster Linie ist hier zu nennen ein datierbares Original hellenistischer Toreutik, das Silberfigürchen aus Alexandria, jetzt im Britischen Museum, das E. A. Gard- ner zum Ausgangspunkt seiner Abhandlung über diese Typen genommen hat, abgebildet im Journal of Hell, studies a. a. O. Tafel A und S. 8, darnach Reinach, Statuaire II p. 466 n. i (Fig. 126). Gefunden mit Münzen, die bis etwa 240 v. Chr. herabreichen. Ein sitzendes Kind, unterwärts mit Chlamys bekleidet, hält eine kleine, dünn- halsige Gans mit der rechten Hand an den Flügeln, mit der linken am Hals. Das Tier schnappt lebhaft nach seinem linken Ohr. Das Kind lächelt ängstlich. Seine Formen sind sehr fett, gut wiedergegeben. Die Composition ist geschlossen, aber nicht sehr geistreich.
Ebenfalls alexandrinischer Toreutik sind wohl zuzuweisen zwei annähernd gleiche Exemplare von bronzenen Lampendeckeln, i. Neapel. Gardner 49. Jahn
S. 47. Abgebildet Antich. di Ercolano VIII Lucerne pl. ig, Museo Borbonico IV 14 (dar- nach Fig. 127), Reinach, Sta- tuaire II 466 n. 5. 2. Louvre, 210. Abgebildet Reinach p. 466 n. 2. Geflügelter Eros, sitzend, würgt eine Gans, indem er sie mit Kinn und beiden Armen Fig. 127 Uronzelampe von Hcrculancum. an seinen Leib drückt, etwa wie
Fig. 126 Silberfigiirclien von Alexandria.
Das Kintl mit rlcr Fucbsgans
^35
I liTaklcs (Irii l.invcii. I )ic kli-inc (iruppi' ist von rcizondcr Wirkung', iiitiiwiitlicli der pliffiiro (Tesichtsausilniok.
Harmloser ist das Spiel des Kindes mit der Gans in der Marmorj^ruppo im Museo Borj^hese in Rdin n. CA'l im dritten ZimnuT rechts vom Saal. Photo- jirapliische Aufnalimen verdanke ich der Freundschaft W. Amelungs. Ziemlich viel ergänzt und überarbeitet, aber in der Hauptsache antik (Fig". 128). Die Gruppe ist ins Profil gestellt. Fin etwa 3— 4Jährigernackter Knabe sitzt auf dem r)iid<'n, streckt beide i'eine nach rechts und fa(3t ein(> (ians oder Ente mit der Linken am Hals, mit der Rechten am Bauch, sieht nach rechts ver- gnügt in die Höhe. An seiner Haartracht ist der herabfallende Zopf merkwürdig. Die Grupjx' ist nicht ohne Reiz, steht aber in der Wirkung weit hinter der unseren zurück.
Wenn die Gruppe, die wir mit der koischen gleichsetzten, durch die vielen Wiederholungen als beliebt und einfluijreich gekennzeichnet wird, so dürfen wir die verwandt(Mi i)arstellnngen als Variationen des Themas fassen, wenn wir sie nicht in der grofJen Masse der Motive ,Kind mit Gans' verschwinden lassen wollen.
Ist der Beweis gelungen, darf die Gleichsetzung des sitzenden Knäbchens mit dem Fuchsganswürger bei Herondas als vollzogen gelten, so ist damit in der Fntwirklung der Kinderbildnerei ein fester Punkt, ein wenigstens nach unten, wo es am notwendigsten ist, abgegrenztes Datum gegeben. Diese Stellung unserer Gruppe muß noch näher untersucht werden, und zwar im Zusammenhang mit der Frage nach Boethos, der nach der Tradition als der Vollender der Kiiulerbildncrei erscheint wie Donatello in der Renaissance.
Dies wird die Aufgabe eines zweiten (apitcls sein. Es handelt sich dabei darum, die beiden Quellen der Kinderplastik, Grabdarstellungen uiul Wi'ih- ge.schenke, zu verfolgen und zu untersuchen, wie an ilnuMi sich einerseits die gemütliche Vertiefung der Darstellung, anderseits die Technik der anatomischen BeliaiKllung des Kinderkörpers entwickelt. .\ls dritte Quelle kommt dazu die
Fig. 128 iMiinuurj^iuinic im Muscu llctrghe
236
R. Herzog, Das Kind mit der Fuchsgans
religiöse, die Zurückführung der Götter in ihre Kindheit. In der hellenistischen Zeit fliel3en diese Quellen zusammen in den Strom des Genrebildes aus dem Kinderleben, das in Alexandria besonders ausgebildet und von dort aus in römischer Zeit zur Mode wird, wie Th. Birt in seiner Studie De Amorum in arte antiqua simulacris anziehend ausführt. V^on Interesse ist dann noch ein Blick auf die parallele Entwicklung der Kinderplastik in der Renaissance, deren Linie von der Nachahmung der Antike gekreuzt wird.
Tübing'en.
R. HERZOG
Alkibiades häusliche Einrichtung.
Bei den Ausgrabung-en am Aufgange der Akropolis ist im N'ovember des Jahres 1901 ein neues Bruchstück der Abrechnungen über den Verkauf der Güter der Hermen- und Mysterienfrevler gefunden worden, das ich dank der Erlaubnis des General- ephoros Herrn P. Kav- vadias veröffentlichen darf. Der Bruch links und der Rand rechts zeigen, daß der o'2i"' breite, o- 1 7 2 " hohe Stein, ohne anzupas- sen, unter dem von Ulrich Köhler, Hermes
XXIII 396 heraus- gegebenen (CIA IV 1 p. 178, 277 d: Ditten- berger, Sylloge 44) an- zuordnen ist, den neben- stehende Abbildung (Fig.
129) vor Augen führt. Fig. 129 Hermokopiden-Inschrift.
In Kleinigkeiten bedurfte die bisherige Lesung dieses ersten Bruchstückes der Vervollständigung- und Berichtigung. Z. 6 ist das Wort nach TixpaTcexaajia
A. Williclni, Alkil)ia<lc-s liiiusliclic Kinriclitiin(j '37
weder J.'.vov noch ä-}.öv; von den Buchstaben, welche diese Vorschläjafe Köhlers voraussetzen, müßten trotz der Lücken, welche die Oberfläche des Steines an dieser Stelle beschädig't haben, Spuren geblieben sein. XtTÖv schien am ehesten zu entsprechen. In Z. 7 hat der erste Herausgeber geglaubt in die Umschrift, trotzdem auch ihm der Raum ,kaum ausreichend' schien, d|icpty.vecpaÄXo;, nicht Ä|i'ft- y.£cpaXos aufnehmen zu sollen. In l'olydeukes Wörterbuch bietet nämlich an der Stelle, die Köhler erlaubte, in dem früheren Besitzer der in der Li.ste als verkauft bezeichneten Gegenstände den berühmten Alkibiades zu erkennen, die handschrift- liche Überlieferung a|icpty.vl^aXXo;. Auf di'm Stein hat sicherlich ä|j,cf;LxecpaXos ge- standen. Auch ist «(iiytxvIcpaXXo; als Beiwort von Betten sonst unbekannt, während im I''.tymologicum Rlagimm a|icptx£cpa>.05 angeführt und folgendermaßen erklärt wird: xXtvrj; efSoj 7:ap' Aörjvatot;, Tzapa zb £y.ax£pu8-£V avaxXcatv ix^i'/ y.od upocxe^säXatov. So wohl dem Wortsinn nach eine xXfvTj äjicptxecpaXo; verständlich ist, ein Bett mit gleichen Lehnen an beiden Enden, wie sie nach Miss C. Ransoms lehrreichen Nachweisen Jahrbuch XVII S. 136 auch durch Denkmäler bekannt sind, so sonder- bar wäre eine xÄivr^ äiitptxvecpaXXog, ,mit Matratzen beiderseits'. Zudem gehen in Polydeukes 'Ovoi-iaaiixöv dem .Satze X 36: sv ok xor? 5r;[iio,ipä~ois 7i£-paxai 'AXxtßtaoou yx\).twrj TüapaxoXXo; xat xXövr^ äntfixvifpaXXos zwei Verse des Euripides als Beleg für
Xa[A£6vyj voran, in denen das Wort xvrxaXXov vorkommt:
ayeobv ^«(icuvy) a'j[i|icTpo; Kopwö't'a; TTÄtoög, xv£cpaXXou 5' o'jy^ 0-£p-L£cv£L; -ö5a. So erklärt sich die schon von Becker, Chari- kles III 63 vermutete Entstellung des un- mittelbar folgenden d|i'^'.x£-.paXo; zu ä[i-^txv£- '^y.}J.oz sehr leicht. Außer dieser einen, die meines Erachtens nicht in Betracht kommt, sind zwei Abweichungen zwischen den Schrei- liuni^en des Steines und der Überlieferung des Wörterbuchs bemerkt worden: ersterer bietet -/aiiEOva, letzteres -/aiis'jvir), ersterer xa- vauaipo, während X 86 eine andere Form angeführt wird: iv ok xor? ori[.v.OTzpdzo'.c cj xxvaarpov i^iivov, äXXa xx: xävua-pov £Ciptaxo|X£V. Auch bei diesem Worte wird lediglich handschriftliche Verderbnis die seltene Form xavauaxpov verdrängt haben. Wie es mit ya.\).gwx gegenüber yaF'Jvrj steht und überhau j)t mit Polydeukes Treue in der Bewahrung solcher Unterschiede in seinen Citaten, bleibe dem Herausgeber
xißox[ö;] äES'uCposl |
||
xißoTÖ; T£x[pä3-upo;] |
||
F . . |
AA |
viXjvat iitXEatop'Yi[g] AI |
API- |
-ipajisSat IUI |
|
Am-h |
Xaiis'jva Kapäy.oXXc; |
|
\l |
:iapa[7i]exaajia [XitJöv xXCvE niXsmop-fE; äji^tXäya[Xt>; 3i=fpot p |
|
n |
[ä]växXtais |
|
III |
xavaüoTpo || xla[vv]a. |
238
A. Wilhelm
des Onomastikons, E. Bethe, festzustellen überlassen. Z. 1 1 ist bisher xavauaxpov g:elesen \Yorden; ich erkenne an Stelle des vermeintlichen Xy zwei sehr gedrängt stehende senkrechte Striche; so ist xavaOcj-cpo II sicher. In der nächsten Zeile sind von Köhler die Reste . A . " A/7// verzeichnet worden, von Dittenberger .cc...X. umschrieben. Ich glaube 7.]ä[vva vermuten zu dürfen, eine Matte paßt sehr wohl zu den übrigen Geg'enständen. In großer Zahl nennt xävvai der von Polydeukes X 192 aus Eupolis IIöÄsi; mitgeteilte y.a-äÄoyo; cy.Euwv:
xparJipas öxtw, Süo y_uTpa;. Süo xpupXiii), xvecpaXXa t£ xac ^^£p|^al)aTpiv. e; ilpivou;, yßzpxv. y.dvvy.i iyMzöv. x6pr;[xa, xt[üwxöv, Ä'j/'.ov. Nach Köhlers Angabe zeigt der Stein nach dieser Zeile freien Raum und wo die allerdings großenteils abgesplitterte Oberfläche erhalten scheint, v'ermag auch ich nur täuschende Gebilde der Beschädigung, aber keine sicheren Reste von Buch- staben zu erkennen. Daß die Liste auf dem zweiten Steine (Fig. 130) die unmittelbare Fortsetzung- der Liste auf dem ersten sei und die in beiden verzeichneten Gegenstände einem und demselben Besitze entstammen, ist also durch äußerliche Gründe nicht erwiesen, 5 wird aber durch den Inhalt überaus wahrscheinlich. Denn die auf dem zweiten Steine genannten Gegen- stände gehören nicht nur ebenfalls '° der Einrichtung eines Schlafzimmers (xoLxwv) an, sondern vervollständigen geradezu die auf dem ersten Steine verzeichnete Einrichtung. Daß es sich in beiden Listen um Besitz des Alki- biades handelt, wird durch die Nen- ^'^S- '3^ HermoUopiden-lnschrift.
nung zweier Gegenstände, die nach Polydeukes in den ori\uönpo!.xx als früheres Eigentum des Alkibiades erwähnt waren, auf dem ersten Steine mindestens überaus wahrscheinlich. Besondere Vorsicht mag freilich einwenden, daß sich solche Gegenstände auch im Besitze anderer begüterter Zeitgenossen des Alki- biades befunden haben werden und beide Inschriften ebenso gut die Einrichtung des Hauses eines seiner Mitangeklagten verzeichnen können. Schließlich ist es
Alkibiacles liiiiislidie l'.inrichtung 239
ziemlich 1^ leidig ültiy, ob us sicli in ilmcii wirklich um .Vlkibiadus Besitz liaiidelt; jedesfalls g-ewähren uns diese Listen ein anschauliches Bild von der Einrichtung- eines reichen Wohnhauses zu Ende des fünften vorchristlichen Jahrhunderts. Der zweite Stein ist untenstehend gelesen und ergänzt.
Die zu der Einrichtung; einer Schlafstube gehörigen Gegenstände führt l'olydeukes X 32 an. Als erstes Erfordernis vor einer solchen nennt er Vorhänge: Tzpb [ib/ O'jv ToO y.oiiövo; iizl xaC; ö'upai; -7.piXTzs.-x(j[X'x.-io'/ go: osi; ein -ocpa,-i-:xa\ix XcTOv erwähnt denn auch das erste Bruchstück. In die Schlafstube selbst gehören zunächst Betten: sv Sc zdr. v.y.zöyr. iz: (icv s-hx: y.y.l vjJ.rf^'/ v.'iy. i] 7.Xov:5'.ov y.z'/.. Ihre Namen und Teile werden genannt, von anderen Geräten der Schlafstube a7.:|i-Ciu; und, Twv xooHotspwv, auch f; yafvsLivrj xa: -b xa{ji£uvLOv; eine xa|i.£Ova -apxxo/J.os ist denn auch auf dem ersten der beiden Steine erwähnt. Der Gegensatz zu -apä'/.oXXo; ist ä[.i'^tV.o/,Äoj; oOtw y^P, sagt Polydeukes X 34, -t/^v xa-cxxexoÄXrjixivyiv wvö[^tx'jcv iv -a:; 'Eop-af; IIAatuv zkz'.-x v.Kbnft ä|X'^ty.oXXov nuSivr/;; eine y.X-'vrj :üapä-ucog erwähnte Kra- tinos. Dann iahrt Polydeukes fort (36): xa: \vf^v xö yz rr, x/.ivvj rj tö) ax;ji-o5i iv-itx-
[isvov w; cpspetv xä -uXsra. a-äpTX 3-ap-L'a, tövoc, xi'.pia. tx/x 5s xx: . . . s ayoivo; xa; ayoivca xx: xaXo'. xtX. .Solche Gurten, die über das
[i]|iä-'.ov Bettgestell gespannt werden, und zwar aus Pferdehaut, erwähnt
[£]|iäT'.ov ^jjg Liste Z. 7 xaXo h:7:7C£to Süo. Dann sind Polster, Matratzen,
Decken, Kopfkissen erforderlich: (38) BKiad-o) Sc tq xXiyq xuXeia, |. , xv£cpaXXa,'Sa7r[.S£5, m:i;r^i£5, «[icptxaTrr^TEc xiX. xxl AXx'.[5ia5o'j §£ ä|.i-.pi-
xoc]Xo hiiiTisio aus xäTir;; ~i; Ks^patai Tipö; Ss Toütois i-lai^w 7Lpocx£-.päXa:a
xijgöTcov -Xaxü Ti-iXwxä. 7:pciax£'.pKXaia \)T.%x)'/bnx. Und Belege für diese Bezeich-
xt]p6-ta xpfa nungen fand Polydeukes nicht nur bei den Komikern, sondern
lo xvEjtpaXXov -Xsov auch in den Listen der Srj[j,i6-pfl:-a (39): -ä |i£V o'jv -'jAEfa xx; xa:
'/."it'Lot.kkx ou \i.o-io'i Tiapa xotc xü)iitt)oo;c £c;x'.v. «Xa« xa; £v xo-.c orj|tio-
s7:'.p]).ixLa IUI ; ^ ^ , , . ' , - ,
, ..,. .. T^paxotc; Tiljipaxai v.^ii's.xWov xy-oviv xx: xvi-xXXov -aXa:ov. In drapXslxta IUI unserer Liste erscheinen Z. 8 f. allerdings nicht eine alte und 15 sit'.pxixjta IUI eine neue, sondern zwei gefüllte Matratzen: sollte bei Polydeu- «"•• kes xaiVGV aus X£vöv entstellt und dann aus dem als Gegen- satz nicht mehr verständlichen -Xsov: 7:aXa'.6v g'eworden sein? Über Füllung der Matratzen belehrt Polydeukes VI 10: Sx". Ss xa; 7:x;Xo;; xä xv£ciaXXa dv£<tXrjpouv E'jjiouXo; iv Wy/far) 5;Saax£;. xa; T^xEpwxa xa; -x;Xwxä -poax£9äXa;a övo|iä^ouatv. Eine Eingabe in Angelegenheit eines Diebstahls soeben im Bull, de corr. hell. XXVI iio unter anderen Papyrus aus Magdala herausgegeben, erwähnt Z. 7 — ov [icsxöv yva'fäXXwv ou x'.\vt^ \s.z'. xt'axrj xxX.: vermutlich ist x'jX£;]ov zu ergänzen. Andere Gegen-
J.-ilirosh«ftc des östcrr. archäol. Institutes Bd. VI. ? (
240 A. Wilhelm
stände der Einrichtung des Schlafzimmers führt Polydeukes X 47 an: y.ei^jihüam 5' SV TW y.ot-wvt d-pöyoi, vJda[).oi. 8'.'~ppoi v.-X. Solche oi^poi erwähnt das erste Bruchstück (in Dittenbergers Sylloge ist die Zeile ausgefallen) und außerdem eine ävx7.Ä:a;;. sonst ävaxXiv-pov genannt (Polydeukes VI 9). Auch vier Speisetische. -piTztZ,a.i sind ebenda aufgezählt (vgl. Polydeukes X 80). Welche Bewandtnis es mit den beiden -/.oi-y.'. hat, die das neue Bruchstück Z. 4 aufführt, zeigt Polydeukes VI 10: TO 5' äyycrov £v Co xx CTpü)[i.a"a (die über Bett und Schläfer zu breitenden Decken und Tücher) evfjv xot-a;v (Jüvo^iai^ov. xa 8s et; y-oi-ri'^ atp())[xa-ca svsüvata XlyouCTLV. Himatien in dem Schlafzimmer überraschen um so weniger, als sie geradezu als .Schlafröcke' für den Gebrauch bei Nacht bestimmt sein können. X 123 bezeichnet Polydeukes auch diese Erfordernisse: oziTZYfpm-: 5c y.xl ~pö; y^oizr^'/ xpx-oi.isvw ~ä [xsv cj-pw^ax« y.od ijiipATji^iax:« Tzpoziprixoci, iv y.ocipü) 5' xv siVy z'o -y.p' 'Oi-ir^pw i\xi~'.ov evs'jvaiov y.od Tiapsüvatov |i£ya y.cd Saaü, xaE 6 Ttapa -oi; x(i)|-i(ooor; yitwv sOvr^r/jp, 05 xoO vöv iyxoijiTjXWp T^otwv, .... xa! Ol ;:«pa IMsvavSpw xauvaxai xa! ysifjLwvoj aiaupa: xaE xö Txap' 'Aptaxo'^ävsi ysi^iaaxpov: y/.arva sei in der Sprache der komischen Dichter nur für Txayea i[iäxta üblich. Ob das ,gelbe Gewand' oder , Gewebe' xpdxr^ O-a'jJt'vrj ebenfalls nächtlichem oder anderem Gebrauche bestimmt war, läßt sich nicht sagen. Kleinere Gegen- stände, die sehr wohl in die Schlafstube oder allenfalls andere Zimmer passen, nennt das erste Bruchstück Z. 8: dXäßaaxo;, Z. 10 xavauaxpo, Z. 11 xavva.
Beide Bruchstücke nennen ferner x'.,3wxo: und xt|jü)x:a. Truhen und Kästchen; von ersteren wird je eines mit zwei und eines mit vier Türen, von letzteren ein breites angeführt, außerdem drei ohne nähere Bezeichnung. In dem neuen Bruch- stücke erscheinen ferner in vier Zeilen hintereinander je vier zunächst rätselhafte Gegenstände, die augenscheinlich zu vieren zusammengehören. Ich habe die Be- zeiohnung, aug-enscheinlich ein Verkleinerungswort, in dem vor den Endsilben -Xexwv vier Buchstaben fehlen, nicht zu ergänzen vermocht, bis ich gelegentlich in der athenischen Mauerbauinschrift CIA II 167 Z. 62 sTxtßXrjxe; und in der großen eleusinischen Rechnung CIA II und IV 2, 834 b (Sylloge 587=') Z. 64 irzifAriZBC und Z. 193 iTiiji/.TjXo: erwähnt fand. In der Ilias Q 453 ist i-iiilr^z der Riegel ([AcyAos) an der Türe; in den genannten Inschriften sind £nt',jXryX£; und ZTzl^jAr^xv. Balken (00x01 nach Harpokration und Suidas), die bei der Herstellung von Dächern verwendet werden. Die eleusinische Urkunde, deren Angaben Th. Wiegand in seiner ausgezeichneten Behandlung der puteolanischen Bauinschrift (Jahrb. Suppl. Bd. XX 755) nicht ausgenutzt hat, verrechnet Z. 62 ff. 7 ooxoE zum Preise von je 17 Drachmen, 93 cjxpwx^pss zum Preise von je i Drachme 4 Obolen, 40 tjiavxs; zum Preise von 40 Drachmen, dann x7.Aa|i:5£C, erklärt in Bekkers Anecdota p. 26q
AlUibiadcs linuhliclic Kinriclilunt;
^4'
zum Preise von 70 Drachmen und schließlich 400 sitfjiÄr^Te; zum Preise von nur 40 Drachmen; diese aufgelegten Bretter wurden also in sehr großer Zahl benötigt und waren sehr billig. Z. 193 werden sie unmittelbar vor xaXaiiiOE; verrechnet: ?ü/.a 3'jo. zp'.Cby xai oiv.x tioomv ixizzpo'j. y.xl iniplr^-rj'. srxoatv ef; liv i/iv6v töv £v zCr. £V a3X£'. 'E/,£'j3'.vt(ü: Tixpä (PiÄiovo; Ahhl-: xa/-a|i{5£; -apä 'Epyaao'j 'Ixxf.lo); xp£f; I-I-. Von £/x;,i/,T(; und £<:i,iATjtoc oder auch iTzifiä^-rrfi, nach Hesychios, wäre E-ijiXTjxiov das sonst, soviel ich weiß, nicht bezeugte Verkleinerungswort und könnte dünne Bretter be- zeichnen, die zu vieren über einfache Bettgestelle gelegt, das eigentliche Lager auf- nahmen. Ungleich wahrscheinlicher aber ist, daß imp.r^v.oi, stammhaft identisch mit den von Polydeukes VI 10 erwähnten £;L'.|jÄr;na-a und £ä'.jil6Äa:a, Bettdecken bedeute.
Links von der Liste der Gegenstände waren die (ieldsummen verzeichnet, die ilir Verkauf eingetragen hatte. Leider sind von ihnen nur auf dem ersten der beiden Steine dürftige Reste erhalten.
Athen. ADOLF WILHELM
Zu Denkmälerepigrammen des fünften Jahrhunderts v. Chr.
In der Festschrift für Theodor Gomperz habe ich das attische, anscheinend von der Akropolis stammende Bruchstück einer iSIarmorbasis mit Resten von vier in je einer Zeile eingegrabenen Distichen (CIA I ^a) behandelt und ein nach
IHE l V
A y'Ä /^Aoyi/ 1 o
^OTAlxA^E/^/5TE^AM^pO$0E^V^O/VA/)
einem Adolf Wilhelm verdankten Abklatsch gezeichnetes Faksimile beigegeben, das ich hier wiederhole.
242 E. Bormann
Nach der Sclirift fällt das Denkmal in das erste Drittel des fünften Jahr- hunderts. Erwähnt ist in den Resten des zweiten Distichons eine g-anz Hellas drohende Gefahr der Knechtung, im dritten Distichon ein Aufstellen der Wehr- macht (3!i/iiy;v S^tavat), im vierten die durch Niederringen der Perser erfolgte Rettung einer Stadt, natürlich Athens. Hienach erschien es KirchhofF zweifellos, daß der Kampf bei Marathon gefeiert sei. und in diesem Sinne ergänzte er bei- spielsweise:
'EAÄa[53c y^v] niaxy SgüX[o[v fyjiap iozXy]. \ [^H [idlo!. 5f; xstvo; xaXay.apoiot, oZ px x]6x' xiy\iriv
arfi'3x\i7Lpöa\i-e iiuJ.wv äy[poCi et:' zayx-ixq. \ |Aapva[X£vo'. S' iasewaav !A.{)TjVatag r.oX\)[iQÜX'\o\>
aaT'j, ,jiV. llsp^wv ■/.Ä'.vaii£Vo[t Suvaixiv].
Schon seit längerer Zeit waren mir gegen diese Ergänzung Bedenken auf- gestiegen. Mir erschien ung-laubhaft, daß der Kampf bei Marathon, der ja aller- dings äypoO £71:' iüyoi.-:iz. an der Grenze des attischen Gebiets, stattfand, zugleich genannt werden konnte Tzpi-jd-z t.-jAmv, vor den Toren Athens. Mir kam daher eine andere Erklärung- in den .Sinn, und dieser Einfall erhielt in den letzten Jahren eine festere Begründung durch ein paar von anderen an dem Original gemachte Beobachtungen.
Zunächst hat Dörpfeld (bei Wilhelm Ath. Mitth. 23, 1898 S. 490) erkannt, daß ursprünglich auf der Basis nur die beiden ersten Distichen standen; erst später ist, wie er nachwies, innerhalb der darunter befindlichen gerauhten Fläche ein Streifen geglättet und auf diesem ein zweites, wieder aus zwei Distichen bestehendes Gedicht eingegraben worden. Ferner hat Wilhelm (a. a. O. S. 491) durch einen genauen Vergleich der Schrift augenfällig erwiesen, daß das erste Gedicht von derselben Hand eingegraben ist wie die nach Kirchhoff dem Jahre 485/4 angehörende sogenannte Hekatompedoninschrift (ebenda Taf. IX), während das zweite Gedicht verschiedene, etwas jüngere Charaktere zeigt.
Danach hielt ich und halte ich noch jetzt für sicher, daß das ursprüngliche Epigramm den Kampf bei Marathon feierte, der die Gefahr einer Knechtung- von ganz Hellas abwehrte (T2ÄÄa[oa |xY|] -äaav 5o6a:o[v fj[-iap weiv]) und daß das zweite Gedicht hinzugefügt wurde, als das Denkmal, das während der Besetzung der
Zu Dcnkmhlerepigrammcn des füufleii J:ihrhundcr(s v. Clir. 243
Akropolis (liircli die Perser cUis Schicksal aller dortij^en Weihgeschenke jLfetcilt hatte, wieder zur Aufrichtunpf gelanjrto, und nun die Erneuerungf sowohl der Perserg-efahr wie der Errettung von ihr /.um Ausdruck brachte.
Die Reste des letzten Distichons bestätigen, daß in ihm die Rettung der Stadt durch das gewaltsame Niederringen der Perser erwähnt war. Gemeint kann mit diesem Kampfe gewiß nur die Schlacht bei Salamis sein. Aber damit wird tur die in dem vorausgehenden Distichon genannte Aufstellung vor den rJSi^y.'. meine alte Vermutung nur noch bestimmter indiciert, daß nicht die Stadttore Athens zu verstehen seien, sondern die damals und besonders in Mittelgriechen- land regelmäßig" TcüXat genannte Örtlichkeit, die wir Thermopylen zu nennen gewohnt sind. Es wird also mit dem rühmlichen Kampf der Spartaner vor den Thermopyl(;n der hauptsächlich den Athenern \erdankte Seesieg bei Salamis in Verbindung gesetzt sein, etwa so:
■/.%: Axxioa;[iovi(i)v , ,, , , , a'.yi'.YjV
o'j 7_i:pov£;, 6: pa -]öt
oTfjaafiTipoaö'S lI'jÄiov äv[xtaXü)v axtjiapy//,
va'ja: ö^oat; -poi-iay^oüvcs; 'AO^r^varo: -öü sawazv]
äa-'j 5''aL ITcpcrwv -/./,Lvaji£vo['. 5'jva|i:v.
I{s ist dies im ganzen meine frühere Herstellung. Xur habe ich im ersten Hexameter eine zweite etwas abweichende Fassung als weitere Möglichkeit an- geführt, ferner für die zweite Hälfte des ersten Pentameters meine ursprüngliche Ergänzung ävyiaXwv aTt|japf^v wieder eingesetzt, der ich die von Wilhelm vorge- schlagene, glänzende aber für ein attisches Monument weniger angemessene ävTta [.lupiäatv vorgezogen hatte, und schließlich dem zweiten Hexameter eine dem fac- tischen Verdienst der Athener mehr entsprechende Fassung geg-eben. Hatten sie doch nicht allein in der Seeschlacht bei Salamis gesiegt, nicht einmal das Commando gehabt, aber das -poiia/eiv, den Ruhm als Vorkämpfer konnten sie mit Recht sich zuschreiben.
Den Ausdruck vaufjt tl-oaC; entlehne ich einem merkw ürdigen, vor kurzem bekannt gewordenen Epigramme aus Delphi. Hier hatte Lysander nach der Niederwerfung Athens ilurch die Schlacht bei Aigospotamoi auf dem von ihm aufgestellten kolossalen Weihgeschenke (Pomtow, Berliner philol. Wochenschrift 1902 Sp. 764) unter seiner eigenen Statue eingraben lassen (comptes rondus de l'acad. 1901 p. 681; Pomtow a. a. (). S. 734):
244 K. liiirmunn
Eixova siv av£ä'Vj7.c[v iiz £py]ü)[t z]6)'.ot, '6zz v.v.Gy/
vauac -O-oar; uspasv K£[7.]poiit5äv O'jvajjiiv AuaavSpo; Aa-/.£5ai[|jio]va aTiöpö-r^Tov a-£f av(j)a[as, 'EXascSo; axp67io[Äiv, xJaXXc'xopo^ji Tca-iptSa.
'E;äjio (=£x Sxjxou) ä|r^ipÜT[o'j] t£0;£ £/.£7£rov 'Icov.
Mit der obigen neuen Erg-änzung tritt noch deutlicher hervor, was auch ohne sie kaum zu verkennen wäre, daß der samische Dichter Jon (nicht der gleichnamige etwas ältere aus Chios), als er den Sieg des Spartaners Lysander über die verhaßten Athener bezeichnete, das Epigramm im Sinne hatte, in dem das Verdienst der Athener dem der Spartaner gegenübergestellt war. Mußte doch das Denkmal mit diesem Epigramm, das schon wegen der Vereinigung spartanischer und athenischer Taten einzig dastand, auf der vielbesuchten Akro- polis allgemein beachtet und besonders einem Samier bekannt sein, der als An- gehöriger des attischen Reiches Athen gewiß aus eigener Anschauung kannte.
Also im Geg'ensatze zu dem Ruhme der Athener:
va'ja! ilGaf;
nspciwv x?,'.vä|i£vo: 5'jva|i'.v
dichtete er als Verdienst des Spartaners Lysander:
vx'ja; 9-0X1; -|pa£v Iv£7.po-'.5äv Z-'jy.^v.v
und diesen Gegensatz verdeutlichte und verstärkte das Weihgeschenk des Ly- sander selbst durch seinen Standort, der gewiß mit Absicht dem Weihgeschenk der Athener für die Perserkriege gerade gegenüber gewählt war.
Daß Epigramme berühmter Denkmäler eine weite Verbreitung fanden, Stellen daraus wie homerische sich dem Gedächtnisse einprägten und im \'olks- munde fortlebten, um in Citaten oder Anspielungen neue Verwendungen zu er- fahren, erscheint an sich glaublich und natürlich. .
Einen Beleg dafür bietet ein Denkmal aus dem fünften Jahrhundert, mit dem Epigramm:
£; O'j z ECipwnr^v 'Aat'xc ob/y. r.ö^zoz £V£'.|i£
Y.cd TcöXta; ö-vr^xwv 0-oOpo; "Apr^; i-iyzi, vjZv/ TM to^oOtov ETTixö-ovitüv y£V£-' ävSpöjv epyov £v Y,T:£:p(') y.a! v.yr.y. -dvtov a[ia.
Zu llenUmülcrepii^raminen des rünftcn Jahrhunderts v. Chr. 245
ol'Oi yip £v K'j-p(;) .\Ir,oo'j; tzoäXo'j; ö/.saavrs;
*l>oiviy.(üv £X5f:öv vaO; eXov iv -b'/A-^i: ävSpiov TcXr^il-oOaa;. |i£Y* 5' k'iTcVcV 'Aai; 0-' aOtiö
-ÄT^Y^-''' ä|i'-fo-l(/3!i; "/cfal Kpä-s: ~o/,£'|io'j.
das nacli Dioilor XI 62 \vc'g"cii (k-s kimonischeii Sieges am J'-uryniedon, nacli F.d. Meyers Beweisführuii)? (Forschung-en zur alten Geschichte II S. g — 14), die mich auch in allen Finzcllu'itiMi überzeugt hat,') wegen des Sieges des kimonischen Heeres bei Salamis auf C ypern errichtet war.
Die erste Zeile dieses Gedichtes ist nämlich unverändert wiederholt im An- fang des griechischen Epigramms der großen Grabstele, die sich ein lykischer Dynast gegen Ende des fünften Jahrhunderts in Xanthos errichten ließ; vgl. die eingehende Würdigung dieses Denkmals durch Benndorf, Jahresh. III 1900 S. gSfF., besonders S. 117 unten. l)ii' Wiedcrhnjung ist in dem ZusamnuTiliang dieses lykischen Gedichtes nichts weniger als geschickt, beweist aber, daß sie mit Be- wußtsein in bestimmter Absicht erfolgte.
Die früher ziemlich allgemein gehegten Zweifel an der Echtheit des Vor- bildes werden wohl jetzt nach Meyers und Benndorfs (namentlich S. 115) Dar- legungen verstummen. Auch Ed. Schwartz hatte in der ausführlichen, ohne Kenntnis der kurz vorher erschienenen Meyer'schen Behandlung geschriebenen Besprechung (Hermes 35, 1900 S. 117) wenigstens die erste Hälfte des Gedichtes als echt anerkannt. Aber die zweite Hälfte hielt er für eine spätere schlechte Erweiterung,*) obwohl er selbst durch die Herstellung utz" aOTöi statt 0-' aCi-wv dem Pathos des Schlusses durch ein schönes poetisches Bild zu seinem Rechte verhalf.
Allerdings ist das, worauf Schwartz sich beruft, daß die Epigramme von Denkmälern in der literarischen Überlieferung Erweiterungen erfuhren, jetzt für Denkmäler des fünften Jahrhunderts wenigstens in zwei Fällen urkundlich constatiert.
Auf der von St. Dragumis auf Salamis gefundenen Platte der 480 in der Schlacht bei Salamis gefallenen Korinther stand nicht mehr als ein Distichon (Ath. Mitth. 22, 1897 Taf. IX S. 54; öfter wiederholt):
d) ^erv' £'jh'j5p]4v -07.' £va{o|i£; aaiu Oopivii-o. vOv S' ä]ic ATaJvTo; [väsoc £"/£i IxÄa'i:;
'1 Xur daß vielleicht das Denkmal nicht ein Weih- -) Glauben hat er damit bei Wilamowitz, Griech.
jjeschenk sondern ein Grabmal des KeramciUns war. Lesebuch 1 Text S. 1.(7 n. 15; Ivrlaul. '^. 104 gefunden.
2-(6 E. Bormann
während in der Uterarischen Überheferung' (bei Plutarch Tztpl xf;? 'Roooö-o-j -/-axor^ö-. 39 p. 870 E und ähnlich bei Favorin) noch ein Distichon angeschlossen ist:
zvd-ioz Ooivi'aaa; vf^a; v.T. Ilspaa^ sXovts; ■/.od MtjSo'j: Ispxv "EAAaoa p'jö|i£8a.
Ebenso fand A. Wilhelm (Jahreshefte II iSgg S. 228 ff.) auf einem attischen Hermenpfeiler nur die Aufschrift:
SJtpot[ßou] T:[a]i -d[5' d~fXA]\x(x A£ü)[xpa-:£;, £'j~' avsÖT^xac
H£p(^i£r, xaÄA:xo[i ; oux äÄaös; Xxp:-a;
während das Gedicht in der palatinischen Anthologie (VI 144 und als simonideisch bezeichnet nach VI 213) angeschlossen ein zweites Distichon enthält:
0'j5' 'Axxorj[j.£'.av i^oAuyaiHa. tf,; iv äyoa-w cvjV £'j£pY£atVjV tw npo^'.cv:: Älyw.
Den eigentlichen Grund dieser merkwürdigen Erweiterungen finde ich indes auch in der vorzüglichen Behandlung und Verwertung des jetzt sicher- gestellten Sachverhalts durch Wilamowitz (über Simonides als Epigrammatiker, Göttinger gel. Xachr. 1897 S. 306) und in der Fortführung durch Wilhelm a. a. O. nicht bestimmt erkannt oder nicht bestimmt ausgedrückt. ]\Iit den Worten von Wilamowitz, da(3 das Gedicht ,auf dem Papiere kahler aussah als angesichts des Salaminischen Meeres' scheint mir das Wesentliche nur gestreift. Ein mit Inschrift versehenes Denkmal sagt dem Beschauer mehr als die Worte der Inschrift ver- lautbaren. Das Denkmal selbst bleibt in seiner Form die Hauptsache, aber sein Standort, die Umgebung, oft genug- die Nachbarschaft anderer Denkmäler, ja die ganze Örtlichkeit spricht mit. Die Inschrift hat nur die Bedeutung- eines ergänzen- den Zusatzes, um zu lehren, was das Denkmal in seiner Sprache nicht lehren kann, und ihr eigenes volles Verständnis empfängt sie erst durch das Denkmal samt allen seinen Beziehungen.
Dieser Sachverhalt wurde in späterer Zeit, als man Epigramme sammelte, und gesammelt veröffentlichte, für Buchleser als Mangel fühlbar. So sagte das Epigramm von Salamis als solches nicht, daß die daselbst bestatteten Korinther gegen die Perser mitgekämpft und zur Rettung des Vaterlandes beigetragen hatten ; irgendwie .sprach es die Form oder der Platz des Denkmals aus, dem es zugehörte, der Leser der Anthologie, in die es aufgenommen wurde, sollte es aber erfahren.
Zu Dcnlcmälcrepigrammcn des rünften [nlirliuiulirts v. Clir. 247
Mbeiiso ilalJ dif \i)ii J-f<ikrat<;.s g-irstiflotu llormi' in (;iiiur l'-ckc dur Akaili-mii' stand und daher der Stifter um die Akademie Verdienste hatte.'') Um nun über ilas Fehlende und liir das \'erstän(hiis doch so Notwendig'e in erschöpfender und zugleich gfefalliger Weise zu unterrichten, bot sich in einer Zeit, welche die Form des Epigrammes spielend beherrschte, als nächstes Mittel die Ergänzung des Textes in gleicher Form dar. Es würde sich wohl lohnen, wenn auf diesen Ge- sichtspunkt hin dit? griechische Anthologie einmal von einem Kenner durch- gesehen würde. Aber bei dem Epigramm i^ ou x' EOpwTojv u. s. w. kann von einem solchen Zwecke nicht di(! Rede sein. Erst mit sehier zweiten Hälfte wird es zu einem vollständigen abgeschlossenen Gedichte.
Wien. EUGEN BORMANN
Neues über Adamklissi.
I.
Adolf Furtwängler ist es kürzlich gelungen, eine kritische Stelle meiner Re- construction des Monuments von Adamklissi überzeugend zu ergänzen.')
Es handelt sich um die Höhe und dekorative Gliederung des sechsseitigen Baukörpers, der auf der Spitze des kegelförmigen Daches dem bekrönenden Tropaeum als Basis diente.-)
Für diese Basis hatte sich mir aus den durch Grabung gewonnenen Werk- -stücken eine Höhe ergeben, welche für die aus Bruchstücken ergänzte Inschrift nicht zureichte und dazu nötigte, dieselbe auf zwei Seiten der Basis verteilt an- zunehmen. Auch hatten in meiner Reconstruction drei Steine mit angearbeiteten Bogensegmenten, weil sie mit keinem der damals vorliegenden Werkstücke in Verbindung gestanden haben konnten, keine Verwendung gefunden, obwohl einer derselben unter den Trümmern des Monuments zutage getreten war. Tocilesco und Benndorf haben mir deshalb sofort ernste Bedenken ausgesprochen, welche später in dem epigraphischen Capitel unserer Publication einen so scharfen Aus- druck fanden, daß kein aufmerksamer Leser das Bestehen einer .Schwierigkeit ver- ki'unrn kiinnte. Ich konnte die Bedenken nicht beweiskräftig finden, da die gegebenen
') Der Zweifel Wilhelms (S. 234\ ob die Herme der k. bayer. Akademie der Wiss. I. Cl. XXII
wirklich in der Akademie stand, erscheintunbegründet. Bd. III. Abt. München I903.
') A. Furtw.Hngler, Das Tropaion von Adam- ') Tocilesco, Das Monument von Adamklissi,
klissi und provinzialrömische Kunst, Abhandlungen Wien 1895 S. :8 ff. Fig. 2^ — 34.
I.-ihrpslipft*» ile^ Kstorr. .irchäfil. luRtitiitcs Hd. VI. 72
248
G. Niemann
Elemente der Reconstruction klar zusammenschlössen und im Gesamtbilde des Baues gfute Verhältnisse ergaben.
Längere Zeit nach Abschluß der örtlichen Untersuchungen wurde dann durch Dr M. Dreger in bedeutender Entfernung vom Bauplatze ein Sechseckpfeiler ge- funden, der, obwohl unten abgebrochen, die beim Monument gefundenen Sechs-
Fig. 131
Adamklissi, Versuchsskizze G. Niemanns mit veränderter Basis des Tropaeums, wiederholt aus Jahresheft I (1898) Fig. 44.
eckpfeiler an Höhe übertraf. Leider habe ich mich in Bezug auf dieses Werk- stück damals wie später auf die Angaben anderer verlassen müssen. Ich lernte es in Photographie und einer Aufnahme des Architekten Otto Richter kennen und habe es nach diesen Vorlagen im ersten Bande der Jahreshefte S. 139 ff. veröffent- licht. Seine Zugehörigkeit schien mir aber, von verschiedenen Nebengründen ab- gesehen, nach einem entscheidenden technischen Merkmale, nämlich einer ab- weichenden Form der Dübelverbindung wegen, unmöglich. Im Gegensatze zu einer früher von Furtwängler und Bühlmann im Geiste der Renaissance versuchten
Neues ülicr Ailamlclissi
249
Fig. 132 Adamklissi, nacli der Reconstruclion G Niemanns mit Eintragung einer Correctur A. Furtwänglers skizziert von Professor Reiclihold, wiederholt aus Furtwänglers Studie Taf. I.
Reconstruclion/) in welcher die Eckpfeiler verschieden hoch nebeneinander ver- wendet erscheinen, erwog ich indessen, dali, die Zugehörig-keit des Pfeilers trotz allem einmal angenommen, der Autbau zweistöckig gewesen sein müsse und er- läuterte dieses in einer Versuchskizze, die ich hier wiederhole. (Fig. 131).
'•') Sitzungsber. der philos.-philol. und der bist. Classe der k. l>ayr. Akad d. Wiss. 1897 H'^'' I' ijo ff.
32'
250 G. Niemann
Furtwängler hat nun den von mir hypothetisch ausgesprochenen Gedanken auf- genommen, in Adamklissi und Bukarest vor den Originalen weiter verfolgt und durch einen veränderten Gegenentwurf, den ich hier beisetze (Fig. 132), glaubhaft gemacht. Ermöglicht wurde ihm dies durch die überraschende Wahr- nehmung, daß die technische Aufnahme des Pfeilers durch Otto Richter gerade in dem entscheidenden Punkte fehlerhaft war, da die an dem Pfeiler von mir vermißte Form des Dübelloches dennoch vorhanden ist. An der Zugehörigkeit des Pfeilers ist nicht mehr zu zweifeln, augenscheinlich hat Furtwängler in der Hauptsache das Richtige getroffen, wenn auch Einzelheiten, wie die Anordnung des Gesimses über dem Waffenfriese, noch zweifelhaft erscheinen.
Daß auch Furtwängler keinerlei Anzeichen von Ausbesserungen oder Ver- änderungen an dem Werke entdeckte, vielmehr meine Wahrnehmung in Betreff der Einheitlichkeit der Ausführung bestätigt, ist aufgetauchten Zweifeln gegen- über erwünscht.
Erwähnen will ich noch, daß Furtwängler nur eine Figurengruppe am Fuße des Tropaeums annimmt. Da nur drei Figuren, die sich zu einer Gruppe zusammen- schließen, gefunden wurden, ist es ja sehr wohl möglich, daß nur eine Gruppe, und zwar auf der durch die Inschrift gekennzeichneten Hauptseite des Rundbaues angebracht war, obwohl meinem Gefühle nach der Annahme einer so starken Be- tonung der Hauptseite die volle Doppelseitigkeit des Tropaeums widerspricht.
Furtwängler bringt auch eine auf den Rankenfries sich beziehende Be- merkung. Dieser Fries, welcher, was künstlerische Empfindung betrifft, das best- ausgeführte Decorationsmotiv des Bauwerkes ist, verläuft in der Tat nicht, wie ich schrieb, nach einer Seite, sondern (wie schon Benndorf S. 142 bemerkte und als decorativ wichtig hervorhob) von einem Punkte aus symmetrisch nach beiden Seiten, wie mein Skizzenbuch mir bestätigt. Der von Furtwängler abgebildete Friesblock mit dem Becher und zwei Vögeln (Tafel III, Fig. 4), welcher sich früher verkehrt eingemauert, wenn ich nicht irre im Dorfe Kerim Koisu befand, zeigt allerdings nicht, wie ich zu beobachten glaubte, die Ranken an einer Seite aus dem Gefäße heraus-, an der anderen hineinwachsend, aber auch nicht, wie Furtwängler deutet, nach beiden Seiten herauswachsend: die von ihm mitgeteilte Photographie zeigt die Ranken vielmehr von beiden Seiten hineinwachsend. Der Stein war demnach wohl an der hinteren Seite des Bauwerkes angebracht und setzt für die Vorderseite desselben ein jetzt verlorenes Gegenstück voraus, welches den Ausgangspunkt des Ornaments bildete.
Um vollständig zu sein, muß ich der Mitteilung gedenken, daß in der Nähe
Neues ülier Ailamklissi 25'
lies Denkmals Reste eines l'l.ittciiprtastors coiistatiiTt wurden, die vermutlich nach dem Aufräumen des Trümmerplatzes und dem Transport der Werkstücke nach Bukarest sichtbar geworden sind.
Furtwängler hat in seinem Aufsatze auch den Stil der Ornamente berührt und findet ÜbereinstimmunjT mit Werken der augusteischen Zeit, z. li. mit den Ornamenten der Ära Pacis; ich kann dem nicht beistimmen und finde, von dem in classischer Architektur seit Alters vorkommenden Grundmotiv des Rankenwerks abgesehen, nur (iegensätze. Parallelen zu der auffallenden Behandlung des archi- tfktiiiiischen Details, welches von der aus unzähligen Bauwerken bekannten römi- schen Bauweise so stark abweicht, scheinen Furtwänglers Studien über die römische Provinzialkunst nicht ergeben zu haben.
Wien. 30. September 1903. GEORGE NIEMAXX
II.
Das persönliche Verdienst Furtwänglers, welches die obige Erklärung dar- legt, ist nicht gering einzuschätzen. Auf Grund einer dankenswerten Nach- prüfung der Baureste beseitigt es einen Anstoi3, der uns jahrelang resultatlos be- schäftigte, und fügt dem im übrigen gesicherten Gesamtbilde eines Denkmals von auüerordentlicher Bedeutung den vollendenden letzten Zug ein.
Der Eindruck dieses Verdienstes bliebe schlechthin erfreulich, wenn ihn nicht Furtwängler selbst durch nahezu alles, was er sonst über das Monument vorträgt, beeinträchtigte und wieder aufhöbe. Auch nach erreichter Autopsie, die ihn über mehr als eine beharrlich festgehaltene Behauptung aufklärte, hat ihm der Ein- blick nicht gelingen wollen, daß er an der Publication des Monuments einst den historischen Hauptgewinn verkannt habe. Mit gesteigerten Anstrengungen vertieft er sich vielmehr weiter in die alte, durch nichts Faßbares indicierte, allem Gegebe- nen und Überlieferten aber widerstreitende Vermutung, daß der Tropaeumbau von Adamklissi trotz der Aufschrift Trajans vortrajanisch sei und von einem Feldzuge des M. Licinius Crassus in den Jahren 29—28 v. Chr. herrühre. Hienach darf die obige Erklärung Niemanns nicht ohne ein wesentliches Complement bleiben. Ich sehe mich daher verpflichtet, nochmals, wenn auch ungern genug und wider frühere Absichten (Jahreshefte I 137), auf die von Anbeginn klare Capitalfrage zurückzu- kommen. Angesichts einer eben erscheinenden, vielseitig eingehenden Besprechung Eugen Petersens'') kann ich mich aber jetzt auf Hauptsächliches beschränken. Deutlichkeitshalber glaube ich vorab die Actenlage recapitulieren zu sollen.
*) E. Petersen, Römische Mitteilungen 1903 S. 68 ff.
252
O. Benndorf
Durch die fortgesetzten Bemühungen Gr. G. Tocilescos um die Altertümer Rumäniens wurde die Landeskunde der Dobrudscha um drei historische Denk- male bereichert, die vereint an einer Stelle liegen:
1. In der Talmulde von Urluja bei Adamklissi die aufgedeckten Be- festigungen und Gebäude einer nach inschriftlichen Zeugnissen militärisch belegten Römerstadt, deren Bewohner sich auf einer Basis des Jahres 115/6 n. Chr. „Traianenses Tropaeenses" nennen.^)
2. Auf der Anhöhe über der Stadt ein im Grundriß quadrates Ehren- mal für Praetorianer, Legionare und Auxiliare, die in einer Schlacht „pro re publica" gefallen waren; es enthielt ein nach den vorhandenen Bruchteilen langes,
.■.■itw,;i'.tiiiiiiiiwa.- -AmasMimnv'v. .-i'^'ia) "7^
'^'g- ^ii Kenolapli zu Adamklissi, Entwurfsskizze G. Niemanns nach Einzelaufnahmen
des Architekten Jacobi.
umlaufendes Verzeichnis ihrer Namen und über den Columnen der Hauptfront ein Kaiserpräscript, das Theodor Mommsen nach Tocilescos Vorgang mit Sicherheit auf Traian ergänzte; dem Befunde zufolge war es ein Kenotaph von rund zwölf Meter Seitenlänge und von etwa sechs Meter Höhe mit Inbegriff der Stufen;^) vgl. Fig. 133.
3. Nahebei auf der gleichen Anhöhe über der Stadt der fast vierzig- Meter hohe Tropaeumbau, jetzt Adamklissi genannt, von dessen zwölf Fuß hoher Aufschrift die Dedication an Mars ultor und die volle Titulatur Trajans vom Jahre 109 n. Chr. vorliegt, der Schluß aber bis auf insignificante Buchstaben fehlt (vgl. S. 257).
*) Tocilesco in den Verhandlungen deutscher ^) CIL III addit. postr. 142 14 (Mommsen). Toci-
Philologen und Schulmänner zu Köln, Leipzig 1896 lesco in den angeführten Verhandlungen deutscher
S. ig4fr.; Fouilles et recherches archeologiques Philologen ig6 ff. und Fouilles et recherches 63 ff. (Bucarest 1900) 25 ff., 89 ff. CIL III 12470.
Neues über Ail.imklissi 253
Unsen- Publication g';ilt Ii;(li>>iich dem 1 ropaoumbaue. Als sie entstand, war von der Stadt erst ein kleiner Teil ausg-egraben, bei ihrem Abschluß das militäri- sche Ehrenmal noch gänzlich unbekannt. Kenntnis von seinen Überresten erhielten wir erst durch darg'eliehene Einzelaufnahmen des Architekten Jacobi, nach denen Niemann auf Wunsch Tocilescos ein ungefähres Bild') der Hauptseite des Baues entwarf (Fig. 133). Dieser spätere Fund bestätigte aber den historischen Schluß, den die Publication des Tropaeums darg"elegt hatte. Es vervollständigte sich da- mit ein Complex zusammengehöriger und gegfenseitig sich erläuternder Monu- mente, die mit ihren Aufschlüssen und iiiuien Problemen erg"änzend in eine g-roße Lücke der für diese Zeit bekanntlich stark zerrütteten schriftlichen Überlieferung' eintraten. I^s ergab sich aus allem, daß Trajan in der Dobrudscha:
1. einen bedeutenden Sieg über Barbaren erfocht, und zwar in Person, da er ja seine Kriege selbst führte und hier Prätorianer gefallen waren,
2. zur Sicherung des Landes eine Stadt gründete, befestigte und militärisch besetzte,
3. einer von ihm auch anderweit betätigten Gesinnung entsprechend das beson- dere Verdienst der Gefallenen mit einer außerordentlichen Stiftung ehrte und
4. durch den wohl größten Kunstbau, den uns die Antike diesseits der Alpen hinterließ, das historische Ereignis selbst verewigte.
Furtwängler hatte alle diese Punkte bezweifelt oder in Abrede gestellt. Jetzt pflichtet er ihnen, wenn auch Einzelnes hin und wieder abschwächend, bei, mit Ausnahme des vierten Punktes, der freilich der folgenreichste und wichtigste ist. Zwar die künstlerische Bedeutung des Tropaeumbaues, der auch ihm als Leistung eines genialen Architekten erscheint, erkennt er vollkommen an. Auch hat er sich überzeugt, daß die monumentale Inschrift Trajans zugehörig ist, aus derselben Zeit wie die übrigen Monumente stammt und durch den nämlichen Sieg veran- laßt war. Desgleichen bestätigt er, daß nach dem Zustande aller Werkstücke von keinerlei Restauration des rasch wie aus einem Guß entstandenen Bauwerkes die Rede sein kann, ja er erhärtet durch zutreffende eigene Beobachtungen, daß auch die große Platte, welche die Inschrift Trajans trug, nicht etwa nachträglich ein- gesetzt war, sondern im ursprünglichen Verbände lag. Allein die schlußlose In- schrift sage formell nichts über die zeitliche Entstehung des Monumentes aus und müsse als Text eine .spätere Zutat sein. Der Bau sei fast anderthalb Jahrhunderte älter, habe aus zufälliger Ursache von selten des Gründers keine Dedications- urkunde erhalten und sei seltsamer Weise in diesem ganzen Zeiträume — selbst
") Mitgeteilt von Tocilesco, Fouillcs et recberclies 6t) Fij;. 43 und von ihm aiifjjcfaüt .ils Rogus.
254 O. Renndorf
dann, als er, mindestens seit Domitian, höchst wahrscheinlich schon seit Claudius, auf römischem Provinzialboden stand-) — ohne eine solche unerläßliche") Urkunde verblieben. Trajan habe den Bau inschriftlos vorgefunden, durch seine Inschrift vervollständigt und damit in gewissem Sinne allerdings usurpiert. Diesen neuesten Auslegungsversuch — es ist der dritte, der das Tropaeum dem Trajan abspricht, die beiden früheren sind aufgegeben — sollen nun folgende Hauptgründe zu voller Evidenz bringen.
Zunächst ein auffälliger Materialunterschied, dem ,, entscheidende Bedeutung" zukomme. Für den Kunstbau des Tropaeums ist harter, marmorartig reiner Kalk- stein verwendet, der durchwegs scharfe Bearbeitungen erlaubte und noch heute aufzeigt. Nach Furtwängler stammen dagegen alle Mauern der Stadt und die Platten des Kriegerdenkmals von einem anderen, minderwertigen Bruche, da sie sämtlich, wie er ausführlich schildert, aus einem gröberen, stark mit Muscheln durchsetzten Conglomerate bestehen, dessen geringere Härte weder den Gewinn ähnlich großer Werkstücke noch eine Sculptur von gleicher Präcision zuließ. Ein so blinder Wechsel des Materials sei aber für gleichzeitige Bauten undenkbar. Der Unterschied werde erst begreiflich, wenn das Tropaeum einer weit zurück- liegenden Epoche angehörte und die Bezugsquelle seines Steines in trajanischer Zeit nicht mehr bekannt oder bereits erschöpft war. Aber worin sollte wohl in Adamklissi, so fragt man sich sofort, ein Zwang zur Wahl desselben Gesteins bestehen, da die Qualität der Construction doch sonst nach den jeweiligen Mitteln, Bedürfnissen und Absichten der Unternehmer zu variieren pflegt? Und wie konnte wohl der selbstverständlich mächtige Steinbruch des Tropaeums spurlos vom Erd- boden verschwinden, oder wenn er zu Ende war, warum schürfte man nicht frisch an anderer Stelle weiter, da ja die .Structur der Dobrudscha sich allenthalben gleicht? Doch die ganze Aporie löst sich in merkwürdig einfacher Weise.
Es entging nämlich Furtwängler, daß die Steinbrüche der Römerbauten noch heute vorhanden sind. Im Lande selbst erhielt er zufälliger Weise keine Kunde davon. Er übersah aber auch oder vergaß, daß sie in unserer Publication S. 40 ff.
') A. von Premerstein, Die Anfänge der Pro- Inschriften, welche die VeranKissung und den Er-
vinz Moesien, Jahreshefte I ßeibl. 145 fF. Vgl. E. richter genau angeben. Auf diese Inschrift und die
Korneraann, Beiträge zur alten Geschichte I (1900) Details ihrer Fassung wurde ein großes Gewicht ge-
S. 133. legt. Die Fassung der Inschrift pflegt bei Erwäh-
^) Furtwängler S. 484 sagt mit vollem Rechte nung dieser Tropäen ausdrücklich hervorgehoben zu selbst: „Die monumentalen römischen Tropäen, welche werden." Er recapituliert dann die von mir ge- ilem von Adamklissi analog sind, hatten alle große sammelten Beispiele.
Neues über Adamklissi 255
nachgewiesen und von technischer Seite umständlich beschrieben sind. Vierthalb Kilometer östlicli vnn Adamklissi liegen sie am Südhange des Tales von Enidsche, wo ich sie mit Tocilesco aufgesucht untl besichtigt habe. Wie ich von ihm und anderen Ortskundigen erfrug, sind andere Brüche als diese in der ganzen, überdies nach allen Richtungen von uns selbst durchstreiften Umgegend überhaupt unbe- kannt, was ja begreiflich ist, da die culturlose, seit Alters in Lehmhütten und Erd- gruben hausende Bevölkerung mit Steinbau unvertraut ist. In geringen Abständen nebeneinander sieht man drei tote Gruben von je hundert Meter Breite, in ihrer Tiefe jetzt in verschiedenem Grade verschüttet und von Gestrüpp umwachsen. Voller offen ist die größte, abwärts wie einwärts auf fünfzig Meter Tiefe ge- schätzte Grube, welche die geologische Formation mit besonderer Deutlichkeit erkennen läßt. Hier unterscheidet die Beschreibung von oben nach unten .scharf folgende Schichten :
1. Lehm 5 Meter tief;
2. Kalkconglomerat, porös, hart und mit großen Muscheln durchsetzt, 5 bis IG Meter tief;
3. Löß, 5 Meter tief, und erst unter ihm in ausgiebiger Tiefe
4. das marmorartige reine Gestein des Tropaeumbaues, von dem die Beschreibung hervorhebt, daß es für bildhauerische wie bauliche Zwecke noch immer reichlich au.sgebeutet werden könnte.
Aus diesem naiv beobachteten Sachverhalt — die Beschreibung stammt aus dem Jahre 1893, als von dem Kriegerdenkmal noch nichts, von der Stadt erst ein Tor aufgedeckt war — erhellt nun wohl von selbst, was ohnehin als das Natür- liche vorauszusetzen wäre, daß man nach gewonnener Schlacht das Xächstnot- wendige, die Mauern der Stadt und das Ehrengrab für die Gefallenen, in AngriflF nahm, hiezu den unter Tag bequem sich darbietenden, rascher zu bearbeitenden Conglomeratstein verwandte und erst als der Luxusbau des Tropaeums begann, nach dem erreichbar besten Gestein in die Tiefe grub. Der bewußte, weitläufig entwickelte Materialunterschied beweist also das gerade Gegenteil dessen, was er beweisen .sollte. Das im Jahre 109 n. Ch. vollendete Tropaeum war nicht nur nicht älter, sondern sogar etwas jünger als die beiden anderen trajanischen Anlagen.
Hier könnte ich im Grunde abbrechen und meine Erwiederung schließen.
Doch das trajanisclie Kriegerdenkmal soll „geradezu unverständlich'' sein, wenn auch das Tropaeum trajanisch wäre. „Wie sollte der Erbauer des Tropaions „daneben noch das Bedürfnis gehabt haben, den Soldaten ein besonderes Mal zu „errichten! Wollte er die Namen der Einzelnen verewigen, bot ihm der gewaltige
Jahreshefte des Usterr. archäol. Institutes Bd. VI. ^7
256 O. Benndorf
,,Steinmantel des Tropaion nicht den passendsten Raum in Fülle? Wie sollte er „in schwacher Konkurrenz mit dem eigenen großen Denkmal daneben noch ein ,,kleines relativ unscheinbares erbauen!" Diese für rasche Leser vielleicht plausiblen Ausführungen sind indes nicht antik gedacht. Wenn zwei Monumente für ein Ereignis befremdeten, hätte sich wohl vorerst eine Frage nach etwa erklärenden Gründen empfohlen und die Antwort dann aus bekanntesten Überlieferungen leichterhand ergeben. Wo immer es gegenüber der stets und allgemein bestehenden Pflicht, Gefallene zu beerdigen, ausnahmsweise — gleichviel ob durch ein symbo- lisches oder factisches Grab — zu der Ehre einer gemeinsamen öffentlichen Be- stattung kam, haftete an dieser Stätte Totencult. Dabei konnte die Verewigung aller Namen hinzutreten als eine zusätzliche Ehre, die nicht immer gewollt und auch in späterer Zeit nicht immer möglich war: die Hauptsache blieb immer der Cult am Denkmal. So ließ Trajan nach dem im dacischen Kriege besonders schwer errungenen Siege bei Tapae für die Gefallenen ein Denkmal in Altarform her- stellen und ein jährliches Totenopfer einrichten.^") Was in Adamklissi erhalten ist Fig. 133), führt auf einen monumentalen Altar — er wird eine Tür für das Ein- gießen der Spenden gehabt haben, wie die von Studniczka oben S. 123 ff. lehrreich behandelten Cultanlagen mit Opfergruben — und die Opferbesorgung mußte der neubegründeten Stadt zufallen. Das Kriegerdenkmal sollte also die Manen der Er- schlagenen befriedigen, das Tropaeum als Weihgeschenk dem Gotte danken. Diese beiden Zwecke fallen scharf auseinander. Sie zu vereinigen wäre sogar eine religiöse Verschuldung gewesen. War doch das Tropaeum mit dem Boden, auf dem es stand, Eigentum des Gottes, also sacral, in loco sacro aber Totencult zu begründen nach dem Pontificalrecht verboten : der formale Unterschied des Rechts zwischen Italien wnd den Provinzen kommt dabei gar nicht in Betracht, da der Weihende Kaiser und Pontifex maximus ist.") Selbstverständlich konnte sich Trajan auf das Krieger- denkmal beschränken. Hatte er aber nach einem in oder vor der Schlacht ge- leisteten Gelübde ein sacrales Siegeszeichen zu errichten, so durfte er an und mit diesem Baue cultlich nicht zugleich die Schlachtopfer ehren.
Auch die Inschrift des Tropaeum, die hier in etwa 44facher Verkleinerung
'") Dio LXVIII 8, 2: 2unßa?.o)v äi aiiTOi; 6 Diese Stelle citierte A. von Domaszewsld zu CIL III
Tpaiavö; noXXou; (isv tojv olxsCmv xpauiiaxtaj ^TielSs, add. poslr. 142 14.
noXXp'J; ä£ tüv -^oXz\i.lmw ä^iexTöivsv ■ äxs xal änO-l- "/ A. v. Domaszewski, Religion des römischen
KÖVTtov x&v äraSia|io)v oüSe T^; §auToi5 ^aO^TOj Xi-fS- Heeres 112 ff.; Wissowa, Religion und Cullus der
xai <fg£aaa9-ai, äXV ii zä. Xa|jiTia5ta xaüxr;V y.aTaxs- Römer 343ff. (woich indes die Tilgung des ,non' bei
usiv, toi; 5o -sXsuxrjjaai xwv axpaxiwxAv ^v xf, \xdyjrj Gajus II 7» aus dem Zusammenhang dieser Stelle nicht
ßü)|i4v XE axf;aai xal y.ax' exs; dva-fijsiv xsXsuaac. zu verstehen bekenne). Th. Mommsen, Strafrecht 36 ff.
Neues ül>cr Adniuklissi
257
wiederholt wiril, bcrüliit l''uit\v;inj;ler wieder, iiidriii er zwar die frijiier yewagte Ergänzung- zurückzielii und das Aussichtslose einer Ergänzung zugibt, doch aber folgende Lesung der achten Zrile als , wahrscheinlich' empfiehlt:
OR ■MIDIVl
l'KÄlAMVwwaSBRM
TV
' V
Maili iillori
iinp{efator) Caesar Divi Nervae f{iliiis) Nerva Traiauiis An(gustus) Genii(anicHS 5 Dacicns poii({ifex) max{nnns) trib{iniicia) potest{ate) XIII imp{eraior) VI cos{ul) V p{alcr) p{alriae) tropaenm resljitn- [// . . . .]
In formeller Hinsicht freilich würde dieser Vorschlag eher unwahrscheinlich zu nennen sein, da die Zerschneidung eines Wortes am Zeilenende, noch dazu in so unschöner Weise, der auch hier in Z. i — 7 befolgten Regel wirklich monumen- taler Inschriften zuwiderläuft. Sachlich w'äre er plan und ohne Anstand, wenn es sich um eine Ausbesserung oder Wiederherstellung des Baues handeln könnte, was indes nach Furtwänglers eigenem Zeugnis ausgeschlossen ist. Er wird deshalb ilahin erläutert, dali Trajan das Tropaeum mit dem Lande, in dem es stand, aus
Feindeshand wiedergewonnen und ,.als eine Art vain monumentalem Feldzeichen
dem Mars als Ultor" zurückgegeben habe. Allein mit tragbaren Feldzeichen hat das unverrückbare bauliche Siegesmal nichts zu tun und nach römischer Anschauung (Jahreshefte I 126 ff.) kehrte es mit der Rückeroberung der Provinz von selbst in das Eigentum des Gottes zurück, ohne eine zweite, restituierende Dedication zu fordern. Einen Anlaß zur Dedication hat sich Furtwängler allerdings durch die \'oraussetzung geschaffen, da(3 Crassus den Bau ganz ohne Weiheinschrift gela.ssen habe. Aber der Satz: ..Marti ultori . . Traianus . . tropaeum restituif sagt dann in jedem Falle aus, daß das Tropaeum ursprünglich dem Mars ultor geweiht war und eben dies ist im Jahre 28 v. Chr. unmöglich. Denn in diesem Jahre be- stand noch kein Cult des Mars ultor. Nach stehender alter Sitte hatte es Crassus
33*
258 O. Benndorf
dem lupiter auf dem Capitol zu weihen, wie er denn in der Tat diesem Gotte, nicht dem Mars, die Spolien des erschlagenen Barbarenkönigs Deldon darzu- bringen gedachte.'-)
Erst im Jahre 2 v. Chr. wie allbekannt, gingen die militärischen Ehrenrechte des lupiter Capitolinus über an den von Augustus gestifteten und durch die über- lieferte lex dedicationis des Heiligtumes am Forum normierten Cultus des Mars ultor, der fortan der oberste Gott des römischen Heeres wurde und Anspruch auf die Insignien des Triumphes und die Siegeszeichen hatte.'') Die Worte , Marti ultori' beweisen also für sich allein, daß das Tropaeum nicht von Crassus war. Es müßte denn, wer diesem zwingenden Schlüsse sich entziehen möchte, nicht nur an die Inschriftlosigkeit eines kolossalen historischen Siegesdenkmales durch fast anderthalb Jahrhunderte im Ernste glauben, sondern im Scharfsinne noch weiter gehen und hinzubehaupten, daß es von seinem Urheber wie ohne Inschrift so auch ohne Weihung belassen worden sei, oder daß Trajan nicht mehr bekannt war, wem es der Urheber geweiht hatte und zu weihen verpflichtet war, viel- leicht sogar — gelehrt war er ja nicht — wie der Urheber hieß und was er getan hatte. Aber dann hätte Trajan erst recht nicht .restituit' schreiben dürfen, sondern ,dedicavit' schreiben müssen. Auch hätte mein wissenschaftlicher Gegner sich der- artigen Erweiterungen seiner Voraussetzung schärfstens zu widersetzen, da ja auch ihn ein so behendes Übereinander bodenloser Aufstellungen an Münchhausen er- innern müßte, der auf der Leiter in den Mond klettert, indem er sie in der Luft immer wieder umdreht. Welch anderer gangbarer Ausweg aber offen stünde, ist mir jedesfalls unerfindlich, daher ich auch nicht zweifeln darf, daß jener durch die Überlieferung gebotene Schluß bei neuer Erwägung zur Anerkennung kommen werde.
Weiterhin benutzt F. wiederum die Unterschiede, die in den Kampf- und Waffendarstellungen zwischen dem Tropaeum und der Trajanssäule obwalten Diese Unterschiede liegen klar, seit sie neben unleugbaren Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten in dem Werke über Adamklissi — und zwar hier zuerst, wie für Fernerstehende zu bemerken gestattet sei — mit aller Ausführlichkeit von mir aufgewiesen sind. Nur schienen sie mir da nach allen Regeln historischer Methode Erklärungen im Rahmen der gegebenen Tatsachen, nicht jenseits desselben, zu
1^) Dio LI 24, 4. fand, dem ersten August, einem Tage, der ohnehin
") Adamklissi 106, wo die Literatur zusammen- in der Kaisergeschichte eine große Rolle spielt.
gestellt und ausgezogen, auch, wie ich hoffe, glaub- Ülier den Cult handeln neuerdings A. von Doma-
würdig vermutet ist, daß die mit der Weihung des szewski, Die Religion des römischen Heeres 33 fF.
Tropaeums im Jahre 109 n. Chr. verbundene Feier und Wissowa, Religion und Cultus der Römer l33flF.
an dem Weihe- und Festtage des Mars ultor statt-
Neues über Adamklissi 259
fordern, zumal 1\ un(li^•l■ w i^^(•ll, wie lückenhaft iKich unsere Kenntnis der römischen Armatur in den verschiedenen Zeiten und 1 ruppenkörpern ist, namentlich auch hinsichtlich der Frage, wie weit sich ein Zwang- zu strenger Uniformität erstreckte. Dali die fraglichen Unterschiede nun teilweise mit dem verschiedenen Vermögen und dem verschiedenen Absehen der Darsteller zusammenhängen, ist völlig fraglos. In Adamklissi sind es militärische Dilettanten, welche naiv beobachten aber vieles nicht auszudrücken verstehen, weil sie über ein festes handwerkliches Geschick nicht verfügen. Für dit» Trajanssäule schaffen Meisterhände ein geschlo.ssenes Kunstwerk, das keine pedantische Abschrift, sondern ein ideales Bild der Wirk- lichkeit bieten will und daher aus Rücksichten des Stils oder der Technik manches beabsichtigte Attribut, wie die Pila in den Händen der Kämpfenden, nach alt- bekannter Manier plastisch wegläßt. Befremden durfte allerdings, daß ein so be- deutendes Rüstungsstück w-ie der .sogenannte Schienenpanzer '^) und die malerischen Tierfelle der Fahnenträger und Bläser im Säulenrelief durchgehend, am Tropaeum nirgends auftreten. Hier gab aber Petersen einen einleuchtenden Aufschluß.'^) Wie die Erfahrungen großer Kriege immer umgestaltend auf die Ausstattung der Wehrmacht einwirken, mochte einem so fürsorglichen militärischen Fachmann wie Trajan nach den blutigen Lehren der dacischen Expeditionen mehr als eine Reform in der Bewaffnung und Equipierung geboten scheinen; zwischen dem Ende der dacischen Kriege aber und der Vollendung ihres stadtrömischen Wahr- zeichens liegen sieben Jahre. Kamen im Laufe dieser Zeit wirklich militärische Reformen zu Stande, so hatten sie in der Darstellung des römischen Heeres an der Säule Aufnahme zu finden, während sie an dem älteren Tropaeum der ent- legenen Provinz noch fehlten. Positiv beweisbar ist zwar jene Annahme vorderhand noch nicht, sie ist erschlossen aus den in Rede stehenden Differenzen. Aber der Schluß ist nicht nur correct, sondern in sich glaubwürdig: daß er zulässig sei, unbedingt einzuräumen. Selbst die bloße Möglichkeit aber, daß sich die Sache so
'^) Bezüglich dieses Rüstungsstiickes läßt mich Gedanken allerdings sehr geirrt, wie die seitherigen
Furtwängler 478 und 498, I Dinge behaupten, die Ausgrabungen von Carnuntum erwiesen. Aber ich
ich nicht gesagt habe. Der Schienenpanxer war aus habe diese Möglichkeit, von der ich selbst einräumte,
keiner Autorstelle belegt, von keinem der zahlreichen daß sie einen ,schr eclatanten Fall' von künstlerischer
militärischen Gr.absteine bekannt, Reste eines solchen Freiheit bezeichnen würde, nie als Factum be-
waren nirgends gefunden; wogegen er in den Reliefs handelt, noch weniger als eine ,Kunstlüge', wie mir
der beiden st.idtrömischen Säulen dargestellt ist. Dieser imputiert wird. Nach dem dam.aligen Stande des
Sachverhalt ist mir wie anderen sehr befremdlich ge- Wissens wäre es richtiger gewesen, mich auf die
wesen. Ich erwog daher (.\damklissi8l) als Möglich- S. 75 gebrauchte Formulierung zu beschränken, daß
keil, ob er in seiner compliciertcn Form hier als ein hinsichtlich dieses Rüslungsstückes ein Rätsel vor-
Kunstmittel behandelt sein könne, um die Legionäre liege, dessen Lösung noch ausstehe, schärfer zu unterscheiden, und habe mit diesem '*) E. Petersen, Rom. Mitt. XI 313 ff.
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verhielt, beseitigt jeden Anlaß an dem trajanischen Ursprung- des Tropaeums zu zweifeln.
Schließlich soll in Adamklissi ein provinzialer Sculpturstil erkennbar sein, dessen nächste Analogien auf die Augusteische Zeit zurückwiesen. Die Heimat des Stiles liege in dem oberen cisappenninischen Italien; seine Träger und Ver- breiter seien die Legionen gewesen, die ihn in die Rhein- und Donaugebiete getragen hätten; eine naiv ungelenke, trockene, nüchterne Eigenart charakterisiere ihn zugleich mit einer Vorliebe für härtere Steinarten; in dieser Eig-enart erhalte er sich bis in die Flavische Epoche, wo dann infolge des Ausschlusses der Italiker vom Legionsdienst eine stark hellenisierte weichere, flauere Darstellungsweise in bevorzugter Verwendung weiclierer Steinarten aufkomme. Diese in angelegent- licher Umschau gewonnenen und durch eine reiche Auswalil von Belegen erläu- terten Auffassungen lauten also sehr bestimmt und werden als , Entdeckung' und , feste Tatsache' vorgetragen.
Schon in der quaestio facti aber bedauere ich nicht zustimmen zu können, obwohl mir ein großer Teil der angezogenen Denkmäler auch von meinen Studien für Aquileia wohl bekannt ist und aus eigens bereisten Fundgebieten leicht ver- mehrt werden könnte. Der Unterschied harter und weicher Steinarten charakteri- siert doch zunächst Landschaften und Landstriche, nicht Perioden. Die Sculpturen des Augustusbogens von Susa, den ich für Adamklissi an Ort und Stelle studierte, sind in der Gesamtanlage flau, ohne Schärfe in den Silhouetten, nur in den spär- lichen Innenzeichnungen hin und wieder bestimmter. Daß ein guter Teil der mehr oder minder stümperhaften Erzeugnisse, um die es sich handelt, namentlich wo sie an öffentlichen, mit dem Heerwesen zusammenhängenden Denkmälern zur Verminderung der Regiekosten geduldet wurden, von militärischen Steinmetzen herrühren, als dienstliche oder außerdienstliche Soldatenarbeiten sich darstellen, meine ich selbst, wohl sogar zuerst, ausgesprochen und nacli Möglichkeit begründet zu haben (Adamklissi 145 ff.). Aber in sehr vielen Fällen fehlt es an solchen Indicien der Entstehung vollkommen und reichen solche Erklärungen nicht aus. Soweit in der ganzen bunten Menge überhaupt Gemeinsamkeiten heraustreten, resultieren sie vielmehr aus einem tiefer liegenden, inneren Grunde, den ich nicht beachtet oder nicht gewürdigt finde. Erst die psychologische Gesetzmäßigkeit, mit der die den Erzeugnissen zu Grunde liegenden primitiven Erinnerungsbilder entstehen und sich allmählich entwickeln, erklärt das unleugbare Factum, daß naiv unvollkommene Reproductionsversuche, wenn nicht Material- oder Talent- unterschiede differenzieren, sich aus verschiedenen Zeitaltern im Grunde immer
Neues über Adamklissi 26 1
pfleichen. Wo sich daluT wrder inschriftliche Aufschlüsse noch im Gegenständlichen der Darstellung faßbare Merkmale oder sichere Reflexe aus der Höhe der zeit- genössischen Kunst darbieten, bleibt großer Spielraum, da das, was man hier Stil nennt, für sich allein innerhalb weiter Zeitgrenzen zeitlos erscheint. So würden denn aucli die Sculpturen des Tropaeums, namentlich die dilettantisch rohen der Metopon — die meist vorzüglich g"elungenen Ornamente rühren von anderen, spe- cifisch dafür geübten Händen her — nach ihrem bloßen Stil beurteilt, ebensowohl für bi'trärhtlich jünger wie älter gehalten werden können. Doch mit diesen An- deutungen, die zur Verdeutlichung ein genaues Eingehen von Fall zu I'all er- forilern würden, muß ich mich hier bescheiden. Nur ein specielles archäologisches Argument sei noch berührt, weil es besonders lehrreich und für jedermann klar demonstrierbar ist.
Tropaeen in Form von Sculpturdenkmälern sind bis ans Fnde des Alter- tums üblich geblieben, ein trauriges Beispiel aus Constantinischer Zeit bietet Adamklissi selbst."') Über erbaute Tropaeendenkmäler haben wir dagegen die zeitlich letzten Zeugnisse aus der Augusteischen Epoche, weiterhin fehlt es an Nachrichten. Hieraus leitet Furtwängler die Folgerung ab, daß nach Augustus Tropaeumbauten abkamen; besonders in Trajanischer Zeit habe man ..Kraft und Geld in den Provinzen für Nützlicheres und Nötigeres verwandt"'. Doch wird ihm selbst auf die Dauer unmöglich entgehen können, wie unstatthaft eine solche Folgerung ist, die einer möglichen Erweiterung des Wissens grundlos den Weg verlegt. Denn daß uns nur zufällig ein literarisches Zeugnis für das Tropaeum Trajans fehlt, liegt doch wohl auf der Hand, nachdem das historische Ereignis selbst, dem es entsprang und diente, ja der gesamte Krieg.szug Trajans in die Dobrudscha, in unseren kümmerlichen Überbleibseln einer einst reichen Geschichts- schreibung mit keiner Silbe erwähnt ist. Durch eine militärisch disponible Platz- truppe konnte das scheinbar sehr kostspielige Monument mit factisch geringem Aufwände zu Stande kommen. Als aufgepflanztes Wahrzeichen römischer Macht war es an einer schwachen Stelle der Reichsgrenze, die eben erst zurückerobert, einem Einbrüche der Barbaren auch weiterhin ausgesetzt blieb, ein nützliches Schreckmittel. Als nützlich empfahl sich die Errichtung, wie in anderen direct bezeugten Fällen, gewiß auch aus Gründen der Disciplin, um die in einer traurigen Einöde isolierten Truppen in Tätigkeit und durch das Gelingen eines stolzen Werks in Berufsfreude zu erhalten. Und daß es in seiner wuchtigen Größe und Kraft als das natürliche Produkt und der natürliche Ausdruck einer in den
'") Adamklissi 109 Fig. 126.
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O. Benndorf
Künsten des Krieges wie des Friedens so energisch sich betätigenden Zeit wie derjenigen Trajans erscheint, sollte darüber wirklich auch nur ein Wort zu verlieren sein?
Aber „die Analogien zu der Bauform des Tropaeums, insbesondere zu dem „mächtigen, kreisrunden unteren Teile, die Caecilia Metella, das Grabmal der „Plautier bei Tibur,^') gehören der augusteischen Epoche an, und sind aus späterer „Zeit uns keine bekannt." Mit Verwunderung ist hiergegen schon von verschiedenen
Seiten auf das Mausoleum Ha- drians (Fig. 134) verwiesen wor- den und diesen Verweis ent- kräftet nicht die Versicherung, daß die massive moles Hadriani ein „im Verhältnis zum Monu- ment von Adamklissi höchst eleganter, leichter (!), säulenum- gebener Bau" gewesen sei. Die Schmuckgliederung dieses stadt- römischen, im Durchmesser dop- pelt größeren Baues war natür- lich reicher; aber Säulen sind an ihm nirgends erwiesen, die
und 88, einen neuerdings aufgenommenen Grundriß (der die Wendeltreppen übergeht), Boissieu, In- scriptions de Lyon izy {f. Nach dem letzteren be- trägt der äußere Durchmesser 106 Palm, circa 30 Meter (Bädeker, Unteritalien '^ 17 schätzt Höhe wie Durchmesser auf 50 Meter). Vgl. CIL X 6087 und Nissen, Italische Landeskunde II 2 S. 660. In der Zeichnung San Gallos bildet das bei Bartoli fehlende Dach des Baues eine auf drei Rundstufen ruhende, geschuppte Kuppel, an der eine schmale Treppe hinaufführt zu einer bekrönenden runden Basis. Die Stufen der Kuppel setzen in größerem Abstände innerhalb der Zinnen ein, so daß zwischen ihnen und den Zinnen ein freier Umgang sich ergibt, zu dem wohl die Wendeltreppen emporführten. In feinen skizzen- haften Umrissen ist als Aufsatz der Basis ein Atlant mit Himmelskugel auf dem Rücken angedeutet nebst zwei auf der Basis sitzenden, und zwei an ihrem Fuß auf dem Dache stehenden, aufwärts bewegten Figuren. Vergl. den Rundbau von Falerii in Berlin n. 992.
Fig- 134 Mausoleum Hadrians nach Borgatti-Huelsen, Rom. Mitth. VI 137.
•') Zu vergleichen ist die ,Torre d'Orlando' auf dem Gipfel des einen der beiden Vorgebirge von Gaeta; das Grabmal des Gründers von Lyon (42 v. Chr.), Munatius Plancus, worauf mich Herr Dr.Hermann Egger hinwies unter Mitteilung einer Photographie, die er von einer Zeichnung im Barberinischen Skizzenbuch des Giuliano da Sangallo genommen hatte und zu veröffentlichen gedenkt. Es ist ein mit Travertin- quadern verkleideter, massiver Cylinder, der Caecilia Metella ähnlich, nur ohne quadraten Unterbau, mit einem bloßen, runden Sockel ohne Stufen. Unter der Inschrift, die am Cylinder steht, führt eine Tür in einen Innern Rundgang, aus dem man in vier gleich- weit von einander abstehende Grabkammern tritt und zu vier in die Höhe führenden Wendeltreppen gelangt, die zwischen den Grabkammern angebracht sind. Unter dem Gesims läuft außen ein Fries von Triglyphen und Metopen mit Stierschädeln hin, über dem Gesims eine Zinnenverzierung. Eine Vedute samt Grundriß gibt Bartoli, Antichi sepolcri tav. 87
Neues über Adamklissi 263
auf ^TÜiullichen Studien beruluMulu Reconstruction "*) von Borgatti-Huelsen (Fig. 134) nimmt nur Pilaster an dem Cylimler an, Säulen an dem oberen Aufsatze, für dessen l'"orm es an jedem sicheren Anhalte fehlt, lediglich als Vermutung. Sieht man aber von dem viereckigen Sockelgeschosse ab, so ist die charakteristische Haupt- gliederung des Aufbaues: ein niedriger Cylinder mit konischem Dache und be- krönendem Basisaufsatze für eine Sculptur, dem Schema nach und bis zu einem gewissen Grade sogar in den Verhältnissen, gleich wie in Adamklissi.
Doch wichtiger als die Analogien jener Sepulcralbauten zu verfolgen, ist es, ein augusteisches Monument der nämlichen Gattung zu vergleichen. Gemeint ist der Kolossalbau Tropaea Augusti,''') den der Senat nach Einverleibung des gesamten Alpengebietes von Triest bis Nizza dem Kaiser Augustus im Jahre 7/6 v. Chr. er- richten ließ. Nicht ..an die äußerste Grenze eines neu eroberten Gebietes vorge- schoben", wie F"urtwängler für Tropaeumbauten fordert, sondern an der längst gang- baren, bequemsten Verbindungsstraße von Gallien und Italien, auf einer Vorhöhe der Seealpen bei Monaco an der Riviera, erhob sich das Monument, von dem noch ein bedeutender Rest an Ort und Stelle steht. Der Wortlaut seiner Inschrift ist durch Plinius überliefert, die Größe der Inschrift läßt sich nach den erhaltenen Fragmenten auf mindestens zwölf Meter Länge und vier Meter Höhe schätzen. Von seiner Gestalt aber geben drei Beschreibungen übereinstimmende Nachricht: eine provenjalische Legende des dreizehnten Jahrhunderts und zwei zwar nicht ohne Lücken und handschriftliche Fehler überlieferte, aber technisch sehr ein- gehende und in Hauptsachen klare Schilderungen des sechzehnten Jahrhunderts,-") eine ältere italienisch von einem wahrscheinlich toskanischen Architekten, die andere lateinisch aus dem Jahre 1564 von dem Franziskaner Pater Pietro Antonio Bojero .istorico e matematico'. Aus den Werken des Pietro GioflFredi
") M. Borgatti, Castel Sani' Angelo in Roma, hatten die beiden Untergeschosse und einen Teil des Storia e descrizione, Roma 189; Ch. Huelsen, Rom. innern schon modern überbauten Rundturmes vor Mitth. VI (1891) 137 ff.; Otto Richter, Topographie sich, konnten aber das übrige aus noch vorhandenen der Stadt Rom - 277 ff. Für den oberen Aufsatz herabgefallenen Architekturteilen erschließen. Die erschloß Huelsen eine Rundform aus ästhetischen einzelnen Maße, die sie mitteilen, geben sie in Fuß Gründen, und ein jetzt in den Dioclctiansthermen be- an, ohne die Größe des Fußes zu bezeichnen. Das ündliches rundes Fricsstück mit Bukranien und l.aub- wichtigste Maß ist der Umfang des inneren Rund- gewinden glaubt er, abweichend von Borgatti, dem turmes, der auf 99 Fuß angegeben ist, mit 1 1 Anten Aufsatze zugehörig (Rom. Mitth. VIII 324). zu ungefähr ^^j^ Fuß Breite. Das Dach wird nur ") Th. Mommscn CIL V 7817 add. p. 1092. bezeichnet als ,volto sferico con sue coste'. Manche ^'') Die Legende spricht von einem Turm in drei Einzelheiten auch, die in den Beschreibungen dif- Stockwerken, der ringsum marmorne Säulen besaß ferieren, lassen sich nur in abgestuftem Grade von und oben ein Idol mit zwei sitzenden Dämonen Wahrscheinlichkeit begleichen. Es versteht sich hier- trug. Die Autoren des sechzehnten Jahrhunderts nach von selbst, daß keinerlei genauere Recon- Jahresbefte des österr. arcbäol. Institutes Bd. VI. 3 ,
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O. Benndorf
(1629 — 1692), der sie zuerst zusammenstellte und benutzte, sind diese vergessenen und von keinem unserer Handbücher gewürdigten Überlieferungen durch einen dankenswert vollständigen Wiederabdruck von Theodor Mommsen im CIL jetzt jedermann zugänglich. In vorläufiger Kürze habe ich (Adamklissi 140 ff.) aus ihnen die Hauptzüge festzustellen versucht, Genaueres vor einem halben Jahre in einer eigenen Studie ausge- führt, die an anderm Orte noch ihrer Veröffentlichung harrt, nach Abschluß der Studie aber mit Vergnügen be- merkt, daß ein schöner Stich in Giof- fredis seltenem Prachtwerke Theatrum statuum Sabaudiae ducis, Pedemontii principis (Amsterdam 1682)^^ die Re- construction eines anonymen Tech- nikers bietet, der für den Aufbau zu den nämlichen Resultaten kam. Er irrte nur darin, daß er den statuari- schen Aufsatz des Baues als Statue des Augustus zeichnete, während sich aus der naiven Beschreibung von F. A. Bojero mit Sicherheit erkennen ließ, daß es ein kolossales Tropaeum war. Die Übereinstimmung der Re- construction erklärt sich offenbar aus den nämlichen Vorlagen, war mir aber als Gewähr für die Richtigkeit ihrer Interpretation sehr willkommen.
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struction gewonnen werden kann, nur ein approxima- tives Gesamtbild zur Veranschaulichung der Abfolge und der Hauptformen des Aufliaues, hierin aber sicher und für den vorliegenden Zweck genügend.
^') Das Werk fehlt in Wien, München und der so reichen römischen Institutsbibliothek; den Text zu der Tafel II pl. 155 hatte Herr J. G. de Vries die Güte mir aus dem Exemplar der Leyde- ner Bibliothek copieren zu lassen. Es steht gleich-
Fig. 135 Tropaea Augusti, Skizze von George Niemann.
lautend in der zweiten Ausgabe des Werkes, die ich in der Privatbibliothek Sr. Durchlaucht des regierenden Fürsten Johann von und zu Liechten- stein in Wien fand: Novum theatrum Pedemontii et Sabaudiae, Hagae-Coraitum 1726 II pl. 63. — Verballhornt ist die Reconstruction jenes Stiches von Canina, Architettura romana p. III tav. CGI, noch dazu unter Verschweigen der Quelle, im Texte p. 489 ff. Im Kunsthandel Roms erwarb Dr L.
Neues über A<latnklissi
265
Auf Gruiul jener verölfeiitlichleii J'.riiiitlelungen urteilte nun I' urtwänyler, dalJ der Bau der Tropaea Aug-usti ,,dem vun Adamklissi überaus verwandt gewesen sein müsse", oder wie er neuerdings sich bedingter ausspricht, daü er verwandt, dnch reicher gewesen zu sein scheine". Daß das Gegenteil dieser Urteile richtii^er w äre, lehrt jetzt ein Blick auf die Reconstructionsskizze Niemanns
in Fig. 135. Gemeinsam mit dem Baue Trajans (Fig. 132) ist hier nur das allgemeinste Pro- gramm der Anlage, ein großes Tropaeum stand- fest in dominierender Höhe aufzurichten, alles Übrige grundverschieden. Als Basis des Sieges- zeichens diente in Adamklissi ein rings in die Breite weit ausgreifender , versteinerter Tumulus', bei den Tropaea Augusti ein hochcylindrischer gesäulter Etagenbau, der auf doppelten quadraten Untergeschossen ruht. l)t)rt liat man eine straff zusammengezogene, streng geschlossene und daher in ihren großen Dimensionen wuchtig wirkende Gesamtform, an der die sparsam ver- wandten Zierden wie nachgetragene Ciselierun- gen zurücktreten, hier den Geschmack eines vielgliedrig freien und feinen Aufbaues, der, die Richtigkeit der überlieferten Maße voraus- gesetzt, nur durch seine erstaunliche Höhe von mindestens fünfzig Metern imponierend wirkte: daß dieser Geschmack hellenistischen Vorbildern entlehnt war, wie ein in Ephesus von uns ergrabener Rundbau ^-) von weit kleineren Verhältnissen lehrt (Fig-. 136), stimmt als neuer Zug zu der Eigenart der augusteischen Epoche. Das Siegesmal der Riviera ist der einzige Tropaeum-
Fig. 13O Rundliau in Ephesos, Skizze von George Niemann.
Pollak zwei Ausschnitte eines mir unbekannt ge- l)liebenen älteren italienischen Kupferwerkes, worin jener .Stich mit Veränderungen in kleinerem Format wiederholt war.
[Wälirend der Drucklegung hatte Herr Professor Meyer-Lübke die Güte mir Folgendes mitzuteilen: „Die fragliche Legende ist eine recht genaue und „sozusagen nichts selbständiges bietende Übersetzung „eines lateinischen Textes, von dem bisher zwei Hand- „schriften bekanntgeworden sind: die eine in Dulilin,
„Trinity College, beschrieben von P. Mayer, Ro- „mania VIII 284 ff.; die andere in Oxford, Bodleinn „additional Mss. A 100, erwähnt von E. Stengel, „Zeitschrift f. rom. Philologie II 384 ff."]
") R. Heberdey, Jahreshefte I Beibl. Sp. 79 ff. Das Tropaeum ist nicht hinlänglich sicher, indicicrt aber durch „zwei Fragmente eines roh bearbeiteten runden Stammes oder Pfahles", die sich unter den Trümmern vorfanden. — Vgl. R. v. Schneider, Aus- stellung von Fundstücken .lus Ephesos Abb. 5 S. XIII.
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bau aug-usteischer Zeit, von dem wir überhaupt Näheres wissen. Wie klar er- sichtlich, steht er in vollkommenem Gegensatz zu dem Tropaeum Trajans in der Dobrudscha. Von Verwandtschaft, die sich in der Hauptsache, in der formellen Durchführungf des baulichen Zweckes ausspräche, kann hier nicht die Rede sein.
Nach Allem werden es aufmerksame Leser erklärt zu sehen wünschen, warum mein gelehrter Gegner so viel Kraft aufwende, um einen klaren Weg^- verschluß zu durchbrechen. Erklärlich macht dies meines Erachtens die Beschaffen- heit der Gründe, die ihn einst auf diesen Weg geführt haben (Intermezzi 51 ff.). Am Tropaeum sind drei verschiedene Barbarentypen darg-estellt. Einer davon ist durch ausnahmslos bärtig"e Gestalten vertreten, die das Haar quer über den Kopf gestrichen und an der Schläfe in einen Knoten zusammeng'ewunden tragen. Hierfür verwies Petersen auf Tacitus Germania c. 38, wo gesagt ist, daß sich die Sueben von den übrigen Germanen durch diese Haartracht unter- schieden, welche auch, sei es verwandtschaftshalber oder nachahmungsweise, bei anderen Stämmen vorkomme, indessen selten und nur in der Jugend. Furtwängler suchte nun nach einem in jenen Gegenden möglichen Germanen- stamme, stief3 auf die Bastarner und fand, daß ein Kampf mit ihnen in unserer dürftigen Überlieferung nur für Crassus 29/28 v. Chr. bezeugt ist. Dazu waren ihm die Waffen am Tropaeum vortrajanisch erschienen und in Niemanns Behandlung der Trajansinschrift fand er eine Anomalie vor. Er entschloß sich deshalb diese Inschrift dem Baue vollkommen abzusprechen und für unzugehörig zu erklären. Damit gewann er freie Bahn, das Tropaeum für augusteisch zu halten. In der Durchführung aber ward ihm diese Idee so sicher, daß er eine Ausdehnung des dacischen Krieges bis in die Dobrudscha als etwas Unmögliches verspottete.
Der Widerspruch nun, der sofort von mehr als einer Seite erfolgte, nötigte ihn, schrittweise einzulenken. Aber gerade Hypothesen, die in Eile und im Gegen- satze zu gegebenen Tatsachen entstehen, pflegen den Scharfsinn temperament- voller Forscher zu reizen, am Wesentlichen bis zuletzt festzuhalten. So steht denn heute die Sache so, daß das Tropaeum augusteisch sein soll, nicht weil ihm die Trajansinschrift fremd ist, sondern trotzdem sie ihm zugehört. Aber bei der Furt- wängler auszeichnenden Bereitwilligkeit aufzugeben, was er als falsch erkannte, wird seine endliche Zustimmung wohl noch zu erwarten sein, zumal nunmehr von ihm ein positives Verdienst in dieser Frage vorliegt, das als solches voll anzuer- kennen unsere sofortige, ich hoffe, genau erfüllte Pflicht war.
Wien. OTTO BENNDORF
BEIBLATT
Antike Denkmäler in Serbien und Macedonien.
Im Auftrage des Instituts unternahmen wir in den Monaten September und Oktober 1902 eine dritte Reise im Königreiche Serbien, mit welcher sich diesmal ein zweiwöchentlicher Aufenthalt im benachbarten türkischen Vilajet Kosovo verband. Aus- giebig gefördert durch Empfehlungen der kais. otto- manischen Regierung an den Vali von Üsküb, des österreichisch-ungarischen Ministeriums des Äußeren an die Consularbehörden und der Betriebsinspection der orientalischen Bahnen zu Saloniki an die ihr unterstehenden Bahnämter, vermochten wir auch diesen Teil unserer Reise noch knapp vor Ausbruch der vorjährigen macedonischen Unruhen ohne nennens- werte Schwierigkeiten durchzuführen.')
Der vorliegende Bericht reiht sich nach Inhalt und Anordnung unseren „Antiken Denkmälern in Serbien" (Jahreshefte III Beibl. 105— 178; IV Beibl. 73 — 162) an, deren epigraphische Ergebnisse nun- mehr in das Supplement des CIL III (p. 232899-"? n. 14503 — 14613) übergegangen sind. Außer den von uns selbst gesehenen Denkmälern wurden dies- mal auch einige verloren gegangene oder uns noch nicht erreichbare Inschriften nach fremden Copien aufgenommen. Von diesen stammt die Mehrzahl aus dem Skizzenbuche eines italienischen Bahntechnikers und Altertumsfreundes, Noe Morien (gestorben etwa 1890), der, zuletzt als Bahnmeister in Pristina be- dienstet, seinerzeit mehrere Inschriften dieses Gebietes Wilhelm Henzen mitgeteilt hatte (vgl. CIL III S 8185 ; 8193; 8196; 8237; 8238; 8271). Das um 1870 begon-
nene Skizzenbuch, welches sein gegenwärtiger Be- sitzer, Herr Bahnmeister Arnold Morten in Kacanik, in dankenswerter Weise uns zur Benützung überließ, enthält zahlreiche sorgfältige Abschriften aus Saloniki und den Gebieten von Stobi (vgl. unten zu n. 8. 9), Köprülü (zu n. 2. 5), Ulpiana (n. 33 — 35. 44) und Scupi (u. Sp. 36 zu CIL III S 8193).
A. Macedonia.
I. Bylazora (Köprülü, serb. Veles) und Umgebung.
W. M. Leake, Travels in Northern Greece III (1835) 469 ff.; J. G. v. Hahn, Reise von Belgrad nach Salonik 160 f. 250; M. G. Dimitsas (Av)(i.£xaa5), 'H May.s3ov£a 4v XtO-cit; ^0-s~j-^o\iiioiz (Athen 1896) 327; E. Oberhummer, Pauly-Wissowa II I105.
I. Bruchstück einer Platte aus gelblichem Marmor, gr. H. oöis", gr. Br. 0-275°'. Über der Inschrift 1. abgebrochenes Relief; erhalten 1. kleine weibliche Gestalt, r. größere in Chiton und Peplos (Kopf abge- brochen), beide stehend und in Vordersicht. Inschrift- feld nach oben von zwei Leisten abgeschlossen, unten abgebrochen, h. oog™, br. 0'22"; Buchstaben aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts, h. 0'04 — 0'03'". Stammt nach Mitteilung des Herrn Ingenieurs F. Je- nisch aus dem Gemäuer eines Brunnens im Orte Kara- bunistan (etwa 12 Kilometer oberhalb Köprülü am r. Ufer des Vardar); vor etwa 8 Jahren von Herrn Jenisch erworben und im Sectionsbureau der Station
') Durch gütige Unterstützung in Rat und Tat verpflichteten uns zum wärmsten Danke die Herren Hofrat Adolf Ritter von Plason, Generalsecretär der orientalischen Bahnen Ingenieur Josef Goldberg (Wien); k. u. k. Consul Gottlieb P.-lra. königl. serb. Generalconsul Miloslav P. Kurtovid, Sectionsingenieur Eduard Wiegand, Sectionschef der orientalischen Jahreshefte des östorr. archäol. Institutes Bil, VI Beiblatt.
Bahnen Ettore Fin.-izzer, Dr. Michael Su5k,-ilovic (Üsküb); Sectionsingenieur Franz Jenisch (Köprülü); Privatier Ignaz Weifert (Pancsova") und dessen Sohn, Großindustrieller Georg Weifert (Belgrad); Prof. I.uka Jevremovi<? (Poüarcvac); die Bergwerksbeamten Rudolf Pilz und Anton Macha (Kostolac).
A. V. Premerslein — N. Vulic
Köprülü, seit Herbst lc)02 in seinem Garten nächst der Station untergebracht.
(KTTOAAAT
. 'AuoXXä T(tT:og?) . . . txmv ^töv
2. F. Kenner, Sitzungsber. Akad. Wien, phil.- hist. Kl. LXXX (1875) S. 271 f. (nach Lippichs Copie); danach Dimitsas, a. a. O. 342 n. 308. Pfeiler- förmiger Block aus weißem Marmor, h. r54™, br.0'37™, d. 0"30™, oben (vorne, 1. und r.) und unten (vorne) profiliert. Das von einem profi- lierten Doppelrahmen umgebene
eingetiefte Inschriftfeld ist h. _
0-87", br. 0-245»; Buchstaben T€I|\|CijT aus dem Ende des 2. oder
dem Anfange des 3. Jahrhunderts, h. 003"; die Endbuchstaben von Z. I. 2 stehen auf der r. Rand- leiste. Nach N. Mortens Skizzenbuche (oben Sp. l) f. 37' gefunden 'fra le rovine dell' antico Veles'. Im Hofe des Klosters Sv. Dimitri bei Köprülü, unweit des Eing.-inges an der rückwärtigen Mauer eines Wirt- schaftsgebäudes, neben einem Schweinestall.
M(apxos) ÄüpijXto; Atovüaios v.ai [? noßX]sas£a Maxai5ov£a xai ÄüpvjX£a At- ovua£a r(a£o)) 'lou- X£to [?Ms]o[x]p£- vo) tm äväpl
•c]at[3-]vaTt {= TEd-VEÖj-t)
•/.cd 'IouX£a nM>.[a] nai 'louXia Ms- axp£a ^(Bat e;to£Y)aav
mim?.
Xäpiv.
3. Rechteckige Platte aus rötlichem Kalkstein, h. 0-95™ br. I-Sö"", d. o-oS"". Die Inschrift läuft am oberen Rande der Breitseite entlang, so daß die Platte darunter bis zu einer Höhe von 0'76 ™ frei bleibt. Tief eingehauene Buchstaben aus dem Ende des 2. oder dem Anfange des 3. Jahrhunderts, h. 0'065 — O'oe"". R. unter Z. 2 Eingußloch. Ge- funden 1900 im Gebiete der Babuna (eines Zuflusses des Vardar) auf dem Acker Kamenika; jetzt im Hofe des Klosters Sv. Dimitri bei Köprülü 1. vom Eingange.
AlfHAlAOU CinATP A AY F HAI Oü 4>P0N
Aüpv]X£a SiüamccTpa ÄüpT)X£(o $pov- xs£v(o X(Ii äväpi nvvj|irj; X'^'P'''-
4. Rohe Grabstele aus leicht verwitterndem Glimmerschiefer, oben abgerundet, h. über 2'05 ", br. 0'43'°, d. etwa O'io"'. Oben die primitive Umriß- zeichnung eines Kopfes; darunter die keiner be- stimmten Zeit zuzuweisende Inschrift (h. 0*295 ™) mit roh eingekratzten Buchstaben (h. 0*07 — O'Ojj""). Nach Angabe des Herrn Ingenieurs F. Jenisch bei dem seit einigen Jahren im Zuge befindlichen Straßenbau Köprülü — Prilep nächst dem Orte Izvor (6 Stunden von Köprülü) ausgegraben und vor viel- leicht zwei Jahren in den Hof des Konak zu Kö- prülü gebracht, wo wir sie sahen.
(5) |
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yuO |
A[a]üX |
y^j^A |
IS 'Ap |
A Wf K ^'^°- |
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H c A P ''°^- |
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TIAo |
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N<-OC |
In Z. 9 sah Morten a. a. O. noch FAIGNClJTI. — Das verlorene A von IIu)X[a] (Z. 10 am Ende) stand wohl ebenfalls auf der r. Randleiste.
5. Nach Abschrift Noe Mortens (Skizzenbuch f. 41'; ohne Ortsangabe) und einer im Winter 1902 durch Nachfahren der Schriftfurchen hergestellten Copie des Sohnes eines Bahnarbeiters (uns von Herrn Ingenieur F. Jenisch übermittelt). Grabstele mit dreieckigem Giebel; unter diesem drei Brustbilder; darunter die Inschrift (h. 0'30°', br. O'SO™); Buch- staben des 2. Jahrhunderts, h. 0'035 — 0'03"'. Im
AnliUe lK-nkm;ilcr in Setliii-n und MMCcdonien
Kirchengemäuer von Skadince, einem kleinen Orte im Tale der Gljepa reka (I2 Kilometer abwärts Kö- prölii; 1. von der Kisenl)abn, liei Kilom. 182), ein- gemauert.
Morton:
0Y4)PIWCI0YN A AK06/VN€ia)
ONTCONIYlUUa K NOYI TPI AYTOY PONTYAA \KAI €AYTHMNH1HC XAPIN
Kopie von l()02:
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Nach freundlicher Mitteilunf; des Herrn Jenisch bestand nächst Bahnkilometer 182 in der Gebend „Vcnela" jedesfalls eine l)edeutendere antike Ansied- lung. Zwar kamen dort bisher keine Inschriften (außer n. 5), wohl aber hie und da anläßlich der Stein- beschaffungsarbeiten für die Bahn Aschenkriige (bis O'Go"" h., doch meistens in Trümmern), einmal auch eine ziemlich reich vergoldete Fibula zum Vorschein.
II. Municipium Stobi (bei Gracko).
CIL III p. I ig: S p. 1322; 2082; W. M. Leake a. a. O. III 306 ff. ; 440 ff. ; L. Heuzey, Revue arch. 1873, 2 p. 33ff. ; Mission archiologiquc en Macedoine 331 ff.; J. G. V. Hahn a. a. O.; Dimitsas a. a. O. 327 f.; 331 f.; J. \V. Kubilschek, Iniperiimi Rom. 240 f.; 244.
Das ausgedehnte Trümmerfeld, in welchem TIeu/.ey das antike Stobi erkannte, liegt am Zusammenflusse der Cerna mit dem Vardar zwischen dem r. Vardar- und dem 1. Cerna-Ufer etwa 4 Kilometer südlich von der Station Venecijani Gracko, unweit des Kilo- metersteines 1C2 und beim Wächterhause Nr. 44 der Eisenbahn Saloniki — Csküb. Die etwa 600 "" im Gevierte messende Fläche zeigt Fundamente bedeu- tender Gebäude und eine an einer Stelle bloßge- legte, gewölbte Canalanlagc und ist mit Werkslücken,
Bausteinen und Ziegeln ganz übersät. Bei der Bahn- brücke über die Cerna, wo das Terrain gegen den Klufl abfällt, tritt in vorzüglicher F.rhaltung die Stadt- mauer mit einem vorspringenden Turme zu Tage. Über den Vardar führte eine Brücke, von deren Pfeilern ansehnliche Reste übrig sind. Von Inschriften fanden wir in den Ruinen nur die bereits von früheren Keisenden gesehenen zwei Stücke n. 8. 9 vor.
6. Rechteckige Platte aus grauem Kalkstein, h. 0'54°', br. I"8l"', d. O"!!", senkrecht in zwei .Stücke gebrochen. Gute Buchstaben aus der Mitte des 2. Jahrhunderts, h. 0"045 — 0'04°'. R. von Z. 3 der Inschrift durchgebohrtes cylindrisches Eingußloch. Nach Mitteilung des Herrn Ingenieurs Franz Jenisch aus .Stobi stammend; vor ungefähr 15 Jahren erst nach der Station Krivolak, d.ann an den Sectionssilz Köprülü gebracht, wo sie im Garten des Herrn Jenisch nächst dem Stationsgebäude untergebracht ist.
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Eüodt 7tapo[8]sixa.
Das zweite T in Z. 2 ist wohl erst in christlicher Zeit kreuzförmig zugerichtet worden.
7. Platte aus grauem abschiefernden Sandstein, unregelmäßig zugehauen, r. abgebrochen, h. o"92°', br. 068'", d. o"09"". Buchstaben aus dem Ende des 2. oder dem Anfange des 3. Jahrhunderts, roh ein- gekratzt, h. 0-055 — 0-05". Unter der Inschrift nach innen sich verengendes Eingußloch. Fund- und Standort wie liei n. (>.
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8. L. Heuzey, Revue p. 38; Mission n. 138; Hahn a. a. O. n. 34; danach Dimitsas 334 n. 295; N. Morton a. a. O. (oben Sp. i) f. 38'. Parallel-
I*
A. V. Premerstcin
N. Vulic
epipedischer Block aus rötlichem Kalkstein, h. über I-6o™, br. 075™, d. o"67™; unten profilierter Ablauf. Das von einer dreifachen profilierten Leiste umge- bene Inschriftfeld, h. 0-77 ■", br. 0-36 ", ist stark ver- wittert; Buchstaben des 2. Jahrhunderts, h. 0"055™. Liegt am Nordrande des Trümmerfeldes von Stobi an der Fundstelle.
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9. L. Heuzey, Revue p. 38; Mission n. 137; Hahn n. 33; danach Dimitsas a. a. O. 334 n. 294; N. Morteu a. a. O. f. 39. Parallelepipedischer Block aus rötlichgrauem Urkalk, h. I'72°', br. 0'8g ", d. über 040 ""j allseitig profiliert. Das Inschriftfeld (h. i'6o™, br. 0'675 ™) ist von einem (unten abge- brochenen) profilierten Rahmen umgeben; unter der Inschrift (h. 0-64 ™) bleibt der größere Teil des P~eldes unbeschrieben. Zierliche Buchstaben aus der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts, h. O"055 — 0'05™. Liegt in den Ruinen des antiken Stobi an der Fundstelle, unweit von n. 8.
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10. Zwei zu Quadern hergerichtete Bruchstücke einer Platte aus grauem Sandstein; a h. O'go™, br. 0'32™; b h. 1-34™, br. 0'3I". Dicke beider Stücke 0'075 ™. Z. I der Inschrift steht bei a 0"32 ™ bei b 0"37'° vom oberen Rande ab. Sorgfältige, zierliche Buchstaben aus der 2. Hälfte des 2, Jahrhunderts, h. 0'055 — o'045"'. Zur Zeit des Baues der Hahnlinie
Üsküb — Saloniki (etwa 1870) nächst der Cerna bei Slobi vorgefunden und in Stücke zersägt, welche als Deckquadem am Bahnobjecte Kilometerstein l6i'462 angelegt wurden; vom Herrn Ingenieur Franz Jenisch (Köprülü) wurden obige Fragmente im Jahre 1890 in das österr.-ungar. Consulat zu Üsküb gebracht, in dessen Wirtschaftshofe sie liegen.
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TE^[l6|isvog] äaxpöa). 5 Täs vo[6aöU 3-]oivävxo
Popat; [nepl süjpsa 'Ia[T]pov [Aaoi xxX.
Im folgenden ist Z. 10 am Ende noch [K]u[9-]epV5a zu erkennen. Die Zeilenschlüsse fallen durchaus mit den Caesuren oder Versenden der Distichen zu- sammen, was die Ergänzung erleichtert. Von a Z. j sind noch einige ganz unsichere Reste übrig. Z. 6 am Anfang ist die Lesung ßopal; hinlänglich ge- sichert; [S'JoivävTO ist dorisches Contractionsproduct statt iS-oiväiVTO (von 6-otväu)). Der Sinn ist: 'Vom Fräße der Krankheit wurden verzehrt am breiten Istros (die Menschen)'. Die als & voSaog schlechtbin bezeichnete Epidemie im Donaugebiete, der wohl auch die hier Bestattete zum Opfer fiel, könnte die seit 166 in diesen Provinzen wütende Pest (K. Buresch, Klaros. Untersuchungen zum Orakel wesen 6. 23 f. 67 flF. 73fF.; Jahreshefte IV Beibl. 93 {.) gewesen sein. Zum Ge- brauche von 9-oiva(o — wir kennen kein anderes
Anlikt' Dcnkniiilcr in Serbien und Macedonicn
lO
passendes Verbum auf -oivdio — in diesem Sinne vgl. das Fragment aus Kuripidcs Philoktet (bei Aristo- teles Poetik 22: ;fafi?atva <(5'> yj nou aapxaj 9-oi- växai Ttüädj. Das Bild von der gierig um sich fressenden Pest war der antiken Dichtung geläufig; Kallimachos Hymnos an Artemis 125: xxijvscc cfiv Xoi(iös xa-ap6oxsxat; Statins Theb. 603 f. (von der Personification der Seuche): morsuque cruento devesci et niultum patrio pini;uescere luclu.
II. Rechteckige Platte aus grauem K.alkstcin, h.o'Si", br. 174"', d.o-li"". Die Inschrift (h.o-l65™) steht am oberen Rande der Platte; gute Buchstaben aus der Mitte des 2. Jahrhunderts, h. O'oy — O'OSj"". R. von Z. 2 nach innen sich verengendes Einguß- locli. Kund- und Standort wie hei n. 6.
ÜJAIOCKOYAFTOQ fHAfKlCOD
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'UXioj KouäpTOj Napxlaaoj T(T) i5£(o (ivsfa; X'^P'''-
Ein M'. Olius Quartus und ein L. Olius (Juartus in einer lateinischen Grabschrift aus Stobi CIL III S 12309.
12. Rechteckige Platte aus grauem Sandstein, h. 170™, br. o-6o'", d. OTO". Die Inschrift (h. 0'35") beginnt am oberen Rande; gute Buchstaben aus dem Ende des I. oder dem Anfange des 2. Jahrhunderts, h. 0"07 — O'OjS"". Fund- und Standort wie bei n. 6.
pierender Reiter mit eiförmiger Mütze, kurzem Chiton und fliegender Chlamys; der nach rückwärts ge- haltene und etwas abgebogene r. Arm hielt wohl eine nahezu wagrecht ausgelegte Lanze; die L. ist hinter dem Pferdekopfe ausgestreckt; der r. Unter- schenkel ist an den Bauch des Pferdes angelegt, der 1. scheint leicht nach vorne gestreckt. Ihm entsprach r. von der Frau ein ähnlicher Reiter, nach 1. galop- pierend; erhalten sind der Vorderteil des Pferdes, der etwas vorgestreckte r. Fuß des Reiters und seine erhobene Rechte, die bis auf den abstehenden Daumen geb.allt ist und einen Lanzenstich schräg abwärts zu führen scheint. Die Lanzen beider Reiter, von welchen keine sichere Spur übrig ist, waren vielleicht durch Bemalung angedeutet, ebenso der unlere Teil des Skeptrons der Frau. Nach Heuzey in Rosaman an der Cerna südöstlich von Stobi; jetzt im Wirtschaftshofe des ^ österreichisch-ungarischen Consulats in
Üsküb. Über Bildwerke dieser Art, in welchen man Helena zwischen den Dioskuren zu erkennen glaubt, vgl. A. Furtwängler, Roschers Lexikon I 1177; Daremberg-Saglios Dict. des ant. u. d. W. Dioskuren (III 258).
MIV5FERA5T1 ?.\TILI/\//lLlBEI^
^hraecida Vi?
?/k]/<hs f(ilius) Erasti: ? Culiiilia M{arci) liber- ta] Thraccida pos]uit.
Sculptur aus Stobi.
Abgebildet bei B. Heuzey, Revue arch. 1873, 2 p. 40; Mission 337 (vgl. p. 240); danach Dimitsas a. a. O. 336. Platte aus weißem Marmor mit stark verwetztem Relief, r. abgebrochen, h. 0*625 ™, gr. Br. 077", d. o'l3'". In der einstigen Mitte steht eine Frauengest.alt in Vordersicht, mit Stephane, zier- lich gefälteltem Chiton und einem Peplos, der den r. Arm frei läßt, angetan; in der gesenkten R. hält sie einen runden Gegenstand (Opferschale?), im 1. Arme lehnt ein Skeptron. L. von ihr nach r. galop-
l'iK.
Koli.f niis Stolii.
III. Straßendenkmälcr.
CIL III p. 127; gqo; 1328; 2082; 2316".
13. CIL III S 12316. Meilensäule aus rötlichem Kalkstein, nach oben sich etwas verjüngend; gr. H. I'^j"; oberer Durchmesser o"30'", unterer etwa 0'33™. Oben umlaufende Profilierung; darunter die Inschrift (h. o'jS") mit roh eingekratzten, nachlässigen Buch-
1 1
A. V. Premerstein — N. Vnlic
12
Stäben des 4. Jahrhunderts, h. 0"o85 — 0'025™. Der Fuß zum Einrammen in den Boden roh zugerichtet. Nach Mitteilung des Herrn Ingenieurs Franz Jenisch von den Einwohnern des Ortes Nagajevce (20 Kilo- meter flußabwärts von Köprülü, nächst BahnkUo- meterI74, am linken Vardar-Ufer) im Bette desVardar aufgefunden und im Kirchhofe aufgestellt; von Jenisch erworben und im J. 1890 ins österr.-ungar. Consulat zu Üsküb überführt, in dessen Wirtschaftshofe der Stein liegt.
B. Moesia superior. IV. Pincum (Veliko Gradiste).
Jahreshefte FV Beiblatt Sp. 76—78 (mit älterer Literatur); A. v. Domaszewski, CIL IH S p. 2328*'. Ziegel mit Pinco und cast(ra) Pinc(ensia) unten n. 83. 84.
14. Von der Jahreshefte a. a. O. 77 erwähnten In- schrift auf einer Bronzeplatte, welche von dem gewesenen Schneider Stojan Karavezic am Donauufer gegenüber seinem Wohnhause gefunden wurde und trotz vielfacher Bemühungen nicht wieder zu Stande gebracht werden konnte, hatte Herr Moritz V. Drasköczy, Apotheker in Gradiste, seinerzeit die nach- stehende, wie er sagt, eil- fertige und mangelhafte Ab- schrift genommen, die er neuerdings zufällig unter seinen Papieren vorfand und uns mit Schreiben vom 25. September 1902 freund- lichst zur Verfügung stellte.
FHavio) Con-
Dd. nn. Ga[l{erio] V[al{erio)
Maximano (so)
et Aug{uslo) Severo Atigig.^
inb{iclo) 0[aesari) Gal(erio) Maximino el ' 5 Consalnin'o) (so) el. Dd. nn. impp. et Caess.
p(io) ßdici) \i}nvic{to) Maximiano d
Fla(vio) Severo Atigs. (so) el
el inv{icto) CXflesari) G{alerio) VaHerio) [M]aximino et ;
p io) ß^elici) inviido) Qaesart) Fla(vio) Va(Urio) Constanlino niibh. Caess. (= nobilissimis Caesaribus).
Es liegen hier anscheinend zwei Inschriften mit den nämlichen Kaisemamen aus dem Jahre 306/7 'vgl. Mommsens Note zu CIL III S 12316) vor. Die ältere (Z. I — 5), die fast durchaus, wenn auch un- vollkommen ausgemeißelt ist, wurde wahrscheinlich ihrer Fehler und Auslassungen wegen cassiert und dafür die zweite, etwas sorgfältigere iZ. 5 — 9) ein- getragen. Auch hier ist die Schrift sehr roh, die Zeilen sehr unregelmäßig. In Z. 9 stehen die SS des Zeilenschlusses unter dem P des Anfanges. In Z. 8 zeigt der Name des Maximinns Spuren von Erasion.
VI CA
f
/V VSANH/ m i/rn
D VNI NCrCTCi C7f£ i(£/VTFi S CLAV CR PC ^MALl'S AN/V A/y J/Sfi7??lH/C7irS CnCit£/VT/i TiALAy^,
T^Tl VAß/AS
t C öc Ate i// yVj/iS
Man erkennt etwa folgendes:
vi[o\n
.... nus amt{orum) . . VII. \1e]r[ecundus oder
V[e'ir[ecundianus ? . . . dum, nepoles Cresceiil[i]s ; , . . . . . s, lF]la{vius) Ver{e']cu[ttdi]ä[n]us ann(orum)
XVI. . . . 5 co]nsob[r]ini ^Cres"} Crescentis; Bal(erius) Aiir . . . . . nisi [Ve]recH{ndi\ ann. . Fey^rtiarias. . . [r']ecolg]novimiis<isy .
'3
Antiku Denliin.ilcr in Serbien und Maccdonicn
Angesichts der hiiuligen F'älschungen auf Bronze führen wir dieses Stück, dessen Zusammenhan;; und Bedeutung wohl kaum mehr mit Sicherheit zu er- kennen sein wird, mit aller gebotenen Reserve an.
V. Municipium Aelium (später colonia) Viminacium (Kostolac).
Jahreshefte III Beibl. 106-124; IV Beibl. 78 bis 127; J. Brunsmid und L. Jevrcmovic, Vjesnik hrvatskoga arheol. drustva NS V (1901) I ff.; A. V. Domaszewski, Jahreshefte V 147 — 149; CIL III S p. 2328"» ff.
Die Inschriften CIL III S 12661 (= Jahreshefte III Beibl. 121 n. 14) und CIL III S 14520 (= Jahreshefte IV Beibl. 121 n. 20) befinden sich jetzt im Gymnasium zu Pozarevac, ersterc in dem Räume der Sammlung, letztere im Hofe.
15. Unterer Teil einer Ära oder Basis aus weißem Kalkstein, 1. fragmentiert, gr. H. 0*72 "", gr. Br. 072'°, d. 0'55 — O'öo"; unten profilierter Ablauf erhalten. Schriftfläche stark verwittert; gr. H. 0'3I'°, gr. Br. o"57"'; Buchstaben des beginnenden 3. Jahr- hunderts, in Z. 1 — 5 h. 002'°, in Z. 6. 7 h. OO45 bis o'OS"". Aus Drmno bei Kostolac; jetzt im Hofe des Gymnasiums in Pozarevac.
Vi BASSI VS MARPT^ NVS CAI
ERDOTESEiV^Sl DE!
Casloris
... . es . . as hu. Hiv.
.... aniis Baust
ins M. Ani
5 S[abi\itus Gai
s]acerdoles ciusd[cm'] äci. Die in Z. I — 5 genannten Sclaven, die einem Gott etwas dedicieren und sich als [s]acerdotes des- selben bezeichnen, sind wohl der sacrale Ausschuß eines ganz oder zum Teil aus Unfreien bestehenden CoUegiums von cultores. Z. 2 am Knde scheint in dem sicher gelesenen BVHIV das abgekürzte Gentile und Cognomen des dominus z. B. Bu(lli) Hiv(erni) zu stecken.
16. Basis aus weißem Marmor, h. über I'OO", br. 0'77"', I. 0'62"'; oberes Gesimse r. fragmentiert; profilierter Ablauf. Schaft mit der Inschrift h. o'fto". Gefunden I901 auf den Feldern jenseits der Mlava bei Kostolac; sollte für das Belgrader Museum er- worben werden, wurde jedoch vernichtet. Nachstehend eine Copie, welche der Betriebsleiter des Weifert- schen Bergwerkes in Kostolac, Herr Anton MAcha, von der gut erhaltenen und deutlichen Inschrift nahm.
B[g\natius Mariniaiiiis leg{alus) Augiusli) pr{o) ptiaelore).
Nach der Fassung der Inschrift, welche sicher vollständig überliefert ist, haben wir hier die Basis zu der Statue eines Egnatius Marinianus als kaiser- lichen Legaten von Obermoesien, die möglicherweise, da ein besonderer Anlaß der Widmung nicht ange- geben wird, zusammen mit den Standbildern der übri- gen Statthalter an einem öffentlichen Orte des ober- moesischen Hauptquartiers aufgestellt war. Egnatius Marinianus war, wenngleich sich bei dem bedauerlichen Verlust des Originals seine Zeit nicht genauer fest- stellen läßt, jedesfalls ein Vorfahr oder älterer Ver- wandter des Kaisers Gallienus von mütterlicher Seite. Gallienus führt neben dem väterlichen Gentile Licinins noch ein zweites 'Egnatius'; dieses dürfte nach der vorliegenden Basis von der diva Mariniana stammen, in der man bereits die Mutter des Gallienus vermutet hat (Prosopographia II 344 n. 2 12). Außerdem gehörte dem Hause des Gallienus noch ein jüngerer Marinia- nus an, der im J. 268 als Knabe Consul Ordinarius war (a. a. O. n. 213).
17. Unterer Teil einer Ära oder Basis aus weißem Kalkstein, h. o-47% gr. Br. 0-4I°', t. O'SSi"; Ab- lauf abgearbeitet. Schaft mit der Inschrift, soweit er-
15
A. V. Premerstein
N. Vulic
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halten, h. o-26'°, br. O'iJ'^, t. 0-355"". Buchstaben des beginnenden 3. Jahrhunderts, h.O'OS™. Gefunden ig03 im Cajir bei Kostolac; dann in Bradarac im Wirtschaftsbofe (salas) des Dobrosav Vasic; auf un- sere Veranlassung nach Kostolac in den Hof des Herrn Weifert überführt.
VvNECESSÄKIir DOMmo/tVMANV
[C. Fiilvil
Plautianf] pr{aefecti) p\r(aetorio)\, c{larissiißü)] v(iri), necessarii dominortim nnn. (= nostrorum trium) Flavius Citatus 5 proc{nrator) Auggg. (= Augtisiorum trium).
In der ersten — jetzt eradierten — und der vorangehenden Zeile stand der Name des Plautianus; die Belege für seine Benennung als necessarius der regierenden Kaiser (Severus, Antoninus und Geta) Prosopogr. II 97. Die Inschrift, die ihn anscheinend einfach als [c(larissimus)] v(ir) bezeichnet, ist wohl noch im J. 202 gesetzt, in welchem er durch die Verheiratung seiner Tochter mit Antoninus 'neces- sarius' der Kaiser wurde, vor dem J. 203, wo er Consul ord. war. Ob eine Widmung 'pro salute' des Plautianus selbst oder etwa zu Ehren seiner Tochter, der Kaiserin Fulvia Plautilla (vgl. CIL VI 1074 = Dessau n. 456), vorliegt, muß unentschieden bleiben.
18. CIL III S 81 18 (nach einer Kopie Prof. Tittelbachs). Rechteckige Grabstele aus gelblichem Conglomerat-Muschelkalk, h. 2' 16"", br. 0*905 ™, d. bis 0'32™, wagrecht in drei Stücke gebrochen. Zu oberst in einfach umrahmtem Felde eingezeichneter Giebel, von einem dreiblättrigen Akantlios gefüllt; in den Zwickeln je ein Delphin nach abwärts. Da- runter in einem zweiten eingetieften Relieffelde zwi- schen zwei korinthischen Halbsäulen vier ins Recht- eck gestellte Rosetten (r. oben abgestoßen) und in- mitten derselben ein Kranz, in welchem sich ein zweiter kleinerer Kranz befindet. Daran schließt sich, beiderseits von profilierten Doppelleisten abgegrenzt, das gleichfalls vertiefte Inschriftfeld, h. 0'98™, br. 0*635 ", durch die Brüche an zwei Stellen arg beschädigt; Buchstaben aus dem Ende des 2. oder
dem Beginne des 3. Jahrhunderts, h. 0*075 — O'Oö™. Das verloren geglaubte Denkmal (CIL III a. a. O. : 'statim periit') wurde jenseits der Mlava in den Ruinen von Viminacium wiedergefunden. Seit Früh- jahr 1902 im Hofe des Weifertschen Verwaltungs- gebäudes in Kostolac.
CIL in s 8118:
M- AVREL RVFVS "ESS- LEG VII CL VIX ANN- XL M/7 ANN XX AVr<-/ 5 LONCINVS ET A;; ;■ EL- AVLVTRAC M(LIT-ES- LE- G ei VSTEM CoN- H EREDES E;V5
jetzige Erhaltung:
VMANlKi'KbMILIT ANN'XX-A^'I^EL LONGiNVSEiy^
MILITE S-LEGEI
D{is) m(anibiis). M. Anrel{ius) Riifiis tess{erarius) hg ionis) VII Cl(aiidiae), vix{it) ann{is) XL, milii'^avit) 5 ann{is) XX. Aurel(iiis) Longiittis et Aii- rel(ius) Aulutralli^ milites leg{ionis) ei- usteiii coith- 10 eredes [b{eiie)'] m{erenti) p{osueruni).
19. Bruchstück einer Grabstele aus Sandstein, oben und 1. fragmentiert, h. ri55°', br. 0*455 ™, d. 0'34". Das r. von einer Halbsäule begrenzte In-
17
Aiilikc l)LMikiiialcr in Sctliicn uiul Maccdonicn
18
schriftfeld, soweit erluilten, li. ü'Sl", br. u'275"'; Buchstaben des 2. Jahrhunderts, tief eingehauen, h. O'Ojj™. Untere Schmaldäche abgeschrägt. Ge- funden im Flußbette der Mlava bei Koslolac, worin ein zweites Bruchstück noch liegen soll, nahe dem jenseitigen Ufer; jetzt in der Gewerkschaft des Herrn W'cifert zu Kostolac vor einem Magazin.
. . k]g{,ionis) VII Cl{audiae) vix{it) a\it(nis), XXXXV, miliitavit) a]n{nis) XXII. 5 . . . Mja.vi- ? miiiii]us ar{iitorHiii) c{iislos) le\g{ioHis) ei- usdc]m, her(es) b(eiie)m{crenli)] p{osuit).
20. Zwei Bruchstücke einer Platte aus Sandstein, fl h. 0'34">, br. 0-25 ■"; b h. 0"3i ", br. 0-225°'; d. O'II""; 1. Rahmen erhalten. Buchstaben aus dem Beginne des 2. Jahrhunderts, h. 0'07 — 0"04". Ge- funden in Drmno bei Kostolac; jetzt in der Sammlung des Gymnasiums in Pozarevac.
' L'PL
a L. Pla{to- oder Pla[elo-
riiis L. [ßli-
HS Ga . . . .
pagor ....
5 \naUo-
b ne Hisp[anus,
vixit ann{is) ....
mil(itavii) aH[n(is) . . .
In Z. 3 steckt vielleicht die =P 1 Tribus Ga[l(eria) [oder die Origo
I y( 1° AJjMf Ga[d(ibus)]. Zwischen den beiden Bruchstücken mögen eine oder zwei Zeilen mit der Charge und dem Truppenkörper des Ver- storbenen ausgefallen sein. 21. Vorderseite eines Sarkophages aus gelbem Sandstein, h. rog'", br. I-Sö"», d. omS"", vertical entzweigeschlagen. Das vertiefte Inschriftfeld, li.o'76'°, br. 0*975 ■", wird von einem Rahmen mit profilierter Doppelleiste umgeben, der beiderseits das Schema der tabula ansata zeigt; in jeder Ansa eine Rosette; J.ihreshefte Jcs österr. arcbüul. Institutes Bd. VI lieil>l.att.
in den Zwickeln darüber 1. ein groücs D (h. Oll""), r. entsprechend ein M. Gute, tief cingchaucne Buch- staben aus der Mitte des 2. Jahrhunderts, h. 0"I2 bis 0'07". Liegt bei Koslolac in der Gegend Kapija im nordöstlichen Teile des Ackers des Dragutin Duric aus Drmno unweit der Fundstelle.
M\Q
D{is) m{anibus). Tib. T[el]lius Etiph[emyanus
p(rimus) p{iliis) leg(ionis) VII \_C]l(audiac) hie 5 sil\us e]st. Fiilvia C[hr]ysis mari- lo picn[iis\sinio.
In Z. 3 scheint vor lANVS noch die rechte Haste eines M, in Z. 7 vor SIMO der untere Teil eines S im Bruche erhalten zu sein.
22. Bruchstück von der vorderen Wand eines Sarkophages aus grauem Kalkstein, h. 0-675 ™, g^- Br. 0"65", d. o-og". Das eingetiefte Inschriftfeld, soweit erhalten, h. 0-52"°, br. 0-31 '", wird nach oben von einem Bandornaraent, r. von einem Rahmen mit profilierter Doppelleiste abgeschlossen, der das Schema der tabula ansata zeigt (in der Ansa vier- blättrige Rosette; in den Zwickeln je ein Akanthos- blatt). Buchstaben aus der zweiten Hälfte des 2. Jahr- hunderts, h. 0"06 — 0'04". Aus Kostolac; jetzt in der Sammlung des Gymnasiums in Pozarevac.
D(»s)] m(anibus).
riiiae ra-
rissimi excm]pli fcini- iiae, qiiac vixji) aii{iiis). .] XVI III, m(eiisihus) V,
5 aiiiis (ceiiliirio)
UgiioHis) VII CI{aiiJiac) coiii]iigi ka- [r/ss/wKic]
19
A. V, Premerstein
N. Vulic
20
23. Bruchstück einer Platte aus weißem Kalk- stein, gr. H. 0-43", gr. Br. 0-46"', d. 0-23". Stark be- schädigte Buchstaben aus der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts, h. 0*05 — 0"045". Gefunden im No- vember 1901 im Cajir bei Kostolac; jetzt in Drmno im Hofe vor der Schule unweit des Straßenzaunes.
Mitte des 2. Jahrhunderts, h. 0'03 — 002™. Gefunden 1901 in der Gegend Cajir bei Kostolac; jetzt in der Sammlung des Gymnasiums in Pozarevac.
k]g(iofns) V[r\I Cl{audiac) p{iac) \_t\iddi$) vixit
an{iiis) . ., mili-
i]avH aii{nis)
Eli[a Cognomen (etwa 8 Buchstaben) 5 coti\iiigi he[ne mercnti et sibi Viva fo]suit.
Die Ergänzungen wollen zum Teil bloß etwas nach den Raumverhältnissen Mögliches geben.
24. Epistylblock aus grauem Kalkstein, h. 0*53™, br. roS™, d. 0"54™; oben vorspringender Sims er- halten. Gute Buchstaben aus der Mitte des 2. Jahr- hunderts, h. 0-075— 0*065 "; die Inschrift begann wohl auf einem 1. anschließenden ähnlichen Blocke und setzte sich nach r. auf einem dritten Blocke fort. In den Fundamenten eines antiken Bauwerkes im Cajir bei Kostolac gefunden; jetzt im Brauhause des Herrn Ignaz Weifert zu Pancsova (Ungarn).
MfTlVA'lNMEMTj f MVNAELIVIM^H
Gentile Pri]miiiva in mem{oriam) T(ili) [Gentile Cognomen Gemeindeamt] mun{icipi) Aeli Vim(inaci). H(oc) [m{onumentum) h{credem) n{on) s{cqiietur).
Ein Rest zu Anfang von Z. 2 kann von einem P oder R herrühren. Vielleicht stand also da Ilvir.] mun. oder decur.] mun.
25. Fragmentierte Platte aus weißem Marmor, aus g Bruchstücken zusammengesetzt, gr. H. 0'32'", br. 0'355", d. 0'023'"; zierliche Buchstaben aus der
?A/]a[;]or \v(ixit)'] a{nms) XIX; ctiius post obittim Marcianiis pudici- iiae f[/«]c/Ks amo- 5 re dicat. H(oc) m{onHmentum) h{eredes) n{on) sieqtietur).
In Z. 4 ist vor CTVS noch eine Haste im Bruche erhalten. — Die metrischen Wendungen cuius post obitum (Anfang eines Hexameters) und pudicitiae v[in]ctus amore dicat (aus einem Pentameter) sind wohl Reminiszenzen des Schreibers aus irgend einem Grabgedicht in Distichen.
26. Zwei Bruchstücke einer Grabschrift aus grauem Kalkstein; d. o'23""; a gr. H. 015", br. 0'20™; fc gr. H. O^lo™, br. 0'23™. Buchstaben aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts, h. 0^045 '". Aus Klenovnik (südlich von Kostolac); jetzt in der Sammlung des Gymnasiums in Pozarevac.
X \ Maxi[mus}
■ Y^ f4^ leg{ionis) III}I F{laviae) /(iriiiac)?
b)
. . . vix{it) a\nn{is) . . .
27. Unterer Teil einer Grabstele mit Zapfen aus weißem Marmor, gr. H. 1-37™, br. i'32'", d. 035™. Das zum größten Teile abgebrochene vertiefte In- schriftfeld, jetzt h. 0-48™, br. fo6"", wird beiderseits von cannelierten Halbsäulen abgeschlossen; Buch- staben aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts, h. 0'045™. Unter der Inschriftfläche eingetieftes rechteckiges Relieffeld: zwei nackte Knaben in
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Antike nfiiUmäler in Scrl)ien und Macedonicn
symmetrisch entsprechender Stellung nach auswärts gekehrt; zwischen ihnen ein mächtiges Gewinde, dessen Enden über ihre Schultern gelegt sind und von den Knaben mit beiden Händen gehalten werden. Handwerksmäßige Provinzarbcit. Gefunden vor etwa zwei Jahren in Koslolac im Acker des Jova Kostic; jetzt im Hofe des Gymnasiums zu PoZarevac.
. . . t]id{ius) . . . aiitis posiiil.
Zu Anfang von Z 2 sind 3 — 4 Buchstaben aus- gebrochen.
28. Kleiner Block aus grauem Kalkstein, h. 0-475"', br. o-38'°, d. 0-26™, oben mit einem vor- springenden Gesimse versehen. Inschriftfläche h.0'3l "", br. 0'29™; rohe, unregelmäßige Buchstaben aus by- zantinischer Zeit, h. 0045 — 002°'. Aus Kostolac; jetzt im Brauhause des Herrn Ignaz Weifert in Pancsova (Ungarn).
JA'NlK^J.'^,A^O
^°A4EC
V"^
Oüapvi '/ßifo. Ao-
Xaipoufio- 5 öxa.
Das erste Wort, wenn auch sicher gelesen, und damit auch der Sinn des Ganzen ist uns unver- ständlich. Vielleicht liegt ein Grenzstein vor von der Art, wie die in den Balkanländern aus byzantinischer Zeit zahlreich sich gefunden haben. Die Xüj|ni) Xaipo- lioüixa (Z. 3 f.) bildet anscheinend einen Teil der Xtüpa ioXixafwv (Z. I f.); was für ein Doliche gemeint ist, bleibt fraglich.
29. Fragmentierte Platte aus weißem Kalkstein, gr. H. o-eo™, gr. Br. o-SO™, d O-oS"", wagrecht ent- zwei gebrochen. Roh eingekratzte, schräg Hegende Buchstaben des 5. oder 6. Jahrhunderts, h. 0'045bis
0-035 '". I^- R;ind erhalten. Gefunden im Jänner 1902 in Kostolac; jetzt in der Sammlung des Gymnasiums in PoiSarevac.
NOkAKo
Äi:po(u) T)o£(o)u V'IoJuvfou xivvou AloX£ou voxo(Xo(u)
Eine Anreihung männlicher Namen im Genetiv, deren Bedeutung dunkel bleil)t.
Sculpturcn aus Viminacium.
A. Bruchstück vom r. Rande eines milhrischen Cultbildes, grauer Kalkstein, h. 0-815'°, gf- B"". O'SIS" gr. D. 0-23'»; rund
oben der ursprüngliche Rand erhalten. Auf einem unten abgebrochenen Untersatze steht Cautes mit erhobener Fackel; darüber in concavem Medaillon bärtiges männli- ches Brustbild mit Nimbus (Sol). L. Teil einer Nische (Mithrashöhle) erhalten. Ge- funden in Kostolac; jetzt in Pancsova im Brauhause des Herrn Ignaz Weifert.
B. Kleine roh zuge- richtete rechteckige Relief- platte aus weißem Marmor, h. 0-245 " br. 0-36 ">, a. 0-08"'. In der Mitte ein deutlich als linkes charak- terisiertes Auge mit An- deutung der Pupille. Auf dieses fahren in radialer
Richtung fünf angreifende Tiere los; in dem Streben nach symmetrischer Anordnung ist auf beiden .Seiten unten je ein anspringendes vierfüßiges Raubtier, oben je ein Vogel dargestellt. Aus der Ecke 1. unten koniml ein Tier mit hervorhängender Zunge,
l*'ig. 2 MithrareliofÄ aus Viminacium.
Zi
Premerstein — N. Vuli'
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kurzen runden Ohren und kurzem Schweife (Bär); aus der entsprechenden r. Ecke ein Löwe; zwischen beiden eine sich emporringelnde Schlange mit vor- gestreckter Zunge. In der Ecke r. oben ein Vogel im Fluge mit gesträubten Flügelfedern (wohl Eule); in der Ecke 1. oben ein zweiter Vogel mit ge- schlossenen Schwingen (nach der Kopfbildung Rabe); zwischen ihnen über dem Auge ein diesem entgegen- gekehrter Phallus, AusKostolac; jetzt im Brauhause des Herrn Ignaz Weifert in Pancsova.
Fig. 3 lielief aus Viniillacium.
Über verwandte Darstellungen des bösen Auges, dessen Zauberkraft durch apotropäische Tiere und andere Gegenmittel gebrochen wird, handelt aus- führlich P. Bienkowski, Francs Vindobonensis (1893) 285 fT.
VI. Municipium Aurelium Augustum Margum (Orasje bei Dubravica).
Jahreshefte IV Beibl. 133 f.
30. Bruchstück einer Platte aus weißem Marmor,
gr. H. 0'275"", gr. Br. 0'27''
d. 0-055™. frute Buch- staben aus der Mitte des 2. Jahrhunderts, h. 0'025"'. Gefunden im Sommer 1902 in der Donau bei Du- bravica; jetzt in der .Sammlung des Gym- nasiums in Pozarevac.
. . . l]ed{his) F .... I . . . iyc(iiis) Sam\tno oder Sam^nwnicits \ leg{ionis) IUI] F(la- via>:)ßJniiae).Acl(ius)
Veru{_s ...r, Ulp{ius) Herml \ ... Fld]vius 0[r]f\i- Itis I ... c{iiralor) c{itntwi)R{omanoruiii),Ma[rciiis...\ ? Cu'\rt{ius) Eli[
Vir. Municipium (später colonia) Singidunum (Belgrad).
Jahreshefte III Beibl. 124 — 127; IV Beibl. 127 bis 130; A. V. Domaszewski, CIL III S p. 2328"^
31. Kleine profilierte Ära aus brüchigem grauen Sandstein, h. 0-51™, br. 0-31", d. 0-25'". Schaft mit der Inschrift h.0'24™, br. 0'22°', d. Q-lg™; roh ein- geliratzte Buchstaben des 3. Jahrhunderts, h. 0*045 ™. Gefunden 1902 in Belgrad im Garten des Hauses Zivanovic; jetzt im Gebäude der Montanabteilung des Ackerbauministeriums (Rudarsko odelenje).
Libero patri et Libere
pos(ifil) m(erito).
Der Name des Dedicanten fehlt, wie auch sonst auf Widmungen des privaten Cultus.
31 a. Kleine Basis aus weißem Marmor, h.004™, br. ciS", tief O" 18°", mit Resten einer angearbeiteten statuarischen Darstellung (r. Reste von zwei Füßen, 1. kleines Bruchstück, vielleicht von einer Ära). Zierliche, gut erhaltene Buchstaben des beginnenden 3. Jahrhunderts, h. 001". Gefunden vor etwa 12 Jahren in Visnjica (an der Donau unterhalb Belgrad); im Besitze des Professors Jovan Zujovic in Belgrad.
lovi op(Uino) m(aximo). Ediuiia (so) . . . er confralri[b(us)].
,Ediuna' (Z. i) dürfte, wenn nicht grobe Ver- schreibung vorliegt, Eigenname des einen Dedicanten sein; der zweite scheint zu Anfang von Z. 2 ge- nannt. Die confratres (Z. 2) könnten ein sacraler Verein sein, in dessen Versammlungslocale die Widmung aufgestellt wurde. Doch ist die Möglich- keit, daß eine Fälschung, etwa auf einer antiken Basis, vorliegt, nicht ganz ausgeschlossen.
25
Anlilic DonUmälcr in ScrliicTi und Maccdonicn
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32. Oberer Teil einer Grabslclc mit Urciccks- gicbel, aus graujiclbcm Kalkstein, gr. H. O'Sg™, gr. Br.0'84™, d. o^I". Im oben fragmentierten Giebel Adler von vorne mit ausgebreiteten Flügeln (Ko])r abgebrochen). Darunter zwischen zwei Halbsäulen (1. beschädigt) vertieftes Relief feld (h. 043'°, br. O'yi™): l. Brustbild einer Frau mit Halsband, die r. Hand vor die Brust haltend, r. das eines Mannes, mit dem Zeigefinger der Rechten auf eine Rolle in der 1. Hand hinweisend. Darunter Streifen mit Kfeu- ranken; dann zwischen zwei korinthischen Capilälen der Rest des zum größten Teile verlorenen In- schriftfeldes. Buchslaben aus dem Knde des 2. Jahr- hunderts, h. über 0"o6 ">. Im Torwege des ober- halb der sogenannten Dzind.m Kapija gelegenen Tores der Belgrader Festung vermauert; auf unsere Ver- anlassung am 12. September 1902 ausgehoben und vor das Gebäude des Festun gscommandos gebracht.
^ r^ -1, " D{>s) m{anibus) . . .
VIII. Municipium l'Ipianum (Lipljan).
CIL III p. 269; W. Tomaschek, Zeitschrift f. d österr. Gymn. 1874 S. 661 ; C. Jirecek, Arch.- epigr. Mitth. I 67; C. Müller zu Ptolemaeus geogr. III 9, 4 (I I p. 455 f); A. J. Evans, ArchaeologiaXLIX 150 f.; A. v. Domaszewski, Arch.-epigr. Mitth. XIII 150 f.; Westd. Zeitschr. XXI 175; CIL III S p. 1457; 21 17; 2319; H. Kiepert, Formae orbis .antiqui t. XVII Beibl. 4: K. Patsch, Festschrift für O. Benndorf 287.
Die Namensform Ul]iianum (O'JZ-TOaviv bei Pto- lemaeus III 9, 4) bezeichnet als die ältere ein Scholion zu Ptolem. a a. O. (bei Müllerp. 455): T6 OüXTiiavov, OüXitiavav xaXoOfisvov Ttapä xotj [istafSVsaTEp^t;. Der Ort war, wie die neuen In- schriften n 33. 34 — etwa aus der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts — zeigen, Municipium; als r(es) p(ublica) Ulp(ianuni) erscheint er auf zwei Dedi- cationen an Kaiser Severus und seine Gattin zu Rcmcsiana, dem Sitze des obermoesischen Landtages (CIL III 1685. 1686; dazu K. Patsch a. a. C; Jahres- heftc III Beibl. 136). Der s(anctissimus) oder s(plen- didissimus) o(rdo) wird in n. 33. 34, ein (duum)viralis in n. 38 erwähnt. Der Name könnte auf eine (irün- dung Trajans hinweisen (v. Domaszewski, Mitlh.a.a O. '5'i ^'g'- jedoch Jahreshefte IV Beibl. 95).
Wir verglichen CIL III S 8170 = 12664 (auf dem Acker Garlovce, r. von der Straße zwischen Gornja Gu^terica und Donja GuSterica, etwa 25oSchritt
von erslercra entfernt); 81 72 (in der Kirche des Klosters Gra^anica, in der Scitcnkapclle des hl. Jov.in Bogoslov r. vom Hauptaltar); 8174; 81 76; 8179 (jetzt am Scliulgebäude nächst der katholischen Kirche in Janjevo, r. Ecke der Front); 8180 (mit 8183; unten n. 41). Vergeblich suchten wir n. 8169 (unten n. 35); 8171 (wahrscheinlich beim Neubau der Kirche in Donja GuSterica an einer Ecke der Ostwand vermauert); 81 75 (dazu p. 2319); 8177; 8178 (vgl. zu n. 35); 818I; 8182.
33. Copie Noe Mortens (Skizzenbuch f. 46) ohne Ortsangabe; voran geht eine Inschrift aus Gra- canica (unten n. 35). — Jedenfalls aus Ulpianum (Lipljan); ebenso n. 34. Die Originale vermochten wir bisher nicht ausfindig zu machen.
M ' PONTIO
MF- PVP.VARA
NO SABJNO VC-15B
LEC'TM^A/CQN^ST ? rkB^PLEBSOMV
N ICVLPOB'AW
TAINREMrVI^
EIVS»ME RITA
BASIM EST A "" TWM-VEXTA
AM' FV
L A > C F
.\/. Poiilio
M. f. I'up(inia) Vara- ito Sabino v(iro) c(larissimo), trib{ufto) leg{ioiiis) III Aug(ustae), quaest{ori), 5 trib{uiio) pleb{is) s{aiiclissimus) o{rdo) mu- nic{ipi) Ulp(iani) ob [«/]«[/- ta in rem \p]u[b(Hcam) eins merita. Basim e[l] xla- 10 Inam ve.x[al-
am Fn\jia Caeci- l[i\a dlariasimä) ßemhta) ^resii- Ituil.-]
'/,. 1 1 f. ist nach dem Seitenstücke dieser Basis, n. 34 Z. 8 ff. ergänzt. — Der Geehrte, M. Pontius M. f. Pup. Varanus Sabinus (Z. I — 3) ist ohne Zweifel ein naher Verwandter des M. Pontius M. f. Pup. Laclianus Larcius Sabinus (Prosopogr. III 83 n. 600, vgl. 84 n. öl 3. C)I (; nach V.. Ritterling, Arch.-epigr.
27
A.
Premerstein
N. Vulid
28
Mitth. XX 22 ff. Consul etwa 144/6). Seine Gattin ist die F[ur]ia Ti . . . Va[ra]ni c(larissima) f(emina) in n. 34. Er dürfte, weil er es nur bis zum Volks- tribunat brachte, in ziemlich jungen Jahren und viel- leicht kinderlos verstorben sein, da seine und seiner Frau Statuen nicht von den Nachkommen, sondern von einer jüngeren Seitenverwandten letzterer, Furia Caecilia c(larissima f(emina) (n. 34 Z. 8f. ; vgl. n. 33 Z. II f.), wiederhergestellt wurden. Diese ist keine andere als die Furia L. f. Caecilia (CIL VI 1423; vgl. III S 8240; Prosopogr. II 102 n. 410), die einen Mann aus derselben Gens, wahrscheinlich den Furius Octavius (CIL III S 8238 = unten n. 44), zum Gatten hatte und die Mutter des nachmaligen Consuls (um das J. 220) C. Furius Octavianus (vgl. CIL VI 1423; dazu VI 4 p. 3141; Prosopogr. II 100 n. 403) war. Furius Octavius (CIL III 8238), Furia Caecilia (ebd. 8240), nach ihnen ihr Sohn Furius Octavianus waren, wie Inschriften ihres Gesindes bezeugen, in der Gegend von Ulpianum begütert. Als Procurator des zuletzt Genannten bezeugt CIL III S 8169 (unten n. 35) neben Furius Alciraus, der mit dem von Ulpianus (fragm. Vatic. 220 p. 69 ed. Moramsen) erwähnten Alcimus libertus maternus Furi Octavi[ani] clarissimi viri identisch ist (O. Hirsch- feld zu n. 8169; Prosopogr. a. a. O.), einen Pontius Uranius, welcher, wie wir jetzt erkennen, sicherlich ein Freigelassener des M. Pontius Varanus Sabinus ist. Daraus und aus den Beziehungen seines ersten Patrons zum municipium Ulpianum ergibt sich wieder, daß schon Varanus Sabinus, der — alles wohl erwogen — um das J. 180 gestorben sein mag, in
34. Copie N. Mortens (Skizzenbuch f. 47) ohne Ortsangabe. Vgl. zu n. 33.
F ///////;! /ETI NAI///////n'[ACI S'O^AVhf C-.VLPOR MVLTAv El V BE 5 (^ M E R I T A B
SIM'ETzSTATV
AM'VEX ATV
PYRIA^CAECl
LI A" C ^ FRE 10 T IT VIT
F[ur]iae Ti . . . . 1 a[nj]»;! c(lanssimae) [/{eminae)] s{njiclissiinus) o{rdo) munic(ipi) Ulpiiani) o\b mnlta eins be- 5 ncmeriia. B[a- sim et siatu- am ve.xaia[m Furia Caeci- lia c(larissima) ß^emina) re- 10 s]iiluit.
Vgl. zu n. 33.
35. CIL III S 8169 ('Georg Constantin, Lipljan degens, descripsit'). Nachstehend die vollständigere Copie von Noe Morien (Skizzenbuch f. 45): 'Ar- chitrav Porta"Gragianica'.
FORTVNAE- ACTER AE DOMVS FVRIANAE ^--^ PROC C F VRIOCTAVIANIC > VTVRIVS ACIMVS-PON ^^h ""^ll TIVSVRAN»VSPECVNIA- OCT A/IAt4fJ'FACIENDVM CVRA/ERVFT
diesem Gebiete Grund und Boden besessen hatte, und daß dieser Besitz durch Erbschaft ganz oder zum Teile an die ,domus Furiana' (CIL III S 81 6g), zuerst etwa an seine Frau, dann an Furia Caecilia und deren Sohn übergegangen war.
Nachstehend der Versuch eines Stammbaumes: (Furius) M. Pontius M. f.^F[ur]ia
Varanus Sabinus Ti . . .
(L. Furius) ,1
Furia L.f ._ Caecilia 1
Furius Octavius
C. Furius Octavianus Amphilochius
Foriiinae aeter[*i]ae doinus Furiaiiae \ proc{ura- iores) C. Furi Oclaviani c{larissimi viri) (dazu auf den beiden Ansäe das Signum Amphilochii) Furius A[l\cimus \ei] Pon\tiHS Uranius pcciiuia Oclavia- iiin[a] facieitciain curaverunt.
Das Epistyl, welches Morten in Gracanica sah, könnte — zugleich mit den ebenfalls verschwundenen Inschriften CIL III S 8177. 81 78 — bei der Reno- vierung des Proaulion der Klosterkirche (1897) ver- baut worden und mit einer auffallend langen und schmalen Kalksteinplatte außen r. am Haupttor der Kirche identisch sein, deren nach außen gekehrte
29
Antike Denkmäler in Scrliieii luul Mmedonien
30
Selimulfläclic einen profilierten Rahmen zeigt. — Zu Anfang von Z. I könnte man auch 'procc. (= pro- curatores duo) Kuri' annehmen. — Über die hier genannten Personen vgl. O. Hirschfeld zu CIL III S 8169; unsere Anm. zu n. 33. Das in den beiden Ansäe stehende .Amphilochii' ist jedesfalls das Signum des C. Furius Octavianus, etwa abgeleitet von dem Namen der epirotischcn Landschaft Amphilochia, zu der die domus Furiana irgend welche Beziehungen haben mochte; Belege für Amphilochius aus späterer Zeit bei De Vit, Onomasticum I 270. Zur Stellung des Signum außerhalb der Inschrift vgl. Moramsen, Hermes XXXVII 451 mit A. 2; über seinen Ge- brauch in senatorischen Kreisen ebd. 448 f. mit A. 4. 36. Profilierte Ära aus weißem Kalkstein, h. i-H", br. o-sa™, d. 0-41'"; Schaft mit Z. 2—12 der Inschrift h. 0-655 ■", br. 0-435 "», ''«f 0-365"; Z. I steht auf dem Kopfgesimse. Zierliche Buch- staben des 3. Jahrhunderts zwischen deutlich vor- gerissenen Linien, h. 0-05 — 0-04". In Lapje selo (zwischen Priätina und Gracanica); ehemals in der kleinen Kirche als h. Trapeza, jetzt, mit der In- schrift dem Boden zugewendet, als untere Stufe vor der Türe des Schulhauses.
PROSALVTffvf
:VBCVRAANT IVANl VEPRoC IVIjANV.SViliC
MMMEESSMo
Geitio Illyrici
pro Salute imp{eraloris)
Cacs(aris) M. Aur{cli) Sevc- ri Alexandri Aug{usti) 5 et ilameae Aug{uslac) siib cum Aiilioni)
Si]lvaiii v{iri) cigrcgi) proc{uratoris) lulianus vilic(i)
stal(ioitis) Ulp(ianensis) labuHarius) 10 suinpl(u) suo [Jc]c(it) Albino et Maxitito consul(ibus). (J. 227.)
Z. 4. 5 sind die Namen des Alexander und der Mamaea eradiert, aber noch in sicheren Spuren erkennbar. In Z. 10 a. E. steht deutlich ILC, statt des zu erwartenden FEC. — Der genius Illyrici (Z. l) ist der Schutzgott, der dem portorium publicum Illyrici, dem sogenannten fructus Illyrici (CIL III 78 1 Z.23) vor- sieht, gleichbedeutend mit dem genius p(ortori) p(ublici) (CIL III S 7434; vgl. 7435) und dem [genius] splendidissumi bect(igalis) I[lly]rici (ebd. n. 8140), die ebenfalls in Dedicationcn subalterner Zollbeamten erscheinen; dazu die Widmung eines solchen CIL III 7853: I(ovi) o(ptimo) m(aximo), terrae Dac(iae) — als Zollprovinz — et genio populi R(omani) et commerci. Der kaiserliche ZoU- director, unter dessen Amtsführung der Altar errichtet wurde (Z. 6 f.), wird in der gleichen Form ange- führt CIL III I565;S8042; 8140: sub curalu[c]u[n]di Marci v(iri) e(gregi) proc(uratoris) Aug[ust]i. Die tabularii der Zollämter dürften wohl mit der Führung der Rechnungen (tabulae) betraut gewesen sein. Ein kaiserlicher Freigelassener ex tabulario vecti- galis lUyrici in CIL HI 4063; dazu n. 1 5184'; vgl. R. Cagnat, Etüde bist, sur les impots indirects (1882) p. 97-
Die stat(io) Ulp(ianensis) (Z. 9), die hier zum ersten Male genannt ist, wird ihren Sitz ohne Zweifel am Fundorte der Inschrift, also bei Lapje selo gehabt haben, in dessen Nähe, an dem Fahr- wege nach Gracanica, in den Feldern größere Ge- bäudereste, Gräber und auch ein zweiter Votivaltar (n. 37) zum Vorschein kamen. Ihren Namen führt sie wohl daher, weil sie die Grenze des Stadtgebietes des municipiura Ulpianum (h. Lipljan) gegen Dalmatien bezeichnete. Die statio Ulp. bildet ein neues Glied in der Reihe von Stationen des illyrischen Zolles, welche an derStraße Scupi - Ulpianum— Naissus im süd- lichen Abschnitt der Westgrenze von Moesia superior gegen Dalmatien (über diese A. v. Domaszewski, Arch.-epigr. Mitth. XIII 130; I44; 151 f.) Inschrift-
31
Premerstein
N. Vulic
lieh bezeugt sind. Es sind dies das h. Runjevo n. von Kacanik (CIL III S 8185 vom J. 20g; dazu V. Domaszewski a. a. O. 144); Gornja Gusterica (n. 8170 ^ 12664); statio Ulp(ianensis) bei Lapje selo; statio Vizianura (bei Vucitrn; unten n. 45).
37. Ära aus weißem Kalkstein, h. O'Sg"", br. über 0"45°'. Auf dem Kopfgesimse ist beiderseits je ein Akroterion in Relief angedeutet; darunter Profilie- rung. Unten profilierter Ablauf. Der Schaft mit der Inschrift h. 0'33", br. 0'45™. Gute Buchstaben aus der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts, h. O'OS"' bis 0'035™. Gefunden am Wege zwischen Lapje selo und Kloster Gracanica (Sandschak Pristina) auf dem sogenannten Gracansko polje (Acker ,Beli stup'), jetzt bei Lapje selo am südlichen Rande des kleinen Dorffriedhufes in den Boden eingegraben.
^et
'DEAB^
MCOCCEIVS'ERqS 5 DWoTO' FicaT
I{ovi) o{plimo) m{aximö) el dis deabiisq{iie) otnnibus
M. Cocceius Eros 5 ex voto fecit.
38. Unterer Teil einer Ära aus grauem Kalkstein, gr. H.0'54'", gr. Br. 03g°',tief 0"38™;unten profilierter Ablauf Schaft mit der Inschrift: gr. H. 0'22, gr. Br. 0'33°', tief o^g""; gute Buchstaben des 2. Jahr- hunderts, h. 0'045"'. In der Kirche des Klosters Gracanica an dem Altar der 1. Seitenkapelle, welche dem h. Johannes dem Vorläufer geweiht ist, als rechtsseitige Stütze vermauert. Ebenda als 1. .Stütze eine Ära von ähnlichen Dimensionen mit der M.auer zugekehrter Inschriftseite.
. . . C\_e- le]r {duum)v[i- ralis postiii.
Z. 2 am Ende ist die 1. Hasta von V im Bruche, danach noch der untere Ansatz vom I erhallen. —
Der (duum)viralis (Z. 2. 3) bezieht sich wohl auf das nahe Municipium Ulpianum (vgl. oben Sp. 25).
3g. Abschrift eines Griechen, von dem katho- lischen Seelsorger in Janjevo Don Tommaso Glasnovic uns mitgeteilt. Das Original soll sich an der Außen- mauer einer Dschami (Moschee) in Priätina befinden; von uns bisher vergeblich gesucht.
VIXVT ANANNIS XXX CAVILLIVS PVDENS | FILl PARENTIBVS PIENTISSI FACIENDVM |
CVRAVIT TK LPIANO HR_ SR_ HR_
LVSV. I HSH. ES.
Etwa folgendermaßen herzustellen;
[cnin qua felicem?'] | vix(it) v[i]ta[m'] atinis XXX. I C. AvilHus Pudens ßlilus'] | parentibns pien-
tissi{mis\ | faciendinn curavit; t[r . .\
[U]lpii7i!O.H{oc}-C^s{epiilcriiiii)0li(eredctii)-C^[u(on)]£r s{equdiir) u. s. w.
40. Rechteckige Grabstele aus grauem Kalk- stein, h. 2'20", br. 0'85 ", d. 0'30 — 0'365'", wagrecht entzwei gebrochen. Im oberen Felde in einer bogen- förmigen profilierten Umrahmung, um welche rings Efeuranken laufen, eine Nische, darin 1. Brustbild eines Mannes mit Schnurrbart, r. das einer Frau mit Schleier und großen Fibulae auf den Achseln; die Brustbilder sitzen nicht auf der Umrahmung auf, sondern sind auch nach unten frei herausgearbeitet. In den Zwickeln je eine Palmette. Darunter, von Efeuranken umrahmt, von einer profilierten Doppel- leiste umschlossen, das vertiefte Inschriftfeld, h. 0685", br. 0'525"; gute Buchstaben aus der Mitte des 2. Jahrhunderts, h. 0"o65 — 0'055™. Unter dem Inschriftfelde in unregelmäßig begrenzter Eintiefung Relief eines Reiters, mit erhobener Rechten und fliegendem Mantel nach r. galoppierend. In der oberen Schmalfläche Zapfenloch. Am Fuße ist der Ansatz eines cylindrischen Zapfens (Durchmesser etwa 0'25°') erhalten. Gefunden vor etwa 5 Jahren auf dem Acker des Sut EfFendi in der Nähe des Dorfes Ugljare. Der obere Teil (h. 086™) liegt in Pristina auf dem Platze vor der Dschami Hassan Emin, der untere (h. f34°') mit der Inschriftfläche nach abwärts gekehrt neben einem benachbarten Hause. In einer nahen .Straße wurde uns ein als Brunnentrog ver- wendeter Sarkophag gezeigt, der angeblich zugleich mit der Inschrift ausgegraben wurde.
33
Antike IJcnluniili-r in Scrliic-n und Maccilunicn
34
c
D
CVWARANV S
D(is) iii{cjinhiis).
C. Vak{rius) M.inil-
liis vix{it) an{nis)
LXXV. C. V'aleiriiis) V'ar^niis 5 el Naiiea Gal- li sibi vive (so) ß^aciendiim) c{iiravc- ninl).
Der einheimisch« FrauennLime Nanca (Z. 5) auch CH. TU S 8239.
An der r. vorderen Ecke derselben Moschee ist ein Bruchstück von dem Deckel eines gewaltigen Sarkophages mit zwei Akroterien, von welchen das eine ein Palmctlenornament trägt, als Streifstein ein- gemauert; ein zweites Fragment mit einem ähnlich verzierten Akroterion dient dem benachbarten Hause als Schwelle.
41. CIL III S 8180. S183; eine im Corpus nicht angeführte ältere Abschrift bei Gcdeon Josif Jurisic, Decanski prvenac. Opisanije raanastira De- cana u. s. w. (Neusatz 1852.8") 117. Altarähnlicher Block aus weißem Marmor, oben und unten pro- filiert, h. über roS", br. o-yj"", d. 0755"'. Schaft mit der Inschrift h.o-öos", br. OSSs"", d. o-sg". Gute Buchstaben aus der zweiten Hälfte des 2. Jahr- hunderts, auf der Vorderseite h. 0-04— 0035 "", auf der gleichfalls beschriebenen 1. Nebenseite besonders groß, h. 0*14 — 0'07". Steht umgestürzt im Proaulion (Vorhalle) der Klosterkirche zu Gracanica in der r. vorderen Seitennischc.
Linke Nebenseite:
Vorderseite:
^ D ^ ^A M-VLP\WC
hTÄJt" ■'"
v\\rv
)S--.E
D{is) m{ambtis). M. Ulpiio) Sticcesso et Adiae Agrippiitae eins, parcnlibiis 5 cl Aiir{elio) Asclepiadi geiic- ro eoriim Aelii Ingcnua et Sticcessa e (so für cl) Agrippa J'i- li et M. Novanl{ius) Ingcnits gener et Aiirel{ius) Aurelianiis 10 tiepos b{ene) m{erentibus) fec{eriinl).
Der Stammbaum der hier erwähnten Familie ist folgender:
M. Ulpius Successus^ Aclia Agrippina
(Z- 2) I (Z- 3)
Aelia Ingenua Aelia Successa Aclius
(Z. 6) (Z. 7) Agrippa
verheiratet die eine mit (Z. 7)
Aurelius Asclepiades (Z. 5), die andere mit M. No- I
vantius Ingenuus (Z. 8) |
Aurelius Aurelianus (Z. 9)
Havele
trasien-
les.
Jafarcsbeftc dcä osterr. archäol. Institutes Bd. VI Beiblatt
Sculpturen aus Ulpianum.
j-1. Jonisches Volutencapitäl aus weißem Marmor, gr. H. O'ig", Abacus vorne 0-40"', seitlich o^jO™ breit (Fig. 4). Im Proaulion der Klosterkirche zu
3
35
A. V. Premerstein — X. Vulic
36
Gracanica r. auf einem (niclit zugehörigen) Säulen- schafte; dient als Unterlage fiir das Evangelienbuch. B. Sarkophag aus grauem Sandstein, ohne DecUel, h. 072 ^ 1. 2- 16™ br. 0-87 ■", bis zu einer Tiefe von o"48 ™ ausgehöhlt; am Kopfende innen kissenartige Erhöhung, am Fußende Abflußloch. Auf der Vorder- seite das Schema der tabula ansata eingeritzt; keine Inschrift. Im Hofe des Klosters Gracanica neben dem Brunnen.
IX. Runjevo und Umgebung.
A.v. Domaszewski, Arch.-epigr. Mitth. XIII 144;
CIL III S p. 1459; Westd. Zeitschr. XXI 175; vgl.
oben Sp. 31 zu n. 36.
CIL HI S 8184 befindet sich jetzt in Üsküb
in dem Wirtschaftshofe des österreichisch-ungarischen
Consulates, n. 8185 ebenda im Garten.
42. Linker Bruchteil einer kleinen Ära aus
grauem Kalkstein (Fig. 5), oben und unten abge- brochen, in der Mitte wagrecht ent- zwei geschlagen; gr. H. O'jS™, gr. Br. 0-14'", tief 0-345". Gute Buch- staben aus der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts h. O'Oj — 0'03 ™. Unter der Inschrift (h. O" 1 3") Relief: jugendliche Frauengestalt von vorne, auf einem vorspringenden Gesimse stehend, mit Chiton, Peplos und Schuhen bekleidet, auf dem Kopfe einen Schleier, der den Conturen der 1. Körperseite folgend rückwärts bis etwa zum Knie herabfällt, in der R. eine leicht geneigte Fackel, in der L, eine umgestürzt über die 1. Schulter gelehnte Amphora mit einem Henkel. Auf der 1. Neben- seite (1. unten abgebrochen) ist oben Profilierung, darunter Zahn- schnitt erhalten; inmitten des Feldes Patera. Bessere, zierliche Ausfüh- rung. Gefunden im Mai 1900 in der Umgebung von Kacanik (Orhanje);
jetzt im Hause der Gendarmen (Zaptiehs) in Kacanik.
L. Tilov[ius . .
Pro[ . . . v{olttm) sifllvil) ll{ibens) m{crilo).
In Z. 3 scheint ein kurzer Name wie Pro[bus], i'ro[clus] oder Pro[tus] gestanden zu haben. — Der
Fig. 5 Ära aus grauem Kalkstein.
erhaltenen Nymphe entsprach ohne Zweifel auf der abgebrochenen r. Hälfte eine zweite ähnlich gebildete. Die Attribute der umgestürzten Amphora (mit hervor- quellendem Wasser) und der gesenkten Fackel kehren auf thrakischen Nymphenreliefs wieder (V. Dobrusky, Bull. corr. hell. XXI 123 ff. n. 1—7; 125 f.; 127 f.; vgl. L. Bloch, Roschers Lexikon III 565 f.).
X. Colonia Flavia (später Aelia) Scupi (Zlokucan hei Üsküb).
A. J. Evans, Archaeologia XLIX I ff. ; A. v. Domaszewski, Arch.-epigr. Mitth. XIII 144 ff.; 151 mit A. 107; CIL III S p. 1460 ff.; Westd. Zeitschr. XXI 174 f; J. W. Kubitschek, Imperium Rom. 237 f.; M. G. Diraitsas a. a. O. (s. Sp. 2) 344 ff.; Jahreshefte IV Beibl. 95.
Unsere Hoffnung auf eine ausgiebige epigra- phische Nachlese in Üsküb und dessen L^mgebung erfüllte sich nicht; seitdem Evans und v. Doma- szewski die Gegend mit reichem Ertrage abgesucht hatten, scheint so gut wie nichts neues zum Vorschein gekommen zu sein. Wir verglichen CIL III S 8201 ; 8220; 8221 (unten n. 43^; 8225 (Üsküb, im Viertel Tabakschein-Male bei der Suuk-Tschesme vor einem Hause im Pflaster); 8235. Verloren scheinen CIL III S 819I (vgl. p. 2250); 8213.
Nächst der Mühle von Bardovce wurde im J. igoi ein .Steinplattengrab ausgegraben ; eine gleich- zeitig gefundene Inschriftplatte wurde angeblich in den Fundamenten des Mühlganges vermauert. In der Kirchenruine von Ljubance (n. von Üsküb) be- findet sich an der Ecke r. vom Eingange ein großer Block aus weißem Marmor mit sichtbarer profilierter Seitenfläche, der wahrscheinlich eine Inschrift trägt; trotz wiederholter Bemühungen waren die Orts- bewohner nicht zu bewegen, den Stein umzuwenden. Der Standort der jetzt anscheinend verlorenen In- schrift n. 8193 war nach N. Morten, Skizzenbuch (o. Sp. I) f. 32', 'sulla coUina destra imbaccando la vallata per Elesan [= Eies Han] (il colle e detto Cuciavista \^= Kuceviste])'.
Im österreichisch-ungarischen Consulate in Üsküb befinden sich mehrere, größtenteils durch Herrn Sectionsingenieur Franz Jenisch in Köprülü im J. 1890 dahin geschaffte Antiken: eine Grabschrift (oben Sp. 7 n. 10) und ein Relief (oben Sp. 7) aus Stobi; CIL III S 8184; 8185 (vgl. oben Sp. 35); 8270 (im Garten); 12316 (oben Sp. 10 n. 13).
37
Antike Denkmäler in Serbien und Maccdonicn
38
43. CIL Itl S 8221 (nur das 1. Inscliriftfcld). Grabstele aus grauem KalktulT, oben abgebrochen, li. a'Gö"", br. O'g;™, d.O'lS". Im oberen l'"eldc vier- blältrige Rosette, oben durch den Bruch beschädigt. Darunter nebeneinander zwei eingetiefte rechteckige Inschriftfcldcr, von profilierten Doppelleisten ein- gerahmt, jedes h. lOI", br. 0"30; Buchstaben aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts, auf dem r. Felde besonders stark verwittert, h. 005 — 0'03'". In RadiSane nördlich von Üsküb im Garten des Nebi Effendi.
D A\ IVAK RONl VSVK
VIX ITA
hlUOS XLVICOR IVELIASE CVMDA COKIVQ BENtAALR fO S
D{is) iii{aiiihiis) L. Var- roiti- 1IS Ur- 5 baiitis, vixii a- nnos
XLVI. Cor- nelia Se- ro cunda coniiigi bciie inetienli) po{siiit).
D AAS Cop-NE
NDAVIX ^J/^NNOS 5
SEPOS
VITPAE LiVSFiH
AvWSTVA .0 ßO/MlAA AX I AA\JS rrVALflET FIRMI/./A
FILIM8M ,5
Ell [\
D(is) in{anibus) s{acrnm).
Corne- lia Sccii-
tiäa, vix- 5 il annos
LX. Viva
se pos-
uit. P. Ac-
liiis Fir- 10 iiitis et Va^r-
roiii M-
axiinus
et Valcs et
Firmiiia laßli m{atri) b{cne) m{erenli)
Die sehr schwierige Lesung des rechten Feldes beruht zum größten Teile auf einer Graphitdurch- reibung.
XL BlaiSc.
A. V. Domaszcwski, CIL III S p. I4O5.
44. CIL III S 8238 (nach N. Morien). Zu dieser wichtigen, jetzt anscheinend verschollenen Inschrift enthält N. Mortcns .SUizzcnbuch (f. 23) eine von der im Corpus mitgeteilten etwas abweichende Abschrift.
, Sulla sinistra del Vardar a Vlascia per basello alla poda della antica chiesa latina o grcca distrutia dalla invasione Turca dctta St. Giorgio.'
lOVIETIVNO Sir.TDRACCO
nJetdracce
NA ET ALE XANDRu EP ^•^MCHANVSS VRIOCTAVI C- V- POSV I
lovi et luno- iti [«]/ dracco- iii et dracce- na[e] et Ale- 5 xaiidro Ep\_i- l]yiichanus s'ervtis) F]iiri Octavi c{larissimi) v{iri) posti[il.
,Morten trovö e raccolse 1872.'
Morien liest (Z. 7) hier und CIL III 8238 [F]uri Octavi, elienso W. Hcnzen nach dem Ab- klatsche; dagegen corrigiert v. Domaszewski mit Hinweis auf den bekannten C. Furius Octavianus (oben n. 33. 35), Consul um das J. 220, [F]uri Octavi[ani]. Doch weist die vorliegende Dedication an den bekannten Alcxandros von Abonuteichos, dessen Treiben bis 177 währte, auf eine beträchtlich frühere Zeit hin; man wird daher wohl an Mortens und Henzens Lesung festhalten und in dem Furius Octavius c. V. den Vater des Furius Octavianus und Gatten der Furia Caecilia erkennen dürfen (vgl. zu n- 33)-
XII. Kumanovo.
CIL ni p. 26q; A. J. Evans, Archacologia XLIX 154(1".; A. V. Domaszewski, Arch.-epigr. Mitth. XIII 152 f.; CIL III S p. 1466; 2308"'.
45. Nach gütigen Mitteilungen des Herrn Prof. Ljuba Kovacevid (Belgrad) an Herrn Kustos Dr Patsch (Sarajevo) und an uns wurde im Dorfe Klecovci (zwischen Kumanovo und Kratovo) beim Abtragen eines Baues eine auf drei Seiten beschriebene Ära gefunden, welche sich gegenwärtig ebenda im Konak, mit der Schriftscite dem Boden zugekehrt, befindet. Leider gelang es bisher nicht, einen Abklatsch des wichtigen Stückes zu erhalten; so teilen wir es vor- läufig in der im J. 1900 genommenen Abschrift des Herrn Prof. Kovacevic mit.
3*
39
A. V. Premerstein
N. VuHc
40
CENIA NOET BA
L. Neben- Vorderseite: R. Neben-
seite: Seite:
FANG MC
PRO SAL AVC- N-
APOLLONIDES
EORVND- VECT-I ^
5 LYR- SER DSCST-I
LAA'L LVD- QW VOVE
RA- DSC- STA- VIZI
V- S- L- M-
Zu Z. 5 am Ende bemerkt Herr Prof. Kovacevic, daß auch SIT oder ST' T gelesen werden liönnte; vielleicht stand STA da.
Vorderseite: [fGeiiio | stcil(ioiiis)] Fanoma§(ucn- sis) I pro sal{tile) Aug\_g.'] ii[u.] | ApoUonidcs \ eoniii- d{em) i<eci(igalis) /[/]|/)'r(ic;) ser(vtis) {contra)sc{ri- plor) sl[at{ionis) \ F]a{tii?) M{agiii?) hid.{?), quam vove\rat (contra)sc{riplor) stat'Jonis) Vizi{ani). V(o- Itim) s{o!vit) l{ibef!s) in{erito).
Linke Nebenseite: [G]£K[/]ja|;;o et \ Ba[sso \ co(ji)s{uHbtis)]. (J. 211.)
Rechte Nebenseite: (Monokondylion) Viziii\ii!is.
In Z. 2 stand sicher ursprünglich AVCC" N N ; das zweite G und N wurde bei der damnatio memo- riae Getas im J. 212 eradiert. Daß sich bei Kumanovo eine Station des illyrischen Zolles (gegen Thracia) befand, wußten wir bereits aus CIL III S S243 vom J. 216 (dazu A. V. Domaszewski a. a. O. 152 f.; unsere Anm. zu n. 59); ihr Name könnte in dem Fano mag. (Z. l) sowie in den noch unsicheren Resten Z. 6 Anfang stecken. Dagegen ist die zweite hier genannte Zollstation Vizianus (Z. 7 und r. Nebenseite) wohl identisch mit dem 0'JsXXav£; des Ptolemaeus (geogr. III 9, 4) und dem Viciano der Tab. Peut. (Beclano beim Anonymus Ravennas), welches an der Straße Naissus — Lissus im südwest- lichen Obermoesien unweit der dalmatischen Grenze lag und von A. v. Domaszewski (a. a. O. 144 ff.) und R. Kiepert (CIL III S Tab. IV) in der Gegend von Vucitrn angesetzt wird. Durch die Dedication, deren Gegenstand vielleicht in LVD (Z. 6) steckt, erfüllt ApoUonides ein Gelübde, welches er an seinem früheren Dienstorte (Vizianus) noch vor seiner Ver- setzung nach der Station bei Kumanovo getan hatte. Über die Versetzungen subalterner Zollbeamten von einer Zollstätte auf eine andere handelt K. Patsch, Rom. Mitlh. VIII 194 f.; dazu jetzt CIL III S 15184 >■ ■•■ 8-
46. (Nach Copie und Abklatsch des königl. serbischen Zollbeamten Ilija S. Jelic in Ristovac.) Grabstele, h. I'sy™, br. 0-75", d. 0'30"', bestehend aus einer Sandsteinplatte (d. 0"24™), aufweiche eine Schicht Marmor (d. 0-06™) mit der Inschrift aufge- kittet ist. Inschriftfeld von profiliertem Rahmen um- geben, h. 0-77™, br. 0'385°'; zierliche Buchstaben aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts, h. o'oG bis 0'055". Vor etwa 15 Jahren ausgegraben in der Nähe der serbischen Grenze (bei Ristovac) in dem türkischen Dorfe Kraljeva Kuia ; befindet sich seit etwa 4 Jahren bei der dortigen Zollstation.
D{is) m{anihus). Ulp(ia) Aiidia rarissiiiui, t'ixil aniiis 5 LXV, }t(ic) s{ila) c{st). SU Uli terra levis. Rufria Amah- ilis mairi pi- 10 enlissimac ßacicndinn) riuravit).
BslTISSIMAE F C
XIII. Naissus (Nis).
Jahreshefte III Beibl. 128 — 136; IV Beibl. 13; bis 142; vgl. unten zu n. 50; A. v. Domaszewski, CIL III S p. 2328'°' f.; Westd. Zeitschr. XXI 174. Über neue Funde (Porträtkopf Konstantins d, Gr.); M. M. Vasii, Rom. Mitth. XVI 47 ff.; E. Michon, Bulletin de la soc. des antiquaires de France LX (19OI) p. 125 ff.; zu den Silberschalen mit der Marke Naiss(us) CIL III S 14595'; F. Gramberg und J. Hampel, Archaeologiai Ertesitö XXI (igoi).
Ein Aufenthalt in Derven und eine von dort aus unternommene Excursion nach Nisevci und den Ruinen von Svrljig grad, wo sich angeblich In- schriften vorfinden sollten, blieb ohne nennenswertes Ergebnis. In der Kirchenruine Banjica unterhalb .Svrljig grad sahen wir mehrere Fragmente weißen Marmors, von der profilierten Umrahmung einer Platte herrührend, ein ganz kleines korinthisches Capital und Bruchstücke römischer Ziegel.
47. Eine im CIL III noch nicht verzeichnete Inschrift aus Naissus enthält das Buch des evan- gelischen Geistlichen Salomon Schweigger, der im
4'
Antike Denkmäler in Scrl>icn und Maccdonicn
42
J. 1577 den kaiserlichen Bolscliafter Joachim von Sinlzcndorff als Prediger nach Constantinopel l)e- gleitete: „Ein newe Reyßbcschreibung auß Teutsch- land Nach Constantinopel vnd Jerusalem" (Nürn- berg 1608; ebd. 161 3). Hier heißt es in der Be- schreibung des Aufenthaltes in Nis am 7. und 8. Deccmber 1577 (S. 41 des Druckes von 1613):
„In dem Städtlein Nissa . . . bey vnserm Losa- raent, welches ist gewesen dcß verstorbnen Beegen oder Landvogts behausung, hab ich funden ein alten Marmorstein einer Elen hoch, vnnd halb so breyt mit dieser Schrift:
D. M. Aurclia: Floreiilinx dulcissima:, el Victori- nae el Candidani, et Vrbi. aticl. liber. Severo el sibi el suis posiiit."
Wahrscheinlich ist zu emendicren: Candid[i]ani et Urbia[no e]t liber(to) Severo u. s. w. Die In- schrift ist am Ende wohl unvollständig; der jetzt fehlende Name des Dedikanten im Nominativ stand jedenfalls elicdem hinter ,posuit'.
XIV. Timacum minus (Ravna).
Jahreshefte III Beibl. 137—146; IV Beibl. 142 bis 146: A. v. DomaszewsUi, CIL III S p. 2328"" fT.; K. Patsch, Wiss. Mitlheil. aus Bosnien VIII (1901) 123 ff. 130.
In den Castellruinen lagen bei unserem Besuche am 25. und 26. September 1902 von den bereits be- kannten Stücken nur noch CIL III S 14577; 14587' ferner sahen wir den unteren Teil von n. 14585 im Hofe des Milis Milic als Unterlage eines Steintroges, n. 14586 im Hofe des Blagoje Gjokid bei einem Nebengebäude. Jahr für Jahr werden zahlreiche In- schriften, die aus den Fundamenten des antiken Castells ausgegraben werden, in Neubauten des Dorfes Ravna vermauert.
48. Ära aus grauem Sandstein, h.O'gS"", br.0'48", d. 0'32™; oben Gesimse, unten Ablauf. Inschriftfläche h. O'öj ■", br. 0'48"'. Sorgfältige Buchstaben des be- ginnenden 3. Jahrhunderts, h. 007 — 0*035 ". Ge- funden in den Fund.araenten des antiken Castells bei Ravna in der Mitte der dem Timokflusse zugekehrten Front; liegt ebenda.
In Z. 3 ist nach NN ein Buchstabe (ohne Zweifel ein drittes N) getilgt. Angefangen von dem C' ATRIVS in Z. 5 bis zum Schlüsse ist die Schriftfläche tiefer als im oberen Teile — offenbar infolge Tilgung einer frühe- ren Schrift. Daß Z. 5 ff. später eingemeißelt wurden, zeigt außerdem der Beiname Antonini.ana (Z. 7 f.), der
den Truppenkörpern zu Lebzeilen des K. Severus (Z. 3 f.) noch nicht zukam. Ähnliches wiederholt sich in einer anderen Dcdication desselben Officiers (n. 49). Es stand demnach hinter impp. (Z. 5) ursprünglich noch ein dritter Kaisername, der des Geta, etwa in der Form ,ct Getae Caes(aris)', worauf die Bezeichnung des Dedicanten (wie jetzt in Z. 5 — 8) folgte. Die Ära ist danach zwischen 208 und 211 gesetzt. Bei der damnatio memoriae des Geta im J. 212 wurde nicht allein, wie in der Regel, dessen Name und Titulatur, sondern auch der ganze folgende Teil der Inschrift eradicrt. Letzterer wurde dann — unter Beifügung des neu verliehenen Beinamens Antoniniana — auf der abgearbeiteten Fläche als Z. 5 — 8 neuer- dings eingemeißelt. Auf diese Art sollte die sonst durch die Erasion entstehende häßliche Lücke, die anderwärts entweder frei bliel) oder durch Interpo- lation (vgl. die Bemerkung zu Jalireshefte IV Beibl. 97 n. 3 a) ausgefüllt wurde, hier vermieden werden.
MfNOR:NNM-SE
RAT-TRfB'COH«'A^REL DARD-ANTONfNl ANAE-K-E Q- L-^P'
Marl{i) cq{uestri) \ pro salule do\minor{um) «»;[«.] Se\veri et Antonini \ impp. (= imperaloriim) G. Alrius Deco\ral{iis) liib(iiniis) coh{ortis) II Aurel{iac) \ Dard(anoriim) Anlonini\anae {mitliariac) ci;{uitatac) /(ibetts) p{osuil).
Der Mars eq(uester), der unseres Wissens hier zum ersten Male genannt wird, führt diesen Beinamen wohl als Heeresgott, welcher der Cohortenreiterei und ihren Übungen vorsteht; über den verwandten Mars campester (CIL II 4083 vom J. 182) A. v. Do- raaszewski, Westd. Zeitschr. XIV 36 f. mit A. 155 (vgl. Jahreshefte II l8g). — Die Persönlichkeit des Tribunen G. Atrius Decoratus (Z. 5 ff.) erscheint hier und in n. 4g zum erstenmalc, ebenso der vollständige Name der von ihm commandierten Cohorii-, wi*
43
A. V. Premerstein
N. Vuli(5
44
welcher in CIL III S 14576 (= Jahreshefte IV Beibl. 143 D. 49) ein mil(es) coh(ortis) II Aur(eliae) Dar(danorum), unten n. 5 1 ein raed(icus) co[h(ortis)] II Aur(eliae) Dar(danorum) bezeugt wird. Zu den im Marcomanenkriege M. Aurels, wahrscheinlich schon im J. 166 aufgestellten cohortes Aureliae vgl. Jahres- hefte III Beibl. 151 ff.; IV Beibl. 135; 138; 144; 164; A. V. Domaszewslci, Westd. Zeitschr. XXI 174, 105; K. Patsch, AViss. Mitth. aus Bosnien VIII 125 f.; dazu die in Poetovio gefundene Tessera eines optio cohortis II Aur(eliae) Dacor(um) CIL III S 15184'^ (dazu W. Gurlitt, Mitth. der Central-Comm. NF XXVin 21), welche zeigt, daß in der Truppennot dieses Krieges auch in dem besonders stark gefähr- deten Dacien einheimische Milizen ausgehoben wurden. Die cohors II Aur. Dard. hatte nach den oben an- geführten Inschriften ihr Standquartier im Castell zu Timacum, also an der Nordgrenze der Dardania (zu dieser Jahreshefte IV Beibl. 138 f.). Für den Bei- namen Antoniniana (Z. 7f. ; vgl. n. 49 Z. 6), den sich die Truppenkörper seit Caracallas Regierung s.Kmt- lich beilegen (vgl. Jahreshefle III Beibl. 117 zu n. 8), bildet diese Inschrift, deren unterer Teil im J. 212 neu eingehauen wurde, wohl den frühesten bisher bekannt gewordenen Beleg.
49. Ära aus grauem Sandstein, oben und rechts abgebrochen, gr. H. 0*53™, br. 0"44™, d. 0'40'°; un- ten Ablauf erhalten. Schaft mit der Inschrift soweit erhalten, h.0'35", br. 044™, d. 0'30™. Buchstaben des beginnenden 3. Jahrhunderts, h. 0'045 — 0'035™. Liegt im Castell bei Ravna in der Mitte der Timokfront.
SALVTfDQK
O.R-NNN-SFf
ETANTONIlV
' ATRIVSDÄ
5 CO?sATrP.-COHIiAt
3ARDAWTM'IQLf'
\pro
sahiic äom\_i- n\or(um) nun. Scv\e- ri] el Auionin[i impp. G.] Airiiis De- 5 corat{iis) lr{ibimiis) co-
hiotiis) II Au[rel{iae) Dard{aiiorum) Ani{oni-
nianae) m{illiariae)
eq{ititaiae) l{ibeiis)
pipsuit).
"Wie in der gleichzeitigen Dedication n. 48 ist auch hier in Z. 2 das dritte N getilgt, die Schrift- fläche von Z. 4 an leicht vertieft. Die Erklärung ist die nämliche. — Die Lesimg der sehr verwitterten Z. 6 beruht auf der Graphitdurchreibung.
50. Großer parallelepipedischer Block aus weißem Marmor, h. i^S"", br. O'qIj™, d. 0'52 — o'6o", durch
einen verticalen .Schnitt in zwei Teile zersägt, von welchen der linke breitere unten abgebrochen ist. Auf der Vorderseite in einem profilierten Rahmen, der bei dem r. Bruchstücke ringsum abgeschlagen ist, das eingetiefte Inschriftfeld, h. I'07'", br. 0"S3™; gute Buchstaben aus dem Ende des I. Jahrhunderts, h. o'l07 — 0'oG5". Die 1. Nebenseite ist leer. Auf der r. Nebenseite in größtenteils abgeschlagenem Rahmen (obere profilierte Doppelleiste erhalten) stark bestoßenes Relief: Delphin (von 1.) nach unten, hinter ihm Dreizack. Gefunden im antiken Castell bei Ravna, wo er als Baustein gedient hatte; das 1. Stück (gr. H. O'go™, gr. Br. o'72"') liegt noch im mittleren Teile der Timokfront ; das r. Stück (h. I'SS"", br. 0'725"'), welches von uns bereits im J. 1899 co- piert wurde (Jahreshefte III Beibl. 13g n. 39 ^ CIL III S 14589), befindet sich noch immer im Dorfe Ravna im Hofe des Stojan Ivkov.
PR'CrMVIjpNf'
CL'ARISTONfötM fllTaSVo'CVM'
.1
Ti. Cl{audio) Ti. f{iUo) Qiiin{tia) \ Mcrciiriali \ pr{aefeclo) [coh{ortis)'] I Monl{anorum). \ Cl{audia) Aristonice ina\rito siio cum \ C[/]rt;/ii;[o] Aristo- ni\[co
Der Blattpunkt am Ende von Z. I steht auf der Randleiste. In Z. 3 stand CoH; erhalten ist das C (im Bruche), der untere Teil der 1. Haste und die r. Haste (im Bruche) von H. In Z. 6 ist nach CLAVDI Raum für ein kleines O.
Durch den Fund des umfangreichen 1. Bruch- stückes wird die von uns a. a. O. 139 f. begründete Vermutung zur Gewißheit, daß das Denkmal ein Seitenstück zu dem des praefectus coh(ortis) I Thra- c(um) Syr(iacae) in Moesia eq(uitatae) L. Vecilius Modestus CIL III S 8261 (= Dessau n. 2733) bildete.
45
Antike Dciikniäk'r in Scrljicn und Maccdonicn
46
Die Ühcrcinsiiminunj; in den Dimensionen, der Orna- racntierunt; und dem .Schriftcharakter und die Stellung des Reliefs mit dem Delphin und Dreizack auf den entgcyenyesetzlen Nelicnseiten (bei CIL III S 8261 links), während die andere Nebenseite beide Male leer gelassen ist, machen es mehr als wahrscheinlich, daß beide Inschriftblöcke an dem nämlichen Grabbauc symmetrisch — mit je einer Nebenseite und der Rückseite an eine Mauer anstoßend — angebracht waren. Die cohors I Thracum Syriaca wurde wahr- scheinlich im J. 86 anläßlich der Vorbereitungen Domitians zum dakischcn Kriege aus dem Orient nach Timacum minus verlegt, wo sie seitdem ständig verblieb; ihr Commandant Vecilius Modestus starb wohl noch vor der Teilung Mocsiens in zwei I'ro- vinzen (a. a. O. Sp. 138). Aus seiner Grabschrift bestimmt sich auch die Zeit des vorliegenden Denk- mals; die darin genannte (cohors) I Mont(anorum) dürfte identisch sein mit der gleichnamigen Truppe, welche die Militärdiplome für die Jahre 80, 84, 85 und 98 in der noch ungeteilten Provinz Pannonien, dann für 114 und 167 in Pannonia inferior ver- zeichnen (C. Cichorius bei Pauly-Wissowa IV 317; Index zu CIL III p. 2496); auch sie wird — wegen Di])lom XVII nach dem 5. September 85 — zum D.ikerkriege Domitians aus Pannonien vorüber- gehend nach dem moesischen Timacum verlegt worden sein; in diesen Kämpfen könnte sie sich gleich an- deren daran beteiligten Truppenkörpern (E. Ritter- ling, Korresp.-Blatt der Westd. Zeitschr. XXI I53f.) den Ehrenbeinamen ,civium Roraanorum' erworben haben, den sie im Diplom XXVII vom J. 98 trägt.
Durch die Besetzung des Eingangs zum Timok- defile mit zwei Cohorten, der II Thracum und der I Montanorum, sollte offenbar vor allem das Herz der Provinz, Naissus, geschützt werden, wo die von den Lagern Viminacium und Ratiaria ausgehenden Straßen zusammenliefen. In Naissus dürfte auch höchstwahrscheinlich die Hofhaltung und das Haupt- quartier Domitians während des Krieges zu suchen sein, von dem Cassius Dio LXVII 6, 3 zum J. 85/86 berichtet: ä ioiirtiavos |isv ouv s^EOtpaTiOiaxo |isv iii aÜTOüs (die Daker), oü |isvxot xal xoü t:oXe|iou itpoarj']ta,io, iXk' ev JtöXet xivl Muataj üj:o|is£va; üfpt^sv ü)a-sp siiöS-st.
51. Fragmentierte Platte aus brüchigem grauen Sandstein, gr. H. 0'6o "", br. O'Soj ■", mitten ent- zwei gebrochen. Das vertiefte Inschriftfeld, soweit erhalten, h. 0'45'", br. 0'405'", wird nach oben von einer einfachen Leiste, r. und 1. von einem profdierlcn
Doppelralimcn mit Rankenurnamcnt begrenzt. Mittel- mäßige Buchstaben aus dem Ende des 2. oder dem Beginne des 3. Jahrhunderts, stark abgerieben, aber mit reichlichen Spuren aufgetragenen Rötels, durch welche die Lesung an ein paar Stellen gesichert wird, h. 0'055 — 0'035"'. Auf der 1. Nebenseite zwischen zwei Leisten Stück eines Reliefs: Stab, von einer .Schlange umwunden. Auf der r. Ncbenscitc ebenso eingerahmt Stück eines Stabes. Gefunden in den Ca- stcllruinen bei Ravna; lag im September 1902 im Ilofc des Jclenko Mili«;, um daselbst in den Eunda- menten eines Neubaues vermauert zu werden.
D{is') vi(anibiis). T. Ae[l(io)] Mar- lici[l{i)] meä{ico) co[h{orlis)] II Aur(eliae) Dar{danonim)[s]tip{endio-
nim) XXII iiuilcr cl Acl{ia) {L]atina
Über die Z. 4 f. genannte Cohorte vgl. zu n. 48.
52. Grabstelc aus weißem Marmor, mit dem Zapfen h. 2'lo"', br. 0'66"', d. Ol 8". Oben Kranz; darunter das vertiefte Inschriflfeld, h. O'öl", br. 0'38'", von einer profilierten Doppelleiste umschlossen; Buch- staben des 3. Jahrhunderts, roh eingekratzt, mit Spuren roter Farbe, h. 0"o6 — 002"'. Fund- und Stand- ort wie bei n. 48.
D{is) m{ambus). Aelia Plo- tina, vixit ann{is) LX. 5 Aiitielius) Valcs et Pc- iilia Siirilla co- itiges L{iicis) Egii[a]- t{is) Arislia[iio, Stipcro mil(ili)coh(fir-
tis) II . . D{ardaitonim?) et \ RaUistiano e[t]
X[c- '° gl^yio filiis eins.
AELi/fP;.j
Tina
Tiimiiuh CO
.^VPEP-OMSICOHU
In Z. 9 ist RaUistiano wohl verschrieben für Kallistiano. — Z. 10 steht mit ihrem unteren Teile
bereits auf dem Rande.
47
A. V. Premerstein
N. Vulic
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53. Bruchstück einer Platte aus weißem Ivalli- steiu, gr. H. 0-83", gr. Br. 0-45"', d. O'^S'". Über der Inschriftfläche Rest eines profilierten Doppel- rahmens mit Rankenornament erhalten. Schlanke Buchstaben aus dem Anfange des 3. Jahrhunderts, h. 0"045 — 0'04"'; Z. I völlig zerstört. Gefunden in den Ruinen des antiken Castells bei Ravna; jetzt
im Dorfe Ravna im Hofe des Stojan Iv- ; kov (Ivkovic).
Scp{timiiis)]} FeU]x Vi:i(eranits), vix{ii)
an\ji{is) LVILelS[ep{tiinio) 5 Tcslae vel(eraiio), lvix{ü) aiin{is) [X]X . .
54. Unregelmäßig zugerichtete Platte aus grauem Kalkstein, gr. H. 0-68", gr. Br. 071", d. überO-I3"". Die von der Inschrift eingenommene Fläche ist h. 0'55™ br. 0'38™. Buchstaben des 4. Jahrhunderts, h. 0"035 — 0"025™, sehr schwer leserlich. Liegt mit der beschriebenen Seite nach aufwärts im Keller des Nikodija Jeftii zu Ravna; in der Mitte ist eine vier- eckige Öffnung durchgeschlagen, in welche ein hiil- zerner Stützpfeiler eingerammt ist.
BEWf©CMlDrww'ofrf|©5orepo
D{is) i(nferis) m{anibus). Vakrius Iovinii[s ex ducena[rio ? eqtiiliim] promo-
ior{tiin), q{iii) vix(it) [ann[os) a[g\iii[ta
dos (= dtios). Pal[rono impro]iniscua[c 5 fide, Nclslori? sui] temp{oris), morib{us) bene cogni[t]o, iu[sto,] oficios{o), opero- so Vibia Sicca et Va{leria) Marcella et Fla- via lovina [ob ab]slc\_uii]c nob{iliter)[q{ue) facta memo\_ria']m [fe]c(erunt).
Die überaus schwierige Lesung beruht in der Hauptsache auf Abklatsch und Graphitdurchreibung. Z. 2 am E. hat unsere Copie '^' \APROMO, was für die Ergänzung [equitum] promotor(uni) spricht. Z. 4 f. könnte man statt [impro]miscuae fide ,von lauterer Treue' vielleicht auch [non projmiscuae fide ,von nicht gewöhnlicher Treue' ergänzen. In Z. 8 paßt nach den Resten wohl nur [ab]ste[mie], welches hier , uneigennützig' bedeuten wird.
55. Platte aus brüchigem grauen Muschelkalk, unten abgebrochen, gr. H. O'gys", gr. Br. 057", d. 0"30™. Oben und r. Reste von Randleisten er- halten. Inschriftfeld, h. 0'6S™, gr. Br. 0'52", infolge der Brüchigkeit des Materials sehr beschädigt. Gute Buchstaben aus der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts, h. 0'075 — 0'04™. Im Hofe des Jelenko Milijic als Stütze eines Wirtschaftsgebäudes.
((EMER'
Bcn\eiiier{cntis) — . Cljaiidii ? Ni\grini, vi\x{it) aiiii(is)' X; 5 h{icy] s{itiis) c{st). Huitc se vivo [hoc mo]nii\_meiito — . Claii]äiHS Oiiiii[t . . .
stein, gr. H. 0-56°, br. über OS;"" und r. erhöhter Rand erhalten. Gute Buchstaben des 2. Jahrhunderts, h. O'OJ — O'oöj"", mit Spuren roter Farbe. Am Eingange des Dorfes Ravna an einer Scheuer des Rajko Ivkovic außen an einer Ecke eingemauert.
D{is) m{aiiibiis). Claudia Theodosia, T'\heodosiu[s]
57. Zwei zusammcngeliörige Bruchstücke einer Platte aus grauem Kalkstein, gr. H. 0'88", gr. Br. ovo"". Inschriftfeld, unten abgebrochen, h.0'85", br. 0-375'". C;"'*^ Buchstaben aus der Mitte des
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Antike Dc-nUmiilcr in Serliien und Afacedonien
50
2. Jaliiluuulcrls, I1. O'IO- 006"'. Gefunden in den Kuinen des antiken CaslcUs, jetzt im Dorfe Ravna im Hufe des Kaka Milijiö'als Stützen eines Speichers.
D{is) iii{iuiibiis). Fl(avia) P[r]is- ca, [t/]j.v(«7) aii{nis) [X]XVn, 5 /;(iV) [s{ila)\ e{sl). L. /li,')«[(]//i/x Pu\_lch1cr
Z. 2 ist die gerade Haste des R im Bruche erhalten. In Z. 4 scheint nach AN" noch der obere Ansatz eines X vorhanden zu sein. 58. Rechteckige Grabstele aus weißem Kalkstein, h. r8l™, br. 0'63 — o'go™, d. 0"29". Das Inschrift- feld, h. 0'94°', br. 0'53™, ist von einem profilierten Doppelrahmen, dessen äußere Leisten ein Ornament von Efeuranken tragen, umgeben; gute Buchstaben aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts, h. O'OÖj bis O'Oj™. Im Felde darunter in der Mitte Amphora, aus welcher zwei unten verbundene, nach r. und 1. überhängende stilisierte Reben mit Blättern und Trauben hervorwachsen; 1. am Rande, mit der Spitze nach abwärts gestellt, kurzes Schwert; r. oben in der Ecke kleiner Becher, darüber runde Scheibe. Gefunden im antiken Caslell bei Ravna; der obere Teil (gr. H. O'/O™) im Hofe des Jelenko Milijid als Stütze eines Wirtschaftsgebäudes; der untere Teil (h. I'IO"), von uns bereits im J. 1899 gesehen (Jahreshefte III Beibl. 143 n. 44 = CIL III S 14578), seit 1897 im Garten der Infanteriekaserne zu Knjazevac vor dem Gebäude des Regimentsstabes aufge- stellt.
D(is) m{anibus)
P. Flotii) Lib{eralis),
v{ixit) an'jtis) XXV, et
Ar- (e)l{Uae) Mat{eniiie), v{i.xil) aii(iiis) XXX.
D M P^FLOKIIB V^AN)^ETAR
i PFLORIAQW FFAIBNAATRI ';;SS^^:^i;r''^^
B M '?0S ''^""^ in(cn,itib,is)
yos{inl).
Jabresbefte des üsterr. arcbUol. Institutes Bd. VI Beiblatt*
59. Grabstclcaus weißem Kalkstein, unten abge- brochen, gr. H. I-32"", br. oö;"", d. o^ö"". Im Felde über der Inschrift in halbkreisförmiger Ver- tiefung ein weibliches Brustbild von vorne; in den Zwickeln je eine l'.almette. Das eingetiefte Inschrift- feld, h. O'GS"", br. 0'43"', wird beiderseits von einem profdierten Doppelrahmen abgeschlossen, dessen äußere Leisten Efcuranken zieren; deutliche Buch- staben aus der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts, h. 0'055 — 0'04°'. Das Rclieffeld unter der Inschrift ist bis auf einen kleinen Rest r., der eine abwärts geneigte Rebe mit einer Traube zeigt, abgebrochen; CS trug wohl einst die auch hier sehr verbreitete schematische Darstellung des zweihenkeligen Gefäßes, aus dem zwei stilisierte Reben hervorwachsen. Liegt in dem antiken Castell bei Ravna unweit der Mitte der Timokfront.
Dis man(ibus).
DIS' MAN' ^;''"/r'1'vv/v i
i\/T I& ÄKITriillrii t'{ixit) a{tiitis) \\I\, el
\r fi vy Vv n?' ^''""' (= ^"'""^ alumuio). V'A-Xa-IA' ci s liixil) a{imis) V. AMIle-
CALBO-AD/MN „s vniias) comugi
5 "V ^- A*V ACHILI£ et alinnno b{ene) m{eren-
VS^ViL' CPNNCI libi's)
f TAD/MNOß-M- 'i 'i'"""' ^"^''- It ANTON MNVIC '''""'^' Achiuius,
fliSNVSACHIIilVi ^"AchiUia m{alri) d„lc{issi.
,0 ACHIimM-DVlC '",'")
'S 'M • P' b{ene) m{erenti) p{osue-
null).
Der Achilleus vil(icus) (Z. 5 f.) wird identisch sein mit dem Achilleus eorundem (d. h. der Kaiser) ser(vus) vi[l(icus)l (so nach v. Hahns Lesung), der als Zollbeamter zu Kumanovo bedienstet war (CIL III S 8243 vom J. 216). Seine coniux (Z. 6) ist, wie auch sonst bei kaiserlichen Sclaven (Mommsen, St.-R. II' 836, 5), eine Freie, lulia Antonia (Z. 2). Anscheinend war das sonst verpönte Conlubernium einer Ingenua mit einem servus alienus (Paul Meyer, Der röm. Concubinat 32 f. mit A. 64; 41 n. 3) in diesem Falle gestattet. Die Kinder waren ingenui und nahmen den Geschlechtsnamen der Mutter an (Z. 8 ff.); desgleichen bei den servi publici (Mommsen, St.-R. P 324. 5)-
60. Unterer Teil einer l'latte aus weißem Kalk, gr. H. 070 ™, br. 077 ■", d. o"23 ■", vertical ent- zwei gebrochen . Das eingetiefte Inschriftfeld wird zu beiden Seiten von einer profilierten Doppclleiste,
51
A, V Premerstein
N. Vulic
unten von einer einfachen Leiste abgeschlossen; gr. H. 0'64™, br. O'Sa™. Zierliche Buchstaben aus dem Ende des 2. oder dem Anfange des 3. Jahrhunderts, h. 005 — 0'045™. Gefunden in den Castellruinen bei Ravna; lag im Dorfe Ravna im Hofe des Jelenko Milic, um in dessen Neubau vermauert zu werden.
vi]x{H) an[n{is) . ., ? Hera- cliits vix{it) aiiu(is) V ei Exsupe[r]aliis v{ixit) a{nnis) III. Sepi{imins) Herculaniis 5 palei- e[t] Aii[r{<:Ha)] Dincii- iilla m[atc\r filis cUilcis[s]iinis et sibi se viventibus pos[ueriint).
In Z. 3 steht III auf der r. Randleiste. — Dinen- tilla (Z. 5 f.) ist das Deminutiv zu Dinens (CIL III
S 13044)-
61. Unterer Teil einer Ära oder Basis aus grauem Sandstein, gr. H. O'ei"", br. 0'42°', d. über 0'34'". Vom Inschriftfelde ist nur die unterste Zeile erhalten; Buchstaben des 2. oder 3. Jahrhunderts, h. 0'035°'. Liegt am Eingange des Dorfes Ravna 1. von dem Fahrwege, der aus dem Timoktal kommt, unweit des Hauses des Ivko Rajic.
62. IMeilensäule aus weißem Kalkstein, unten abgebrochen, gr. H. 057 ■", Durchmesser 0'255™. Nachlässige Buchstaben aus der Mitte des 3. Jahr- hunderts, h. 0*05 — 0'045". Gefunden im .Sommer 1902 unweit der Station Eies Han, am Ufer eines von Blace herkommenden Gießbaches, wo sich im Boden noch der zugehörige Stumpf befinden soll; jetzt in Kacanik im Garten des Bahnmeisterhauses nächst der Station.
l MPCA BCMESs/
PECIO Pf ^NVlCTO
Iinp'eralori) Ca- cs(ari) C. Messi- o Q{ninlo) Traiano Decio p{io) /{elici) invicto
Au[g{tisto) pioiilifici)] m[axiino) {]r(ibtmicia) potes{tate) . . . co[u)s[uli)
XVI. Ziegel.
Vgl. W. Kubitschek, Mitth. der Central-Com- mission NK XXVII (1901) 219 f.
Die nachstehenden, größtenteils eradierten Ziegel mit Inschriften, sämtlich in der Gegend von Kostolac (Viminacium) gefunden, sind gegenwärtig im Besitze des Herrn Ignaz Weifert in Pancsova (Ungarn). Wo nicht ausdrücklich vermerkt, lag uns nur je ein Exemplar vor.
Ziegel der legio IUI Flavia.
63. (Vjesnik hrvatskoga arheol. drustva N.S V 1 1 901 ] I ). St(empel)fl(äche) O'I I X 0025 " ; B(uchstaben) (3. Jahrb.) 0'02 — O'OIj™.
leg{io) IUI Fl{avia) p(u'') c{onstai!s)?. 64. Sta. 0-155 X 0-025 ■»; B- (2-/3. Jahrh.)
XV. Straßendenkmäler.
Vgl. Ch. Hülsen, Arch.-epigr. Mitth. XII 175 ff.
Der Meilenstein CIL III S 8270 (aus Kacanik) steht jetzt im Garten des österreichisch-ungarischen Consulates zu Üsküb (oben Sp. 36); n. 8271 (aus Eies Han) liegt im Hofe des Gendarmenhauses in Kacanik.
i(siiQoDiFgg.Ynn
hg(io) IUI F[lavia) f{irma) c[urante) Vil{ak?).
65. Dachziegel. Stil. 0-265 X 0-03"'; B- (3 Jahrh.) o'o25 — 0-02".
leglio) IUI Fl{avia) s{uh) Diniiio p{rac)p(ositd).
53
Antike Denkmäler in Serbien und Mncedonicn
54
66. Slll. oly (r. al)gcbroclicn)Xo'035"'; R. (3. Jahrb.) sehr roh, 0-035 — 0'03"'.
wmmM
li.-g{io) IUI l'la[via) sii{b) c(iira) üinic[i p{rac)-
pipsili)}]. Vol. n. 65.
67. (CIL III S 14597 = Jahreshefte IV Beibl. 14S n. 56 mit Facsimilc.) Auf dem Weifertschen E.\emplar (Plattenziegel) steht, deutlich SC SERPF; also : l{i'gio) IUI F{lavia) s{uh) c{iii\]) Sciicui'r) }'\rnc - f{ccli). Marianus.
68. Dachziegel. Stfl. o-2oXo'o:'"; R. (2. bis 3. Jahrb.) linksläufig, O'Olj — O'Ol™.
[qiam? ^^^ipi"
lcg{io) IUI Fl(avia) s{uV) c{ura) Tale pU-aefccti}).
Ziegel der legio VII Claudia. 6q. Stfl. Ol35Xo'03™; B. (3. Jahrb.) linksläull;
oß{icina) }cg{ioiiis) VIT Cl(aiiäiae).
70. Plattenziegel (3 Ex.). Stfl. o-i3Xo'025' B. (2./3. Jahrh.) linksläufig, 002 — 0015™.
[jimM)DM
tcg{ulariiT) leg{ionis) VII Cl{audiac).
Die .Stempel der drei Exemplare weichen von- einander etwas ab.
71. (CIL m 8275, 5.) 8 Ex. Stfl. 0-I95XO-0275"'; B. (3. Jahrh.) 0-025— O'olj™.
Hegio) VII Cl{audia) .i{ub) c{iira) Euf. p{rac)f{ecti).
Bessio.
Mit Euf. ist hier und in n. 72 ein Cognomen wie Euf(cmus), Euf(rasius) usw. abgekürzt.
72. (CIL III 8275, 6.) Plattenziegel, zweimal gestempelt. Stil. ülQsXo'OS"; B. (3. Jahrh.) O'OIS"" bis O'oi"".
l{cgio) VII Cl{audia) s{ub) c{ura) Euf. p{rac)f{cdi)
(Silvanus). Vgl. zu n. 71.
73. (CIL III 8275, 4 a). Größere rechteckige (8 Ex.) und kleinerer quadratischer Plattenziegel; drei etwas abweichende Stempel formen; die Um- rahmung der einen bildet eine tabula ansala nach. Stfl. oi7Xo'05"'; B. (3. Jahrh.) o-02 - o'o 1 5 "".
imäs
lcg{ioiiis) VII Clatidie
s{ub) c{iira) Mucatre p{rac)p{osiii}).
74. Stfl. 0T3 (1. abgebrochen) Xo'^-"": ^• (3. Jahrh.) 0*01 75 — O'OIS "".
lcg(io) r/7] Cl{audia) s(ub) c{ura) Vicioriui p{rae)
p[osili}).
75. Stfl. 0'I25 (beiderseits abgebrochen)Xo'03'"; B. (3. Jahrb.) ü-015 — O'OI "'.
'liil2C^lCv^0?
Ug{io) V]II Cl{audiä) s{ub) c{ura) Viclorini p{rae)
piosili?) . . .
76. Stfl. 0'235Xo'025 ">; B. (3. Jahrb.) 0-02
VII C{Jaudia) s{ub ctira) Vicorini (so) p(rae)[p{o- sitiT)]. F(lavius) Vitalianus.
Zu n. 74 — 76 vgl. die Stempel CIL III 1700, 3; Vjesnik hrvatsUoga arheol. drustva N.S V (1901) I: LEG VII CLA CV C VICTOR! P PER.
77. Stfl. 0"2lXo'02'"; B. (3. Jahrh.) Q-OIS".
l{cgio) VII s(ub) c{iira) Ursac{i) p{rae]f{ccli). Argniio.
4*
55
A. V. Premerslein — N. Vulic
56
78. (CIL III 8275, 2.) Plattenziegel (4 Ex.) und ein Dachziegel, mit etwas abweichenden Stempel- formen. Stfl. o-l5Xo"o6s"'; B. (3./4. Jahrb.) O'oij bis 0*01 ■".
lcg{io) VII Cl{aHdia) renoivala}) iemf{erante) Concor(dio) dtic{e).
Zar Auflösung temp(erante) vgl. Kubitschek a. a. O. 219, 2. Der Concordius dux (wohl von Moesia prima) ist vielleicht identisch mit dem Valerius Concordius v. p. dux Germaniae primae (zwischen 293 und 305; Bonner Jabrb. LVIII 177; O. Seeck, Pauly-AVissowa IV 835) und dem Concordius pro- consul Nuraidiae im J. 295 (Cod. lust. IX 9, 28). Das reno(vata) oder reno(vatum) könnte auf einen Wiederaufbau des Legionslagers unter Concordius gehen.
Ziegel von Auxilien.
79. Stfl. o-i3Xo'035"; B. (2. Jahrb.) 0-03 bis
0-02 "'.
coh{ors) III caiiip{esliis).
Über die Cohorte, die zur Besatzung Daciens gehörte, vgl. C. Cichorius, Pauly-AVissowa IV Sp. 26G.
80. Stfl. o-22Xo'035"; B. (1./2. Jahrb.) 0-03 bis 0-0I5™.
colt{ors) I Flaiviä) His{panorum millinria).
Die Cohorte erscheint in dem Diplom vom J. 93 (E. Bormann, Jahreshefte I 170 f.; CIL III Sp. 2328"^ n. CHI) unter den Auxilien von Moesia superior; unter Trajan, der ihr den Beinamen Ulpia verlieh, wurde sie dauernd nach Dacien verlegt (C. Cichorius a. a. O. Sp. 295). Wegen des Fehlens dieses Beinamens könnte der Ziegel noch in die Zeit vor den dakischen Kriegen Trajans gehören.
Ziegel von Numeri. 81. Plattenziegel (2 Ex.). Stfl. 0-25 X004"; B. (3./4. Jahrb.) linksläufig, 0'02— o-QI".
cq{uites) Dal(ma(ae) ar. s(«fc) c{ura) Verac{i) p{rac)p(osili}); ßecil) Mucianii{s).
Die Notitia dignitatum or. 41, 15. 18 f. nennt in Moesia prima je einen cuneus equitum Dalmatarum in Aureus mons, Pincum und Cuppae.
82. Plattenziegel (2 Ex.). Stfl. o-2lXo-03"'; B. (3./4. Jahrb.) linksläufig, 0-015 ■".
eq{uHcs) sag{i)l{lart) s{iib) c(ura) I[i]a!ici. Br . . . .
In der Notitia dign. or. 41, 14. 17 erscheint je ein cuneus equitum sagittariorum zu Tricornium und zu Lederata.
Ziegel von Castella.
83. Stfl. o-ogsXo'O^S""; B. (3./4. Jahrb. 1 links- läufig, 002 — 0015™.
G
Pinco.
84. Plattenziegel (2 Ex.). Stfl. o-i65Xo'04"'; B. (3./4. Jahrh.) 0-03°'.
cas!{ra) Piiic[citsia).
Über Pincum (Gradiste an der Donau) vgl. Jabres- befte IV Beibl. 76 f
85. Schrift vertieft, br. Ol 2"; B. (3. Jahrh.) h. 0-02™.
TSICWIL?? Triciornium); Val. p{rae)p(ositi)}
Über Tricornium (Ritopek) vgl. Jahreshefte IV Beibl. 117 n. 27 (CIL III S 14528).
86. Plattenziegel 2 Ex. mit etwas abweichenden Stempeln. Stfl. 0-I5Xo"04"'; B. (4. Jahrb.) 0-015 bis O'Oi™. -^ ^
cas{trd) Vtm{inaciensia) s{tib) c{tira) Sc- ti^ccionis du\c{is)\.
Der hier genannte Dux (von Moesia prima) könnte identisch sein mit dem Aurelius Senecio [v. p.] dux CIL III 5565 (vom J. 310).
Ziegel von Privaten.
87. (Arch.-epigr. Mitth. XIX 220 n 84. 2; Jahreshefte IV 149 n. 63.) 2 Ex. Stfl. 0-l2Xo'O2"'; B. (3. Jahrh.) o-oi".
De Licini^iui !'/.
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Antike Denkmiilcr in Serbien und Macedonien
58
88. Schrift verlieft, r. abgebrochen, br. 010"; B. (2. Jahrh.) O'OJS"".
CORMOSl
Cor{iieli?) Mos[chi?
89. Schrift vertieft, br. oiss"; B. (2.;'3. Jahrh.) linksläufig, 0"025 ".
Etwa: He{redcs) Ul{pi) Hc[lc]id{i)f
Ziegel mit eingeritzten Inschriften.
90. Plattenziegel, oben und r. abgebrochen, h. o-36">, gr. Br. o-lSj"; Buchstaben des endenden 3. oder des 4. Jahrhunderts, h. o"04 — 0"035'".
F{lavius)] Valei\ianus Iri- biinus [ ? sagitliirio- rtiiii Hem[escitoruiii ftibrica[iii
Obige Ergänzung soll nur etwas Mögliches geben; eine cohors I inilliaria Hemesenorum sagit- tariorum equitata ist im 3. Jahrhunderte in Unter- Pannonien bezeugt (C. Cichorius, Pauly-Wissowa IV 295).
91. Plattenziegel, 1. abgebrochen; Inschrift br. oig", h. 0'o85™; Buchstaben des 3. Jahrhun- derts, h. 003 — 0025'».
',eYr€Nlc
C/fUJN
^.
x(o 2t-'cov.
92. Plattenziegel; Inschrift br. 0'24"', h. 0'l8"; Buchstaben des 3. Jahrhunderts, h. o'io — 0'035"'.
txo;.
93. Plattenziegel; Inschrift br. oao™, h. 0"I9° Buchstaben später Zeit, h. 009 — 0'045°'.
it'
94. Quadratischer Plattenziegel mit eingeritzter roher Zeichnung und Inschrift, h.o-jaj"", br. 0'54°'. Nackter phallischer bärtiger M.inn mit ausgestreckten Armen, gegen den von r. ein behaartes Tier (Eber?) anspringt; darüber Rind, auf welches ein zweites Tier (Fuchs?) losgeht. L. oben ['I]o[a]vri;.
XVII. Instruraentuin.
95. Bruchstück eines flachen Bronzegcfaßes; als Handhabe ein einwärts gekrümmter Henkel, der oben mit einem angesetzten Entenkopf endigt. An dem Halse punktierte Buchstaben. Im Besitze des Nikola Cibar zu Janjevo (Sandschak Priätina).
■l-V-l
C. Dalmatia.
XVIII. Das dalmatisch-moesische Grenzgebiet bei Guberevci.
J.ahreshefte III Beibl. 151 — 166; IV Beibl. 153— IS5; A. V. Domaszewski, CIL III S p. 2328"'"fr.
96. (Nach Copie und Abklatsch des Lehrers von Ba<;cvac; ebenso n. 97—99.) Profilierte Ära,
59
A. V. Premerstein — N. Vulic
60
li. 0'42™, br. 0"40'°, tief o'jO", mit ornamentiertem Kopfgesimse. Inscliriftfeld h. 0"26™, br. 0"25™; zier- liche Buclistaben aus der zweiten Hälfte des 2. Jahr- hunderts, h. o"035 — o'03 ™. Ausgegraben 1900 in Bacevac unterhalb des Geschäftes des Blagoje Petrovii auf einem Weideplatze; jetzt bei demselben im Hofe.
I'O'M-
*»VITAL1:;
PR O-T SV
LS'V-SL-M
I{ovi) o(plim6) m{a\iino) Vitalis pro el su- is v{otiim) s{olvH) !{ibci!s) ii!{criio).
Z. 2 ist wegen eines alten Schadens im .Steine etwas eingerückt. In Z. 3 ist nach pro durch einen Fehler des Steinmetzen se ausgefallen: pro se cl suis.
97- (Vgl. zu n. 96). Platte aus brüchigem Kalk- stein, oben und unten fragmentiert, h. i'gS ™, br, 0'92™. Oben Relieffeld 1. abgebrochen; in der Mitte ein Kopf von vorne, r. Rankenornament erhalten. In- schriftfeld von profilierten Randleisten eingeschlossen, h. I", br. 0-64™, um 0-05™ vertieft; gute Buchstaben aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts, h. 0"o8 — O'Oö"", an vielen Stellen durch Brüche be- schädigt. Gefunden 1901 zugleich mit antiken Werk- stücken (darunter ein Block, 1. I'I4™, br. I'I4", d. 0-42°'); jetzt bei Petar
Paunovii in Lisovic(nahe Badevac).
D ^ M IVLASCIVS^v'lX ANN-C'EIVbPRC:' eimVIXANNXb LICiNIABON®/. CONIVCreFRiE a^.FUSS'-E-lVhlVLI ANO-GE.KERj^T^RA ALMTVRE©'®;\yx AN\JLX-T-SIBIW^P
D(is) m{anibiis). Iul{ius) Asciiis, vix{it) aitn{is) C. et Iul{ia)
Pro- ciilina, vix{il) aiui(is)
XL. 5 Licinia Bonosa coniugi et fil[i]c cariss{imis) et Iiil(io)
Itili- ano gener{o), vctra(tto) alae Iliireor{um), qni
vix{it) 10 aiin{is) LX, ei sibi viva
p{osuil).
Die ala Itureor(um) (Z. g) dürfte mit der im benachbarten Unter-Pannonien stehenden ala I Augusta Ituraeorum identisch sein; vgl. C. Cichorius, Pauly-Wissowa I 1250; Index zu CIL III p. 24S7.
98. (Vgl. zu n. 96.) Grabstele, rechteckig, h. ''SS", br. 070", d. 0-30". Oben in einer Aedicula (mit Rosette im Giebel) drei Brustbilder. Darunter zwischen zwei nach oben sich verjüngenden Halb- säulen das Inschriftfeld, h. 0"68™, br. o"52'°; rohe Buchstaben des 3. Jahrhunderts, h. o'05 — 0^045 ", zwischen schwach vorgerissenen Linien. In der oberen Schmalfläche Dübelloch. Ausgegraben im Sep- tember 1901 zwischen den Dörfern Velika Mostanica und ]\Ieljak; liegt an der Fundstelle.
FILIKVICSITANlS XXPOSVimNTÖ
A/1VSCER^A.^N1F
D{is) [in{aiiibns). Einb[a\sia Antoni filia, vicsii anis (so) XX Postiit Aiito- 5 uins Germaiii \fi- lie betic mer[cn]t[i.
99. (Vgl. zu n. 96.) Platte, oben abgebrochen, h. i-io", br.o-SS"", d. 0-28 "". Inschriftfeld h.o-GS", br. Cöö"; gute Buchstaben des 2. Jahrhunderts, h, 0'05 — 0045™. Liegt zwischen den Dörfern Velika Mostanica und Meljak.
VlX-AfüV-LXRO
D0PE-\AL£NT19'
CONIVGI-T-SIBI V[
5 \A''E'\ALER[VS-\ALES
SOCRO-ß-M'P-
? S];/[a^';]i Dinic[e]ni. vix(ii) anii(is) LX. Ro- dope Valentis coniugi et sibi vi- 5 va el Valerius Vales
socro b(ene) m{crenli) p{osuerunl).
Die nicht ganz sicheren Reste zu Anfang von Z. I könnten von dem Namen SV^VIS herrühren.
Wien — Belgrad.
A. V. PREMERSTEIN NIKOLA VULIC
6i
62
Zu dem Silberrhjton \on Tarcnt.
Im vorigen Jahrgang dieser Zeitschrift S. 124 fr. habe ich die Beziehungen aufzuzeigen versucht, die das ebenda Taf. I abgebildete Silberrhyton aus Tarent mit den erhaltenen SUulpturwerken der ionisch-Ulein- asiatischen Kunst des fünften Jahrhunderts verbinden. Sie sind so enge, daß sie den ionischen Ursprung des Rhytons als kaum zweifelhaft erscheinen lassen. Wenn nun die Annahme am nächsten liegt, das Stück sei auf dem Wege des Handels aus Klein- asien nach Tarent gelangt, so ist doch die andere Möglichkeit, daß die Arbeit in Tarent selbst ge- fertigt sein könnte, nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Sie in Erwägung zu ziehen, ver- anlassen mich verwandte Züge, die ich in sicher einheimisch tarentinischen Werken, den Terrakotten vom fondo Giovinazzo zu erkennen glaube.
Zuerst mag auf eine Äußerlichkeit in der Ver- zierung der Gewänder hingewiesen werden; das Himation des Mannes auf dem Rhyton und die Chlamys der von rechts auf die Gruppe zutretenden Athena ist mit körnig aufgetragenen kleinen, ganz eng nebeneinandersitzenden Punkten getüpfelt; eine ganz entsprechende Behandlung des Gewandes weisen einige besonders sorgfaltig gearbeitete Terrakotten auf, von denen eine dem Neapler Museum ange- hörige in den Mitth. des röm. Inst. 1900 Taf. II 2 abgebildet ist.') Wenden wir uns nun von dieser Be- obachtung aus dem Stile der Terrakotten zu, so finden wir, daß an den aus der Mitte und zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts stammenden Figuren die Formenbehandlung mit dem Rhyton in charakte- ristischen Zügen zusammentriiTt. So scheinen die beiden Stücke Arch. Zeitung 1882 Taf. 13, 5 und Röm. Mitth. 1897 Taf. VII rechts zur Vergleicbung mit dem gelagerten Manne des Rhytons besonders geeignet. Ich meine hier wie dort in der Ausführung der Körperformen wie der weichen schwellenden Faltenlagen der Gewandung eine große .\hnlich-
keit zu erkennen und auch in den Einzeilieiten der Gesichtsbildung eine engere Verwandtschaft wahr- zunehmen, die noch deutlicher in einigen etwas strengeren Terrakottaköpfen, wie den Röm. Mitl. I900 Taf. I 3 II 3 a!)gebildeten, heraustritt. Als bezeich- nende Eigentümlichkeit erscheint an den Figuren des Rhytons das langgesträhnte und in einzelne Zotteln gelegte Haar, und gerade hiefür bieten die Tarenliner Terrakotten zahlreiche gute Beispiele dar, wie die Abbildungen Ann. d. inst. 1883 tav. O 2, Mon. d. inst. XI tav. LVI 5. 9, Rom. Mitth. 1900 Taf. I 3 (vgl. auch Arch. Zeitung 1882 Taf. 13, 2. 5) ersehen lassen.
Diese stilistischen Einzelheiten finden, wie in den früheren Bemerkungen zu dem Rhyton ausgeführt ist, ihre Analogien in den kleinasiatischen Skulptur- werken; es ergibt sich die Folgerung, daß die Kunst in Tarent im fünften Jahrhundert einen Einfluß von lonien erfahren hat, wie ihn für Unteritalien über- haupt die Überlieferung über Pythagoras von Samos und der in seinem Bildschmuck wieder viele Be- rührungspunkte mit den Tarentiner Terrakotten, wie mit den lykischen Sarkophagen aufweisende ionische Tempel in Locri bezeugt,') und wie ihn fiir die an- schließende jüngere Kunst in Tarent, wenn die so- genannten Prachtamphoren wirklich dort verfertigt sind,') Watzinger^) durch Ermittlung zahlreicher ionisch -kleinasiatischer Elemente in den Darstel- lungen dieser Vasen wahrscheinlich gemacht hat. Damit gewinnt die Möglichkeit festen Boden, daß das Rhyton in Tarent selbst gearbeitet ist, und man wird bei einem Deutungsversuche des Bildes die Be- ziehung zu einem lokal tarentinischen Mythus offen halten müssen, wie denn L. de Laigue in seiner Besprechung Revue arch. XXXIX 1901 p. 156 für die Darstellung an die Sage von der Liebesvereinigung des Poseidon mit der Nymphe Satura, der Mutter des Taras,^) erinnert hat.
Innsbruck F. WINTER
') Zwei ähnliche stilistisch entsprechende Taren- tiner Figuren mit getüpfeltem Gewand sind im Museo nazionale in Neapel und im Großherzoglichen Museum in Karlsruhe.
-) Auch mit dem sogenannten Kapaneusrelief der Villa Albani (Kunstgeschichte in Bildern I 53, 7) kommen Tarentiner Terrakotten wie die Arch. Zeitung
1882 T.af. 14, 4, Ann. d. inst. 1883 tav. O 2 in Stil und Kompositionsart auf das engste überein.
•*) Vgl. Patroni, La ceramica antica nell' Italia meridionale 62; Winnefeld, Deutsche Littcraturzcitung 1898 S. 680.
*) De vasculis pictis Tarentinis.
') Vgl. Studniczka, Kyrene 17g.
63
64
Fig. 6 Antike Befestigungsanlage bei Midia.
Archäologische Beobachtungen auf einer Reise im östlichen Thrakien.
Im Herbste 1902 hatte ich auf einer geologischen Forschungsreise im Istrandscha Bagh im östlichen Teile des Vilajets Adrianopel Gelegenheit, einen der wenigst bekannten Landstriche der europäischen Türkei kennen zu lernen. Das Gebiet entspricht dem Osten der Provinz Thrakien und dehnt sich zwischen der Eisenbahn und dem Schwarzen Meere aus. ')
Ich wandte mein Augenmerk, soweit es auf meiner unter ganz anderen Voraussetzungen unter- nommenen Reisemöglich war, auch den vorkommenden Resten alter Cultur zu, aber es war wenig, was ich davon beobachten konnte. Der erste Punkt, an dem ich auf meine Fragen eine Angabe über archäolo- gische Reste erhielt, war Dereköi, das halbwegs zwischen Kirkkilisse und Tirnowo liegt. Nach Aus- sage von Ortseinwohnern soll sich in einer Schlucht nahe dem Dorfe eine große Felsinschrift befinden. Da aber die Angaben über die Entfernung sehr stark von- einander abwichen und es mir nicht in meinen Reise- plan paßte, unterließ ich es, die .Stelle aufzusuchen.
In Tirnowo sind nach Aussage der Behörden und der Vorsteher der katholischen Schule wieder-
holt Reste alter Bauten zum Teil mit Inschriften gefunden worden.
Beim Baue der von Nonnen gehaltenen Schule hat man bei der Grundaushebung Säulen gefunden, von denen noch Stücke herumlagen. Man zeigte mir einige Quadern, an denen griechische Buchstaben sichtbar waren und die man ins Fundament des Hauses eingebaut hatte. Es ist zu bedauern, daß die Geistlichen aus Angst vor den türkischen Behörden vielleicht überaus wertvolle Denkmäler auf diese Weise der völligen Vernichtung preisgeben, noch dazu ohne eine Untersuchung vorgenommen zu haben. Es ist höchst wahrscheinlich, daß an der Stelle von Tirnowo, dessen weiter Talkessel einer der wenigen Punkte im Gebirge ist, der die Anlage einer größeren Niederlassung ermöglicht, schon frühzeitig eine feste Ansiedlung bestanden hat.
Die waldigen Höhen, die sich zwischen Tirnowo und dem Meere erstrecken, sind wohl nicht geeignete Plätze für Ansiedlungen gewesen, aber zu meiner Überraschung konnte ich auch an der günstigen Bucht von Iniada und dem wichtigen Vorgebirge
') Herr Professor Dr Konstantin Jirecek hatte die Güte, zu der obigen Reisenotiz folgendes mitzuteilen:
Die Nachricht, daß sich bei Dereköi zwischen Kirkkilisse und Klein -Tiinowo eine große Fels- inschriftbefinden soll, ist für künftige Untersuchungen von Bedeutung.
Ich erinnere mich nicht, eine Beschreibung der Position und der Mauern von Midia in der neueren Literatur gelesen zu haben; wohl identisch mit dem antiken Salmydessos, kommt Mijdsia zuerst 762 bei Theophanes ed. De Boor I (Leipzig, Teubner 1883)
p.434 vor, I-midhia des Idrisi im zwölften Jahrhundert, Omidia der ital. Seekarten des 14 — 15. Jahrhunderts, Sitz eines Bischofs, später eines eigenen Metropoliten, noch bei Kantakuzenos als wichtige Stadt erwähnt. ■ Der Hafen von Iniada, Stagniada, Stagnara der alten ital. Seekarten (aus '5 xä 'IvtxSa), ist das antike euviag. Viza, die alte Königsburg der tbrakischen Asten (Strabo), im Mittelalter als Bt^ÜT), Bu^ö; (Bizöi des Idrisi, Vizoi, Visoi des Villehardouin u. a. Fran- zosen des 13. Jahrhunderts^ bis 1453 stets eine wichtige Stadt, wäre einer näheren Beschreibung wert.
65
Archäologische Beo!)ac)ilun}4L'n auf einer Reise im östlichen Thrakien.
66
K;ir;i Burun l)is auf verfallene, wohl neuzeitliche Wacht- häuser keinerlei Baureste entdecken oder erfragen. Daß dieser einzige natürliche Hafen an der sonst so unwirtlichen Küste unbenutzt geblieben ist, ist aber meines Erachtens trotzdem nicht wahrscheinlich.
Dreiliig Kilometer südlich von der Bucht von Iniada liegt der kleine Ort Midia, dessen Namen nach einer mir erzählten Localsage, die eine Variante der Argonautensage ist, auf Medea (neugriechisch Midia) zurückgeführt wird. Die Stadt ist eine alte Gründung.
Von Interesse ist eine gewaltige, aus Mauer und Graben bestehende Befestigungsanlage, die die auf einem kleinen Felsvorsprung der Steilküste gelegene Stadt gegen das Land zu abschließt(Fig.6). DerGraben, der sich durch die ganze Breite des Felsrückens er- streckt, ist großenteils verschüttet, die Mauer aber gut erhalten. Das Fundament besteht aus Quadern, auf denen circa 4 — 5 Meter hoch das aus 6achen Ziegeln aufgeführte Mauerwerk aufruht. Die Ziegel sind durch viel Mörtel verbunden, dem kleine Ziegelstückchen bei- gemengt sind. Zwei Tore, deren eines, noch voll- ständig erhaltenes (Fig. 7), circa 4 Meter lichter Höhe besitzt, führen in die Stadt. Mehrere vorspringende Türme sind noch teilweise erhalten. Ich hege kein Bedenken, diese Anlage für antik anzusehen.
Ein anderer Rest alter, wohl frühchristlicher Cultur ist die Kapelle des heiligen Nikolaus, die in der Papas Dere, circa '/< Stunde westlich von der Stadt, liegt. Durch einen kleinen Vorbau neueren Datums tritt man in eine Höhle ein, die wohl natür- lichen Ursprungs, aber künstlich erweitert ist.
Mehrere Gewölbe von verschiedener Größe und Höhe liegen nebeneinander. Reiche Sculpturen an der Decke und an den Pfeilern, Reste von Fresken und halbverwischte griechische Schriftzeichen von Heiligennamen zeigen von der langen Verwendung dieser Höhle als Cultstätte.
Aus der Tiefe des von Klüften durchsetzten Felsens quillt eine starke Quelle hervor, die in einer Cisterne aufgefangen wird.
Noch weiß man heute nicht, welche Stadt an der Stelle Midias einst gestanden hat. Vielleicht ist es Salmydessos gewesen, das man eine Strecke weiter nördlich verlegt.
In Wisa, an der Westseite des Gebirges, fand ich auch geringe Reste von Bauten christlichen Ur- sprungs, besonders einer die Höhe krönenden Burg, von denen der größte Teil in den Häusern der Stadt Verwendung gefunden haben soll.
F. SCHAFFER
i'i^. ; I.-JL Jci l'L.'ti'slii;un^b.i.nl;i;;i' vun MiJia lahrcshcflf tli-s österr. 3rcli;io1. Instihitps Hd VI Ileil>l;itt.
67
ü8
Fig. S Verziertes Giebelfeld aus Nesactium (Reconstruction). Nach Atti e memorie 1902 tav. II fig. 5.
Altertümer von Nesactium.
Ein mehrfach interessanter, vorläufiger Bericht über Ausgrabungen an der Stelle des alten Nesactium auf einem jetzt verödeten Hügel namens Visazze, ca. elf Kilometer nord- östlich von Pola, wo- hin man hj'pothetisch schon früherjenen von Livius, Plinius, Ptole- mäus und dem Raven- nas genannten illy- risch - römischen Ort verlegt hat, liegt nun- mehr von einem der Grabungsleiter Prof. Sticotti vor: Relazio- ne preliminare sugli
Die von der Societä istriana unternommene Arbeit fand dankenswerte materielle Unterstützung seitens des Provinziallandtages und der Stadtgemeinden Pola und
Triest, und angesichts des schönen Erträg- nisses der Grabungs- jahre 1900 und 1901 muß man lebhaft wünschen, die jetzt auf ein ,Museo Nesa- ziese' in Pola abzie- lende Unternehmung mit allem Eifer und allen verfügbaren Mit- teln fortgesetzt zu sehen.
Fig.
Fig. 9 — 12 Brucbstücke von Bronzesitulen aus Nesactium. Nach .\tti e memorie 1902 tav. HI ö d f h.
Fig. 12
scavi di Nesazio. Pnrenzo 1902, 29 pp. 4 tav. (Estr. Atti e Memorie dcUa Societi istriana di Arch. e Storia patria. Vgl. Weißhäupl, Jahreshefle IV Beibl. 7 ff.)
Gefunden wurden 1900 die Ruinen einiger privater und eines öffentlichen Gebäudes, Inschrift- fragmente und verschiedene Kleinsachen, zum Teile
69
Altertümer von Ncsactium
70
der früheren Kaiserzeit. Vit! rciclicr und ninnnigfal- tit;cr war das Kr(;cl)nis der (iral)ungen des Jalires 1901. Hicher t;eli<ircn außer anderen Resten römisclier Häuser — darunter ein scliönes Atrium, in dem eine Wand dicht mit Graffiti, Architekturen und heschrie- bene Votivtafeln vorstellend, bedeckt war — 16 gute Architekturstücke korinthisch-römischen Stils (unter anderen Teile eines verzierten Giebelfeldes, rcconsiruiert Fig. 8 '), ferner die Basis einer Statue Gordians III (238 — 244), durch deren Aufschrift die r(cs) p(ublica) Nes(actiensium) nunmehr auch epi- graphisch bezeugt ist. Diese Steine fanden sich auf , sekundärer Lagerstätte' an einem Punkte der Um- wallung, wohin sie einmal, in spätrömischer oder noch jüngerer Zeit aus verschiedenen Gebäuden zu eilfertiger Verstärkung der Stadtmauer zusammen- geschleppt worden waren.
In der Nähe dieser Stelle stieß man auf eine roh ummauerte vorrömische Nekropole, in der zuweilen, wie bei Este, mehrere Gräberschichten übereinander angelegt viraren. Aufgedeckt wurden bisher 32 Brand- gräber. Sticotti beschreibt nur eines, das in der untersten Schichte lag und als , Mustergrab' im Mu- seum Nesactiense zu Pola wieder aufgestellt werden soll. Es ist eine Steinkiste, der Leichenbrand in einer rohen Tonschüssel geborgen; die Beigaben bestanden in 12 anderen Tongefäßen, einer Reifenciste und einer Situla aus Bronze. Ähnlich waren Bau und Inhalt der übrigen. Neben der derben, lokalen Keramik erscheinen importierte, unteritalische Gefäße, zum Teil Nachahmungen attischer Tonware mit roten oder schwarzen Figuren. Aus anderem Gebiet, wohl dem östlichen Oberitalien, stammen die Cisten, Situlen und die kleineren Bronzebeigaben. Einige Bruch- stücke figural verzierter Situlen zeigen schlagende und nun auch schon ermüdende Übereinstimmung mit den aus Venetien und den Ostalpen bekannten besser erhaltenen Stücken in Reihen gehörnter Tiere, denen Ranken aus dem Maule hängen (Fig. 9), Schwimmvögeln, Wagenlenkern, (Fig. 10) und ganz kleinen Bilderrestchen, die uns zur Vertretung längerer Figurenreihen: eines Festzuges, (Fig. 11), eines Fest- mahls sitzender, von Frauen bcdienterMänner, vollauf genügen (Fig. 12). Auch in der Erde über den Gräbern fanden sich viele aus zerstörten Schichten herrührende Beigaben aus Ton und Metall, zum Teil classischen Stils.
Allein das wertvollste Ergebnis dieses uner- warteten Teiles der Arbeit liegt meines Erachtens in der Entdeckung vieler großer und kleinerer, im mykenischen (und , frühattischen') Stile verzierter .Stein- plaltenfragmente, welche teils in Gräbern als Stützen größerer Beigaben, teils in der Umfassungsmauer, teils im bloßen Erdreich der vorröraischcn Nekropole
Fig. ij St.. :.,.:. .Li. :.;..■„:... :
Nach Atti e raemorie 1902 tav. ITT fig. y.
gefunden wurden. Die meisten zeigen vertiefte Spiral- reihen in verschiedener Combination (Fig. 14', ein Stück aber (Fig. 13) schräge, sich kreuzende Mäander, deren Einfassung nach der richtigen Bemerkung Sti- cottis, obwohl rein geometrisch, an die schematischen Vogelreihen der ersten Eisenzeit erinnert. Eine auf beiden Seiten mit Spiralen geschmückte Plinthe trug, wie es scheint, eine flache, plastische Sitzligur, von der nur Reste der Beine und des Stuhles (.') erhalten sind. Auch anderes Figurale war aus dem
') Fig. 8—14 mit freundlicher Einwilligung der Istriana di archcologia e storia patria Ig02 tav. III Redaction wiederholt aus Atti e memorie della societä und IV.
5'
71
^•»»»"C
Fig. 14 Steinplattcnfragment aus Nesactlura. Nach Atti e racmorie 1902 tav. IIl fig. 7.
in der Nähe vorkommenden Stein in Basrelief oder runder Plastik gebildet.
Die auch von Sticotti erwähnten ostitalischen Sculpturen, welche in ähnlicher Weise ein spätes Nachleben des mykenischen Zierstiles an der Adria be- zeugen, und unter welchen die bekannten Grabstelen von Novilara bei Pesaro (Mon. ant. Acc. Line. V 91 ff. 2; 31 hervorragen, versuchte ich (Urgesch. d. bild. Kunst 636 ff.) als, trotz der hohen Alterlümlich- keit, relativ junge Arbeiten zu erweisen. Wesens- verwandtes findet sich am östlichen Pontus, also in einem von den griechischen Culturcentren ebenso
abgelegenen Binnenmeergebiet. Die von Sticotti mit- geteilten Sculpturen aus Nesactium sind zum Teile ,raykenischer', als alles bisher bekannte derartige, und man darf staunen über die zähe Beharrlichkeit dieser einfachen Zierformen in ihrer reinen, schon für die Steinzeit der nördlichen Balkanhalbinsel (Butmir u. s. w.) bezeugten Gestalt. Dennoch werden die neuen Funde aus Istrien kaum älter sein als die erwähnten aus Picenum, wenn sie auch nicht, wie ich a. a. O. meinte, erst dem sechsten Jahr- hundert V. Chr. angehören sollten.
AVien. M. HOERNES
Miscellen.
I. Der ,, Heilgott" Medaurus.
I. CIL VIII 2581 =Bücheler CLE 1527'). Moenia qui Risinni Aeacia, qui colis arcem Delmatiae, nostri publice Lar populi, sancte Medaure domi e[t] sancte hie, nam templa
quoq(ue) isla vise, precor, parva raagnus in effigia, succussus laeva sonipes [q]ui surgit in auras, altera dum letum librat ab aure manus. talem te consul iam designatus in ista sede locat venerans ille tuus -:~i-r notus Gradivo belli vetus ac tibi, Caesar Marce, in primori [cl]arus ubique acie. Adepto consulatu — -:— ^ v tibi respirantem faciem patrii numinis, hastam eminus quae iaculat refreno e\ equo, tuus, Medaure, dedicat Medaurius.
2. CIL VIII 2642: Medauro Aug. s[acru]m.
W. Tomaschek^) und R. Peter'/ haben die beiden hier wiederholten Inschriften, dasieim„Aesculaptempel in Lambäsis gefunden worden seien" und in Medaurus „der südeuropäische Stamm med — sinnen, ermessen, heilen" stecke, die Vermutung geäußert, daß Me- daurus ein „Heilgott", „der illyrische .^esculapius" gewesen sei.
Dabei ist aber zweierlei nicht genügend zu Rate gezogen worden, erstens die Fundstätte selbst und zweitens, was ja bei der Wertbestimmung des Gottes in erster Linie hätte geschehen sollen, das Weihgedicht. Die erstere ist nicht ein ausschließlich Aesculap ge- weihter Tempel, sondern nach der Disposition der Anlage*) und nach den darin gefundenen Dedi- cationen ^) ein nach und nach entstandener Complex von Heiligtümern, von denen die größten, die cen-
') Vgl. Mommsen CIL III p. 285. ') Bezzenbergers Beiträge IX 97. ■') Roschers Mythologisches Lexikon s. v. Me-
daurus.
•*) R. Cagnat, Lambese 52 fl. '•') CIL VIII 2579 ff-
73
(', l'alscli, Misiellen
74
ralcTi, Aesouhii» uiul Salus, lii|iitür Valens und Sil- vanus Pej;asianus );c-weiht waren; ilaneljcn halten al)cr aucli andere Göller, vornehmlich die vaterländi- schen Numina der Stifter ihre Kapellen. In einer solchen Aedicula stand nun auch die Basis n. i. Aber selbst wenn die beiden Steine im Aesculap- tempel aufgestellt gewesen waren, hätte daraus kein Scliluß auf die gleichen Functionen des Medaurus und des Aesculap gezogen werden dürfen, da Widmungen an Gottheiten in Tempeln gefunden werden, deren Inhaber mit ihnen in gar keiner Ver- wandtschaft stehen.'')
Ausschlaggebend ist jedoch das Gedicht, welches das Bild des Medaurus und damit auch seinen Cha- rakter anschaulich genug beschreibt. Darnach reitet der Gott ein leuriges Roß, es mit der Linken zü- gelnd, und schwingt in der hoch erhobenen Rechten eine Waflfe. Ein solcher Heilgott ist doch schwer vorstellbar, außer man läßt auch hier ö Tptuaaj xal taasxai gelten. Medaurus ist nun wohl ein Kriegs- gott und hat, wenigstens was sein Bild anbelangt, seine nächste Analogie an dem deus Heros, der in den östlichen Landschaften der Balkanhalbinsel so häufig auftritt,') aber auch an der Westküste, in Apollonia z. B. nachweisbar ist.')
Als Kriegsgott eignet sich Medaurus auch besser zum Schützer der Stadt und Burg von Risinium und zum „publicus Lar" des kriegerischen Dalmatiens; und man versteht es auch, daß ein seine militärische Laufbahn hervorhebender Mann ihm seine Reverenz macht.
IL Die Straüenstation Sturum.
Der Geographus Ravennas verzeichnet S. 177 f. einen von Tyra am Pontus nach Porolissum in Nord-
dakien führenden Slraßenzug; l'liira (= Tyra) — Tirepsum — Iscina — Capora— Alincum — Krmerium — Urgum — .Sturum — Congri — l'orollisum — Ccrtie; C. .Schuchhardt identificiert ihn ') mit der „direclestcn Verbindung zwischen dem nördlichen Dacien und dem Schwarzen Meere", die, von C. Gooß') aufge- zeigt, aus dem Tale des Alt über den Ojtozpaß in die Moldau herabstieg. Der Gleichung fehlte die .Siclierheit, da es trotz mehrfacher Versuche') nicht gelingen wollte, die Stationen des Ravennas außer Certid (= Romlott) in ihrer Verstümmelung zu er- kennen. Eine leichte Ismcndierung eines der Namen scheint mir hier etwas weiter zu helfen: .Sturum = Asturum. Darnach wäre der fragliche Ort nach einer lange Zeit daselbst garnisonierenden asturischen Auxiliarabteilung benannt worden, ebenso wie Astura in Noricum nach der cohors I Asturum.') Und eine solche Garnison finden wir denn auch in der Tat gerade an der erwähnten .Straße, in dem Castell bei Heviz unfern der Einmündung des Homorod in den Alt. Hier lag den Ziegelstempeln CIL III 1633, II = 8074, 1 zufolge die ala I Asturum,*) die mit Traian nach Dacien gekommen war und sich zum mindesten noch im Jahre 200 im Lande befand.'')
III. Der FluU Katarbatcs.
Zu den zahlreichen noch nicht localisierten Namen im Periplus des Pseudo-.Skylax gehört auch der im c. 21 an der Grenze Liburniens angeführte Kaxappäxrjj 7ioxa|i6;. Er wird bald mit der Krka, bald mit der Zrmanja in Verbindung gebracht. C. Müller') nahm ihn für den letztgenannten Fluß in Anspruch, weil er in irriger Ansicht über die llyüische Halbinsel in dem von Skylax c. 22 ge-
') Vgl. z. B. L. Friedländer, Sittengeschichte III' 603; E. Reisch, Pauly-Wissowas Realencyclo- pädie s. V. Altar Sp. 1651.
') Vgl. F. Deneken, Roschers Mythologisches Lexikon s. v. Heros Sp. 2560 f.; Chr Hülsen, Bul- lettino della Comm. arch. di Roma 1893 p. 10 ff. (des S.A.); V. Dobruski, Sbornik 1894 S. I ff. To- maschek, Die alten Thraker II I S. 57 f.
') L. Heuzey, Mission archiologique en Mac6- doine 399 f. Taf. XXXI Fig. 4 und Taf. XXXIII Fig. 2.
') Arch.-epigr. Mitth. IX 225; vgl. J. Jung, Zur Geschichte der Pässe Siebenbürgens. Mitth. des Instituts f. österr. Geschichtsforschung, Ergänzungs- bd. IV 10.
^) Studien zur Geographie und Geschichte des traianischen Daciens 52, arch.-epigr. Mitth. I 33. 113. Vgl. R. Kiepert, CIL III S. Tab. V.
') Gooß a. a. O.
') E. Nowotny, Festschrift für O. Benndorf 273; C. Cichorius, Pauly-Wissowas R. E. s. v. cohors Sp. 246.
*) Mommsen, CIL III p. 179. 225; A. von Domaszewski, ebenda p 1433; Jung, Fasten der Provinz Dacien 138.
') Nur dies bezeugt CIL III 1393, nicht aber, wie Jung a. a. O. 106 annimmt, daß die Ala da- mals in Germisara stand: vgl. Cichorius a. a. O. s. v. ala Sp. 1231.
^) Gcographi Gracci minores I 28. Vgl. auch
75
C. Patsch, Miscellen
76
nannten Niaio; ~.oza,\i.ä£ die Krka erkennen zu dürfen glaubte. Nun ist aber bereits beobachtet worden,^) daß mit Nestus die Cetina gemeint ist; dabei ist jedoch übersehen worden^,) daß beim Fortbestande der Gleichung Katarbates = Zrmanja die Krka im Periplus gar nicht genannt wäre. Dies würde um so mehr auffallen, als sie im Gegensatze zur Zrmanja unmittelbar an der Route der Küstenfahrer liegt und ihre als Ankerplatz treffliche Mündungsbucht, ihre Wassermenge und namentlich ihre grandiosen, 2V2 Kilometer weit hörbaren Katarakten bei der Hafenstadt Scardona dem Küstenbeschreiber nicht entgehen konnten. Die Zrmanja tritt dem gegenüber so wenig hervor, daß sich aus der römischen Zeit ihr Name nicht erhalten hat.*) Die Annahme eines der bei Skylax zahlreichen Schreibversehen klärt meines F.rachtens den Sachverhalt auf. Mit Anlehnung
an Strabo XIV 4, I : Ms-ä ^aai^Xida d'eoxiv ^ 'OXßta,
-fj:; IIa|i'^uXiaj äpxi^ , xai (is-ä xaütrjv ö Kaxa-
pay.TT, ; Xs^öiisvos *9' «4")^'^; «~p=iS xa-capa-TOJV TCO-aiiij -oXu; xai x^V^PpwälS waxs TiöppcuQ-sv äxoüs39-a'. TÖv tj;ö'.fov^) möchte ich statt KaxapPaxr^j Kaxapd-z.xTjj KO-aiid; lesen. Die Seefahrer h.ätten also die Krka nach ihrem augenfälligsten Charakteristicum benannt, ohne nach dem epichorischen Namen zu fragen, wie ja auch Narona in demselben Periplus c. 24 einfach als £|iT:dpiov am Naptov verzeichnet ist. Dieser Vorschlag hat eine weitere Stütze daran, daß ebenso wie Skylax auch Plinius III 139, Ptolemaeus II 16, 3^) und Florus I 21 Libumien an der Krka enden lassen.') Sie führt bei ihnen und in der In- schrift CIL III 641 8 (vgl. 9896) den Namen Titus, der auch als illyrischer Personenname Tito, Titus, Titto u. s. w. vorkommt.^)
Sarajevo. C. PATSCH
Geographica.
1. Chababa. Bei gelegentlicher Durchsicht der griechischen Inschriften aus Aquileia bemerkte ich, daß die beiden Fragmente bei Kaibel IGSI
n. 2348, 6 N e € N K IT)e aOprjXto; I O C B AA H Cj UJ N B H M Y c( '
HCAPARI AG f^ AOCeAMc,)Z»)H-' _,ejAr£vyT ba /
und 2347 A/CABBINOCV6 €TeA6YTHC€NCTo)v /ATCOXABABCUNT-^; MHTH P TO Y T C € '»yj lAPH K € C
zusammengehören, und daß keine Zeile an der Bruch- stelle mehr als l oder 1^/2 Buchstaben eingebüßt hat. Das Fragment der linken Seite ist verschollen und nur durch Bertolis Abschrift erhalten, in dessen Sammlung es ehedem gestanden war. Von dem andern Bruchstück erbat ich mir einen Abklatsch, den Maio- nica, der Director des Staatsmuseums ilupta; in Aquileia, mit folgender beschrei- benderNotiz begleitete: „Bruchstück einer Marmorplatte, Rand oben und rechts erhalten, links und unten ab- gebrochen. Aus der früheren Samm-
G. Zippel, Die römische Herrschaft in lUyrien bis auf Augustus 8; H. Cons, La province Romaine de Dalmatie 51. 195.
^) Tomaschek, Pauly-Wissowas R. E. s. v. Bulini; L. Jelic, Carta archeologica di Salona e dei dintorni.
^) Tomaschek a. a. O.
*) Der ihr bis jetzt zugewiesene Name Tedanius ist auf die nördlichere 2erovnica-QueUe, den Abfluß des Gackaflußes zu übertragen, vgl. Die Lika in
römischer Zeit Sp. 24 f. und R. Kiepert, Formae orbis antiqui XXIII Beiblatt 11.
') Vgl. Tietze, Jahrbuch der geologischen Reichs- anstalt 1885 298. 300; J. Cvijic, Das Karstphäno- men 66.
") Vgl. die Karte bei Jelic, Wissenschaftliche Mitth. aus Bosnien VII Taf. VIL
") Mommsen, CIL III p. 280. 365 ; Kiepert a. a. O.
*) Arch.-epigr. Mitth. XVI 88; Wissenschaftl. Mitth. VII 51. 124.
77
W. Kul)itsclic1;, Geograpliiea.
78
luny Baron Kuyen Ritter zu Monastero. Höhe Ol 6"", Breite O'lS", Dicke 0*03 "". Rückwärts roh lichandelt. Die 0028 " hohen Buchstaben zwischen je /.wei discret gezogenen Linien."
(lieser Ansicdlung hat eine Inschrift vom Jahre 213 n. Chr. erhallen (Le Bas 2512): xi -ft/sa c!y.o?o- |iY)3av Äattn]vol xal 'lax^fipivol o£ ä-ö ino'.x'.ou 'Afltfirj- vtöv. Wird die Gleichung Chababas mit Khabeb durch andere Hilfsmittel über dieses Maß von Wahr- scheinlichkeit hinaus zur GewiOhcit geführt, so würde auch Waddingtons aus dem modernen Namen ab- geleitetes Postulat einer gutturalen Spirans am Anfange des antiken Namens als richtig anerkannt erscheinen.
Zu lesen ist; Iva-öv xlxai Sappivog utsidj BaX[a, 85] IxsXsÜTTjosv [i]-tT)v (itiovi) T)[iüa[s]u dctiö Xaßdßiuv xf/j 'Äpaßias- 7] niixTjp xo'j TtsSög Sotnap ^ v.i '0[pi'J3-ids, u9-[-fdxr]p xoü Ssiva xaxsoxsuaasv xö |ivy]hsTov o. ä.]; zwischen den beiden Tauben stand wahrscheinlich das Christogramm mit A und CD. Die Lesung ist sonst gesichert; nur der Name der Mutter und die folgenden Worte können zweifelhaft sein, und was ich an zweiter Stelle vermutet hatte: i] lir/xijp xoü :w?ö; 6a|i.äpTrj ks ö ^X[o]z aü[xoü . . .], ist auch be- reits von Bartoli, wie ich nachträglich aus seinem Manuscript p. 213 ersehen habe, so vermutet worden; ja, wenn er sagt: 1' ultima (riga) pare che dice ©lOSAVT, patruus illius, so ist wohl die Annahme verstattet, daß in der Copie Bartolis GIC auf einen Schreibfehler für GIOC zurückzuführen sei.
Chababa, gebildet wie Medaba, Denaba, Chen- naba, Lcbaba oder Zorava lag also in der römischen Provinz Arabia; seine Lage mit Sicherheit nachzu- weisen vermag ich nicht. Aber einige Wahrscbein- lichkeit darf wohl der Versuch beanspruchen, diesen Namen mit 'Ap'.pa in Verbindung zu bringen, dessen moderner Namen in Khabeb am Ledja fortlebt (vgl. Waddington bei Le Bas 25 1 4). Den antiken Namen
Gleichzeitig bemerkte ich, daß Kaibel 2356 und 2357 zueinander gehören. Diese Vermutung wurde von Maionica ') ausdrücklich und durch Beischluß eines Abklatsches bestätigt.^) Freilich die Hoffnung, daß die genauere Feststellung der vom Ethnikon übrigen Buchstabenreste den Weg zu seiner Ermitt- lung eröffnen würde, hat sich nicht erfüllt. Der Ab- klatsch bot weniger als Bertolis Kopie, — obwohl
die Inschriftplatte, durch den genauen Anschluß der beiden Fragmente aneinander, fast splitterlos wieder hergestellt ist. Auf eine besondere Anfrage antwortete Maionica, daß zu Ende der Z. 3 nach TTOAE und
') Er bemerkt: Platte aus weißem Marmor mit bläulichen Adern, O'Ss" hoch, 0'45"' breit. o-o6;" dick. Rückseite vollkommen glatt, nur rechts mit einer O'oy " breiten Randleiste verschen. Auf der
Vorderseite unten eine etwa O'OI ^ hohe Furche? '■') Nachträglich auch bei einem gelegentlichen Besuche Aquileias durch meine Autopsie.
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W. Kubitschek
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in Z. 4 vor x^; 'ApaßCa; nie ein Buchstabe ein- gegraben gewesen sei. Somit weist der Text hier eine Lücke im ungefähren Ausmaß von sieben bis acht Buchstaben auf (in Z. 3 zwei Buchstaben, der Rest in der folgenden Zeile). Ebenso ist in Z. 5 der auf die Angabe der Lebensdauer desTheomnistos folgende Buchstabenkomple.\ 6TIA A durch eine Lücke zer- rissen, in der ein oder zwei Buchstaben Platz hätten. Es scheint, daß der .Steinmetz seine Vorlage nicht überall lesen konnte und den .Stein zur Aufstellung brachte, bevor er Gelegenheit zur Ausfüllung dieser Lücken und Ausbesserung seiner Irrtümer fand; denn er schreibt Zrjvoßou statt Zrjvoßiou, sagt Z. 6 S-u^axap statt S-Ufairjp oder ^-u^dTsp, Z. 7 |iV)v((i))v 5 statt |iYjV(t)v 5, und vergißt in der .Schlußzeile den End- buchstaben von TiöXscoj oder vertauscht ihn mit €. Dabei ist seine kalligraphische Leistung für ihre Zeit sehr zu loben und steht so in einem gewissen Wider- spruche zu den Corruptelen des Textes: wie die am prächtigsten ausgeführten Handschriften des Mittel- alters oft genug ihre Vorlagen am mangelh.aftesten wiederholen.
Einen Stadtnamen der Provinz Arabia, der mit UoXs oder Iloäs anfängt, weiß ich nicht zu sagen; es bleibt der Ausweg, an :i6?,s[(o;] zu denken, obwohl man meinen sollte, daß derSteinmetz eine Declinations- form von itöXls, wenn er sie in seiner Vorlage vorfand, auch ausgeschrieben hätte. Stände TidXstug ohne Lücke da, so könnte man sich versucht fühlen, an Bostra als die Hauptstadt des römischen Arabiens zu denken; freilich müßte diese Art der Bezeichnung sehr auf- fällig erscheinen. Nun ist die zweite Person, die in demselben Grabe zur Bestattung gelangte, a.üxfjC, irj^ 7iöX£(o[;], d. i. TTJ; aüxijs ^iXscu;; dieser Angabe folgen die Buchst.iben NIAaiQYoder CNIAUJOY, je nachdem man das € als fiir C von ~öÄ£(ü* ver- schrieben oder TOXstoj um den letzten Buchstaben verkürzt ansehen will. Der Vorschlag Ivl Atüou = ,am ersten Tag des Loos' zu deuten, mutet auch diesem barbarischen Texte zuviel zu; iv L Aioou (= 10. Tag der Loos) ist nicht sehr viel glaubhafter, auch deshalb, weil nicht auch bei dem erstgenannten der Sterbe- oder Begräbnistag angemerkt ist. Ich ver- mag mich auch nicht bei einem dritten Vorschlag zu be- ruhigen, der die iroXi; NiXwou mit der von Hiero- kles 722, 2 NtXaxu)|i,Y] genannten Stadt Arabiens ver- einigt; diese Stadt wird NYjXx(0|i£a in der Inschrift
bei Le Bas 2217, NsstXa von Eusebius Onomast. 284, 19 (£V T^ ßaxavaiqt), 716X15 NseXcuv bei Mansi VII t68 genannt (vgl. Geizer zu Georgius Cyprius Z. 1064).
3. Tiberias.
Cagnat hat in seiner sehr verdienstlichen Samm- lung griechischer Inschriften der römischen Cultur- sphäre I n. 132 eine Inschrift wiederholl, die Gatti im Bull. com. l8gg p. 242 und in den Notizie degli scavi iSqg p. 386, 3 veröffentlicht hatte. Sie ist in Rom nächst der Kirche S. Adriano gefunden; ihre ersten drei Zeilen lauten:
CTATIOUN PieUJNTCUNKAIKAAYAlOnOAlTCUN CYPIA I nAA6oT€INH
.So Cagnat nach Vaglieris Lesung;') die früheren hatten [xräv Tu^ptmv gelesen, Cagnat gibt [xcöv Tu]pi£o)v und fügt (nach Gattis Ausführungen) hinzu, daß der Beiname Claudiopolis für Tyrus hier zum erstenmale geboten werde, und daß zwei arpaxttüVEg der Tyrier — die eine in Rom, die andere in Puteoli — bereits durch die Inschrift bei Kaibel IGSI 830 bezeugt gewesen seien. Aber das Ethnikon von Tüpog ist Tupto;, nicht TuptEÜs, und daß Tyrus in Syria Palaestina lag, ist nicht weniger neu, als daß Tyros den Beinamen Klaudiopolis erhalten und so lange Zeit — die Inschrift von S. Adriano gehört frühestens der Mitte des zweiten Jahrhunderts an — behalten habe.
Es ist vielmehr [Tips]ptso)v xfijv Kai KXauSio- jxoXtxiöv zu lesen. Münzen des palästinensischen Tiberias aus Trajans und Hadrians Zeit tragen die Umschrift Ttpsptsmv IvXau5io(7ioXtX(öv), so weit aus- geschrieben oder stärker abgekürzt; eine Münze mit dem Bildnis des Comraodus nennt die Stadt TiP(s- ptstov) KX(au8to7ioXtX(öv) 2up(£ag) naX(ataxeivi'j;).^) Und daß Tiberias, eine der bedeutendsten und ver- kehrsreichsten Städte Syriens, in Rom eine , Station' hatte, also ein im Auftrage der Heimatsgemeinde gestiftetes Kaufmannscasino, wird beinahe ausdrück- lich durch eine Inschrift bezeugt, welche Gatti zu- fällig um eine einzige Seite früher zum Abdruck bringt (p. 24I = Cagnat n. in, gefunden auf der via Sacra) "Ia|ii(]vos 'Icuvjvou uEo; TiPEpieüs x^ oxaxio)"«.
') So auch jetzt die Indici zum Bull. com. 1897 bis igoo p. 420.
^) Hul)er, Xum. Zeitschr. I(l80()) lOI.
8i
Salonitanische Inschriften
82
Nebenbei bemerkt sei, d:iß das Material für unsere Kenntnis dieser und ähnlicher Faktoreien meines Wissens bisher weder gesammelt noch richtig be- handelt worden ist; es ist wohl möglich, daß eine oder die andere der in Rom selbst gefundenen Widmungen einzelner Städte an einen Kaiser in irgend einer Verbindung mit einem landschaftlichen Innungshausc gestanden und zu jener Lokalität ge- hört hat, von der wir lediglich zweimal beiläufig hören; einmal durch eine botanische Notiz des älteren Plinius radices eins (nämlich einer lotos, in Volcaiiali, qiioJ Romiilus coiistituil ex vicloria de decumis) in forum usqtie Caesaris per Stationen municipiorum penetrant (XVI 236); und durch die Motivierung der Anklage gegen Salvidicnus Orfitus
(obiectum est qiiod labernas Ires de domo siia circa forum civitatibiis ad stationem locusset Sueton Nero 37), und die wir auf Grund dieser Zeugnisse in der Nähe der Graecoslasis und des Carcer zu suchen haben.
In Frankfurters Register zu Arch.-epigr. Mitth. S. 153 bringt das Verzeichnis der durch griechische In- schriften überlieferten Ortsnamen das fragmentierte Ethnikon . . . (irjXsöj. Es handelt sich um eine In- schrift aus Selymbria (VIII 206, 16), deren Schluß wohl zu lesen ist .... äv8[v]e[«)]o[a]T0 [17)7 oziilXtp 4T]|iocpiXo{ [toO 8slva ^iXoJiiyiXEÖs.
Wien. W. KUBITSCHEK
Salonitanische Inschriften.
Im CIL III 1988 und 1989 sind zwei Frag- mente nach Mommsens Abschrift publiciert worden, die 1861 — wenn ich recht verstehe, beim Neu- bau des Hauses Joh. Grubic — im Orte Salona ge- funden waren. Das erstgenannte Bruchstück wurde nach seiner Auffindung zertrümmert, das andere ist verschollen; 1989 ist eine „basis magna litteris magnis", 1988 stellte sich anscheinend allseits verletzt dar. Ich glaube, beide Stücke sind mit einander zu verbinden.
n. 1989 n. 1988
C- VALERIO- C TERENTIANO STLIT-1VDICAND-I(.</ CRISPINILLA MAT?>
ROM- R E S P E|c/o RISS IMOI VVEnI.- X viro CAEDICIAE- L- FLVcl illae}. . . INFELICISSIMAAvjf, valel
/.. 3 steht CAEDICIAE. Ich kann mich, ob- wohl die oben gegebene Lesung einen, soviel ich sehe, nicht anstößigen Wortlaut ergibt, nicht ganz der Vermutung erwehren, daß der .Steinmetz aus Versehen Caediciae statt Caedicia geschrieben hat. Eine Caedicia Luc[iUa?] Crispinilla kann mit CIL VI 1848 Lucia Lorenia, Cornelia, L. f. Crispini, Crispina, c(larissitna) p{uella), wahrscheinlich der Tochter des L. Lorenius L. f. Palat{ina) Crispinus, äfarissimus) v(ir), co{n)s(ul) (Inschrift vom J. 244 CIL VI 1447, vgl. 31657), frater Arvalis (VI 2108, Jahreshefte des österr. archäol. Institutes Bd. VI Beiblatt.
Acten des Jahres 23 1), verwandt scheinen. Senato- rische Caedicii kennen wir sonst nur aus dem ersten Jahrhundert und dem Beginn des zweiten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung.
II. Im Museo Naniano befand sich das längst ver- schollene Fragment CIL III 2062, das 1757 von Salona dahin gebracht worden war. Dieses Stück ist, wie ich sehe, mit 8747 zu verbinden, das zuerst A. V. Domaszewski nach Boghetichs Handschrift Arch.-epigr. Mitth. XII (1888) 35 n. 76 herausgegeben hat und von dem heute nur noch der ärmliche Rest CIL III 2069 erhalten ist. Die beiden Bruch- stücke ergeben vereint den Sp. 83 stehenden, Rest einer augenscheinlich längeren Inschrift. In Z. 5 des zweiten Bruchstückes habe ich / (rechte Hälfte eines V) durch | ersetzt, sonst nichts geändert. Hirschfeld und Doma- szewski hatten [7 leg. VII oder XI C. p.] f. vermutet und darauf 7 coli. VI v[ol{untariortim)'] — so Hirsch- feld — oder v[ig{iltim)'\ — so Domaszewski — folgen lassen. Es kann aber keiner Frage unterliegen, daß der Bestattete nicht Centurio der Legio XI gewesen sei. sondern er hat sich als miles oder Chargierten be- zeichnet. Ob die sechste Cohorte den ' vigiles oder den voluntarii gehört (auch Cichorius hat an der sonst nie gen.innten cohors VI volunt. Anstoß ge- nommen), ist hier nicht zu erörtern. In den Inschriften von Augusta Praetoria findet sich kein einziger Varius,
6
83
E. MaasB, Heliostempel in Athen.
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n. 2062
L V A R I DOMO A LEG X\ Cl L VARIVSl 5 ET BENN VIVAE
n. 8747
O' L' F'SE VC'PRAET(i:»- FO-COH'VI- AETVS PV/ lAE' SABIiyae
INFRONTEP
so gewöhnlich sonst auch dieser Name ist; auch andere Hilfsmittel fehlen, um das Cognomen zu restituieren, dessen Verlust in Z. i sicher genug angenommen werden darf. Andererseits ist das Gentile Bennius sonst nicht gerade häufig, so daß man nicht unbe- achtet lassen kann, daß in einer dalmatinischen In- schrift unbekannten Fundorts 3lg5a derselbe Frauen- name wiederkehrt (Bennia Sabina, Mutter einer Vol-
[ci]nia Marcellina), und daß 8733 ein salonitanischer Quattuorvir iure dicundo P. Bennius Sabinus erscheint, der praefecl{u)s cohort{is) II Lusilaiior(um) equitalae gewesen war, und daß das gleiche Pränomen und Gentile in einer anderen dalmatinischen Inschrift 16279 — aus Doclea — sich bei einem P. Bennius Egregius zeigt, der mil(es) coh(orlis) vol{untariorum), adiH\t{or)\ prhic{ipis), b{ene)f{iciarius) co(ii)s{ularis) gewesen ist. Zwischen diesen Personen ist vielleicht ein verwandtschaftlicher Zusammenhang vorauszu- setzen.
Daß in einer ägyptischen Inschrift CIG 47 16 d' [rjatos Bs[vio;] EiXsp, X''>P'^''ii "p'U'C'iS [^XJaouEas [6]patxcov erwähnt wird, muß hier gleichgültig sein. Wenn aber in einem herculanensischen Katalog CIL X 1403 c, 4 mitten unter Tribunen der Maecia und Menenia ein L. Bennius L. f Tro(mentina) Martiumus auftritt, so wird mit Rücksicht auf seine Tribus die Frage erlaubt sein, ob er ein Salonitaner gewesen ist.
Wien. W. KUBITSCHEK
Heliostempel in Athen.
In Athen gab es einen Heliospriester und eine Priesterin; auch einen Votivaltar an Helios kennen wir. Toepffer hat darüber in der , Attischen Genea- logie' das Nötige gesagt (S. 120 f.). Es hat also auch einen Heliostempel in Athen gegeben. Allem An- schein nach besitzen wir von diesem noch umfäng- liche Sculpturstücke.
In die wohl aus dem achten Jahrhundert stam- mende byzantinische Kirche Panagia Georgoepekoos in Athen ist eingemauert ein antiker Marmorfries mit den Monatsdarstellungen, d. i. den Tierkreis- zeichen und anderen dem Festkalender und dem Leben entlehnten, in den letzten Jahren mit Glück mehrfach behandelten Monatssymbolen. Das antike Gebäude ist verschollen und bisher auch nicht durch Vermutung wiedergewonnen. Ein Profanbau war es nicht; wenigstens wüßte ich eine praktische Bedeu- tung nicht anzugeben, wie wir das z. B. beim Oktogon der Winde noch können. Dieser Turm sollte durch den Triton hoch oben die Windrichtung dem Publicum melden. So sind wir auf eine sacrale Bestimmung gewiesen. Und damit wird eine sehr bestimmte Antwort nahegelegt. Der Zodiakal- und Monatsfries eignet sich ausgezeichnet nur für ein
Heliosheiligtum, falls man nicht in rein astrologische Sphären hinabsteigen will. Solche aber sind von Athen und seinen älteren Denkmälern fernzuhalten. Es ist zu denken, daß in oder eher auf dem Heilig- tum die Heliosstatue stand: Helios inmitten der Monatssymbole des Frieses! Helios stand auf dem Tempelbau z. B. im römischen Circus (, Tagesgötter' 148), unter den Tierkreiszeichen ist er auf Mosaiken, Platten und allerlei Tafeln, auch in der poetischen Literatur, eine zu bekannte Darstellung, als daß es hier noch der Belege bedürfte.
Es wird sich jetzt darum handeln festzustellen, ob nicht unter den übrigen in die Kirche einge- mauerten antiken Bruchstücken solche sind, die von einem Heliostempel stammen oder stammen können. Ein von Svoronos beschriebenes Fragment scheint der Annahme günstig (Journ. intern, d'arch. num. II 6g Anm. 3). Die Stücke müßten photographiert und veröffentlicht werden. Am besten freilich wäre es, wenn die Athener sich entschlössen, das kleine Gebäude abzubrechen, um diese schönen Zeugen einstiger Herrlichkeit freizumachen und ohne Zweifel neue ans Licht zu bringen. Auch S. Maria Libe- ratrice am Palatin ist gefallen.
Marburg i. H. ERN.ST MAASS
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86
Inschriften aus Dalmatien.
Im M;ii dieses Jalircs wurden in Kistanje dem alten Burnum auf dem Acker der Brüder Stcvan und Tanasia Slupar drei Grabsteine von Soldaten der XI. Legion gefunden, die sich gegenwärtig im Museum des kroatischen Altertumsvereins zu Knin befinden und mir von dessen Präsidenten P. Alois Marun in Lichtbildern Ireundlichst vermittelt wurden.
I. Oberer Teil einer Grabstele (Fig. 15), h. o'94'", br. o-öl"", d. o-IS""; Inschriflfeld h. o'57™. br. 0-48°';
Buchstaben- höhe o"04 bis 0-05 "■. Beider- seits des mit einer centralen Rosette gefüll- ten vertieften
Giebelfeldes Ranken, eben- • solche auf dem darunter ver- laufenden Querstreifen.
L(iicius) Bo-
dliiis L(uci)
/^iliiis) Fol-
(lia) Genialis
Polle»l{ia) >)
mil{es) leg(io-
nis) XI aiaii-
diae) p(iat) /(idelis) centttria luli Secundi ann{orttm)
XXX stip(eitdioriim) X h{eres) ß^acieiidtim) c(uravit).
Bodlius zu kelt. boudi ,Sieg', *bodio , siege' mit o aus au (wie in den Namen Boudius, Boudillus), altbril. Bödicos entspricht dem lat. , Victor'.^)
Grabstele aus Kistanje.
2. Grabstclc aus Kalkstein (I'ig. 16), h. rSj ■", br. 0-57 ■", d. 0-26 "■. Im Giebelfeld eine Rosette, beiderseits Akrotcrien. Das vertiefte Inschriflfeld h.o-52"', br. 044™, Buch- stabenböbe 004 — 006 ■". li
M(arciis) Domilius M(arcf) /{ilitis) Fa- bia Scv- eriis Brixsia ')
mil{es) Ieg{ion is) XI 5 ann{oriim) XXX stip(endioruiii)
VIII h{ic) s{ilus) eist) lieres posnit.
Durch das P'ehlen von C(laudia) p(ia) flide- lis) bei leg(io) XI ist für das Alter des Steines das Jahr 42 p. Chr. als terminus ante quem ge- geben, da die Legion in diesem Jahre zusammen mit der XXI wegen ihres Verhaltens beim Aufstande des Legaten Furius Camillus Scribo- nianus mit diesem Beinamen ausgezeichnet wurde.
Über einen dritten Stein, der unter dem In- schriftfelde die Reliefdarstellung eines chirurgischen Besteckes trägt vgl. Wiener Studien XXIV 149 ff.
Wien, im October 1902. HANS LIEBL
Fig. 16 Grabstelc aus Kistanje.
Preisausschreiben.
Im Sinne des Stiftbriefes über die Dr Leopold Anton und Marie Dicrlsche Preisaufgabenstiftung ist von Seite des ProfessorencoUegiums der philosophi- schen Facultät an der k. k. Universität in Wien
als Thema der fünften philologischen Preisaufgabc gewählt worden :
„Die griechischen .Sclavennamen sollen aus der gesamten antiken Überlieferung (Literatur, Papyrus,
') Vgl. Kubitschek, Imp. Rom. tributim discrip- tum 104 (PoUentia), 108 (Brixia).
') Nach gütiger Mitteilung des Herrn Dr R.
V. Grienberger, vgl. Holder, Alt-Celtiscber Sprach- schatz 458 und 498.
6*
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Preisausschreiben — Nachträge
Inschriften) gesammelt und nach ihrer Bedeutung, sowie auf ihr Verhältnis zu den Namen der Freien untersucht werden."
Für die beste Lösung dieser Aufgabe wird durch den gefertigten Ausschuß als Stiftungscura- torium hiemit ein Preis von fünfzig k. k. Ducaten ausgeschrieben.
Bewerbungsbedingnisse:
Zur Bewerbung werden gemäß dem Stiftbriefe nur Personen zugelassen, welche das Staatsbürger- recht in den im Reiclisrate vertretenen Königreichen und Ländern besitzen.
Die Arbeiten, welche noch nicht veröffentlicht worden sein dürfen und in deutscher Sprache ab- gefaßt sein müssen, sind in Reinschrift bis längstens I. October 1904 gegen Bestätigung bei dem Decanate der philosophischen Facultät der k. k. Universität in Wien einzureichen.
Jede Arbeit ist mit einem Motto zu versehen und derselben ein versiegeltes mit dem gleichen Motto versehenes Couvert beizulegen, in welchem ein Blatt mit dem Vor- und Zunamen, dem Stande
und der genauen Adresse des Autors und, falls nicht schon aus der Stellung des Preisbewerbers seine österreichische Staatsbürgerschaft hervorgeht, ein Be- leg der letzteren enthalten sein muß. Auf der Arbeit selbst darf sich keine Hiudeutung auf die Person des Autors vorfinden.
Die Prüfung der Arbeiten und die Entscheidung über die Preisbewerbung, welche dem Professoren- coUegium der philosophischen Facultät der k. k Universität in Wien zusteht, wird mit tunlichster Beschleunigung stattfinden.
Das Autorrecht an der prämiierten Arbeit ver- bleibt dem Verfasser. Die Zuerkennung des Preises kann unterlassen werden, wenn keine der eingereichten Arbeiten des Preises würdig erachtet werden sollte. Nichtprämiierte Arbeiten werden gegen Rückgabe der Empfangsbestätigung zurückgestellt.
Wien, am 27. Jänner I903.
Vom Ausschusse der
n.-ö. Advocatenkammer als Curatorium
der Dr Leopold Anton und Marie
Dierlschen Preisaufgabenstiftung.
Nachträge.
Zu Jahreshefte IV 209 verweist Franz Freiherr von Calice für die von K. Hadaczek besprochenen Mädchenstatuettten mit Vogel aufPausanias IX 39, 2: tpao£ 5' sviaüS-a (iv xm äJ.ast to5 Tpotpojvfou) °Ep- xuvav ö|J.o5 Köprj zy Ai^l^rjTpo; Tiat^ouaav xal exouaav X'Sjva dcfEivat xoijtov äxouaav Ig S^ ävxpov xoTXov laitxavTOj vtal ÖTtö \l9■o^^ äTtOKpö'jiavxog aötöv, ioeX- 9-oüaa -fj Eöpr) Xa|ipäv£i töv 5pvi9-a öjtö xtp Xf&tp xaTaxs(|i£vov fu'^vat TS Sv) ti Säujp 68-sv ävEtXsto ■^ KopTj xöv XiS-ov vcal 6v&iiaaS"^vai töv noxaiiov ejii xo6x(p X4f ouatv "Epxuvav. Kai sav. p.£V ixpöj x-^ &x^ zoü jioxa|io5 vaöj 'Epxüvy]?, iv 5h aüx(j> napS-ivo; X^va Ixouaa Iv xalj X^P'^'"' ''•■^^- ^S^- Compte rendu 1863 p. 19. 94.
Zu Jahreshefte V 169 f. bemerkt Paul Kretschmer zu der von Hartwig vorgeschlagenen Erklärung des A auf Schilden in Vasenbildern: „Abgesehen von dem schrägen Querstrich in A, der dazu nicht stimmt, kann es wohl nichts unpassenderes geben, als auf einem Schild ein Schildgestell abzubilden. Das wäre ungefähr ebenso sonderbar, wie wenn man auf einem
Schirm einen Schirmständer abbilden wollte. Es ist doch überliefert, daß auf den Schilden der Lakedai- monier ein A, auf dem der Sikyonier ein Sigma, auf denen der Messenier ein A\ stand (Eupolis fr. 359. ^^ = XaXxiSsXg Imhoof-Blumer, Monn. grecques 221).
Auch an das Q des korinthischen, das A der argivischen Münzen, das Koppa der aus korinthischen Gestüten stammenden xoTiTtaxiat ist zu erinnern. Das A auf den Schilden der Hoplitodromen dürfte also ä.9-rjvaiot, das auf dem Schild der Amazone Xna^öves bedeuten."
Zu Jahreshefte V 175 ff. , Antike Baumodelle' gibt Hugo Blümner folgende Nachweise: „Es handelt sich um die Erzählung von der ionischen Gesandt- schaft, die nach Helike kam, kurz vor dem Unter- gang der Stadt (373 v. Chr.); nach Diod. XV 49, I hatten sie das Orakel bekommen ä^töpüjiaxa XaßsJv ÖLKb xSv ctpxatov xal itpofovtxt&v aOxoc; Pianöv; sie erhalten dann diese äcpt§p6|iaxa nicht, s. ebd. § 2. Nach Strab. VIII 385 verlangten sie |idXiaxa |i£V xö ppsxag xoä Iloasiätövoj, et ik |i7), xotj -fs iepoO xr]v
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Nachträge
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ä(p(8pU(Jtv. Hier erlilärl der l'ariser Steplianus falscti: aut ipssm Neptuni Ileliconii ima^inem aut si illa negaretur aliam ad eius liabitum et formam afllctam. Das geht nicht, da toö £spo5 dabei steht. Sic wollen vielmehr, denUe ich, ein Modell des Tempels haben (nicht bloß einen tirundriß oder dergleichen), um darnach daheim den Tempel bauen zu können; und nach dem Untergang von Helike erhalten sie (auch Slrabo 1. c.) wirklich die ä(f (äpuoig von den Achaiern. Das erklärt Curtius, Peloponn. I 490: die Grund- mauern des Heiligtums seien noch erkennbar genug gewesen, um ausmessen zu können; aber nach allen Nachrichten versank ja die ganze Küste mitsamt dem Heiligtum spurlos im Meer. Also müssen die Achaier noch ein Modell ihres National- und Bundesterapels besessen haben.
In ähnlicher Bedeutung scheint mir äcftSpujia zu stehen Strab. IV 179; V 239; IX 403 äcftdpuiii- vov im Sinne von ,nach dem Modell gemacht.' Da- gegen sind sonst äcpi?pO|iaTa meist Statuen, so Diod. V 55; Exe. II G28, 92 Wess. (IV 79 ätftäpuä-^vai, auch von Statuen). Dion. Hai. II 22, 2, auch wohl mit dem Begriff der Nachbildung; ebd. VIII 56, 2. Ps. Plut., De musica 14 p. 1136 A. Wieder in etwas abweichendem Sinne, wie mir scheint, gebraucht Cic. ad Attic. XIII 22, 2 das Wort ätf(5pu|j.a. Endlich ist noch die Stelle Diod. XX 14 von den Karthagern und Tyrus: l7iE(i(|jav de Kai Toüg iy. TiSv fepräv xpoi^oüs vaouj Totg dcfi8pü|iaai npö; xr)v fxsaiav. Hier möchte man in den xp'J3^' vaoC goldene Tempelmodelle sehen, also äcfi3pö|iaTa tmv Espöjv; nun steht aber toi; äcftSpünaat da! Wesseling über- setzt: quin et aurea simulacris delubra e templis misere ad supplicationera, faßt also äcpi8pü|iaTa schlechtweg als Götterbilder. Auf alle Fälle bleibt die Rede- weise seltsam; wenn gemeint war, daß die goldenen Tempelchen den Göttern gesandt wurden, so hätte doch wohl TOij ö'eoi; gesagt werden müssen. Ob die Stelle kritisch in Ordnung ist? Was freilich Wesse- ling als Parallele citiert, Artem. Onir. IV 33 (vielmehr 31) KpaxLvo; äpfupoü vsib spfETnaraTY]?, ist offenbares Mißverständnis."
Modelle für Quader, aus weißem Ton, von der Akropolis in Athen beschreibt, wie Richard Schöne erinnert, Ross, Archäol. Aufsätze I 110.
Ein gleichfalls in Athen gefundenes Tonmodell eines Grabmonuments weist Adolf Michaelis nach: E. Curtius, Ein Lebensbild in Briefen, herausg. von Friedrich Curtius Berlin 1903 S. 128: „In einem ärm- lichen Grabe (an der östlichen .Stadtgrenze Athens)
fand sich in Tun gebildet ein ganz kleines, Icmpclartig construiertes Grabmonument, in welchem eine sitzende Krau dargestellt war. Da man nicht im Stande w;ir, der Verstorbenen wirklich ein solches Monu- ment auszuführen, gab man ihr als Zeichen des guten Willens wenigstens das Tonmodell davon in ihr ärmliches Zicgclgrab."
In einem bei der Tholos in Epidauros ge- fundenen Capital erkennt Kabbadias (Tö fspov To3 XavXijTHO'j 62) ein polyklclisches Modell, eine Ver- mutung, die von Hauser (Rom. Mitth. XVII 250) aufgenommen und weiter begründet wurde.
Zu S. 177 erinnert Paul Wolters an Pausanias VI 19, 2 (im Schatzhaus der Sikyonier des Myron): 4v äs x(7) Jhjaaupo) -/.ai 9-a),cc|icijj äüo inolriaz x4v (iev Atuptov, xov dk spYaataj x^j "Imviuv, x<*^>'^'5 I'^v ?T( aüxo'j; Impcov eip^aaiiivcu;.
Zu S. 190 bemerkt J. Reber: „Ob Fig. 56 wirk- lich mit dem Theater zusammenhängt erscheint mir fraglich. Ich denke an ein Haus mit einer Loggia, wie sie auch auf dem Mosaik von S. Apollinare nuovo mit der Überschrift Palatium vorkommt und glaube, daß die drei Türen vielmehr drei Fenster sind."
Zu Z. 191. Eine andere Deutung des Kyzikener Reliefs schlägt Friedrich Marx vor: „Ein Modell der Stadt Karthago in Form eines großen Kuchens i. J. 142 V. Chr. in Rom nach (Plutarch) Reg. et imperat. apophtheg. Scip. min. 1 1 oxi de'.Ttvtöv liöÄuxeXAs £v (p Xpöv(p KapxiläMV ^;toJ.£|Jistxo |iS>.(ji;i]Kxov, si; °X^I^* X'^; icdXso); StavtXaoa; v.cd xoöxo KapxTjäöva npoas'.- TiMV, Tipoöä-Yjxs dtapTiäoat xol; TcapoOai: ein Hronze- herd in Gestalt einer xsxpaTiup-fta im Mus. Nazionale in Neapel. Da nun auf dem Kyzikener Relief auf der einen Seite die Mischung des Weines durch den Diener dargestellt ist so ist es das nächstliegende zu vermuten, daß die andere Seite das Heranbringen einer Speise, d. h. eines in einen enganschließenden Rundtopf gestellten großen Kuchens in Gestalt eines Rundtempels (dessen Säulen infolgedessen nur halb sichtbar sind) durch eine DieneHn darstellt."
Alfred Brückner denkt an einen Vogelbauer, der Form nach entwickelt aus dem Typus des Ge- rätes Att. Grabrcl. Taf. CCIV. Der ,tenon sur le sommet' würde in einen Ring ausgegangen sein, der zum Authängen des Käfigs diente.
Zu Jahreshefte V Beibl. 3 ff. erinnert Richard Engelmann, daß die von Weisshäupl für die ephesi- sche Latrineninschrift angeführte Stelle aus Plut., De Stoic. repugn. c. 21 sv ik xtji Ttspl IlcX'.xefa; si-ü)v äxi s^Yfö; sa|ji£v toü xal xo-ptüvag ^w^pacfslv eine
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Nachträge
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merkwürdige Erläuterung durch einen Fund in Pompeji erfahrt. Dort hat man (Reg. V Ins. IV n. 9, vgl. Rom. Mitth. 1901 S. 326) einen Cesso gefunden, der an sich durch praktische Einrichtung sich aus- zeichnet (vor ihm dehnt sich eine zum Ausgießen von Flüssigkeiten dienende schräge Fläche aus, die Fußbank des Cesso ist von zwei Canälen durch- brochen, so daß die auf die schräge Fläche ausge- gossenen Flüssigkeiten unter der Fußbank wegfließen können, ohne diese zu beschmutzen) und außerdem durch das Bild einer Fortuna an der Wand verziert ist. Es müssen wohl besondere Umstände vorgelegen haben, die den Besitzer veranlassen konnten, diese Stelle mit dem Bilde der Fortuna auszuschmücken. 'Afa9'^ "^"JX^- Portes fortuna adjuvat u. a.
Zum vorliegenden Bande .S 93, 15 bemerkt nachträglich Fr. Hauser:
Solange die Magazine des Vatican wie bisher den Studien verschlossen bleiben, läßt sich nicht ent- scheiden, ob das genannte Fragment etwa von der andern Langseite des Sarkophags stammen könnte, der dann wie der Wiener Amazonensarkophag auf den ent- sprechenden Seiten identische Darstellungen getragen hätte. -Schließlich noch ein Moment, das unsere Combination stützt. Die Platte der Sammlung Chigi ist nur f6o™ lang, gehörte also, wie schon Petersen bemerkte, nicht zum Sarkophag eines Erwachsenen, sondern einer im Ephebenalter stehenden Person. Bekanntlich wurde Linos als früh verstorbener Jüng- ling im Klagelied betrauert. (Preller-Robert I 461).
O. B,
Nochmals die Aera von Eleutheropolis.
Unerwartet rasch erhalten wir ein neues Zeugnis dieser Aera durch einen vor kurzem in Beerseba gefundenen und in das Localmuseum von Jerusalem gebrachten Grabstein, dessen Inschrift Vincent in der Revue biblique XII (1903) 275 und Macalister im Quarterly Statement des Palestine Exploration Fund XXXV (1903) 172 veröffentlicht haben: -f Iv9-a5s •/EtTE 6 liaxaptoj Katounos XiXvjoio; dvsTtae |iy](vÖ5) \ealou ic tvo(«xctt)voj)c sxouj v-axä. 'EXsuS-gpü)- TioXtxa; S|iT -|-.
Die Lage des Stadtjahres 344 zur Indictions- zahl 6 ist die nämliche wie (Jahreshefte VI 51) die des .Stadtjahres 448 zur Indiction 5.') Da die Inschrift von Becrsabe nicht über die Mitte des vierten Jahr- hunderts zurückreichen kann und eher gegen dessen Ende zu rücken ist, wird meine Voraussetzung (ebenda S. 53)1 daß das Epochenjahr von Eleuthero- polis (und voraussichtlich auch das der Umnennung von Baitogabra in Eleutheropolis) „ein um je 15 Jahre oder ein Multiplum von 15 Jahren vor oder nach 4 n. Chr. zu setzendes Datum oder dieses Jahr selbst sei", dahin genauer bestimmt werden müssen, daß es
eher nach 4 n, Chr. anzusetzen sei: also 19, 34, 49, 64 ... .
Kaiumos ist ein AIAHCIOC. Die gleiche Heimat nennt ein anderer Stein von Beerseba, der einer Nivva Sxeifavou AIAHCIA (Revue bibl. 1903, 279). 'AiXvj- aios ist nicht, wie vermutet wurde, mit AlXta = Jerusalem, sondern wahrscheinlich mit der Hafenstadt Aila im nördlichsten Winkel des Meerbusens von Akaba zusammenzustellen; nach antiken Angaben lag sie auf halbem Wege zwischen Jerusalem und dem Berg Sinai, diesem etwas näher. üiXa, nach den Femininen der A-Declination declinierend, hat u. a. eine Nebenform AEXdv, von der das sonst übliche Ethnikon ÄiXavtxTj; gebildet ist. Von 'AtXd darf vor- aussichtlich das Ethnikon 'ÄiXrjatog ebenso abgeleitet werden, wie ^"avijaios von $aiva, der |i»iTpox(0(ila xci'J Tpaxwvo; oder Aipi^atoj von Aira in der Aura- nitis oder Naiiapyjaiog von Namara in der Batanaia. Ich verzichte darauf, aus entfernten Gebieten Ana- logien für diese im ganzen seltenere Bildungsform heranzuziehen wie PKjaatviiaio; (Rhesaina in Mesopo- tamien) oder 'IS-axijoioj (Ithaka).
W. KUBITSCHEK
') Die Monate Daisios und Xandikos fallen in durch einen Monat getrennt, in das gleiche Jahres- den bisher bekannt gewordenen syrischen Kalendern, viertel.
BEIBLAT'I
Grabreliefs aus Andros.
Wir teilen hier im Bilde nach Aufnahmen, die Schiff im Herbst 1897 in der heutigen Hauptstadt von Andros gemacht hat, drei Grabreliefs mit, von denen zwei bereits an zugänglichen Orten beschrieben, aber nicht abgebildet sind.
I. Von R. Weil im Jahre 1875 in Palaeopolis, am Orte der alten Stadt, gesehen; jetzt im Museum der Cbora (Fig. 17). Das Material ist grober schief- riger Marmor (.gelblicher' Weil); lang 1 ™, hoch '■53 ""j größte Tiefe 0-15 ". „Die Scene des Hegesograbmals erscheint hier im Flachrelief und umgekehrter Anordnung. Eine Frau sitzt auf einem Stuhl ohne Lehne; ihr rechter Arm ist auf den Schoß gelegt, der linke stützt das etwas gesenkte Haupt. Vor ihr steht rechts die Dienerin, welche mit der Rechten etwas aus dem geöffneten Schmuck- kästchen herausnimmt. Trotz mancher Mängel im Detail, dem eintönigen Faltenwurf am Gewand der Dienerin, dem übermäßig langen Oberschenkel der sitzenden Figur würde man die Entstehung einer früheren Zeit zuweisen als die, aul welche die Inschrift führt" (Weil). — Zuerst gesehen von Schaubert im Jahre 1847, vgl. Kopp, Arch. Anz. V 1890, 141 Anm. 55 XII 2; beschrieben von Weil Ath. Mitth. I 1876, 241,6 mit der Inschrift; MrjXia- paxTj; 'Xv5poj-KE(OS 1880, 125, 8; I. K. Apafaxarj^ Uapvaaao; V 1881, 787. — IG XII 5, 790. Die Inschrift lautet:
a) auf dem Profil, besser und älter: [K]X(ü8!a AüXou 9-UfäTYjp, luvi) 5e Epouatou toO
Aiaxtvo[u].
b) auf dem Reliefgrund über dem Kopfe der Herrin in flüchtigerer Schrift:
'Eptuxtv AüXou, -fU'/rj 5i Ataxivou xoO <I>iXov£äou (sie)
Weil bemerkt dazu, daß die obere Inschrift in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts (v. Chr. ist gemeint) geschrieben sei. „Römische Namen Jahreshefte des österr. archäol. Institutes Hd. VI Beiblatt.
können in dieser Zeit aul Andros um so weniger auffallen als die Insel nach der Eroberung durch Attalos und die Römer im Jahre 200 zunächst der
h"\^. 17 ürabreliof aus Palaeopolis.
pergamenischen, seit 133 der römischen Herrschaft unterworfen war." Es scheint klar, daß das Grabmal nur für eine Frau bestimmt war, vielleicht ursprüng-
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K. Hiller v. Gaertringen und A. Schifl'
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lieh für eine, deren Namen geschwunden ist; dann wurde es für Clodia, und später auch noch für ihre Schwester Erotin (= 'Eptuxiov) zurechtgemacht. Wenn bei den Namen kein Zufall waltet, könnte man die , zweite' Schwester für die Schwiegermutter der ersten halten, d. h. ihren Mann Aischines, Sohn des Philo- nides für den Vater des Prusias, Sohnes des Aischines. Jedenfalls kann zwischen der Anbringung der ersten und zweiten Inschrift kein allzulanger Zeitraum ver- strichen sein. Die eine könnte etwa um 100 v. Chr., die andere etwas später fallen. Die Zeit des Reliefs zu bestimmen wird anderen sicherer als uns gelingen.
2. In demselben Museum befindet sich ein kleines Relief, ebenfalls aus Palaeopolis stammend (Fig. 1 8). Ein
Jüngling mit kurzem Chi- ton und Gürtel. Diese Darstellung hat für Andres eine gewisse lokale Be- deutung gewonnen, weil die Tracht des Jünglings einst als Muster diente für die Tracht der Zög- linge des Kai'ris-W.iisen- hauses. Ist doch das Haus, in dem jetzt das Museum untergebracht ist, im Jahre 1853 von dem bekannten Theophilos Kai'ris gegründet, der eine Musterschule errich- tete, aber wegen seiner freien religiösen Richtung manche Anfeindungen er- fuhr (vgl. Brandis, Mitteil, über Griechenland I 299 (aus dem Jahre 1838). F. Curtius, Ernst Curtius, Ein Lebensbild in Briefen 215 (1839); MTjXiapdy.T/s 'Avbpoc, 54 u.a.). Das Volk von Andros nennt daher bis auf den heutigen Tag diese Kleidung die öptpavcxr) oxoXvj.
3. Früher (noch 1879, als es Schiff sah), einge- mauert im Hause des Nikolaos M. Kai'ris; I900 auch schon im Museum (Fig. 19). Weißer Marmor; hoch 0'77 ™, breit 038 '". Sitzender Mann nach rechts, vor ihm ein kleiner Knabe. Arbeit nicht übel, etwa spät- hellenistisch, aber sehr zerstört. Stammt auch aus Palaeopolis. MrjXtapdy.Y;j a. a. O. 124, 6; ipafdxari; a. a. O. 788; A. P. IIaax"'-''iS '^ 4>u)VY] f^; "^vSpou V 1899, 154, 3 (Ath. Mitth. XXIV 1899, 351, 4); IG XII 5 766. Inschrift mit ,apices', A, T^: 'AQvXd- Tccov I Ä.axXd7i(uvo{ | X"^^-
Fig. 18 Grabrelief aus Palaeopolis.
Der Eifer der Andrier um die Erhaltung ihrer Altertümer ist sehr anzuerkennen, besondere Ver- dienste hat sich Dimitrios Paschalis erworben, dem auch eine vo(ita|iaTty.Yj xfjc, viiaou "AväpOD in Svoronos Zeitschrift III 1898 verdankt wird. Auch in Palaeo- polis, von wo ja freilich alle wesentlichen Altertümer herstammen, bestand 1900 eine kleine Sammlung. Auch hier gehen die Wünsche noch weiter; wenn
Fig. Ig Grabrelief aus Palaeopolis.
wir 1900 den großen Adrarayttenerstein aus der Hauswand herausnehmen ließen, anfänglich gar nicht zur Freude der Besitzer, und ihn der Astynomie übergaben, damit auch er den Schutz des Museums genieße, so ist das Gleiche noch weit mehr für den Isishymnos zu wünschen, der außen in einer Haus- mauer von Palaeopolis verbaut ist. Schon jetzt ist in dieser wichtigen literarischen Urkunde, in der es auf jeden Buchstaben ankommt, vieles nicht mehr zu lesen, was Le Bas noch erkannt hat; wenn der Stein noch 50 Jahre an der Stelle bleibt, noch ein Dutzend.
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• iralircliffs niis Andrns
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mal mit K:ilU ühertiinclil und von E|)i(>rapliikcrn, die unseren Text revidieren wollen und revidieren müssen, wieder abgekratzt wird, um immer wieder verschmiert zu werden, dann wird sich sein Zustand noch mehr zu seinen Ungunsten von dem anßng- liclieii unterscheiden, als das Oxforder Marmor Parium von 11)03 sich unterscheidet von dem Stein, den
Seiden im siebzehnten Jahrhundert sah. Solche Wünsche sind leichter ausgesprochen als errüllt; aber bei der Einsicht und dem Eifer der griechischen Gcncralcphoric Uann man sicher sein, daß das Menschenmögliche getan werden wird um die natio- nalen Denkmäler zu erhalten.
F. HILLER V. GAERTRINGEN A. SCHIEF
Altertümer in Tola und Umf^ebung.
1. Baurestc und Griibcrfcld an der Kucht von Kisella.
An dem Strande des äußeren Hafenbeckens von l'ola wurde vor einiger Zeit am Nordufer der Bucht von Fisella bei einer kleineren Erdbewegung ein römisches Gräberfeld berührt, das sich gegen Val Zeno hinzuziehen scheint. Aufgedeckt wurden einige Skelett- gräber aus dachförmig zusammengestellten legulae (Marke: C€R* OPS* sonst sehr selten in hiesiger Gegend beobachtet), deren Stoßfugen mit imbrices überdeckt sind; an Beigaben fanden sich nur kleine, roh gearbeitete Gefäße. Nach einer Fundnotiz der ehemaligen k. u. k. Arsenals-Baudirection in Pola wurden bereits vor Jahren in dieser Gegend hart an der Küste antike Skelettgräber derselben Ein- richtung beobachtet.
Hemselbcn Berichte, der unter n. i;^G im k. u. k. Marine-Museum erliegt, entnehme ich weitere Mit- teilungen über Überreste eines antiken Bauobjectes aus der unmittelbaren Nachbarschaft des Gräberfeldes. Nach dem Fundbestand handelt es sich hier um Teile einer villa rustica, die sich unmittelbar am
Fig. 20 Villa an der Hucht von Kisolla
Strande von Fisella ungefähr dem modernen Molo gegenüber erhob (Grundriß Fig. 20). Seewärts sind die abschließenden Bauteile der Brandung zum Opfer gefallen, gegen Land sind noch weitere Mauerzüge unter dem Schutt begraben. Im Räume D, in der cella vinaria (Stärke der Mauer o-6o ") stehen in Reihen je vier große Dolicn aus gebranntem Ton, zur Aufnahme des Wein- mostes. Gleicher- weise enthielt der öst- lich anstoßende Raum noch eine Reihe von drei Tongefäßen, die von großen Dimen- sionen sind, (Höhe ■'35 ". größte Lichte 1-47 ", Wandstärke 0-04'", Fig. 21); der Boden zeigt in der
Mitte ein kleines kreisrundes Loch, das mit Blei vergossen ist. Ein Faß trägt am Mundsaum den Reliefstempel DYOdlS Zu jedem Gefäß gehört ein mit Griff versehener Deckel.
An den Raum D lehnt sich landwärts ein Gang F, westwärts ein Raum, der vielleicht nur teil- weise Eindeckung trug. Noch in situ steht bei S der untere Teil eines Säulenschaftes auf Sockel und in der Ecke der Rest einer Mühle, von der sich der aus Cementguß hergestellte Mühlstein erhalten hat. Daß man sich in dieser Villa auch mit der Herstellung von textilen Erzeugnissen beschäftigt hat, beweisen die zahlreich im Boden gesammelten Spinnwirtcl und Zeddelstrecker. (Vergl. zu dieser Anlage die Villa bei Boscoreale, A. Mau: l'ompeji 356 ff. und Schwalb, Villa bei Pola 3, 5.)
7'
Fiff. 21 Dolium.
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A. Gnirs. Funde in Pola und Umgebung
lOO
2. Brioni — Val Catena — Canal von Fasana.
Starke Ebben gestatteten mir im Monate Sep- tember die Untersuchungen des Meeresbodens in Val Catena behufs Festlegung der antiken Hafenanlagen und anderer Wasserbauten fortzusetzen. (Vgl. Jabres- hefte 1902 Beibl. 160 ff.) Ungefähr 40™ vom Strande entfernt wurden vor Object 3 der antiken Villen- anlagen im Anschluß an die Piscina Hafenniauern und derzeit noch nicht bestimmbare bauliche Über- reste unter Wasser festgestellt, die sich gegen den Ausgang der Bucht von Catena hin verfolgen lassen. Eine Untersuchung des eingeschwemmten Bau- schuttes ergab an Fundstücken: Marmorplatten (Bruch- stücke) von Wandverkleidungen (Material ortsfremd, in gelben und roten Färbungen), viele Scherben von Gefäßen und Amphoren, darunter ein Halsstück mit der Marke [ Ck'llll\ Ca(es)? Im Strandgeröll konnten wie früher nach jeder größeren Brandung zahlreiche Bleivergüsse aufgesammelt werden Hiebei fand sich auch ein zusammengeroll- tes Bleiplättchen (o'044™ X o'032°' X 0'002™ Größe), das geglättet einen erhabe- nen Rand und zwei sich kreuzende erhabene Dia- gonalleisten zeigte. In den beiden seitlichen Scheitel- winkeln in O'ooö ™ hoher Reliefpressung der Buch- stabe B (Fig. 22). Von kleineren Funden erwähne ich eine durchbohrte blaue Glasperle in langer Tro- pfenform. Eine systematische Untersuchung der Überreste von Val Catena, die reichen Ertrag verspricht, ist für das kommende Jahr in Aussicht genommen.
Im Canal von Fasana brachten Torpedoboote in den letzten Jahren wiederholt beim Auffischen gesunkener Torpedos größere Gefäßfragmente sowie ganze Amphoren von langer schmächtiger Form an die Oberfläche, kürzlich auch ein großes dickbauchi- ges Gefäß mit enger Halsöffnung. Eine Nachfrage bei Fischern von Fasana ergab, daß nördlich von Fasana in Nähe der Küste vor dem Val Murazzi und Val Madonna (bei Peroi) schon wiederholt antike Gefäße in geringer Tiefe gehoben worden sind, die von gesunkenen Schiffsladungen aller Zeit herrühren dürften. Zwei solche Stücke besitzt das k. u. k. Marine- Museum.
Fig. 22
Bleiplättchen von
Val Catena.
3. Funde in Pola.
a) Ärmliche Römische Gräber in der Via Giovia (October I902). Grabinventar: Tongefäße mit Leichen- brand, einfache Tonlampen, eine mit der Marke STROBILI (vgl. CIL V2 81 14, 126).
b) Eine Grabung an der Umwallung des Hafen- castells ergab im Laufe December Igoi sechszehn römi- sche Amphoren, denen sich später weitere zehn mehr oder weniger gut erhaltene Stücke anreiliten. Sie zeigen langhalsige Form (l™ Höhe) und zugespitzten Boden. Verticale Henkel laufen vom Mundrand bis an die Gefäßschulter. Ein Exemplar trägt am Gefäß- rand ' VT89I, drei andere zeigen eingeritzte Doppel- nuraerierung: I. CX (0'0l6 ™ h.); darunter XCIX (0-025 ■" h.). 2. X X Gl V (o-Oj » h.); darunter C C X C 1 1 (0-02" h.'. 3. M (0035"); die zweite Zahl ver- scheuert.
c} Unweit des Forums wurde im Hofe des Hauses Nr. 8 des Clivo Capitolino ein Mauerzug mit anschließendem Mosaikboden aufgedeckt. Dieser ist einfarbig schwarz mit weißer Bordüre auf gutem Unterbau aus opus Signinum. Gleichzeitiger Fund: einfache Tonlampe, einschnäuzig mit Bodenmarke YP. d) Werkstücke und Architekturteile, die einem öffentlichen Gebäude, vielleicht Tempel, angehören, verdankt das Museo civico einer Grabung im Hofe des Hauses Nr. 26 der Via Kandier. Bemerkenswert sind schön profilierte Ge- simsstücke von Mauern, die in einem spitzen Win- kel ineinander liefen.
T. Flavi[o Aiig[usti) l(iberlo) Heliae Dionvsii([s 5 Spur. Eiini R[tifi? amico
e) In Stignano bei Pola erwarb das Museo civico durcli Dr L. Schia- vuzzi, einen Cippus aus
Istrianer Kalkstein {075™ h.) mit obiger In- schrift in guten Charak- teren (Fig. 23). Buchstabenhöhe Z. I O'oC", Z. 2, 3 0-05 "■, Z. 4 0-037"', Z. 5 0-04".
Pola. A. GNIRS
Fig. 23 Inschrift aus Stignano.
Fig. 24 Felsgräber in Halikarnass.
Felsgräber in Halikarnass.
Inmitten des Stadtbezirkes von Halikarnass, in uni;efälir zwei Drittel der Bergholie erhebt sich aus dem an sich schon stark ansteigenden Gelände unvermit- telt eine steile 15 bis 20" hohe Fels- wand (Fig. 24\ de- ren Nase nach Süd- west verläuft. Von ferne schon markie- ren sich hier die Öff- nungen verschicdi- ner Felshöhlen, Im 1 deren Untersuchun ich zwei wohK i haltene Felsgräl i ausfindig machte.
Grab ^1. Die Höhle war, nach ihrem Munde zu
schließen, eine natürliche und wurde für den sepul- cralen Zweck künstlich ausgearbeitet und erweitert,
wie die zahlrei- chen Pickelhiebc in dem harten, wenig verwitterten, grau- braunen Trachyt- gestein beweisen. Um eine 4 "^ im Ticviert messende, il \ch gewölbte 350 IS 370'° hohe Mit- ilhalle" (Fig. 26) lauft eine 0'40 bis O'jO" hohe und 0"75 ■" breite aus dem natürlichen Fels herausgearbeitete, gut geglättete Bank 1,5 in Fig. 25), von der aus fast im näm-
21; Iniicn.lnsiclit von (.jrah .-l.
I03
Fr. V. V. Holbach
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31
I I I I I
Fig. 26 HorizontaUchnitt durch Grab A.
Fig. 27 Vcrticalsclinitl A ß durch Grab A
liehen Niveau sich die Grab- kammern öffiien: vier einfache und eine Doppelkammer rechter- seits, eine einfache und eine doppelte an der Rückwand, zwei einfache linkerseits un- mittelbar beim Eingange (s. den Horizontalschnitt Fig. 26).
Die rechtsseitigen Einzel- gräber sind von quadratischem Querschnitte (o-6o X 0'6o ™ vgl. Fig. 28), bei rgO " Tiefe; den nämlichen Querschnitt zeigt der Eingang zu der Doppelkammer, die sich im Grundrisse als Recht- eck von I'IO" Breite bei fqo™ Tiefe darstellt. Über dem Ein- gange befindet sich eine recht- eckige Vertiefung (0'6oXo-6o™), die möglicherweise zur Auf- nahme einer mit Inschrift oder Sculptur versehenen Steintafel diente.
Die Kammern der Rück- wand (r20 X igo"" und o'6o Xl"90") sind nicht auf den gegenüberliegenden Hauptein- gang der Halle orientiert, da, wie eine im unbenutzt geblie- benen Teile der Wand vorge- rissene Linearmarke, die in glei- cher Höhe mit der Sohle der Grabkara- mern verläuft, beweist, eine Erweiterung der Anlage vorgesehen war.
Die an der linken Seite der Wand beim Eingange befindlichen zwei Gräber stimmen in ihren Abmessungen mit den übrigen Einzelkammern genau überein.
Grab B nahe bei A, nur I — rjO" tiefer gelegen, zeigt eine abweichende Anlage (Fig. 29 und 30). Die natürliche Höhlung ist auch hier künstlich zu einer flach gewölbten Halle von rechteckigem Grundrisse, aber geringeren Dimensionen (2-50 ™ Tiefe bei gleicher Höhe) ausge- arbeitet, von der aus die Grabkamraem in den gewachsenen Fels eingetrieben wurden, aber abweichend von A, im nämliclien Niveau; zwei Einzelgräber von i-()0" Tiefe und o'oo " Breite öffnen sich
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Kelsgräbcr in Ilalikarnass.
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__ t,,o -»X
^SJiS^styjyjs*?
l'-iK.
in «Ut linken Wand. An der Rückwand fiiiirt ciiu' 0'75 ™ breite TiiröfTnun}^ durch eine aus dem na- türlichen Felsen heraus- gearbeitete Coulisse in einen Coraplex, der aus zwei Einzclgrabern, die in iliren Abmessungen den eben beschriebenen genau entsprechen, besteht, und einer vorgelegten gemein- Samen Halle von i'Sü™ Breite, i ™ Tiefe und rSo" Höhe.
Nahe der Felswand mit diesen Grab- anlagen finden sich noch zahlreiche Ein- zelgräber einfachster Anlage (rgo — 2"00"' tief, 0'6o — O'So," hoch und ebenso breit) in den Fels getrieben, die schlecht er- halten jedes architektonischen Interesses entbehren.
Während alle diese Clräber in halber Berghöhe, somit unzweifelhaft im alten Stadtgebiete liegen, traf ich weitere An- lagen etwa '/j Stunden entfernt am Fuße des Hügels, der mit einem 8 — 12™ hohen Steilab- falle sich zur Nordseite des Naturhafens von Budrum senkt. Zahlreiche Gräber finden sich hier reihenweise übereinander in den weißen Kallcfelsen eingearbeitet.
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Fig. 29 Horizontalschnitt durch Grab B.
llurizontalschnitt durch Grab C.
wovon mehrere sich nach ihrer Breite als Doppelgräber zu er- kennen geben. Bei der geringen Beständigkeit des Steines (Kalk- steinbreccia) ist der ganze Coni- plcx stark verwittert.
Dicht bei diesen Reihen- gräbern findet sich eine weitere Anlage, Grab C (Fig. 31).
Durch eine O'öo"' breite Tür- öffnung tritt man in eine Halle von 2-50X2'50"' Grundfläche
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Fr. V. V. Holbacli, Felsgräber in Halikarnass
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und 2 "^ Höhe mit flacher Decke. Der Türe gegenüber liegen zwei Einzelgräber, 2™ tief, o'8o™br., 0'6o™ h., also von oblongem Querschnitt gegenüber dem quadra- tischen der am Bergabhange gelegenen. Linkerseits der Vorhalle befindet sich zunächst ein infolge Ver- witterung eingestürztes Einzelgrab, welches jetzt als natürliche Öffnung ins Freie führt; weiter rückwärts ein Doppelgrab (2 ™ 1., 2 " br., 0'6o "^ h.). Nahezu entsprechend rechterseits vorne wieder ein Einzelgrab (2 X 0'8o " und 0"6o ™ hoch), in dessen Mitte eine
r30°' lange, o'50 ™ breite, 015™ tiefe Vertiefung sicher die Einbettung eines Sarkophages darstellt. Dahinter wieder ein Doppelgrab l"40™ br., 2™ t., o-6o " h.
Sämtliche Gräber dieser Anlage liegen 0'30 "■ über dem Niveau der gemeinsamen Vorhalle; auch sind sie etwas geräumiger als die oben am Berge gelegenen; Einzelgräber unten: 2Xo"8oXO'6o™ gegen vgo X 0'6o X o'6o " oben.
Smyrna. FR. V. v. HOLBACH
Ein Münzenfund aus Südwestungarn.
Herr Leopold v. Lieben, Vice-Gouverneur-Stell- vertreter der österr.-ungar. Bank, hat einen auf seinem Landgut bei Veszprem am Plattensee in diesem Früh- jahre gehobenen Münzfund erworben und dem archäo- logischen Institute dankenswerterweise zur Publication überlassen.
Das Depot war auf einem Hügel namens Kab- hegy, fast auf seinem Gipfel, gefunden worden und umfaßte zwei Denare des Septimius Severus
Cohen ^ 602 restituior orbis
und des Elagabal l8<) p m tr p IUI cos III p p sowie 140 Antoniniane, nämlich: Gordianus 109 iovi statori
142 liberaliias ang III (2 Exemplare) 348 Victor aeler (2 Exemplare) 404 virtuti augusli (2 E.\emplare) Philippus der Ältere 25 annona aug 41 felicitas leinp 50 fides exercitiis 136 p m [tr p III cos I]I \p] p 165 roiiiae aeternae 185 sacciilares aiigg, im Abschnitt \j 240 virtus aiig Otacilia 27 concordia aiigg 20 iuno conserval 53 [pudicitia atig] Decius 25 dacia 27 dacia 86 pai.noniae Etruscilla 8 feciinditas aug
19 pudicitia aug (3 Exemplare)
Herennius 38 spe[_s publica] (ein Splitter) Hostilianus 6 acquitas aug
37 felicitas publica
46 iuno martialis
84 pielas augg 107 rotiiae aeternae aug Volusianus 20 concordia augg (2 Exemplare)
88 pietas augg
<)2 p m tr p IUI cos II 127 Victoria aug, im Abschnitt \j . Aemilianus g dianac viclri
Valerianus 18 apolini conserva
25 apolini propug
53 felicitas augg (4 Exemplare)
65 fides niilituin (4 Exemplare)
75 fortuna redux
83 iovi conserva loi laetdia au[gg] 105 libertitttas augg 113 liberalitas augg 135 oricns augg (4 Exemplare) 147 pax augg 152 pietas augg 179 restitut ge[neris huinani] 183 restituior orbis 203 securil perpet 208 spes publica (2 Exemplare) 221 Victoria augg
230 Victoria augg (2 Exemplare)
231 Victoria augg Var. 255') viel par[t]
') Aber die Victoria hält nicht einen Kranz in der Linken, sondern stützt diese auf einen Schild;
ebenso auf drei Stücken der Wiener Sammlung =- Voetters Atlas der Münzen des Gallienus und seiner
log
\V. Kuliitsclitli, VAU .\Iün/,cnfimcl aus Südwcslungarn
I lO
Var. 263 viiiiis (iH^rg' (Vorderseite mit imp c p lic valeiiaiiHs p f aug) Mariniana 14 coiisccralio Gallienus 131 coiicordia cxcrcit (4 Kxemplarc) 306 genniiniciis maxiiiitis (3 F.xempl.) 308 gc-nitii{nicus] iiiax v 351 iovi conserva 435 laelilia augg 438 laelilia aiig[^] 441 laelilia augg 566 libci alilas augg Var. 571 libcralis aug (Vorderseite mit imp c p lic gallicuHS aug)
750 pax augg
751 pax augg
792 oder 793 piclas augg 888 proviiicnlia augg (2 Exemplare) 940 Salus augg (2 Exemplare) 1045 viel genii 1173 vicloria german Var. II 98 victoriae augg il germ 1206 virt galliciti aug 1272 virlus augg (2 Exemplare) 1282 virlus augg (3 Exemplare)
1288 virlus augg (3 Exemplare)
1289 virlus augg (2 Exemplare) [13072)] virlus augg
Salonina 67 iuno rcgina (21 Exemplare) 78 pielas augg
84 pielas augg 12 Exemplare) 137 vesla (3 Exemplare) „Saloninus" 5 coiisacratio 6 consecratio
26 iovi crescenti
45 pielas augg (2 Exemplare)
47 piclas augg
56 piclas augg Dies die in den Besitz Leopold v. I.icbens ge- langten Münzen, wie die Finder behaiiptelcn: der gesamte Scliatzfund. Der Fund ist klein und besteht obendrein fast nur aus ganz gewöhnlichen Sorten. F.r enthält kein Silber des Alexander Severus und des Maximinus, so daß die beiden Denare, der des Septimius Severus und des Elagabal, noch deutlicher als zuf.illiijer Anhang der kleinen Geldsumme er- scheinen. Der Hauptstock des Fundes reicht vom Jalire 240 bis etwa 260; Münzen des Gallienus, die mit .Sicherheit der Zeit seiner Alleinherrschaft zuzuweisen wären, umfaßt er nicht. Aus diesem Grunde würde der Fund trotz seiner Kleinheit bei der immerfort strittigen Frage nach der Scheidung der Gepräge des Saloninus und eines jüngeren Valcrian gute Dienste tun, wenn Voetters These, daß für diesen jüngeren Valerian überhaupt kein Reichsgeld ge- schlagen worden sei — oder wie er, jedcsfalls damit zu weitgehend, sich ausdrückt „der Valerianus iunior ist zur Fabel geworden" (Num. Zeitschr. XXIII 190I S. 80) — sich nicht durchsetzen sollte.
Wien. W. KUBITSCHEK
Ausgrabungen bei Szamosüjvar.
Um das bei Szamosüjvar gelegene r<)mische Lager, über das ich erstmals in den Arch.-epigr. Mitth. XIV 168 ff.') ausführlich berichtet habe, in den Einzel- heiten der Anlage klar zu stellen, veranlaßte der Verein des Szolnok-Dobokaer Comitates für Literatur,
Geschichte und Volkskunde eine Tiefgrabung, die ich im Herbste 1901 durchführte.-)
Auf einer das umliegende Terrain um 2"° über- höhenden, gegen Norden und Osten abdachenden Ebene gelegen, weicht das Lager in seinem Grund-
Familie Taf. 15, 33; keines der Wiener Stücke ent- spricht Cohens Beschreibung.
2) Offenbar schlecht beschrieben. Die Wiener Münzsammlung hat vier der Kabhegyer Münze gleiche Stücke (n. 19880 — 19883) mit CALLIENN/S" P" F' AVC; der Krieger hält mit lier Rechten schräg den .Speer, mit der Linken ein stehendes Signum. Während des Druckes erhielt ich von Oberstlieutnant Voetter, der die Gallienus-.Serien des Pariser iMünzcabinets durchgesehen hat, die brief- J.ihresheftc des österr. archäol. Institutes BJ. VI IVMblatt.
lieh erbetene Auskunft, daß er kein den Ang.aben Cohens 2 n. 1306. 1307 entsprechendes Gepräge in Paris bemerkt habe und ihre Richtigkeit in Zweifel ziehe.
') Seither wurde der Umriß in die Militär-Landes- aufnahme Zone 17, Col. XXX. Sect. S\V mit der Bezeichnung „römisches Lager" aufgenommen.
2) Vgl. Különnyomat a szolnok-dobokamegyei irod.almi, törtinelmi lis cthnographiai tarsulat 3-ik evkönyv^böl. 1903.
8
III
J. Ornstein
112
risse von dem gewöhnlichen rechteckigen Schema ab, indem die Westflanke nicht in einer Geraden verläuft, sondern gebrochen ist.
Da die Ostflanke infolge des Terraingefälles be- sonders stark bewehrt sein mußte und sich in der Tat hier allein eine Böschung nach innen erhalten hat, setzte die Untersuchung hier ein.
Die Länge dieser Seite berechnet sich entgegen meiner früheren Angabe von 150°" nach den nun- mehr durch Planierung des Terrains ermöglichten genauen Messungen auf 162" einschließlich der tiefen Grube, an deren Stelle sich einst der südliche Eck- turm erhob.^)
Anderthalb Meter unter dem heutigen Niveau trafen die Versuchsgräben auf die Umfassungsmauer, deren aufgehendes, aus opus incertum erstelltes Mauer- werk in der Höhe von durchschnittlich o^G"" er- halten war bei einer constanten Stärke von ri4'". Im vorgelagerten Schutte befanden sich bis auf 6" Entfernung zahlreiche Architekturslücke: Stelen, Basen, Rund- und Halbsäulen ; zwei anscheinend nicht zur Verwendung gelangte behauene Steinquadern (o-So™ h-, 070™ beziehungsweise O'Sa" br., 0-44™ beziehungsweise 0*49 ""d.) lagerten unmittelbar bei einer starken Tafel gelöschten Kalkes, so daß hier augenscheinlich ein Werkplatz vorliegt.
Die ursprüngliche Höhe des Mauerkörpers be- rechnet sich nach den hiefür allgemein gültigen forti- ficalorischen Gesichtspunkten*) mit Einschluß der Fundnraentierung auf ungefähr 5™.
Die Mauer war an der Innenseite von einem stellenweise an der wohlerhaltenen Kieselpflasterung noch deutlich kennbaren Wallgange von I "" Kronen- breite begleitet, in dessen Nähe Bruchstücke von Ton-, Bein- und Eisengeräten sowie Lanzenspitzen zu Tage kamen. Die der Mauer vorgelegten fortifi- catorischen Glieder, Berme, Escarpe, Contreescarpe waren nicht mehr mit Sicherheit zu constatieren.
Das Tor wurde durch einen mittseits der Flanke vorgetriebenen Versuchsgraben an der zu vermutenden
.Stelle angeschnitten und ergab überraschenderweise noch so viel Details, daß seine Anlage in allem Wesentlichen sichergestellt ist.
Die Flanken des Complexes springen über die Umfassungsmauer nach außen um 4", nach innen um 5™ vor. Der Durchlaß mißt 3-50™ lichte Breite. Vom Pflaster haben sich zahlreiche Platten mit Rillenspuren erhalten sowie ein stark abgenutzter Schwellstein von aoö"" Länge und O'yo™ Breite und ein Bruchstück mit eingearbeiteter schmaler Rinne, die allem Anscheine nach für die Aufnahme eines Fallgitters diente. Wichtiges Detail ergab sich von den Torflügeln: die beiden eisernen Angeln, wovon die eine wohlerhalten war und noch Reste des Holz- zapfens aufwies, femer zahlreiche Bruchstücke eiserner Platten von 8 — 1 1 m™ Dicke, mit Löchern, in denen teilweise noch die Nägel sitzen, fraglos also die Überreste des Beschlages, und eine massive eiserne Handhabe.
Beiderseits des Durchlasses wurden mit Estrich- boden versehene Wohnräume freigelegt, die nach anderen Analogien als Wachelocalitäten zu deuten sein werden.
Zur Untersuchung, ob die Ecken Türme auf- wiesen oder, wie z. B. an der Saalburg, nur durch Risalite an der Außenseite der Umfassungsmauer verstärkt waren, bot sich nur die nördliche dar, da an der südlichen alles Lagerhafte der Ausbeutung auf Steinmaterial zum Opfer gefallen ist.°)
Die Grabungen an der Nordecke förderten zu- nächst Bausteine schwersten Kalibers, Sockel- und Gewölbequadern, Hohlziegel u. dgl. in beträchtlicher Anzahl zu Tage, die dem Eckturme zugehörten, der alsbald angeschnitten wurde. Seine Mauer ist a'ßo™ stark und mit dem Radius von jös"" gekrümmt. Die Umfassungsmauer geht nicht mit einer Rundung, sondern mit einer Knickung in die Nordflanke über, deren Untersuchung einem späteren Zeitpunkte vor- behalten bleibt, ebenso wie die des Inneren, die sich durch die dermaligen Pachtverhältnisse verbietet.
^) Die übrigen festzustellenden MalJe sind: 133™ für die merkwürdigerweise verkürzte Nordflanke, 55°'~|~I02°' für die gebrochene Westflanke; den Abschluß gegen Süden bildet eine durch Auf- ackerung völlig verwischte Gerade von beiläufig 169"" Länge. Die Fläche des gesamten Areales be- trägt 2-5 Hektar.
*) Vgl. Der röm. Limes in Österreich II 25 f.
') Überhaupt wurde das Lager seit alter Zeit
für Bauwerke der Umgebung als Steinbruch benutzt. So z. B. für die im 13. Jahrhundert errichtete Kirche in dem 3 Kilometer entfernten Szamosujvar-NÄmeti, in deren Nordmauer verschiedene römische Sculp- turen eingebaut sind; gleicherweise im 16. Jahrhundert für die Veste des Martinuzzi, die jetzige Strafanstalt, und im 18. für die armenisch-katholische Pfarrldrche; am Beginn des 19. Jahrhunderts für den Bau des Armenhauses und Spitals.
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Ausgrabungen bei Szamosüjvär
114
In gleichem Abstände vun Tor und Ecklürracn konnte je ein Zwischenturm constatierl werden, die nacli aulien um 2"", nach innen um 4'50"' aus der Flucht der Umfassungsmauer vorsprangen.
An Funden, zumeist Grabsteinen, am crgicl)igsten erwies sich die Strecke zwischen dem Tore und dem nördlichen Eckturme, von wo sämtliche nachstehend beschriebenen und jetzt im Vereinsmuseum zu Des verwahrten Stücke herrühren.'')
A. Sculpturcn.
1. Quader, 0-87 "■ hoch, 0'49 ™ breit, o'S ' "' dick (Fig. 32 und 33). An zwei anstoßenden Seiten profiliert und mit Reliefs geschmückt: auf der einen Seite in 0*65 ™ hohem und o"36™ breitem Spiegel Dar- stellung eines Delphins, auf der andern in O'ög" hohem und 0'36'° breitem Spiegel ein Gegenstand, der kaum etwas anderes als eine Tuba darstellt. Deutlicher wird dies, wenn man sich vergegenwärtigt, daß der Stein jetzt verkehrt stellt, wie aus der Stellung des Delphins und einem in der jetzigen Standfläche be- findlichen Dübelloch von O'IO"" im Geviert und O'O/"" Tiefe erhellt. Gefunden beim nördlichen Zwi- schenturm.
2. Oberteil eines Grabsteines r05" h., o'yi "' br., o'lS"" d. (Fig. 34.) Von der Hauptdarstellung in ein-
^'i&' 34 Bruchstück eines Grabsteines.
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Fig. 32 und ^^ Reliefquadcr.
getieftem Relieffelde ist nur der Ober- teil eines m.ännlichen Kopfes erhal- ten. Darüber aus dem gerauhten Spiegel des Steines in seichtem Relief durch Eintiefung der Conturen ge- wonnen die Dar Stellung ein ermit zwei l^ferden bespannten Biga; darauf sitzend der Kutscher mit Peitsche in der Rechten. Vgl. u. a. eine ähnliche Darstellung unter dem In- schriflfelde eines Grabsteines in Karlsruhe: AVeynand, Form und Decoration der römischen Grab- steine der Rheinlande im ersten Jahrhundert. Bonner Jahrbücher H. 108/9 ^- -'4 °- '61 u. S. 237. 3. Unterer Teil eines Grab- steines in zwei Stücken o 56™ h., o-äs"" br., 0-12°' d. (Fig. 35.) In
•) Über andere Fundorte von Grabsteinen s. Arch.-epigr. Mitth. XIV 172, 175; Arch. Ertesitö XIII 349. Die Nekropolis verlegt Torma (Jahrbuch
des Sieben bürger Museums -Vereins I 31) in den Winkel zwischen dem Mühlgraben und dem toten Szamos-Arme.
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J. Orn stein
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flachem Relief ist der servus des Verstorbeoen mit zwei Pferden dargestellt; das rechterseits nur zum Teil erhalten, das linke zeigt Sattelung. Darunter
Fis- 35 Bruchstück eines Grabsteines.
in besonderem Felde anscheinend ein Brot und zwei Gefäße. Über gleichartige Nebendarstellungen auf Grabsteinen vgl. Weynand a. a. O. S. 237 und Ku- zsinszky, Römai Köemlekek az Aquincurai Muzeura- bau Budapest I901 S. 30.
Fig. 36 ilännliclier Kopf.
^'S- 37 Inschrift aus Szamosüjvär.
4. Männlicher Kopf mit heraushängender Zunge, etwas überlebensgroß. Gefunden beim nördlichen F.ckturme (Fig. 36). Das Materiale ist sedimentäres Gestein, ein Quarz und Hornblende füh- render Tuff (Dacit- tuff" nach den Geolo- gen Hauer und Stä- che), der unter atmo- sphärischen Einflüs- sen ungemein rasch verwittert. Aus dem nämlichen Materiale sind auch die übri- gen Fundstücke ge- arbeitet; allein trotz dieser Übereinstim- mung, die sicli dar- aus erklärt, daß dieses Gestein allein in der Umgegend ansteht, ist es in Hinblick auf die
Darstellung, für die ich kein entsprechendes antikes Seitenstück ausfindig zu machen vermochte, nicht aus- geschlossen, daß das Stück aus einer jüngeren .Schichte herrührt.
B. Inschriften.
I. Inschriftstein (Fig. 37) 072™ hoch, 0-82™ breit; Höhe des Inschriftfeldes 0'48°'. Rechts ver- brochen. Inschrift veröffentlicht und im wesentlichen ergänzt im Arch.Ertesitö XXII (1902) 337:
Fcryetuam fam[^am] —^, — Cm; gloriae
semper proscquitiir mints pielalc naii fr[e]qut'ntaiii vixisti grate c[onvi^vio celcbiaiünr amici aLicniumg{ue) Vcile nobis pientissima mater.
F(..) /(. .) r{. . .).
2. Zwei zusammenpassende Bruchstücke einer Grabstele ; das größere 0"66 ^ b., 0'4I™ br., O'IS"" d.; das kleinere 0'3l" h., 0"25'° br.. Der links teilweise erhaltene Rahmen wird von einem Pilaster gebildet, der mit Traubengeranke in flachem Relief geziert und als Träger des Giebels gedacht ist, von dem nur der untere Teil einer menschlichen Figur erhalten ist (Fig. 38). Darunter die Inschrift in schönen Buch- staben (o-oS"" h. in Z. I, sonst o'o6™).
117
Ausgrabungen bei Szamosi'ijvar
ii8
r
Fig 38 Bruchstück eines Grabsteines.
D(iis)] M{aiiibus) ü[lpiae? Tn-
boiiia[iiae ia
Sectiti[ä
Uli fiilia) ma[ltr el . . . .
5 Candi[d
coni[ug
Aviliis
v{i)x(i)t an\jiis ....
3- Bruchstück einer Grabstele, nur rechts un- versehrt, I-I7°' h., 0-46°' br., 0-21" d. Der archi- tektonische Rahmen bestand aus zwei korinthischen (?1 Spiralsäulen in Relief, die einen Bogen tr.ngen. Inner- halb desselben Darstellung einer auf einer Kline lagernden Frau, die mit dein rechten Arme einen Säugling umfängt, in der halberhobcnen Linken eine Schale hält. Vor der Kline ein dreibeiniger Tisch, rechts daneben ein Mädchen stehend (Fig, 39). Die Inschrift ist zu unvollständig und schlecht erhalten, um eine Ergänzung zu erlauben.
Fig. 39 Bruchstück eines Grabsteines.
4. Vier aneinanderpassende Bruchstücke einer Inschriftplatte, zusammen 0"24'° h., 0'33"'br., 0'o8 d. Reste einer Grabschrift (Fig. 4o\
Fig. 40 Inschriftfragmente.
Z. 2 abrq'l]um im[iiialura morle? Z. 3 vixii fl»/]((«i XI.
119
J. Ornstein, Ausgrabungen bei Szamosüjvär
I20
5. Vier Bruchstücke, die nach dem Schrift- tera Rahmen die Inschrift, links davon unbärtige charaliter der nämlichen Inschrift zugehören. Indes männliche Figur anscheinend mit phrygischer Mütze, schließen nur zwei Stücke unmittelbar an, sodaß ein zu- also doch wohl Attis, obwohl der pfahlartige Gegen-
■Jl.
Fig. 41 Inschriftfragmente.
sammenhängender Text nicht zu gewinnen ist (Fig. 41).
6. Linke obere Ecke eines Grabsteins o'56™ h.,
O'sS"" br., 0"24 "^ d. (Fig. 42). Stark verscheuert.
Im oberen Felde Rankenwerk, darunter in profilier-
Fig. 42 Bruchstück eines Grabsteines.
stand rechts nicht mit Sicherheit zu erkennen und zu deuten ist. Eine gleiche Darstellung ist rechts vom Inschriftfelde anzunehmen.
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J. ORNSTEIN
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